TROTZ ALLEDEM!
Arbeiterbewegung und Migration
Vorbemerkung
Warum diese Artikelreihe ?
Ein Ausgangspunkt für uns in der Organisierung ist, daß wir KommunistInnen verschiedener Nationalitäten sind, die in der BRD ihren Lebensmittelpunkt haben. Es ist richtig und notwendig, daß wir uns gemeinsam in einer kommunistischen Organisation gegen den gemeinsamen Klassenfeind organisieren. In der Bewegung der Arbeiterklasse gilt es praktisch die Einheitsfront der deutschen und immigrierten ArbeiterInnen zu erkämpfen und die Spaltung zu überwinden. Vorrangig ist dabei, ideologisch und politisch den deutschen Chauvinismus, der sein Netz tief im Bewußtsein der deutschen ArbeiterInnen - ja bis in die Reihen der RevolutionärInnen hinein- verankert hat, zu schlagen. Der unerbittliche Kampf gegen jede seiner Äußerungen ist unabdingbar um innerhalb des deutschen Proletariats die Einheit der deutschen und immigrierten ArbeiterInnen und KommunistInnen in der Praxis zu erkämpfen.
Die immigrierten ArbeiterInnen werden besonders unterdrückt. Ihre konkrete Lage, ihre besondere Rechtlosigkeit, ihre verschärfte Ausbeutung und Unterdrückung, ihre eigene nationale Herkunftskultur und politische Prägung erfordert spezifische Kampfaufgaben. Der Kampf für ihre spezifischen Interessen muß fester Bestandteil des Klassenkampfes des Proletariats insgesamt sein, der sich das Ziel setzt, das kapitalistische System zu stürzen. Um die Einheit des Kampfes zwischen deutschen und immigrierten ArbeiterInnen unter den ImmigrantenarbeiterInnen zu verwirklichen, ist auch ein ideologischer Kampf gegen nationalistische Abschottung erforderlich.
Diese gesamte Ausgangssituation erfordert für den Aufbau der Kommunistischen Partei in der BRD heute besondere Organisierungsformen für die immigrierten ArbeiterInnen vorzusehen. Die Anforderung ist -richtig gewichtet- einer proletarisch-internationalistischen Organisierung gerecht zu werden, ohne die besonderen Bedingungen einfach vom Tisch zu wischen.
Wir haben unsere Positionen hierzu in dem Artikel "Die bolschewistische Partei muß internationalistisch aufgebaut werden" ("Trotz Alledem!", Nr. 4) entwickelt. Wie in der Vorbemerkung zu diesem Artikel schon angekündigt, wollten wir die Diskussion anhand von Grundpositionen der Kommunistischen Weltbewegung und konkreter geschichtlicher Erfahrungen vertiefen.
In vielen Diskussionen die dieser Artikel provoziert hatte, standen immer wieder folgende Fragen im Vordergrund:
Wie war die Haltung der Klassiker des Marxismus-Leninismus und der Kommunistischen Weltbewegung zur Frage der Migration? Welche Politik verfolgten die Herrschenden und wie war die Haltung der KommunistInnen dazu? Kann man von einer "fortschrittlichen Bedeutung" der Migration sprechen? Wie wurden die Auswirkungen der Migration kommentiert? Welche Forderungen wurden aufgestellt, wie die Organisierungsfrage angepackt? Wie stellten sich die Gewerkschaften zu dieser Frage? Welche Politik verteidigte die internationale und deutsche Sozialdemokratie nachdem sie auf die Seite der imperialistischen Bourgeoisie eingeschwenkt war? Welche politischen und organisatorischen Konsequenzen wurden von den KommunistInnen in den einzelnen Ländern daraus gezogen? Wieso besondere Organisierungsformen, die Kommunistische Partei ist doch ihrem Wesen nach internationalistisch? etc.
Auch diese Fragen machten eine weitere Untersuchung der Erfahrungen in der Vergangenheit notwendig.
Darüberhinaus ist es natürlich für uns als Initiative, die eine bolschewistische Partei aufbauen will, notwendig einzuschätzen, in welcher Frage können wir uns positiv auf die Erfahrungen der Kommunistischen Internationale wie auch konkret die der Sozialdemokratie und später der KPD beziehen, was sind für uns Anknüpfungspunkte und wo wurden Fehler gemacht, aus denen wir lernen und die wir vermeiden müssen. Also, es gilt für uns den Erfahrungsschatz der Arbeiterbewegung kritisch auszuwerten.
Klar war von Anfang an, daß es kein "allgemeingültiges Rezept" für alle konkreten Situationen gibt. Zu studieren waren die notwendigen Ausgangspunkte der marxistisch-leninistischen Prinzipien für
* die Einheit des Weltproletariats,
* die Notwendigkeit des Zusammenschlusses der ArbeiterInnen der unterdrückenden Länder mit dem Proletariat der unterdrückten Länder,
* die Einheit des Proletariats im jeweiligen Land,
* die Erfordernisse des Kampfes gegen den Chauvinismus und den Nationalismus,
und wie sie in unterschiedlichen historischen Situationen verteidigt und angewandt wurden.
Im vorliegenden Artikel umreißen wir marxistische Ausgangspositionen zur Migration, Diskussionen in der kommunistischen ArbeiterInnenbewegung und die Positionen der Revisionisten um in einem weiteren Artikel in der nächsten "Trotz Alledem!" die Frage der "Arbeits- und Lebensbedingungen von ausländischen ArbeiterInnen in Deutschland seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts" anzugehen. Weiter geplant sind Artikel zu "Die Einwanderung in der wiedererstarkenden BRD" und "Debatte über Positionen der linken und der sich auf den Marxismus-Leninismus berufenden Bewegung zur Migration".
In der Vorbereitung des nachfolgenden Artikels hat sich uns beim Lesen eines umfangreichen, für uns sehr spannenden und aufschlußreichen Materials gezeigt, daß viele Fragen, die wir heute diskutieren überhaupt nicht "neu" sind.
Die Politik der Herrschenden gegenüber MigrantInnen hat sich de facto nicht geändert. Sie ist keineswegs neu, sondern quasi alle Argumente und daraus folgenden politischen Maßnahmen - seien es Maßnahmen zur Assimilierung der erwünschten �Ausländer�, seien es besondere Diskriminierung und Repression der Immigranten, sei es die Hetze um die Arbeiterklasse zu spalten - alles gab es, bzw. gibt es schon seit Beginn der Beschäftigung ausländischer Arbeiter.
Je nach Konjunktur treten unterschiedliche Argumente und Maßnahmen in den Vordergrund, aber dem Kern nach ist die Politik der Herrschenden unverändert. Auch die Argumente der reformistischen liberalen �Ausländerfreunde� haben sich keinen Deut geändert.
Was die Haltung der KommunistInnen anbetrifft, so ist von ihnen die Frage "Ausländerbeschäftigung, Wanderarbeiter, Migration - die Politik der Herrschenden und wie müssen die Kommunisten sie bekämpfen", umfassend behandelt worden. Auf mehreren internationalen Kongressen, Parteitagen und Gewerkschaftskongressen wurde diese Frage auch sehr selbstkritisch angesprochen, in der Presse diskutiert und eine klassenkämpferische Praxis entwickelt und immer wieder überprüft.
Wir sind auf unzählige historische Beispiele von Klassensolidarität, Maßnahmen zur Aufklärung und Organisierung der immigrierten Arbeiter, gemeinsamen Kämpfen und ideologisch-politischen Kampfansagen an den Chauvinismus und Rassismus innerhalb der "inländischen" ArbeiterInnenbewegungen gestoßen.