TROTZ ALLEDEM!

 

1. In Ländern mit einer großen Zahl ausländischer Arbeiter (Vereinigten Staaten, Lateinamerika, Frankreich, Australien, Kanada, Belgien, Südafrika) wird die Arbeit unter den ausländischen Arbeitern zu einer der wichtigsten Aufgaben der revolutionären Gewerkschaftsbewegung.

Die ausländischen Arbeiter, die der elementarsten Rechte beraubt sind und sich in viel schlechteren Verhältnissen als die einheimischen und ortsansässigen Arbeiter befinden, stellen unter den kapitalistischen Verhältnissen billige Arbeitskräfte dar, welche die Unternehmer auszunützen suchen, um ihre Profite zu erhöhen und um die Kämpfe der einheimischen Arbeiter abzuwürgen. Die Politik der Kapitalisten auf dem Gebiet der Einwanderung bildet einen Bestandteil der gesamten imperialistischen Politik, die darauf gerichtet ist, die Arbeiterklasse zu spalten.

Jetzt, da die Weltwirtschaftskrise hereingebrochen ist, sind die ausländischen Arbeiter als erste den Schlägen der Unternehmeroffensive ausgesetzt. Gestützt auf den Staatsapparat, auf den Sozialfaschismus, auf die reformistischen und sonstigen reaktionären Verbände, steigern die Kapitalisten die Ausbeutung der ausländischen Arbeiter aufs äußerste und bilden aus ihnen zur Zeit der Streiks einheimischer Arbeiter Streikbrecherkader. Die Regierungen reagieren auf die Linksentwicklung der breiten Massen der ausländischen Arbeiter damit, daß sie ihre Repressalien gegenüber denselben verschärfen. Gewöhnlich pflegen am Vorabend wirtschaftlicher Streiks die grausamsten Repressalien gegenüber den ausländischen Arbeitern angewandt zu werden. Es erfolgen Massenentlassungen und Ausweisungen, gleichzeitig werden unter den ausländischen Arbeitern faschistische Organisationen geschaffen, der Nationalhaß zwischen den Arbeitern des betreffenden Landes und den Einwanderern angefacht usw. Die reformistische Gewerkschaftsbürokratie übt den ausländischen Arbeitern gegenüber dieselbe Taktik; sie macht alle Anstrengungen, um die ausländischen Arbeiter daran zu hindern, aktiven Anteil an der revolutionären Gewerkschaftsbewegung und am Klassenkampf zu nehmen.

Was das Problem der Erwerbslosigkeit anbelangt, so ergreift die reformistische Bürokratie die Initiative, dieses dadurch zu lösen, daß die Einwanderer massenhaft nach der Heimat zurückbefördert werden und die Einwanderung unter dem Vorwand des Schutzes der nationalen Arbeit verboten wird; ebenso unterstützt sie die dahingehenden Pläne der Bourgeoisie.

Die Roten Gewerkschaften und die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition müssen dieser Politik der Reformisten eine energische Arbeit zur Herbeiführung einer Einheitsfront der einheimischen und ausländischen Arbeiter auf dem Boden eines gemeinsamen Schutzes der allgemeinen Interessen der gesamten Arbeiterklasse des betreffenden Landes sowie der speziellen Interessen der ausländischen Arbeiter entgegenstellen.

Die größte Beachtung ist dem Kampf gegen die Versuche einer Faschisierung der ausländischen Arbeiter zu widmen, die von den Regierungen und den Konsulaten derjenigen Länder unternommen werden, aus denen die ausländischen Arbeiter mit Unterstützung der sogenannten demokratischen Regierungen und der reformistischen Führer ausgewandert sind. Man muß einen gemeinsamen Kampf der einheimischen und ausländischen Arbeiter gegen diese Politik organisieren.

2. Der reformistischen Politik der "Einwanderungsregelung" (Auslese, Beschränkungen, Verbote usw.), die unter Beteiligung des Internationalen Arbeitsamtes betrieben wird, und ähnlichen Tendenzen, die sich sogar in den Reihen der revolutionären Gewerkschaften geltend machen, müssen die Anhänger der RGI den Kampf um völlige Freiheit der Aus- und Einwanderung, den Kampf um den Schutz der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Interessen der ausländischen Arbeiter entgegenstellen.

Die Anhänger der RGI müssen einen energischen Kampf für das Asylrecht, für völlige Gleichstellung, gegen Entlassung und Ausweisung ausländischer Arbeiter gegen jegliche Beschränkung ihrer bürgerlichen und gewerkschaftlichen Rechte, für die Abschaffung jeglicher Ausnahmegesetze für die Ausländer (Ausländergesetze, besondere Steuern, Personalausweise usw.) führen. Sie müssen systematisch und energisch für die Ausdehnung der sozialen Gesetzgebung auf die eingewanderten Arbeiter gegen die weitere Verschlechterung der an und für sich schon schlimmen Verhältnisse, in die sie auf dem Gebiete der Sozialversicherung häufig geraten (französisches Gesetz), und für gleiche Löhne kämpfen. Auf die Politik der gegen die Ausländer gerichteten Maßregelungen muß man in jedem konkreten Fall damit reagieren, daß man gemeinsame Solidaritätskundgebungen der einheimischen und der ausländischen Arbeiter organisiert (Straßenumzüge, Streiks usw.). Diesen Kampf muß man mit der allgemeinen Bewegung gegen die Repressalien verknüpfen.

Bei den Anhängern der RGI, macht sich gegenwärtig Unterschätzung der Arbeit unter den Ausländern, opportunistischer Mangel an Interesse für diese Arbeit und Mißachtung der speziellen Forderungen der Ausländer geltend. Ungenügend entwickelt ist der Kampf gegen die chauvinistischen Strömungen gegenüber den ausländischen Arbeitern.

Außer den Sprachsektionen auf sämtlichen Stufen der gewerkschaftlichen Organisationen muß man auch für mehrere Verbände Sprachkomitees ins Leben rufen, welche die Arbeit unter den Arbeitern der entsprechenden Nationalität zu leiten haben; außerdem ist es erforderlich, an den Aufnahmestellen für Einwanderer an den Grenzen und in denjenigen Gegenden, wo sich die Einwanderer niederzulassen pflegen, Zentralbüros für ausländische Arbeiter zu schaffen.

Alle diese Organisationen sind von den entsprechenden revolutionären Verbänden einzurichten, welche auch die Tätigkeit dieser neuen Organe leiten und kontrollieren sollen. Dabei muß man autonomistische Tendenzen, falls sie unter den Sprachgruppen auftauchen sollten, bekämpfen, andererseits müssen die Sprachgruppen bei der Organisierung und der Leitung der Arbeit unter den ausländischen Arbeitern größte Elastizität und Biegsamkeit an den Tag legen.

Die revolutionäre Gewerkschaftsbewegung muß rückhaltlos die Bildungs-, Sport- und die sonstigen Organisationen unterstützen, die die Klassenerziehung der Arbeiter fördern, und unter den ausländischen Arbeitern für den Beitritt zur revolutionären Gewerkschaftsbewegung werben. Auch für die Betätigung in den Streikleitungen müssen die ausländischen Arbeiter gewonnen werden.

Besonders große Aufmerksamkeit muß man der Arbeit unter den eingewanderten Saisonarbeitern schenken, die in großer Anzahl aus faschistischen Ländern eintreffen, in denen der weiße Terror herrscht, und wo die revolutionäre Gewerkschaftsbewegung zum unterirdischen Dasein verurteilt ist. Dadurch muß erreicht werden, daß die ausländischen Saisonarbeiter nach ihrer Rückkehr in die Heimat zu aktiven Kämpfern der revolutionären Gewerkschaftsbewegung ihres Heimatlandes werden.

3. Das Problem der Kader hat für die ausländischen Arbeiter eine ganz besonders große Bedeutung, da ihre aktive Beteiligung an der Gewerkschaftsarbeit und an den Kämpfen der Arbeiterklasse gewöhnlich zu einer Entlassung der fortgeschrittensten Elemente und zu einem Nachlassen der Bewegung unter den ausländischen Arbeitern führt. Infolgedessen muß die revolutionäre Gewerkschaftsbewegung alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der ausländischen Arbeiter vor Maßregelungen ergreifen und gleichzeitig die Ausbildung und Erziehung neuer Kader steigern und dieses Problem mit der allgemeinen Aufgabe der Schulung von Gewerkschaftskadern verknüpfen (entsprechende Vertretung in den Schulen, in den Kursen und Konferenzen).

Die Arbeit unter den ausländischen Arbeitern muß auch von den revolutionären Gewerkschaftsorganisationen derjenigen Länder ausgeübt werden, aus denen die ausländischen Arbeiter eingewandert sind. Zu diesem Zweck ist folgendes erforderlich:

a) den Auswanderern von der Lage in dem Land zu berichten, wohin sie sich begeben, und sie mit der revolutionären Gewerkschaftsbewegung dieses Landes in Verbindung zu bringen;

b) die Auswanderer zum Kampf gegen die Faschisten und Reformisten in denjenigen Ländern, in die sie auswandern, vorzubereiten;

c) Solidaritätskundgebungen mit den Arbeitern der Länder, aus denen die Einwanderer stammen, zu organisieren.

4. Der V. Kongreß der RGI erinnert an die Beschlüsse des III. und des IV. Kongresses über die Schaffung eines Internationalen Auswandererbüros der RGI, und stellt fest, daß diese Beschlüsse nicht verwirklicht worden sind. Deshalb beauftragt er das neue Vollzugsbüro, ein solches in kürzester Frist zu schaffen. Wichtigste Aufgabe dieses Büros ist die Sammlung von Material über die Arbeit unter den ausländischen Arbeitern, die Vorbereitung einer Konferenz der revolutionären gewerkschaftlichen Organisationen der Aus- und Einwanderer, die Ausnutzung der diesbezüglichen internationalen Erfahrungen und die Leitung der Arbeit unter den ausländischen Arbeitern im Geiste der Beschlüsse der RGI-Kongresse.

Bei der Durchführung der Arbeit unter den ausländischen Arbeitern ist ganz besondere Beachtung den Aufgaben der Arbeit unter den aus den Kolonien und Halbkolonien stammenden Arbeitern zu schenken.

(Die Kampfbeschlüsse des V. Kongresses der RGI, 1930, Teil I, S. 51-53)