TROTZ ALLEDEM!
DER CHAUVINISMUS IN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATIE
Innerhalb der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands war ein extremer Verfechter der nationalistisch-opportunistischen Position Franz Laufkötter. Nach dem Amsterdamer Kongreß von 1904 verteidigte er die Resolution der Minderheit. Er trat offen für ein Einwanderungsverbot von Arbeitern bestimmter Rassen und Nationen ein. Wir wollen einige Beispiele anführen. In dem 1904 erschienenen Artikel "Das Verhältnis zwischen einheimischen und fremden Arbeitern" verficht er seine "Realpolitik":
"Will man Gegenwartspolitik treiben und nicht Zukunftsmusik machen, so muß man eben unterscheiden zwischen Arbeitern, die aus einem Kulturlande kommen und solchen, die rückständigen Nationen angehören."
Er fordert Abgrenzung sowohl "von den Phrasen der Mordspatrioten, die in jedem Ausländer einen minderwertigen Menschen erblicken, wie von der Überschwenglichkeit eines Internationalisten, der jeden Ausländer, und sei es der schmierigste Chinese oder der unkultivierteste Botokude in schwärmerischer Begeisterung an sein Herz drückt." ("Sozialistische Monatshefte", 1904, "Das Verhältnis zwischen einheimischen und fremden Arbeiter", S. 221 und 230)
Max Schippel beteiligte sich an der Diskussion mit einer Broschüre: "Die fremden Arbeitskräfte und die Gesetzgebung der verschiedenen Länder". Dies war eine vorbereitende Materialsammlung für den Stuttgarter Internationalen Kongreß.
In der Vorbemerkung erklärt Max Schippel, daß es ihm darum gehe "Einwanderungsbestimmungen überhaupt zu sammeln und übersichtlich darzustellen", und "Der Zustrom ausländischer Arbeitskräfte verschiedenster Art hat bereits die meisten europäischen wie überseeischen Staaten vor recht widerspruchsvolle Probleme gestellt. Ich hoffe durch das Folgende manchem Leser ein klareres Bild der bisher hervorgetretenen Konflikte und Abhilfebestrebungen zu verschaffen. Eine eigene Stellungnahme hervorzuheben und zu begründen, ist hierbei natürlich nicht meine Aufgabe und Absicht." Dementsprechend ist auch die ganze 62 - seitige Broschüre aufgebaut. Es werden bestimmte Entwicklungen und durch und durch rassistisch verfaßte Gesetzesmaßnahmen angeführt, teilweise aber alles in der Form einer Schilderung der Politik der Regierungen, oder teilweise der Gewerkschaften, ohne das aber in irgendeiner Form zu kommentieren. Obwohl man in dieser Frage absolut nicht neutral sein kann und in einer marxistischen Darstellung natürlich unbedingt eine politische Einordnung vorgenommen werden muß. Am Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika geht er auf die "Chinesengesetzgebung" ein: "Als willenlose Hilfskräfte und unterwürfiges Dienstpersonal in den Goldgräbercamps als bescheidene Nachzügler an den schon ausgebeuteten, halb oder ganz verlassenen Fundstätten dann als Kolonnen beim Damm und Eisenbahnbau, als Gärtner und Farmarbeiter waren die Kuli zunächst willkommen oder doch geduldet. Das änderte sich vollkommen, nachdem durch kapitalistisch gut organisierte Schifffahrtsverbindungen der Zustrom aus dem Reiche der Mitte zu ungeahntem Umfang anschwoll". Im weiteren Text zitiert Schippel dann ohne sich davon mit einem Wort auch nur abzugrenzen den Gouverneur Leland: "Nach meinem Dafürhalten sollten wir unbedingt die Ansiedlung einer niedriger stehenden Rasse, mitten unter uns, mit allen zulässigen Mitteln zu verhüten suchen. Asien mit seinen ungezählten Millionen sendet die Hefe seiner Bevölkerung nach unseren Küsten. Von dieser Rasse haben wir nun schon eine grobe Zahl hier und wenn wir nichts zur Zurückdämmung dieser Einwanderung tun, so wird die Entscheidung, welche der beiden Einwanderungsströmungen, die an den Küsten des Stillen Ozeans zusammenstoßen, zurückweichen muß, dereinst unserer Erwägung aufgezwungen werden, wenn ein Ausweg viel schwerer zufinden ist. Es steht außer Zweifel, daß das Dasein von einem niederen und abgesonderten Volke in unseren Reihen einen verschlechternden Einfluß auf die höhere Rasse ausüben und bis zu einem gewissen Grade die wünschenswerte Einwanderung abstoßen muß. Ich sehe eine dankbare Aufgabe darin, mit der Legislatur gemeinsam und innerhalb der verfassungsmäßigen Grenzen darauf hinzuarbeiten, daß die Einwanderung der asiatischen Rassen unterdrückt werde." (S. 3) Schippel spricht weiterhin im gleichen Tenor wie der Gouverneur vom "Kampf gegen die gelbe Gefahr", (S. 10), und behauptet: "bei kommunalen und staatlichen Wahlen spielt dieses fremde Element stets eine große, oft eine ausschlaggebende aber leider ebenso oft eine beschämende und verhängnisvolle Rolle." Danach zitiert er den "American Federationist", das Organ der gewerkschaftlichen Federation of Labor vom Oktober 1905: "Man stelle sich vor, was das bedeutet. Nach 75 Jahren Agitation und Erziehung hat die Gewerkschaftsbewegung es so weit gebracht 2,5 Millionen amerikanischer Arbeiter zu organisieren. Sie hat gekämpft für eine vernünftig beschränkte Arbeitszeit und einen angemessenen Lohn. Sie hat gekämpft für Hebung der Lebenshaltung, für eine selbstbewußte mannhafte Unabhängigkeit. Und nun werden in fünf Jahren, nur fünf Jahren, 3,5 Millionen unorganisierter, unerzogener unamerikanischer Arbeiter in das Land hereingelassen, um mit unseren Arbeitern zu konkurrieren, um für wenig Geld lange zu arbeiten, um unsere Lebenshaltung wieder zu senken, um in jeder Weise die große Arbeit, die von den Gewerkschaften geleistet wurde zu bekämpfen." (S. 10)
In dem Artikel "Die fremden Arbeitskräfte in Deutschland und die preußisch deutsche Gesetzes- und Verwaltungspraxis", ein Nachtrag für den Stuttgarter Internationalen Kongreß von Max Grunewald wird konkret auf Gesetze gegenüber Einwanderern in Deutschland eingegangen. In diesem Zusammenhang, wo es ja eigentlich für jeden Kommunisten darum gehen muß, sich gegen jegliche Sondergesetze und für eine gesetzliche Gleichstellung der ausländischen mit den inländischen Menschen auszusprechen, zitiert Grunewald als positives Beispiel was "unser Genosse Dietz" auf einer Reichstagssitzung sagte: "Das wissen auch wir, daß sich die Einstellung ausländischer Arbeiter kaum ganz umgehen lassen wird. Aber ausschließlich ausländische Arbeiter einzustellen, das scheint mir denn doch weiter nichts zu sein, als Lohndrücker ins Land zu ziehen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Und Lohndrücker sind es auch, die da herangeholt werden. . . Soviel sei indessen gesagt: meistens treten die Arbeiter, die aus dem Ausland nach Deutschland geholt werden, als Lohndrücker den einheimischen Arbeitern gegenüber auf, wenn nicht als noch etwas Schlimmeres. Ich verweise nur auf den Import englischer Streikbrecher nach Hamburg anläßlich der Aussperrung der Schauerleute. Es gibt auch ungeschriebene Gesetze, die nicht übertreten werden dürfen. Aber von noblesse oblige scheint man in Hamburgischen Reedereien nicht viel zu wissen, sonst hätten sie nicht den Abschaum Englands nach Deutschland geschleppt, um deutsche Staatsbürger existenzlos zu machen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) In den Vereinigten Staaten, meine Herren wären diese Streikbrecherschiffe gar nicht zum Landen zugelassen worden, man hätte sie direkt wieder nach England zurückgeschickt. Aber bei uns, im Lande der Sozialreform, war es möglich, daß ein solcher unerhörter Unfug verübt werden konnte dann würden wir möglicherweise in der Lage sein, Ihnen (der Regierung A.d.V.) manche von den Sünden, die sie den deutschen Arbeitern gegenüber auf dem Gewissen haben, zu vergeben. (Lachen rechts. Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)". ("Die Neue Zeit, 1906-1907, Band 2, S. 585)
Gustaf Eckstein ist ein weiterer typischer Vertreter einer durch und durch chauvinistischen Position in der Frage der Einwanderung. Seiner Meinung nach haben in dieser Frage in erster Linie die Vertreter der Einwanderungsländer das Sagen. Die Vertreter der kolonialen, vom Imperialismus ausgebeuteten Länder, aus denen die Werktätigen durch die Politik der Imperialisten gezwungen wurden in die imperialistischen Länder zur Arbeitsaufnahme auszuwandern, die durch die Politik der Imperialisten Diskriminierten, besonders Benachteiligten, und Ausgebeuteten, haben nach der Meinung von Gustaf Eckstein nicht viel mitzureden. So erklärt er gleich zu Beginn seines Artikels "Zur Kulifrage":
"Es ist vorauszusehen und auch in der Sache wohl begründet, daß bei der Diskussion der Einwanderungsfrage auf dem Stuttgarter Kongreß und insbesondere bei der Besprechung der so schwierigen Kulifrage das Schwergewicht hauptsächlich bei den Vertretern derjenigen Parteien liegen wird, nach deren Ländern sich der Strom der Einwanderer in erster Linie richtet". ("Die Neue Zeit", 1906-1907, S. 548)
Der Grund für diese chauvinistische Haltung liegt darin, daß er die chinesischen Einwanderer, von denen er überheblich-rassistisch als "die Kulis" oder "John Chinamann" spricht, als unkultiviert und rückständig abstempelt. Ihre Beschäftigung ist seiner Meinung nach für die entwickelten Arbeiter des Einwanderungslandes gefährlich. Aber, da Gustaf Eckstein von sich selbst behauptet Internationalist zu sein und auf dem Klassenstandpunkt zu stehen, muß er seinen Chauvinismus und Rassismus ja verbrämen. So erklärt er, daß wenn man vom Klassenstandpunkt aus an die Frage herangeht, die Lösung nicht darin bestehen kann, "daß man die ungebetenen Gäste einfach von der Schwelle weist". (S. 548) Aber daß es sich um "ungebetene Gäste" handelt, die man eigentlich also gar nicht im Land haben will, ist klar. Er führt im weiteren die besondere Ausbeutung der chinesischen Arbeiter, ihre Wohn- und Arbeitsbedingungen an und fordert dann, eine Gesetzgebung gegen uneingeschränkten Arbeitszeittag, und eine Kontrolle der Wohnungen durch die Wohnungspolizei unter dem Gesichtspunkt, ob die den chinesischen Arbeitern angebotenen Wohnungen auch einem Mindeststandart an hygienischen und gesundheitlichen Zuständen entsprechen. Diese auf den ersten Blick natürlich demokratischen Forderungen stellt er aber nicht, weil die chinesischen Arbeiter unter lebensunwürdigen Bedingungen leben und arbeiten. Nein, er stellt diese Forderung und begründet sie einzig und allein vom Standpunkt des "einheimischen" Arbeiters. Denn bessere Wohnungen bedeuten höhere Mieten, höhere Mieten bedeuten daß die chinesischen Arbeiter sich nicht mehr so billig verkaufen können, und das läuft nach Ecksteins Meinung darauf hinaus, daß einheimische Arbeiter wieder bevorzugt werden.
Gustaf Eckstein sagt, daß das Proletariat der Einwanderungsländer den
"Schäden dieser Immigration am besten begegnen kann, wenn es bestrebt ist, die Lage der untersten Schichten des Proletariats durch Akte der Gesetzgebung zu heben." (S. 549) denn "Sowie alle diese Formen der Ausbeutung eingeschränkt, und die Arbeitszeit auf allen Gebieten gesetzlich eingeschränkt wird schwindet John Chinaman der Boden unter den Füßen. Sobald der Unternehmer die Arbeitszeit seiner willenlosen Arbeitssklaven nicht mehr ins Ungemessene ausbeuten kann, wird er es sich wohl überlegen, einen billigen, aber langsamen Arbeiter an die Stelle eines zwar teureren dafür aber ungleich produktiveren zu setzen. Auch hier erscheint also als der wirksamste Schutz gegen die Konkurrenz der Kuliarbeit eine wirksame Sozialpolitik auf dem Wege der Gesetzgebung." (S. 551)
Herr Eckstein sucht also mit allen Möglichkeiten nach Maßnahmen die den immigrierten Arbeiter am besten von vorneherein vom Arbeitsprozeß ausschließen. Die Reformforderungen, die er stellt werden chauvinistisch und reaktionär begründet nicht um die Einheit der einheimischen und ausländischen Arbeiter zu erkämpfen, nicht um die unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen der immigrierten Arbeiter zu verbessern, nein ausschließlich und vor allem um dem "besser gestellten" Arbeiter seine "Vorrechte" zu erhalten. Anstatt der Konkurrenz, die der Kapitalist anheizt und ausnutzt, den Kampf anzusagen, wird einem Teil der Arbeiter, und zwar ihrem niedergehaltensten, "der Kampf angesagt".