TROTZ ALLEDEM!

 

Vorbemerkung der Redaktion:

Am 25. März 1999 verurteilten wir in einem Flugblatt den NATO-Angriff auf Jugoslawien. Es wurde auf vielen Aktionen und Demonstrationen verteilt und führte zum Teil zu sehr heftigen Diskussionen. Wir haben versucht unsere Einschätzungen zur Situation auf dem Balkan und den neueren Entwicklungen zu vertiefen. In wichtigen Fragen sind wir aber noch in der Diskussion und haben noch keinen endgültigen Standpunkt erarbeitet. Das betrifft Fragen wie die Einschätzungen der Komintern zur Balkanfrage, die Forderung nach einer Föderation der Arbeiter- und Bauernrepubliken des Balkans als einziger wirklicher Lösungsmöglichkeit, eine umfassende Einschätzung der historischen Entwicklung in Jugoslawien. Darüberhinaus sind wir aufgrund des Mangels an Informationen und Dokumenten nicht in der Lage zu beurteilen, welche wirklich revolutionären Kräfte es in den jeweiligen Ländern gibt und welche Alternativen sie heute stellen. Wir wollen mit diesem Artikel einige Gesichtspunkte vertiefen und mit euch darüber diskutieren.

 

In der Nacht des 24.März 1999 begann der Nato-Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Zum ersten mal seit dem Zweiten Weltkrieg beteiligte sich auch Deutschland direkt wieder an einem Krieg. Nato-Kampfflugzeuge und Bundeswehr-Tornados bombardierten Jugoslawien und den Kosovo. Im Gegensatz zum Golfkrieg gab sich die NATO Militärmaschine nicht die Mühe eine scheinbare internationale Legitimation in Form einer UN-Resolution für den Angriffskrieg zu holen. Damit wurde das erste Mal von der NATO ohne einen UN-Beschluß in ein UN-Mitgliedsland interveniert. Die NATO startete in einer Nacht- und Nebel-Aktion den Krieg auf dem Balkan. Der NATO-Krieg auf dem Balkan begann aber nicht erst mit dem Krieg um Kosovo. Er war auch kein Akt einer Friedensmission um die Befreiung der Kosovo-Albaner vor dem Milosevic-Regime, wie es die Imperialisten uns gerne glauben machen möchten.

Rechtzeitig zum 50. Jahrestag der Gründung der NATO wurde die NATO "reformiert". Was seit dem Zweiten Weltkrieg den Imperialisten in Worten "hoch und heilig" galt, z.B. "Nichteinmischung in innere Angelegenheiten von Ländern", "Territorialverteidigung gegen Angriffe auf einen Mitgliedstaat" usw. hat nun keine Geltung mehr. Die Eingriffsvorwände wurden entsprechend ausgedehnt: jetzt ist von Einsätzen gegen "Risiken umfassender Natur" die Rede. Die Bundesrepublik Jugoslawien (bestehend aus den 2 Republiken Serbien und Montenegro. Kosovo und Vojvodina sind Provinzen in der Republik Serbien) -selbst UN-Mitglied- wurde von der NATO angegriffen. Vorangegangen waren eine verschärfte Unterdrückung der albanischen Bevölkerung des Kosovos und sich zuspitzende Kämpfe zwischen serbischer Polizei und Militär auf der einen und der UCK auf der anderen Seite, die zunehmend militärisch aufgerüstet wurde. Die westlichen Imperialisten griffen ein "für" Kosovo im Namen des "Selbstbestimmungsrechts der Völker" und der "Menschenrechte". Doch es war und ist ein reaktionärer imperialistischer Krieg gegen die Völker Jugoslawiens. Begründet wurden diese Bombardements offiziell damit, daß die BR Jugoslawien dem Vertrag von Rambouillet nicht zustimmte. Der Vertrag von Rambouillet bedeutete aber in der Tat die Besetzung Rest-Jugoslawiens durch die NATO. Der "kleine Gangster" Milosevic sollte sich dem Diktat der "großen Gangster", den imperialistischen Großmächten beugen. Es war ein Krieg, vor allem geführt von den europäischen Sozialdemokraten und auch den "pazifistischen" Grünen. Es war ein Krieg der gleichgeschalteten Medien und Informationen. Die moralische Rechtfertigung bestand - wie nun ein Jahr später selbst einige bürgerliche Journalisten zugestehen - in übertriebenen und gefälschten Berichten über einen "Genozid" an der kosovarisch-albanischen Bevölkerung. Kein anderer als der Grüne Außenminister Fischer stellte den ungeheuerlichen Vergleich zu Auschwitz an. Die Informationen Scharpings, der NATO und Konsorten stellten sich als völlige Übertreibungen und vielfache Fälschungen heraus. Die nationale Unterdrückung gegenüber der albanischen Bevölkerung durch die serbischen Herrschenden, die seit Jahrzehnten existierte, hielt unvermindert an und verstärkte sich, aber nicht in den von der NATO angegebenen Dimensionen. Das war reine Kriegspropaganda. Mit den wochenlangen Bombardements auf Serbien, Montenegro und auch im Kosovo wurden Tausende von Menschen getötet, selbst Flüchtlingstrecks, (die ja angeblich geschützt werden sollten) wurden weggebombt. Das waren dann eben "Kollateralschäden". Die Vertreibung Hunderttausender Albaner aus dem Kosovo durch die serbische faschistische Armee und Polizei setzte dann erst während der militärischen Intervention der NATO richtig ein. Die Folgen von diesem Krieg sind Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, Hunger, Elend. Die Infrastruktur ist völlig zerstört, ganze Fabriken niedergebombt, die Natur und Menschen aufgrund der Bombardierungen von Chemiekonzernen für Jahrzehnte verpestet. Ein Jahr nach Kriegsbeginn bestätigte die NATO im Kosovokrieg uranhaltige Geschosse eingesetzt zu haben.

Ein weiteres Beispiel für die Heuchelei der imperialistischen Großmächte zeigte sich in ihrer Flüchtlingspolitik. Während auf der einen Seite angeblich für Menschenrechte bombardiert wurde, wurden auf der anderen Seite Tausende von Flüchtlingen aus der BRD wieder nach Bosnien-Herzegowina abgeschoben. Die wenigen albanisch-kosovarischen Flüchtlinge, die in den westlichen Ländern aufgenommen wurden, unterliegen den gleichen menschenverachtenden Lebensbedingungen wie alle Flüchtlinge in den Metropolen.

Das Ergebnis des aktuellen Krieges:

Ein weiteres NATO-Protektorat ist entstanden. Obgleich bei Kriegsende der Kosovo in den Abkommen zwischen NATO und dem jugoslawischen Staat weiterhin Teil der Bundesrepublik Jugoslawiens sein sollte, ist er es nur noch formal. Eine ähnliche Situation wie mit Südkurdistan und Irak. Aufgeteilt in internationale Besatzungszonen, unterstellt der NATO-Militärmacht, wird de facto der Aufbau eines neuen Staatswesens unter Vorgaben der Großmächte in enger Zusammenarbeit mit den Nationalisten der UCK durchgezogen. Was natürlich nicht ausschließt, daß es auch Widersprüchen zwischen ihnen gibt. Nachdem die NATO die Vormacht im Kosovo hatte, begannen nationalistische Unterdrückung und vor allem Vertreibung gegen die serbische Minderheit und die Romas von Seiten der albanischen Nationalisten. Heftige bewaffnete und politische Auseinandersetzungen zum Beispiel in Mitrovica, einer zwischen Albanern und Serben geteilten Stadt sind Alltag. Es zeigt sich einmal mehr, daß die Imperialisten auf die nationalistischen Karten setzen, um ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen. Die Alternativen im Rahmen des imperialistischen Systems sind: Blutvergießen durch immer neue Kriege und/oder ein immer größeres Balkan-Protektorat, wo fein säuberlich ethnisch "gereinigte" Gebiete entstehen. Bosnien-Herzegowina wurde mit dem Dayton- Abkommen zum ethnisch gesäuberten NATO-Protektorat. Wobei klar ist (wie auch die Geschichte des Balkans immer schon zeigte), daß das nur vorübergehende Lösungen sein können, da sie in sich immer neue Konfliktherde beinhalten. In der bosnisch-serbischen Teilrepublik Srpska wird es mit Sicherheit auch in der Zukunft Auseinandersetzungen um einen Anschluß Srpskas an Serbien geben. Ebenso wird es Kämpfe in der Teilrepublik "bosnisch-kroatische Föderation" um einen Anschluß an Kroatien geben, bzw. Kroatien wird Kämpfe um Gebiete in der Föderation führen oder schüren. Weitere nationale Konflikte sind in Makedonien abzusehen, wo es große serbische Minderheiten und einen erheblichen Bevölkerungsteil von Albanern gibt.

In der Bundesrepublik Jugoslawien werden die existierenden nationalen Widersprüche von allen Seiten weiter angeheizt. Im Süden Serbiens gibt es die mit der UCK eng zusammenarbeitende UCPMP (Befreiungsarmee von Preshove, Medvegje und Bujanovac), die den militärischen Kampf gegen die serbische Armee aufgenommen hat. Diese Städte sind Grenzzonen zum Kosovo und Makedonien. In der Vojvodina spitzen sich die Widersprüche ebenfalls zu. In der Vojvodina führt die Unterdrückung der ungarischen Minderheit zu Auseinandersetzungen. Durch den serbischen Druck hat bereits eine innere Migration der ungarischen Minderheit stattgefunden, die aus allen Teilen der Vojvodina sich in den Norden zurückgezogen hat. Der Großteil der serbischen Bevölkerung ist in den Süden dieses Gebiets umgesiedelt. Ungarn, das schließlich einer der Militärstützpunkte der NATO war, von wo aus die Bombenangriffe auf Serbien starteten, mischt dabei mit und versucht seine Interessen wahrzunehmen.

Wie sich zeigt, gibt es jede Menge Sprengstoff durch chauvinistische Unterdrückung und nationalistische Verhetzung der jeweiligen Bourgeoisien. Diese konfliktgeladene Situation stacheln die imperialistischen Mächte an, nutzen sie aus und rollen die Machtfrage im Balkan weiter auf.

Der schwedische Vermittler im Kosovo-Konflikt Carl Bildt erklärte: "Der Balkan wird zur neuen Zentralfront der NATO werden. Eine Militärpräsenz wird jahrzehntelang erforderlich sein." Der ehemalige US-Botschafter bei der NATO Hunter formulierte klar: "Es (der Kosovo A.d.V.) öffnet den Zugang zu Regionen, die für den Westen von vorrangigem Interesse sind - im Hinblick auf den arabisch-israelischen Konflikt, den Irak und den Iran, Afghanistan, das Kaspische Meer und Transkaukasien. die Stabilität in Südeuropa ist unverzichtbar für den Schutz der westlichen Interessen und die Eindämmung von Gefahren, die weiterhin aus dem Osten drohen." (Le Monde diplomatique, März 2000)

Nato: Teile und herrsche!

Mit dem Golf-Krieg gegen den Irak nahm die Neuaufteilung der Welt seit dem Zusammenbruch der ehemaligen Ostblockstaaten neue Formen an. Beim Irak-Krieg hatten die USA die Legitimation der UNO, indem Rußland und China ihr Vetorecht nicht gebrauchten. Es ging den USA sowohl um ökonomische (Erdöl) als auch um militärstrategische Interessen. Mit der Kontrolle über den Irak, über Saddam Hussein, versuchten die NATO-Kräfte die Kontrolle über die Golfregion zu halten. Im Falle Jugoslawiens wurde die UNO erst gar nicht gefragt. Denn die NATO-Kräfte hatten schon einkalkuliert, daß Rußland als guter Verbündeter Serbiens sein Veto-Recht gebrauchen würde. Die Reformierung der NATO, verkündet anläßlich ihres 50. Bestehens beinhaltet nunmehr neue Qualitäten. Die Interventionsmöglichkeiten wurden stark erweitert. Entsprechend der Pentagon-Einschätzung, daß sich das Zentrum"internationaler terroristischer Bewegungen" vom Nahen Osten nach Südostasien verschoben hat, werden in dieser Region neue Interventionen durchgeführt bzw. vorbereitet. Zeitgleich zum Krieg gegen Jugoslawien wurde auch in Osttimor mit UN-Truppen aufmarschiert. Sri Lanka, Indonesien, und vor allem der Befreiungskampf auf den Philippinen stehen auf ihrer Liste! Das Ziel der neuen NATO-Strategie ist die Schaffung von NATO/UN-Protektoraten, wie auch im Irak. Auch der imperialistische Frieden im Kosovo endete mit dem NATO-Protektorat Kosovo. Doch von wirklichem Frieden kann nicht die Rede sein. Mit dem Einmarsch im Kosovo ging die Neumischung der imperialistischen Optionen und ihrer jeweiligen Handlanger auf dem Balkan nur in eine weitere Runde. Der Postenschacher schloß sich nahtlos an. Das NATO-Protektorat Kosovo wurde in Zonen unter die einzelnen imperialistischen Mächte aufgeteilt. Den Posten des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für das Kosovo bekam Frankreich, Stellvertreter sind die USA. Deutschland bekam den Posten des EU-Koordinators für den Wiederaufbau im Balkan, England bekam die Kommandantur der Kfor-Truppen und Österreich bekam den Posten des Hohen Kommissars für Bosnien-Herzegowina. Italien ging zunächst leer aus. Die D-Mark wurde von der UNO zur Hauptwährung im Kosovo gemacht.

Wie die Herrschaft von NATO und der UN in der Praxis aussieht, zeigte sich in Bosnien-Herzegowina. Der (nach UN-Normen) demokratisch gewählte Präsident der Republik Srpska (Teilstaat in Bosnien-Herzegowina) wurde im März 1999 kurzerhand vom "Hohen Repräsentanten der UN" Westendorp (Spanien) abgesetzt, weil er gegen das Dayton-Abkommen verstoßen haben soll. Das sind die Protektorate nach UN-Gnaden.

Verschärfter Kampf um die Neuaufteilung der Welt

Seit dem Zusammenbruch des sozialimperialistischen Lagers 1989 verschärfte sich der unerbittliche Kampf der imperialistischen Großmächte untereinander. Es ist der Kampf um die Neuaufteilung der Welt. Mit dem Zusammenbruch der ehemaligen Ostblockstaaten begann auch das Ringen um die Vorherrschaft in Osteuropa. Das internationale, vor allem aber das europäische Finanzkapital ist längst in Osteuropa überall einmarschiert. Eine der größten Auslandsinvestitionen war der Verkauf der serbischen Telekom an ein italienisch-griechisches Unternehmen. Es ging und geht darum, die ökonomische Vorherrschaft auch politisch und militärisch abzufedern und die osteuropäischen Länder unter die völlige Kontrolle der westlichen Imperialisten zu bringen. Gleichzeitig ging und geht es um Konkurrenz der westlichen Großmächte untereinander, insbesondere der EU unter deutscher Vorherrschaft gegen den amerikanischen Imperialismus.

Mit der NATO-Osterweiterung, also der Eingliederung Polens, Tschechiens und Ungarns im März 1999 in die NATO wurden einzelne Länder des ehemaligen Ostblocks gegen Rußland ausgespielt. Zudem wurde mit der Ukraine, dem anderen mächtigen Nachfolgestaat der Sowjetunion, eine eigenständige NATO-Ukraine-Kommission gebildet. Rußland lehnt die Osterweiterung weiterhin prinzipiell ab, jedoch bleibt ihm, aufgrund seiner Schwächung, nicht viel übrig, als so weit wie möglich in der NATO-Politik mitzumischen. Eine weitere NATO-Osterweiterung ist geplant mit Rumänien und Slowenien. Für Rußland geht es um die Vorherrschaft in seinen ehemaligen Vasallenstaaten und die Kontrolle im osteuropäischen Raum. Da Rußland aber gleichzeitig am Finanztropf der westlichen Großmächte hängt, verengt sich sein Spielraum. Über Serbien versucht Rußland seine Stellung in dieser Region zu halten. So machte Rußland mit dem Einmarsch in Pristina/Kosovo -sogar noch vor den NATO-Verbündeten- deutlich, daß eine Aufteilung des Balkans ohne seine Beteiligung,und ohne UN-Mandat, fatale Folgen haben kann. Die NATO-Kräfte, und da war der Grünen-Außenminister Fischer ganz besonders engagiert, "gestatteten" Rußland zur Beruhigung die Stationierung von 5 Bataillonen in den amerikanischen, deutschen und französischen Sektoren Kosovos. Doch hatte die NATO mit ihrem Vorgehen ein klares Zeichen gegen Rußland gesetzt. Die Karten werden neu gemischt und Rußland wird dabei einer der Verlierer sein.

Das letztliche Zurückweichen Rußlands in der Kosovofrage, wurde von der EU und allen voran von Herrn Fischer mit rein verbalen Protestnoten im Tschetschenien-Krieg sozusagen belohnt. Der Europarat diskutierte zwar im Rahmen der NATO-Reform, ob gegen Rußland Sanktionen verhängt werden sollen, hielt sich dann doch zurück. Perspektivisch ist aber klar, hier gibt es weiteren Zündstoff für eine Neuaufteilung. Der Zugriff auf Öl am Kaspischen Meer und die Vorherrschaft auf dem Balkan und im Mittleren Osten stehen auf dem Spiel. Über die Türkei als treuem NATO-Partner wird bereits jetzt schon versucht die Kontrolle über die Region zu halten, auszubauen und zu verstärken. Für die westlichen Imperialisten ist es sehr von Vorteil, daß die Türkei bei den turksprachigen Völker imperiale Interessen verfolgt. Über Aserbaidschan, Kasachstan oder Turkmenistan haben sich die NATO-Verbündeten ihre Vorposten in der Region gesichert. Diese Region war aus ökonomischen und militärischen Gesichtspunkten Kriegsziel sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg.

Aber damit sind noch nicht alle Fronten abgesteckt. Auf dem Balkan und in Jugoslawien geht es auch um die Konkurrenz der westlichen Großmächte untereinander. Alleine schon aus geographischen und historischen Anbindungen ist der Balkan ein traditionelles Einflußgebiet der europäischen Großmächte, insbesondere des deutschen Imperialismus. Die EU darunter Deutschland, Frankreich, England, Italien an vorderster Front stellen eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die USA und Rußland in der Neuverteilung der Macht auf dem Balkan dar.

und die deutsche Großmacht

Die BRD hat nach der ökonomischen auch die politische Vormacht in Europa übernommen. Die direkte Kriegsteilnahme gegen Jugoslawien ist ein wichtiger Schritt um auch die militärische Vormachtstellung zu erlangen. Mit dem EU-Projekt ringt Deutschland verstärkt um Welthegemonie. Die entscheidende Kraft, die die Frage nach der Vorherrschaft auf dem Balkan durch Aufsplitterung des jugoslawischen Staates und durch imperialistischen Krieg stellte, war der deutsche Imperialismus. Vor allem er favorisierte die Schaffung möglichst vieler Kleinstaaten auf dem Balkan, die nach und nach in die EU "integriert" werden, um seine Machtpositionen besser ausbauen zu können. Der dem Krieg folgende "Balkan-Stabilitätspakt" soll für den deutschen Imperialismus seine Vorherrschaft ökonomisch und politisch auf dem Balkan absichern. Dabei knüpfte der deutsche Imperialismus historisch natürlich an seine "gewachsenen" Beziehungen. Er steht in der Tradition des deutschen Imperialismus, der schon 1941 den faschistischen Ustascha-Staat Kroatien schuf und auch 1991 die Errichtung eines eigenständigen kroatischen Staates bei gleichzeitiger chauvinistisch-nationalistischer Unterdrückung und v.a.Vertreibung aller anderen Nationalitäten forcierte. Das gleiche gilt für Slowenien. Am Jahrestag des Beginns der Bombardierung Jugoslawiens im 2.Weltkrieg setzte die BRD die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens als eigenständige Staaten gegen Frankreich und England, aber auch gegen die USA durch. Die anderen imperialistischen Großmächte waren zunächst daran interessiert den jugoslawischen Staat zu erhalten, die serbische Bourgeoisie und Milosevic durch IWF-Diktat und politischen Druck zu einigen Zugeständnissen zu bewegen und nach und nach den Einfluß Rußlands zu verdrängen. Die BRD setzte aus den o. g. Gründen vor allem auf die nationalistisch-chauvinistische Karte, die Schaffung möglichst vieler Kleinstaaten mit klar rassistisch abgegrenzten "ethnischen" Gebieten, darunter fällt auch die Option auf ein eventuell noch zu schaffendes Großalbanien. Das verlangte das Zurückdrängen der großserbischen Ambitionen und Machtansprüche. Die deutsche Großmacht hatte damit wirklich Erfolg. Obwohl die BRD seit langem beim Ex- und Import, bei Kapitalanlagen in der Bundesrepublik Jugoslawien an vorderster Stelle mitmischte (Die D-Mark ist in Jugoslawien seit 1993 auch ein offizielles Zahlungsmittel), und teilweise auch gute Beziehungen zum Milosevic-Regime pflegte, war ihr das nicht genug. Das Vorantreiben des Jugoslawienkrieges seitens des deutschen Imperialismus bringt größere Möglichkeiten und bessere Aussichten für den deutschen Revanchismus. So wurden nach 1991 mit wechselnden Fronten Kriege um Gebiete und Einflußspähren zwischen Kroatien, Jugoslawien, Bosnien-Herzegowina, den nationalen Minderheiten wie den Serben in Kroatien oder den Kroaten in Bosnien etc. geführt.

Daß der erste Militäreinsatz der Großmacht Deutschland in einem anderen Land nach dem 2.Weltkrieg in Jugoslawien stattfindet, das durch den Hitlerfaschismus mit einem Vernichtungsfeldzug überzogen und brutal okkupiert wurde, indem die faschistische Mordmaschinerie wütete, wo mit den barbarischsten Mitteln versucht wurde jeden Widerstand zu unterdrücken, und aus dem die jüdische Bevölkerung und Romas in die Mordfabriken deportiert wurden, ist sicherlich kein Zufall. Es soll heute demonstriert werden, "wir Deutschen" sind zur "Normalität" der Weltpolitik zurückgekehrt. Die ungebrochene Tradition des deutschen Imperialismus wird unter der hohlen Phraseologie der "Menschenrechte und Selbstbestimmung" fortgesetzt. Kein anderer als der sozialdemokratische Bundeskanzler Schröder hat es in seiner Rede in Prizren/Kosovo am 23.7.99 in dieser Logik so treffend auf den Punkt gebracht: "Der Einsatz der Bundeswehr im Kosovo schafft ein anderes Deutschland-Bild". Es werden neue deutsche "Kriegshelden" geschaffen, so Leutnant Ferk, der als deutscher Soldat am 13. Juli 1999 das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg "im Gefecht" Menschen in Prizren erschoß. Diese "beispielhafte Erfüllung der Soldatenpflicht" belohnte Verteidigungsminister Scharping mit der höchsten Auszeichnung der Bundeswehr, dem "Ehrenkreuz in Gold". (Spiegel 5/2000)

Einiges zur Geschichte:

Die Konflikte und die nationalistisch-chauvinistischen Auseinandersetzungen zwischen den Balkanländern, ausgelöst und angeheizt durch den Imperialismus reichen bis in die Zeit vor dem I. Weltkrieg zurück. Die immer wieder neue Zerstückelung und die daraus folgenden Grenzziehungen auf dem Balkan durch die imperialistischen Großmächte und die Machtkämpfe der Balkanstaaten untereinander waren der Anlaß für die Balkankriege wie auch für den 1. Weltkrieg. Der 1. imperialistische Weltkrieg um die Neuaufteilung der Welt unter die Großmächte nahm hier seinen Anfang. Auch im 2. Weltkrieg spielte die Vorherrschaft auf dem Balkan eine wichtige strategische Rolle für die faschistischen Achsenmächte.

Das osmanische Reich unterjochte einen Teil der slawischen Völker, den anderen Teil unterjochte Österreich-Ungarn. Gegen die Fremdherrschaft gab es immer wieder Aufstände und Unruhen.

Mit dem Beginn des Untergangs des osmanischen Reiches, dem Krieg zwischen dem osmanischen Reich mit Rußland, den Balkankriegen (1912/1913) kam es zu den ersten Zerstückelungen des Balkans durch die imperialistischen Mächte Großbritannien, Frankreich, Rußland, Österreich-Ungarn, Italien und Deutschland. 1913 wurde ein Teil des albanischen Siedlungsgebietes zum Nationalstaat Albanien konstituiert. Andere Teile der Siedlungsgebiete des albanischen Volkes wurden Serbien, Montenegro und Griechenland zugeschlagen. Rußlands Interesse war eine Stärkung Großserbiens, doch die europäischen Großmächte und insbesondere Österreich-Ungarn setzten ihre Politik durch, indem Albanien zu einem Nationalstaat ausgerufen wurde.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde 1918 der Vielvölkerstaat Jugoslawien, das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS) gegründet. Vorherrschend war der großserbische Nationalismus und Chauvinismus, der andere ethnische Minderheiten so die Slowenen, Kroaten und insbesondere die Albaner regelrecht national unterdrückte. In dem Vielvölkerstaat lebten Serben, Kroaten, Slowenen, Albaner, Ungarn, Mazedonier, Roma, Türken, Deutsche ... Insbesondere die kroatische Bourgeoisie und die feudalen Kräfte versuchten ihre eigene Machtstellung aufzubauen, indem sie die berechtigte Auflehnung der kroatischen Bauern gegen die nationale Unterdrückung für sich zu nutzen suchten.

Eine systematische Unterdrückungs- und Vertreibungspolitik ethnischer Minderheiten waren die Folge der Kriege - 1912/1913 und der 1.Weltkrieg - auf dem Balkan. So waren beispielsweise hunderttausende Bulgaren unter der Herrschaft Jugoslawiens und Rumäniens verblieben, hunderttausende Griechen unter der Herrschaft der Türkei, Jugoslawiens und Bulgariens. Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland und aus Griechenland in die Türkei, nach Jugoslawien und Bulgarien waren das Ergebnis dieser Politik. Anfang 1939 wurde Albanien vom faschistischen Italien besetzt. Am 6. April 1941 griff Deutschland Jugoslawien an. Der Hitlerfaschismus gründete in Zusammenarbeit mit dem kroatischen Faschismus den Vasallenstaat Kroatien. Albanien und Teile des Kosovos wurden zu "Großalbanien" vereint, das nach der Kapitulation von Italien von der faschistischen deutschen Wehrmacht besetzt wurde, aber eine eigene Quisling-Regierung stellte. Es kam zu Vertreibung und Verfolgung der serbischen Minderheit im Kosovo. Gleichzeitig wurde die albanische Bevölkerung in den anderen Gebieten des Kosovo von den serbischen Tschetniktruppen grausam verfolgt. Sowohl in der KP Jugoslawiens wie auch in der von ihr geführten Volksbefreiungsarmee kämpften albanische und serbische KommunistInnen, wie auch KommunistInnen aller anderen Nationalitäten zusammen gegen den gemeinsamen Feind, den deutschen Faschismus. Eng verbunden waren auch die KP Jugoslawiens und KP Albaniens in diesem Kampf. Bezüglich der Perspektiven nach der Befreiung im Kosovo kam es aber bereits damals schon zu Differenzen zwischen den Parteien, die sich in der Folgezeit zuspitzen sollten.

Nach dem Sieg der sozialistischen Sowjetunion über den deutschen Faschismus, dem Sieg der Roten Armee, der unterdrückten Völker Osteuropas hatten die Völker Jugoslawiens zum ersten Mal für eine kurze Zeit eine Chance für ein friedliches Zusammenleben. Nach dem II.Weltkrieg wurde die Föderation der Sozialistischen Republiken Jugoslawiens gegründet. Hierzu gehörten die Teilrepubliken Slowenien, Serbien, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und zwei autonome Gebiete innerhalb der Teilrepublik Serbien, die Vojvodina und der Kosovo. Im Kosovo lebten überwiegend Albaner. Die FSR Jugoslawiens hatte die Gleichberechtigung der Nationen und das Recht auf Lostrennung einer jeden Nation zu seiner Losung gemacht, aber dem Kosovo nur einen autonomen Status zugebilligt. (Wir können noch nicht genau einschätzen, warum und mit welchen Begründungen das so verlief. Fest steht, daß die KP Albaniens - so beschreibt sie es zumindest in ihrer "Geschichte der Partei der Arbeit Albaniens" von 1971, das Recht auf Lostrennung für die albanische Nation im Kosovo - eingefordert hatte. Ebenso können wir noch nicht einschätzen, in welchem Zusammenhang die damalige "Umsiedlung" von bis zu 400.000 Kosovoalbanern in die Türkei steht.) Doch mit dem Tito-Revisionismus wurde die auf freiwilliger und friedlicher Basis gegründete Föderative Sozialistische Republik Jugoslawien nach und nach zu einem Völkergefängnis. Die Kominform kritisierte den Tito-Revisionismus auch in der nationalen Frage. Sie kritisierte die KPJ vor allem auch wegen des großserbischen Chauvinismus insbesondere gegenüber Albanien. Die Unterdrückung nationaler Minderheiten wie der Kosovaren wurde zur herrschenden Staatspolitik. Bereits 1966 kam es zur gewaltsamen Unterdrückung und Zerschlagung von Kämpfen der Kosovo-Albaner durch den jugoslawischen Staat. Mit der Restauration des Kapitalismus machte sich die FSR Jugoslawien immer mehr vom "Westen" abhängig. Die Verfassung von 1974, die einige minimale Zugeständnisse aufgrund weitreichender politischer Kämpfe gewährte, verstärkte zwar die Position der Teilrepubliken und den Autonomiestatus Kosovos und der Vojvodina, doch änderte sich im Wesentlichen nichts. Die IWF-Kredite, die Restauration des Kapitalismus und der sogenannte Selbstverwaltungssozialismus führten zum Staatsbankrott. Die FSR Jugoslawien wurde zum Armenhaus Europas. Die Wirtschaftskrise verschärfte die Spannungen zwischen den einzelnen Republiken, Regionen und Nationalitäten. Im Kosovo lag z.B. die Erwerbslosenquote bei 65%, in Slowenien hingegen bei 9%, in Serbien und Bosnien-Herzegowina bei 30%. Bereits 1981 kam es aus Anlaß der "600-Jahr-Feier der Schlacht auf dem Amselfeld" zu größeren Unruhen. Massenverhaftungen, Ausnahmezustand waren die Folgen nationalistischer Unterdrückung, vorangetrieben von serbischen Nationalisten im Kosovo Ende der 80er Jahre. Mit Streiks und Demonstrationen kämpften die albanisch-kosovarischen Werktätigen gegen diese Unterdrückung und die verheerende Wirtschaftslage. Immer stärker wird die Forderung der albanischen Nation im Kosovo nach einem gleichberechtigten Republikstatus innerhalb des jugoslawischen Staatsgebildes. 1989 hob das serbische Parlament mit einer Verfassungsänderung den Autonomiestatus von Kosovo und der Vojvodina auf. Streiks, Demonstrationen und Proteste der albanischen Massen wurden brutal unterdrückt. In Slowenien und Kroatien wurden nationalistische Parteien gegründet und Kurs auf die Abtrennung vom jugoslawischen Staat genommen. März 1990 wurde der Ausnahmezustand über dem Kosovo verhängt. Am 2. Juli 1990 verkündete das Parlament von Kosovo die Verfassungsdeklaration für die Republik Kosovo. Das serbische Parlament erklärte am 5. Juli die Unrechtmäßigkeit dieses Parlaments von Kosovo. Nach dem Generalstreik am 1.September gegen die serbische Unterdrückung verabschiedete am 7. September das Parlament von Kosovo die Verfassung der Republik Kosovo. Die serbische Regierung verschärfte daraufhin die Zwangsverwaltung im Kosovo. Armee und Polizei griffen hart durch. Ende September 1991 fand ein geheimes, illegales Referendum statt, in dem sich 87,5 % der beteiligten Bevölkerung für die staatliche Souveränität in Form einer Teilrepublik im Rahmen des jugoslawischen Staates aussprachen. Am 24. Mai 1992 fand im Kosovo die Wahl eines Präsidenten und eines Parlamentes mit 130 Mitgliedern statt. Diese Wahl "wird von Belgrad als illegal erklärt, aber toleriert." (Archiv der Gegenwart, 15. 6. 92) An diesen Wahlen nahmen auch die serbo-kroatischen Muslime und die türkische Minderheit im Kosovo teil. Zum Präsidenten wurde Rugova gewält. 1992 wurde die Gründung der UCK bekanntgegeben.

Die slowenische Teilrepublik kündigte unterdessen politische und wirtschaftliche Maßnahmen gegen Serbien an. 1990 erklärte Slowenien seine staatliche Unabhängigkeit, danach Kroatien. Nach einem Krieg Restjugoslawiens gegen Slowenien marschierte die jugoslawische Bundesarmee in Kroatien ein. Der nationalistisch-reaktionäre Krieg wurde von den NATO-Kräften, insbesondere der BRD angeheizt. Serbisch-monarchistische Tschetniks kämpften gegen kroatisch-faschistische Ustaschas. Die einen kämpften für Großserbien die anderen für ein Großkroatien. Mazedonien erklärte ebenfalls 1991 seine Unabhängigkeit. 1992 kam der Krieg in Bosnien-Herzegowina hinzu. Parallel zu den kriegerischen Auseinandersetzungen, in die die UN eingriff, verhängte die UNO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien verschärfte Wirtschaftssanktionen, die verheerende Auswirkungen für die Arbeiter und Arbeiterinnen hatten. Die Lebensverhältnisse verschlechterten sich rapide. In den reaktionären Kriegen waren die Volksmassen aller Nationalitäten die Leidtragenden. Insgesamt über 2,5 Millionen Menschen flohen vor Krieg, nationalistischen Massakern und Verfolgungen aus allen Gebieten des ehemaligen Jugoslawiens.

Der Krieg um die neue Staatenbildung auf dem Balkan endete vorläufig mit dem Abkommen von Dayton 1995, das u.a. die Schaffung eines UN-Protektorat-Staates Bosnien-Herzegowina, getrennt in zwei Teilstaaten (serbische Republik und bosnisch-kroatische Föderation) durchsetzte. 1996 wurde die 1992 gegründete Bundesrepublik Jugoslawien von den westlichen Mächten diplomatisch anerkannt.

Der Terror der serbischen Herrschenden verschärfte sich immer mehr im Kosovo. Bedingt durch die massive Unterdrückung wurden die politischen Strömungen immer stärker, die einen von Jugoslawien völlig unabhängigen Staat Kosovo forderten. Die nationalistisch-chauvinistischen Organisationen riefen offen nach einem Großalbanien. Die nationalistische UCK, unterstützt von einigen westlichen imperialistischen Mächten und auch Albanien, nahm mit Bombenanschläge auf serbische Polizisten und serbische Flüchtlingslager seit 1996 den bewaffneten Kampf auf. Sie wurde aufgerüstet und mit immer mehr Waffen versorgt. Sie forderte die sofortige und umfassende NATO-Intervention im Kosovo. Bereits 1998 drohte die NATO mit Luftangriffen gegen Serbien. Im März wurden die Verhandlungen mit Serbien für gescheitert erklärt. In der Nacht zum 24. März 1999 bombardierten NATO-Kräfte Belgrad, der Krieg um den Kosovo begann.

Imperialismus und nationale Frage auf dem Balkan

Positionen der "Anti-Kriegskräfte"

Gegen den NATO-Aggressionskrieg auf dem Balkan gab es zahlreiche Protestaktionen in Deutschland, die allerdings mit den Protesten gegen den Golfkrieg nicht zu vergleichen sind. Hunderttausende demonstrierten gegen den Golfkrieg. Heute kann von einem breiten Protest gegen die NATO-Politik und den NATO-Aggressionskrieg nicht die Rede sein, und das, obwohl es Deutschland ist, das zum ersten Mal direkt militärisch in einem Land interveniert. Die Sozialdemokratie und die GRÜNEN sind als Regierungskoalition selbst die Kriegstreiber. Die ehemalige Friedensbewegung ist zum größten Teil einverstanden mit dem Kriegseinsatz in Jugoslawien. Die Grünen Pazifisten treten als Kriegshetzer auf. Revisionisten und Opportunisten sind ganz im Fahrwasser der Positionen der GRÜNEN oder der PDS. Die Gegnerschaft vieler Organisationen beschränkte sich darauf zu kritisieren, daß dieser Krieg ohne UN-Mandat nicht hätte geführt werden dürfen. Doch das UN-Mandat hätte de facto lediglich bedeutet die Beteiligung des russischen Imperialismus an der Aufteilung des Balkans einzufordern und nichts mehr. Andererseits wird auf einer formal-juristischen Ebene debattiert und suggeriert, mit einem UN-Mandat wäre der Krieg sozusagen "legaler". Damit wird natürlich stillschweigend die Legitimität der heutigen UN, der heutigen Weltordnung, diktiert von den Interessen der imperialistischen Großmächte, vorausgesetzt. Damit ist das eine Argumentation, die völlig in der Logik des Systems bleibt. Natürlich ist es zur Entlarvung der Herrschenden unter den Volksmassen wichtig aufzudecken, wie sie selbst ihre eigenen Gesetze über Bord werfen oder je nachdem ändern oder uminterpretieren. Natürlich ist es wichtig zu entlarven, wie sie mit zweierlei Maß an ein Milosevic- oder Saddam- Regime oder an das Ecevit-Regime in der Türkei herangehen. Das kann aber überzeugend nur auf dem Boden der Entlarvung der dahinterstehenden Interessen erfolgen, die eine solche Politik "verständlich" macht. Wesentlich sind eben nicht "Menschenrechte", "Selbstbestimmung" etc. für den Imperialismus, sondern die Durchsetzung seiner ökonomischen, politischen und militärischen Interessen. Das müssen KommunistInnen und RevolutionärInnen ganz konkret aufzeigen.

Ein Teil der Friedensbewegung, die modernen Revisionisten, Teile der Autonomen und Antiimperialisten oder Trotzkisten verurteilen zwar den NATO-Angriffskrieg, solidarisieren sich dabei jedoch mit dem Milosevic-Regime.

Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) zum Beispiel verurteilt diesen Krieg zwar als NATO-Aggressionskrieg, jedoch verteidigt sie das faschistische Milosevic-Regime. Es gab auch jetzt wieder zahlreiche Aktionen zum 1. Jahrestag des NATO-Krieges gegen Jugoslawien, die getragen waren von der DKP, woran sich serbische Nationalisten und Faschisten mit wehenden Fahnen beteiligten. Dasselbe Bild auf PDS-Demos. Schilder wurden getragen mit Losungen wie "Kosovo war serbisch, ist serbisch und wird serbisch sein" oder "Großserbien wird leben". Die Internationale Kommunistische Liga-Trotzkisten fordern "Verteidigt Serbien". (Spartakist April 99) Einige Positionen gehen sogar soweit, zu behaupten, daß das Milosevic-Regime die einzige Verteidigung des jugoslawischen Volkes wäre. Denn dieses Regime würde sich als einzige Kraft gegen die Zerstückelung und Unterjochung Jugoslawiens stellen. Den NATO-Aggressionskrieg zu verurteilen und auf der anderen Seite die Politik des jugoslawischen Staates zu verteidigen, heißt nur das eine Übel mit einem anderen bekämpfen zu wollen. Keine Stellung gegen das faschistische Milosevic-Regime zu nehmen, das verantwortlich ist für nationale Unterdrückung, rassistische "Säuberungen", Folter, Verfolgung, Hunger, Elend und Krieg, heißt sich letztlich nur auf eine andere reaktionäre und imperialistische Seite zu stellen, auf die Seite eben der großserbischen Bourgeoisie und der russischen Großmacht. Selbstverständlich ist das Ringen der imperialistischen Großmächte auf dem Balkan Hauptursache der explosiven Situation dort. Selbstverständlich müssen wir KommunistInnen hier in der BRD vorrangig den Kampf gegen den deutschen, unseren "eigenen" Imperialismus, der an zentraler Stelle mitmischt, führen. Selbstverständlich müssen wir der widerlichen deutsch-chauvinistischen Propaganda gegen die "Slawen", die an die alten Traditionen anknüpft entgegentreten. Aber es bedeutet völlig den Boden des Klassenstandpunktes zu verlassen, wenn das dazu führt sich mit einem Handlanger einer anderen imperialistischen Koalition oder Kraft, eben dem Milosevic-Regime, den Interessenvertretern der serbischen Bourgeoisie einzulassen.

Eine andere politische Strömung setzt letztlich auf die Karte der westlichen Imperialisten, wenn sie sich mit der UCK solidarisieren, indem sie diese als eine antiimperialistische Kraft einschätzen und mit nationalen Befreiungsbewegungen wie der einstigen bewaffnet kämpfenden PKK vergleichen, wie z.B. die AntifaZ (Antifaschistische Zeitung/BRD, Juli/August 1998). Die Trotzkisten der "Arbeitermacht" fordern "Waffen für die Befreiungsbewegung im Kosovo" (Flugblatt 25.3.99). Die UCK ist unserer Meinung nach heute ein Handlanger der westlichen Imperialisten und keinesfalls eine antiimperialistische Kraft. Das Fatale ist ja, daß der gerechte Kampf der albanischen Nation im Kosovo gegen die Unterdrückung durch die serbische Bourgeoisie mittlerweile fast vollständig zu einem Spielball der imperialistischen Mächte geworden ist und in ihrem Machtkalkül eine bedeutende Rolle spielt.

Diskussion über die Losung "Selbstbestimmungsrecht der Nationen bzw. das Recht auf Lostrennung" und die Situation im Kosovo

Eine Diskussion gab und gibt es, was es für den Kosovo bedeutet das Recht auf Lostrennung zu fordern und darüberhinaus ob eine Entscheidung für die Lostrennung des Kosovo und die Schaffung eines eigenen Staates den Interessen des Proletariats im Kosovo und auf dem Balkan entspreche oder nicht. Gleichzeitig wurde die Frage gestellt, ob KommunistInnen anderer Länder überhaupt das Recht haben sich dazu zu äußern, welcher Weg im Kosovo der richtige sei.

Die Ausgangspositionen:

Die Marxistisch-Leninistische Partei Österreichs (MLPÖ) kritisierte in ihrem Zentralorgan "Rote Fahne" die Positionen von TA in diesen Punkten. In einer Vorbemerkung zum Nachdruck eines Flugblattes der deutschen Gruppe "Kämpfen lernen/Wortmeldung" zum Krieg in Jugoslawien schätzt die Rote Fahne Redaktion die Publikationen der sich "als ganz links stehend, als revolutionär oder gar als marxistisch/leninistisch betrachtenden Gruppen und Organisationen" ein. Da heißt es u.a.: "Auf der anderen Seite gibt es Stellungnahmen, die ungeniert die Forderung erheben, die Serben müßten aus dem Kosovo verschwinden, dieser also von Jugoslawien losgetrennt und damit die Zerstückelung dieses Staates noch weitergetrieben werden. Mit dem Marxismus-Leninismus haben derartige Forderungen absolut nichts gemein! Der Marxismus kämpft zwar für das RECHT auf nationale Selbstbestimmung bis hin zum Recht auf LOSTRENNUNG, aber ob von diesem Lostrennungsrecht auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird, das müssen die betreffenden Nationen oder Nationalitäten unbedingt SELBST entscheiden und das können keine fremden Mächte an ihrer Stelle, schon gar nicht ML-Gruppen aus anderen Ländern! Was würde man wohl in Deutschland dazu sagen, wenn eine österreichische ML-Gruppe fordern würde: Preußen raus aus Bayern! Verjagt Schröder und Fischer aus Bayern! Aus Deutschland liegen uns Veröffentlichungen der KPD (Roter Morgen) und der Zeitschrift TROTZ ALLEDEM von der "Bolschewistischen Initiative vor, in denen die Forderung nach Lostrennung des Kosovo von Jugoslawien erhoben wird. Der Rote Morgen hat diese Forderung inzwischen jedoch ausdrücklich als falsch bezeichnet, aber seine Selbstkritik insoferne relativiert, als er die Frage zur Diskussion stellt. Von Seiten der BID (Trotz Alledem) kennen wir leider noch keine Veröffentlichung, in welcher ihre nationalistische Entgleisung korrigiert bzw. selbstkritisch zurückgenommen würde." ("Rote Fahne", Nr. 268, Juni 1999, S.7) (Anmerken wollen wir nur noch, daß wir im Rahmen einer Diskussion über die nationale Frage auf dem Balkan den nahegelegten Vergleich Bayern-Kosovo völlig daneben finden. Vergleiche hinken natürlich immer, aber hier wird es absurd. Eine unterdrückte Nation (die albanische im Kosovo) wird mit einem Teilstaat in einem imperialistischen Land (gleicher Nation) verglichen. Das hört sich vielleicht ganz lustig an, ist aber für eine ernsthafte Debatte nicht gerade hilfreich.) Um diese Kritik überhaupt nachvollziehbar diskutieren zu können, möchten wir für die LeserInnen, die Stellen aus unserem Flugblatt (siehe Seite 48 in dieser Nummer) vom 25. März zitieren, auf die sich die Rote Fahne höchstwahrscheinlich bezieht.

Die Überschrift unseres Flugblattes lautete: "NATO-Angriffe auf Jugoslawien: imperialistischer Piratenakt! Serbische Faschisten raus aus Kosovo! Imperialistische Räuber Hände weg von Jugoslawien!" Im Text heißt es: "Wir KommunistInnen verurteilen den Angriff der NATO auf Jugoslawien. Wir fordern den sofortigen und bedingungslosen Stopp aller Angriffe auf Jugoslawien! Wir verdammen den imperialistischen Krieg! Wir verurteilen zugleich den chauvinistischen Krieg der serbischen Machthaber gegen die albanische Bevölkerung im Kosovo! Sofortiger Stopp aller Angriffe! Serbien raus aus Kosovo! Für das Recht auf Lostrennung der albanischen Nation im Kosovo! Dem albanischen Volk im Kosovo rufen wir zu: Die Befreiung kann nicht erreicht werden durch den Krieg der Imperialisten gegen Jugoslawien Nationalismus ist nicht die Alternative zum serbischen Chauvinismus."

Wir möchten nun zu den Argumenten der "Roten Fahne" Punkt für Punkt Stellung nehmen:

Was für eine Losung ist: " die Serben raus aus dem Kosovo"

Zunächst wäre interessant zu wissen, welche sich links nennende Organisation diese nationalistische Forderung vertritt? Die "Rote Fahne" gibt keinen Nachweis. Diese Losung bedeutet nichts anderes als zu fordern, die serbische Bevölkerung solle aus dem Kosovo vertrieben werden. Das heißt es wird damit für eine nationalistisch ethnische "Säuberung" eingetreten. Diese Position wird unseres Wissens von der reaktionären nationalistischen albanischen Bourgeoisie im Kosovo vertreten und in der Praxis zur Zeit mittels der UCK umgesetzt. Die "Rote Fahne" interpretiert diese Forderung allerdings offenbar anders. Sie kritisiert diese als Aufforderung zur Zerstückelung Jugoslawiens. Sie (oder die Gruppen, auf die sie sich beruft) versteht also offenbar unter "die Serben" den serbischen Staat und polemisiert, daß damit die Lostrennung des Kosovos gefordert werde, was eben die Zerstückelung des jugoslawischen Staates weitertreiben würde. Das ist aber unserem Verständnis nach eine ganz andere Frage als "die Serben müssen aus dem Kosovo verschwinden." Indem ein solcher Zusammenhang (also eine nationalistische Forderung und das Recht auf Lostrennung der albanischen Nation im Kosovo) nahegelegt wird, wird natürlich auch schon eine bestimmte Herangehensweise der "Roten Fahne" deutlich. Festhalten wollen wir hier nur noch, daß die unklare Formulierung der "Roten Fahne" politisch wohl darauf hinausläuft sich festzulegen hinsichtlich der Wahrnehmung des Rechtes auf Lostrennung im Kosovo. Sie ist offenbar konkret dagegen, weil wie schon zitiert "die Zerstückelung dieses Staates weitergetrieben" wird und daher haben, so schlußfolgert sie, "derartige Forderungen NICHTS mit dem Marxismus-Leninismus zu tun".

Bedeutet eine selbständige Einschätzung der KommunistInnen, ob die staatliche Lostrennung dieser oder jener Nation zweckmäßig sei, eine "Entscheidung" stellvertretend für die Nation zu treffen und damit eine "nationalistische Entgleisung" zu betreiben?

Weiter in der Argumentation der Roten Fahne. Sie stellt dann prinzipiell fest, daß der "Marxismus-Leninismus zwar für das Recht auf nationale Selbstbestimmung bis hin zum Recht auf LOSTRENNUNG kämpft, aber ob von diesem Lostrennungsrecht auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird, das müssen die betreffenden Nationen unbedingt SELBST entscheiden". In einer Fußnote zu dieser Argumentation wird uns dann als angeblich nationalistische Entgleisung angekreidet, wenn wir, "Trotz alledem!" "die Lostrennung des Kosovo von Jugoslawien" fordern würden. Wir gehen im nächsten Abschnitt darauf ein, ob wir in unserem Flugblatt tatsächlich die Lostrennung des Kosovos gefordert haben oder nicht (wir meinen nein). Hier bei der Roten Fahne geht es zunächst darum wer verwendet das Recht auf Selbstbestimmung und entscheidet sich für oder gegen die Lostrennung. Also ehrlich gesagt finden wir das eine absurde Fragestellung. Denn es ist doch wohl nichts klarer als das, daß natürlich jede Nation oder Nationalität SELBST entscheiden muß, wie sie dieses Recht verwendet. Ebenso ist klar, daß das "keine fremden Mächte" und "schon gar nicht ML-Gruppen aus anderen Ländern" entscheiden können. Nur wer bitteschön hat sich denn angemaßt für die unterdrückte albanische Nation das zu entscheiden? Wir nicht! Aber hinter der Konstruktion der Roten Fahne "andere wollen für die betreffende Nation entscheiden" verbirgt sich unserer Meinung nach eine grundfalsche Herangehensweise, damit unterbindet sie praktisch eine Diskussion darüber wie konkret Marxisten-Leninisten zu einer Lösung in der Kosovofrage stehen. Die Rote Fahne zieht sich sozusagen auf die Position "Selbstbestimmungsrecht bis zur Lostrennung" zurück und will eine Antwort auf die historische Entwicklung, wie sie in Jugoslawien und speziell im Kosovo schon gelaufen ist, umgehen. So stellt sie sich die Frage gar nicht, daß ja die albanische Nation im Kosovo bereits sehr wohl ihr Recht auf Lostrennung schon wahrgenommen hatte und in einem Referendum und in Wahlen zunächst sich eindeutig für eine eigenständige Republik, einen eigenen Staat (nicht für Autonomie!) im damals bestehenden jugoslawischen Staatenverband ausgesprochen hatte. Diese Wahrnehmung ihres Rechtes wie auch die konkrete Entscheidung für eine Teilrepublik wurde vom serbischen Staat mit militärischer Okkupation des Kosovo und Abschaffung der Autonomie beantwortet. Insofern, um in der Argumentation der Roten Fahne zu bleiben, hat die betroffene Nation sich bereits entschieden. Für die Marxisten-Leninisten kommt es darauf an, diese historische Entscheidung im Rahmen der gesamten Entwicklung zu beurteilen. Selbstverständlich ist das in erster Linie und vor allem die Aufgabe der Marxisten-Leninisten im Kosovo und in Jugoslawien. Aber es entspricht unserem Verständnis von proletarischem Internationalismus wie auch der Notwendigkeit der Entwicklung einer politischen Linie zu fundamentalen internationalen Ereignissen, daß Marxisten-Leninisten anderer Länder, richtig gewichtet zu ihren Aufgaben im Kampf gegen den eigenen Imperialismus, Einschätzungen treffen und zur Diskussion stellen. Das ist keine "Einmischung in die inneren Angelegenheiten", wie es offenbar die Rote Fahne mit ihrem "Bayernbeispiel" belegen will. Soweit wir die Diskussion in der internationalen kommunistischen Bewegung kennen, vor allem aus den Schriften Lenins zur nationalen Frage, gab es lebhafte Diskussionen über viele verschiedene Einschätzungen zu konkreten historischen Entwicklungen in der nationalen Frage in den unterschiedlichsten Ländern. So diskutierte Lenin 1916 mit polnischen Sozialdemokraten ganz konkret über die richtige marxistische Lösung der nationalen Frage des Elsaß (siehe Sammelband Lenin, "Über die nationale und die koloniale und nationale Frage" , S. 382-383). Darüberhinaus fordert doch Lenin geradezu: "der Umstand, daß die Sozialdemokratie das Recht aller Nationalitäten auf Selbstbestimmung anerkennt, bedeutet keineswegs, daß die Sozialdemokraten darauf verzichten, selbständig einzuschätzen, ob die staatliche Lostrennung dieser oder jener Nation in jedem Fall besonders zweckmäßig ist." (Sammelband, S. 102) So gab es z.B. in der kommunistischen internationalen Bewegung sowohl zu Marx/Engels wie auch Lenins Zeiten jeweils heftige Debatten darüber, unter welchen Bedingungen es richtig ist, die Bildung eines eigenständigen polnischen Staates zu fordern oder nicht.

Wir kennen keine Diskussion wo anstatt über die Frage: Ist eine Einschätzung und Lösung in der nationalen Frage richtig oder falsch darüber gestritten wird, darf dazu ein Marxist-Leninist aus einem anderen Land eine Einschätzung haben oder nicht.

Darüberhinaus widerspricht sich die Rote Fahne auch noch selbst. Einerseits sagt sie, das "Recht auf Selbstbestimmung bis zur Lostrennung" muß die betreffende Nation entscheiden, und konkrete Forderungen, wie es angewendet werden sollte dürfen marxistisch-leninistische Gruppen aus anderen Ländern auf keinen Fall stellen. Andererseits aber vertritt die Rote Fahne selbst ganz konkret zu Beginn ihrer Ausführungen: Wer die Lostrennung des Kosovo fordere, tritt für eine weitere Zerstückelung des jugoslawischen Staates ein, und das ist demnach falsch! Was ist das anderes als eine konkrete Aussage dazu wie, nach Meinung der Roten Fahne, die kosovoalbanische Bevölkerung das Recht auf Lostrennung anwenden sollte, nämlich sich nicht vom jugoslawischen Staate abzutrennen. Die von der Roten-Fahne geführte Diskussion darüber ob nun andere Marxisten-Leninisten eine konkrete politische Einschätzung haben dürfen oder nicht, dient dazu eine Auseinandersetzung mit der Roten Fahne Haltung zu verhindern, in dem über Formalien gestritten wird. Das kann aber doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Rote Fahne mit ihren Formulierungen zumindest nahelegt, daß ihr Standpunkt ist: keine Lostrennung der albanischen Nation im Kosovo.

Bedeutet die Forderung "Serbien raus aus Kosovo" Lostrennung des Kosovo von Jugoslawien?

Weiter in der Argumentation der Roten Fahne. Nach diesen Ausführungen kommt sie in einer Fußnote auf die Positionen von uns, "Trotz alledem!", zu sprechen. Sie unterstellt, daß "Trotz alledem!" die Lostrennung des Kosovo fordert und bewertet das als eine "nationalistische Entgleisung". Sie meint damit, daß sich "Trotz alledem!" eben anmaße für die unterdrückte Nation im Kosovo zu entscheiden. Auf letzteres sind wir schon eingegangen. Jetzt kommen wir zur Frage, was haben wir denn in unserem Flugblatt inhaltlich zur Frage des Lostrennungsrechtes für die unterdrückte albanische Nation im Kosovo vertreten?

Wir sind der Meinung, daß unter der gegebenen historischen Entwicklung im Kosovo bei Beginn der NATO-Aggression, die wir zuvor grob skizziert haben und auf die unser Flugblatt kurz eingeht, es völlig richtig war, die Forderungen aufzustellen:"Imperialisten Hände weg von Jugoslawien!" und "Serbien raus aus dem Kosovo!" (*) Die unterdrückende und beherrschende Nation ist in allen Bereichen der BR Jugoslawien die serbische Nation. Um die Machtverhältnisse genau zu charakterisieren ist es durchaus notwendig nicht nur von der BR Jugoslawien, sondern gerade auch von der Republik Serbien oder Serbien zu sprechen.

Ja, es war sogar unbedingt notwendig, um sich von den Revisionisten bis hin zu den serbischen Chauvinisten auf den verschiedensten politischen Aktionen deutlichst abzugrenzen.

Warum? Es gab einen jahrzehntelangen gerechten Kampf der albanischen Bevölkerung im Kosovo gegen die nationale Unterdrückung und zunächst für die staatliche Unabhängigkeit als Republik innerhalb des jugoslawischen Staatsverbandes. Seit den 90er Jahren wurde verstärkt die Forderung nach der staatlichen Lostrennung gestellt. Diesen gerechten Kampf hat der serbische Staat mit seiner Armee gewaltsam unterdrückt, hat alle zuvor gewährten demokratischen Rechte, wie die Autonomie, zurückgenommen und die nationale Unterdrückung in allen Lebensbereichen massiv verschärft. Auf der anderen Seite waren es die Imperialisten die versuchten, die nationale Unterdrückung als Vorwand zu nehmen, sich als Retter der albanischen Nation aufzuspielen, um einen vom Imperialismus abhängigen Satellitenstaat Kosovo (eventuell auch Anschluß an Albanien) zu errichten. Unter diesen Bedingungen war ganz klar, daß das Recht auf Lostrennung nur demokratisch wahrgenommen werden kann, wenn der serbische Staat und seine Unterdrückungsmaschinerie den Kosovo verlassen und wenn es keine NATO-Intervention gegeben hätte, die die albanische nationalistische Bourgeoisie natürlich favorisierte. Nur dann hätte in einer wirklich demokratischen Entscheidung die albanische Nation im Kosovo von ihrem Lostrennungsrecht Gebrauch machen können. Selbstverständlich sind wir nicht der Meinung, daß, falls die unterdrückte Nation das Recht auf Lostrennung zur Bildung eines eigenen Staates wahrgenommen hätte, dann ein vom Imperialismus völlig unabhängiger Kosovostaat entstanden wäre. Natürlich nicht. Aber es wäre bei diesen Voraussetzungen kein direktes NATO-Protektorat entstanden. Die "gemeinsamen Interessen"des Proletariats und der Bourgeoisie der unterdrückten Nation würden in diesem Fall zurücktreten und die Bedingungen für die Annäherung der Proletarier der verschiedenen Nationalitäten würden verbessert werden.(**)

Noch zwei Positionen zum Lostrennungsrecht

Wie die Rote Fahne in ihrem Artikel schon anführte, hat die opportunistische KPD (Roter Morgen) auch eine Debatte zu diesem Thema geführt. In der Zeitung Roter Morgen Nr 7/1999 stellte sie ihre zunächst vertretene Forderung "Milosevic - raus aus dem Kosovo!" (Roter Morgen Nr 6/1999) als eine falsche Losung zur Diskussion. Sie führten drei Gründe für ihre Positionsänderung auf. Zum ersten, daß diese Losung "Von SerbInnen, die sich mit Milosevic identifizieren ...(so verstanden werden könnte), als würde die Vertreibung der SerbInnen aus dem Kosovo gefordert". Das zweite Argument lautete: "Wir fordern das Selbstbestimmunsgrecht der Bevölkerung in Kosova. Wie dieses ausgeübt wird, das kann nur die gesamte Bevölkerung selbst bestimmten, selbstverständlich unter Einschluß der dort lebenden SerbInnen." Und der dritte Grund "eine demokratische Lösung kann nur von der Bevölkerung selbst getroffen werden, von niemand anderem. Man muß es grundsätzlich zurückweisen, daß irgend jemand anders als die Bevölkerung Kosovos die Frage lösen will." Auf das Argument der "Nichteinmischung und nicht Stellung nehmen" sind wir ja schon oben ausführlich eingegangen.

Das zweite Argument des Roten Morgen versucht in einem Satz und auch noch ganz falsch ein kompliziertes Problem mit einem Schlag zu lösen. Zunächst ein Selbstbestimmungsrecht der "gesamten Bevölkerung" gibt es im Marxismus nicht, damit wird der Kern der nationalen Frage durch eine hohle Phrase umgangen. Es geht um das "Lostrennungsrecht der Nationen". Insofern geht es im Kosovo um das "Lostrennungsrecht der albanischen Nation". Da aber in diesem Gebiet auch eine serbische Minderheit und andere Minderheiten leben müssen die Kommunisten nicht nur das "Lostrennungsrecht der Nationen" fordern, sondern gleichzeitig auch wie es Lenin im Programm zur nationalen Frage immer gemacht hat, "den unbedingten Schutz der Rechte jeder nationalen Minderheit".

Die Forderung des Roten Morgen auf Nordirland übertragen zeigt auf welchem Holzweg sie da sind. Durch die englische Kolonisierung ist die Mehrheit der Bevölkerung nicht irisch. Jedes "Selbstbestimmungsrecht der gesamten Bevölkerung" in Nordirland würde immer dazu führen, daß Nordirland ein Teil Englands bliebe. Letztlich führt die Rote Morgen Haltung zur Unterstützung der jeweils unterdrückenden Nation.

Marxisten-Leninisten hingegen vertreten natürlich die Auffassung, das demokratische Recht auf Lostrennung für eine unterdrückte Nation, beinhaltet gleichzeitig daß es auch keinerlei Ungerechtigkeiten für andere nationale Minderheiten geben darf und kein Privileg für irgendeine Nation.

Auch "Gegen die Strömung" (GDS) hat ihre anfängliche Losung des Rechts auf Lostrennung des Kosovo zurückgenommen. Sie erklären: "Die Kommunistinnen und Kommunisten in Vielvölkerstaaten wie dem zaristischen Rußland oder dem ehemaligen Jugoslawien sind dort zwar für das Recht auf Lostrennung, propagieren aber in der Regel keinesfalls die Lostrennung selbst. Denn die grundlegende Linie des proletarischen Internationalismus erfordert ja gerade den maximalen Zusammenschluß der Völker im revolutionären Kampf für die Zerschlagung des sie unterdrückenden Ausbeuterstaats." (Gegen die Strömung, "Zum Krieg des deutschen Imperialismus gegen Jugoslawien", Mai 1999, S. 6/7)

Dann führen sie an warum sie den konkreten Kampf für das Recht auf "Lostrennung Kosovos von Jugoslawien" heute nicht unterstützen: "In der jugoslawischen Verfassung erhielt Kosovo nicht den Status einer Republik, sondern den Status eines autonomen Gebietes. Die Bedeutung dieses Unterschieds liegt darin, daß die nationalen Rechte des Kosovo nicht das Recht auf Lostrennung einschließt."(H.v.V.)

GDS fährt fort: "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir dieses Problem noch nicht einschätzen". Es stimmt, daß innerhalb der Verfassung der Föderativen Republik Jugoslawien von 1946 Kosovo einen Autonomiestatus erhielt und keinen Republikstatus. Aber wir sind der Meinung, daß angesichts der gesamten Entwicklung in Jugoslawien und im Kosovo heute der praktische Verzicht auf die Forderung nach dem Lostrennungsrecht für die albanische Nationalität im Kosovo grundfalsch und opportunistisch ist. Sicherlich, auch wir können die damalige historische Situation nicht ausreichend beurteilen, aber was wir doch beurteilen können und müssen ist, daß der jugoslawische Staat ab 1948 seine großserbische Unterdrückung der anderen Nationen und Nationalitäten im jugoslawischen Staat wieder auf die Tagesordnung setzte. Die Kommunistische Partei Jugoslawiens wurde von der Kominform schon von Anfang an aufgrund ihrer revisionistischen Abweichungen kritisiert (siehe Resolution des Kominformbüros von 29. Juni 1948, "Über die Lage in der Kommunistischen Partei Jugoslawiens") Die Kominform erklärte in ihrer Resolution vom November 1949: "Wenn die Beratung des Informationsbüros der Kommunistischen Parteien im Juni 1948 den Übergang der Clique Tito-Rankovic von Demokratie und Sozialismus zum bürgerlichen Nationalismus feststellte, so vollzog sich in der Zeit, die seit dieser Beratung des Informationsbüros vergangen ist, der Übergang dieser Clique vom bürgerlichen Nationalismus zum Faschismus und zum direkten Verrat an den nationalen Interessen Jugoslawiens." ("Die Kommunistische Partei Jugoslawiens in der Gewalt von Mördern und Spionen")

Die Lösung der Autonomie (falls das tatsächlich auch dem Wunsch der albanischen Nation im Kosovo entsprach) konnte ja für die konkreten historischen Bedingungen nach dem Ende des Weltkrieges richtig sein, aber angesichts der konkreten historischen Entwicklung kann sie die Wahrnehmung des Rechtes auf Lostrennung der albanischen Nation im Kosovo keinesfalls ersetzen.

***

Eine wirkliche Lösung auf dem Balkan kann nur erreicht werden, wenn die Völker des Balkans die Sache ihrer Befreiung in die eigenen Hände nehmen und gegen die imperialistischen Besatzermächte und gleichzeitig gegen die eigene reaktionäre nationale Bourgeoisie ankämpfen. Wir Kommunisten müssen unseren Beitrag dazu leisten, indem wir in der BRD den eigenen Imperialismus anprangern, und seine ganzen imperialen Machenschaften auf dem Balkan entlarven und bekämpfen. Seine Phrasen von "Menschenrechten" müssen wir entlarven und seine menschenverachtende Politik, welche er in der BRD gegen die Flüchtlinge aus den Balkanstaaten verfolgt, bekämpfen.

So schwer es heute auch ist und so "unpraktisch" es auch klingt, der Krieg auf dem Balkan, der deutsche Militarismus und Revanchismus haben nur noch einmal bestätigt: "Die sozialistische Revolution ist die einzige Lösung" und Revolution ist die einzige Lösung für die Vergeschwisterung der Völker!

Fußnoten

Lenin über das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung