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Die Mitverantwortung des deutschen Volkes

Um die berechtigten Entschädigungen und Reparationsleistungen in angemessenen Umfang vom deutschen Staat und dem Großkapital zu erkämpfen, wäre es unbedingt notwendig gewesen, daß die deutschen Werktätigen für diese Forderungen eintreten und sich ihrer historischen Mitverantwortung bewußt sind. Nur so könnte der imperialistische Staat und das Kapital gezwungen werden umfassende Entschädigungen zu leisten.

Nur eine wirklich massive demokratische revolutionäre Bewegung hätte eine tatkräftige Unterstützung der Forderungen der ZwangsarbeiterInnen bewirken können. Befangen im deutschen Chauvinismus, der vorherrschende Ideologie war und ist, verhält sich die Masse der Werktätigen entweder schweigend neutral oder vertritt die Forderungen und Einschätzungen der bürgerlichen Politik und des deutschen Imperialismus.

Die wenigen fortschrittlichen, revolutionären oder sozialistischen Kräfte, die versuchen innerhalb der Gewerkschaften, in den Betrieben und im antifaschistischen Spektrum eine "Gegenöffentlichkeit" herzustellen, sind schwach und konnten nicht bewirken, daß sich eine Massenbewegung für die minimalsten demokratischen Rechte der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen entwickelt. Es gibt Protestresolutionen kritischer Gewerkschafter, Journalisten und Anwälte, so z.B. den Aufruf "Sofortige Entschädigungszahlungen an jeden Zwangsarbeiter statt Schlußstrich für die Täter". Die Ablehnung des Gesetzes in der vorliegenden Form ist richtig, aber die politische Schwäche dieser Aufrufe liegt darin, daß viele nicht den Zusammenhang aufzeigen, daß die "Täter" von damals, die gleichen Herren sind, die die Wirtschaft und Politik des deutschen Imperialismus von heute bestimmen. Die historische Kontinuität des deutschen Imperialismus fällt unter den Tisch, und es wird nicht der Zusammenhang hergestellt, daß eine zunehmende heutige Faschisierung auch wieder zu Errichtung einer faschistischen Diktatur führen kann.

Auch sich marxistisch-leninistisch nennende Kräfte wie z. B. der "Rote Morgen" (Zeitung der KPD) haben sich geäußert. In einem Leitartikel "Empörendes Schauspiel um Entschädigung" (RM 24, 21.12.1999) tritt der "Rote Morgen" den Beweis an, daß er mit dem deutschen Chauvinismus nicht wirklich gebrochen hat und die Mitverantwortung des deutschen Volkes für die Schandtaten seiner Herrschenden völlig verleugnet. Der Abschluß des Artikels ist wie folgt: "Und eines ist klar: Das Gros der zehn Milliarden Mark trägt der deutsche Steuerzahler - dank der Bundesregierung! Wir fordern: Die Profiteure der Zwangsarbeit müssen zahlen". (RM 24, S. 2) Natürlich sollen -vor allem- die Profiteure aus der Zwangsarbeit zahlen, aber nicht nur. Den Gegensatz so zu stellen, nicht der Steuerzahler (also die werktätigen Menschen) sondern nur das Kapital soll zahlen ist opportunistisch und falsch. Haben nicht Marx und Engels anhand der ganzen historischen Entwicklung des Preussentums aufgezeigt, daß das "Sündenregister der Verbrechen Deutschlands an anderen Völkern" nicht nur die Herrschenden zu verantworten haben. Sie haben eindringlich darauf verwiesen, daß nur wenn sich das deutsche Volk, die werktätigen Massen von ihren Unterdrückern tatsächlich emanzipieren und den Sozialismus erkämpfen sie auch der eigenen Mitverantwortung gerecht werden. Denn "die Schuld für diese Verbrechen fällt nicht allein den Regierungen, sondern zu einem großen Teil dem deutschen Volk selbst zur Last." (Engels, zitiert in Reaktionäre Preußentum, S. 54). Der spezifisch deutsch-preußische Untertanengeist, der Nährboden für die faschistische Ideologie war, die auch in Teilen der deutschen ArbeiterInnenklasse auf fruchtbaren Boden fiel, war, feiert heute wieder seine Urstände. Die neue deutsche preußische Hauptstadt mit all ihrem Pomp und Gloria legt davon beredtes Zeugnis ab. Wer in solch einer Zeit die Mitverantwortung des deutschen Volkes für die Verbrechen des deutschen Imperialismus so entsorgt, daß er sich damit begnügt zu rufen, die einzig Schuldigen, das sind die Konzerne, das sind die Profiteure, der kann der bürgerlichen Demagogie nicht wirklich entgegentreten, bzw. der befindet sich in ihrem Fahrwasser. Natürlich sind die Hauptschuldigen die Industrie und ihr Staat, gleichzeitig tragen aber die werktätigen Massen ein wirklich entscheidendes Maß an Mitverantwortung. Der Nazi-Faschismus, der blutig die revolutionäre Arbeiterbewegung unterdrückte, konnte sich auf weite Teile der Arbeiterschaft, des Kleinbürgertums und der Bauern stützen, um seinen Welteroberungskrieg zu führen, das Völkermordprogramm, die Vernichtung der europäischen Juden, der Roma und Sinti und sein Zwangsarbeitersystem durchzusetzen. Gerade auch vom Zwangsarbeitersystem ließ er die Werktätigen direkt mitprofitieren, sei es daß "deutschen Frauen" Zwangsarbeiterinnen als Haussklavinnen zur Verfügung gestellt wurden oder viele deutsche ArbeiterInnen in den Fabriken die Aufseher und Unterdrücker der ZwangsarbeiterInnen waren. Dieser historischen Mitverantwortung muß sich das deutsche Proletariat, die deutschen Werktätigen stellen und ein Zeichen dafür wäre vom heutigen Staat und der Finanzbourgeoisie eine wirkliche Entschädigung der ZwangsarbeiterInnen zu fordern. Richtig dabei ist, daß auch die Massen sich in Form von Steuern etc. an dieser Entschädigung mitbeteiligen. Es ist eine der demokratischen Grundforderungen des Potsdamer Abkommens gewesen, daß auch

"Deutschland gezwungen werden soll, in größtmöglichem Ausmaß für die Verluste und die Leiden, die es den Vereinten Nationen verursacht hat, und wofür das deutsche Volk der Verantwortung nicht entgehen kann, Ausgleich zu schaffen." (Potsdamer Abkommen, S. 422)

Wir KommunistInnen, die heute noch eine ganz schwache Kraft in der ArbeiterInnenbewegung sind, können nur versuchen durch unsere Agitation aufzuklären und durch Aktionen Zeichen zu setzen, die dokumentieren, daß die historische Verantwortung der Proletarier in Deutschland darin besteht, heute für die maximalen demokratischen Rechte aller Opfer des Nazi-Faschismus zu kämpfen. Lassen wir es nicht zu, daß das Buch der Verbrechen des deutschen Imperialismus und des Nazi-Faschismus geschlossen wird und weiter zur Tagesordnung, der weiteren Faschisierung des heutigen BRD-Staates mit den Nazi-Stoßtrupps übergegangen wird.

Wir müssen das Bewußtsein schaffen, daß ein sozialistisches Deutschland es als vorrangige Aufgabe ansehen wird, soweit es möglich ist alle Auswirkungen der Barbarei, alle Ungerechtigkeiten und Verbrechen des deutschen imperialistischen Staates auszugleichen und widergutzumachen.

Voraussetzung dafür ist der unermüdliche Kampf für die sozialistische Revolution, die einziger Garant ist, daß der deutsche Imperialismus für seine Verbrechen büßen wird, daß ihm das Handwerk gelegt wird und er nicht wieder in einem dritten Weltkrieg die Völker der Welt versklaven und vernichten kann.