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Die deutsche Weltmacht und die Entschädigung der ZwangsarbeiterInnen

55 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde am 6.7.2000 vom Bundestag das "Gesetz zur Errichtung einer Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (im folgenden "Stiftungsgesetz") verabschiedet. Am 12.8.00 trat es in Kraft. "Die in der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zusammengeschlossenen Unternehmen und der Bund" sind die Stifter (Gesetz, 3). Als "Stiftungsvermögen" werden 5 Milliarden DM vom Staat und 5 Milliarden von "der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft" "zur Verfügung gestellt". Damit sollen die noch lebenden ZwangsarbeiterInnen finanziell entschädigt werden.

Es ist unglaublich, aber deutsche Realität, daß 55 Jahre nach Kriegsende erstmals eine materielle Entschädigung für Menschen aus vielen Ländern "bewilligt" wird, die zu Sklavenarbeit für die deutsche Industrie, Landwirtschaft und den Nazi-Staat zwangsrekrutiert und deportiert worden waren. Die Sklavenarbeit von 12 - 15 Millionen ZwangsarbeiterInnen war Teil der Barbarei des Nazi-Faschismus. Der heutige deutsche Staat mit seiner rot-grünen Regierung hat natürlich nicht plötzlich sein "antifaschistisches Herz" entdeckt und darum ein solches Gesetz verabschiedet.

Wir wollen aufzeigen, welche Beweggründe den deutschen Imperialismus und seine Politiker dazu gebracht haben und welche Ziele sie dabei verfolgen. Es geht uns weiter darum, um welche Forderungen wir weiterhin kämpfen und welche Diskussionen wir weiter führen müssen, die in der Vergangenheit versäumt wurden. Es geht darum das Bewußtsein unter den werktätigen Massen in der Frage der Entschädigung, der "historischen Mitverantwortung" zu schaffen. Es geht darum insbesondere gegen den ansteigenden deutschen Chauvinismus und Rassismus auch unter den Werktätigen anzugehen. Es geht darum aufzuzeigen, daß der Faschismus eines der Herrschaftsinsturmente des deutschen Imperialismus war. Es geht darum klarzumachen, daß nur durch die Abschaffung des imperialistischen Systems insgesamt gewährleistet werden kann, daß der Barbarei ein Ende gesetzt wird.

Die Berichterstattung in den bürgerlichen Medien von Presse bis TV und die Diskussionen der Politiker aller Couleur und der Wirtschaftsvertreter über die Entschädigungsfrage wirft ein grelles Licht auf die ungebrochene historische Kontinuität des deutschen Imperialismus.

Die bürgerlichen Politiker und Finanzmagnaten wollen die "leidigen Fragen der Vergangenheit" "entsorgen", um die Weltmacht Deutschland als voll gesellschaftsfähig und als Führungsmacht weiter zu etablieren. Die moderne Großmacht, gesponsert von SPD und Grünen, will endlich allen "alten Ballast" abwerfen, will deutsche Geschichte wieder "als großartigen Wurf der Mittelmacht Europas" verkaufen und muß sich dazu der Jahre des Hitlerfaschismus, als "dunkles Kapitel der deutschen Vergangenheit", zeitgemäß entledigen. Das sind die Handlungsmotive des deutschen Staates, des Finanzkapitals und der Industrie, die diese in den Verhandlungen über die berechtigten Forderungen der überlebenden Zwangsarbeiterinnen deutlich an den Tag legten. Diese Absichten werden auch unverhüllt offen im Stiftungsgesetz benannt.

Bei den Forderungen der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen geht es sowohl um nicht gezahlte Löhne, wie auch um einbehaltene Sozialleistungen wie Renten, um finanziellen Ausgleich für die Folgen von Hunger,Folter und Krankheit bei der Sklavenarbeit. Begriffe wie "Entschädigung" und "Wiedergutmachung" für diese Forderungen sind natürlich verharmlosende Begriffe angesichts der ausgeübten Barbarei des Nazi-Faschismus. Auch wenn wir sie benutzen, wollen wir vorneherein klarstellen, daß wir darunter was ganz anderes als die Herrschenden verstehen.

An diesen "Nachfolge"Staat des Nazi-Faschismus müssen wir im politischen Kampf als eine Forderung die nach finanziellen Mitteln stellen, die den ehemaligen ZwangsarbeiterInnen zustehen aufgrund der erlittenen Sklaverei. Wir müssen uns aber auch bewußt sein, wie minimal und begrenzt gemessen an den Verbrechen ein materieller "Ausgleich" überhaupt nur sein kann.