TROTZ ALLEDEM!

 

25 Jahre Stammheim

Am 18. Oktober jährte sich zum 25. Mal die Ermordung von Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin und Andreas Baader. Schon beim 20. Jahrestag mußten wir feststellen, dass die Gedenkveranstaltungen sehr wenig besucht waren und das Interesse sehr gering. Die bürgerliche Geschichtsverfälschung trägt ihre Früchte . So war es dann dieses Jahr soweit gekommen, dass an linken Veranstaltungen zu dem Thema kaum noch etwas stattfand, im Gegenteil dazu um so mehr in der bürgerlichen Presse über den "Deutschen Herbst" zu lesen war, oder in den Kinos ein Film nach dem anderen präsentiert wurde. Der Gipfel war dann die Story von dem "verschwundenen Gehirn" von Ulrike Meinhof. Nachdem der Staat 1976 beweisen wollte, dass er unschuldig an dem Tod von Ulrike Meinhof sei, ließ er das Gehirn von ihr von dem Tübinger Pathologen Jürgen Pfeiffer untersuchen. Letzterer hat das Gehirn in seiner Asservatenkammer aufbewahrt, da niemand nach der Untersuchung Ansprüche gemeldet hätte. Das wurde öffentlich, nachdem dieser reaktionäre "Forscher" in neuen Untersuchungen beweisen wollte, dass Ulrike für ihre Taten nicht verantwortlich war, da sie "irre" und "wahnsinnig" gewesen sei. Als angebliche Beweise wurden Aussprüche und Schriften von Ulrike zitiert, in denen sie über die Isolationshaft schrieb: "Man kann nicht erklären, ob man vor Fieber oder Kälte zittert. das Gefühl, man verstummt - man kann die Bedeutung von Worten nicht mehr identifizieren. Besuche hinterlassen nichts. Eine halbe Stunde danach kann man nur noch mechanisch rekonstruieren, ob der Besuch heute oder vorherige Woche war ." Dieses und Schriften über den antiimperialistischen Kampf "Antiimperialistischer Kampf, wenn das nicht nur eine hohle Phrase sein soll, zielt darauf, das imperialistische Herrschaftssystem zu vernichten" seien eindeutige Beweise über den Realitätsverlust von Ulrike Meinhof. Einzig die Tochter von Ulrike Meinhof, Bettina Röhl, eine Neu-Rechte, so rechts, dass sich selbst bürgerliche Verlage weigerten ihre Pamphlete abzudrucken, wandte sich lautstark gegen diese Untersuchungsbekanntgabe und das Ausschlachten der Story im Spiegel. Sie will ihre eigene Version der Geschichte ihrer Mutter schreiben.

Noch eine andere Perversität kam 2002 ans Tageslicht. Der Gerichtsmediziner Hans Joachim Mallach, der 1977 die Leichen von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe sezierte, fertigte sich für seine Trophäensammlung Totenmasken der drei an. Die Söhne von Mallach haben 2002 erstmals darüber und über die wahre Geschichte ihres Vaters in der Öffentlichkeit geredet. Mallach war ein "ordentlicher Deutscher", erst bei der Hitlerjugend, dann bei der Waffen-SS, in der Leibstandarte von Adolf Hitler. 1989 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Bei der Obduktion 1977 war übrigens auch der damalige Anwalt von Gudrun Ensslin anwesend, kein geringerer als Otto Schily!

Es ist unsere Aufgabe, diese Geschichtsverfälschungen aufzudecken und es ist die Aufgabe aller Linken und RevolutionärInnen in der BRD dieses nicht dem deutschen Staat zu überlassen! Was wird erst in 5 Jahren sein? Die Geschichte der RAF ist Teil unserer Geschichte, der Kampf der RAF für eine gerechte Welt ist auch unser Kampf!

Anläßlich des Gedenkens an die Ermordeten haben wir in Stuttgart in einem Bündnis eine Veranstaltung durchgeführt. Das Bündnis war zwar klein, aber es herrschte eine sehr freundschaftliche und produktive Atmosphäre. Vor der Veranstaltung haben wir zu einer Kundgebung am Grab auf dem Stuttgarter Dornhaldenfriedhof aufgerufen. Es kamen leider nur wenige Leute. Nach einer Schweigeminute haben wir eine kurze Rede gehalten, die unten abgedruckt ist.

Anschließend wurden mehrere revolutionäre Lieder gesungen, was alle sehr verbunden hat.

Zu der Veranstaltung am Abend kam kein einziger aus der linksradikalen Autonomen- und Antifaszene! Teilweise wurde dies damit begründet, dass die Anhänger von Trotz Alledem "Stalinisten" seien. Wir finden diese Reaktion politisch verantwortungslos, ein Gedenken ausfallen zu lassen, ehe man mit KommunistInnen zusammen arbeitet, bzw. als Zuhörer ihre Veranstaltung besucht. Die eigene Geschichte gerät in Vergessenheit, den Herrschenden ist damit bestens geholfen! Was für ein Tiefpunkt für die Linksradikale in der BRD! Wenn wir nicht dafür sorgen, dass die Wahrheit ans Licht kommt wer dann? Was sind das für Wahrheiten, die den Jüngeren da erzählt werden? Lügen und Märchen wie in den Kinofilmen "Baader", "Stammheim", "Black Box" , Lügen und Märchen in fiktiven Liebesromanen über Ensslin und Baader, Lügen und Verdrehungen in den Spiegel-Storys. Lügen und Verdrehungen in den Berichten von ehemals "68ern" wie Schily, Aust und Fischer. All dies, um uns vergessen zu lassen, dass die BRD kontinuierlich auf dem Hitlerfaschismus aufgebaut wurde, dass Nazis unter Hitler nach 1945 weiter an oberster Stelle wahren, dass Blutrichter weiter "Recht" sprachen und all dies, um vergessen zu lassen, dass es auch andere Zeiten der deutschen Linke gegeben hat. Radikale Zeiten! Radikaler Widerstand, der mit Ermordung von Linken und RevolutionärInnen und Ausbau des staatlichen Überwachungsapparates beantwortet wurde.

Nichts ist vergeben, nichts ist vergessen! Der Kampf geht weiter!

Einige Auszüge aus den Redebeiträgen für die Veranstaltung:

Wir, das Vorbereitungskomitee zu dieser Veranstaltung, sind ein Bündnis von verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen. Vor 25 Jahre wurden im Gefängnis Stuttgart-Stammheim Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Karl Raspe ermordet. Deshalb machen wir heute diese Veranstaltung. Wir sind keine Experten der RAF. Wir haben uns mit der RAF kritisch-solidarisch auseinandergesetzt, weil sie Teil der revolutionären Bewegung weltweit waren. Wir möchten hier auch nicht diskutieren, was wir z.B. von einem bestimmten Briefwechsel innerhalb der RAF halten, sondern wir wollen den Kampf der RAF für eine befreite Gesellschaft diskutieren, wir würden gerne diskutieren: was heisst revolutionäre Haltung, was können wir von der RAF lernen, welche Kritiken haben wir und wie kommen wir zur Revolution. Dazu haben wir einen kurzen Abriss der Geschichte und Herkunft der RAF gemacht. Zum Teil gehen die Meinungen innerhalb der Vorbereitungsgruppe auseinander, über die Kritiken und die Fehler, die wir bei der RAF sehen, aber auch ihre konsequente Haltung zum revolutionären Kampf. Wir werden unsere unterschiedlichen Positionen darlegen, und möchten gerne auch darüber diskutieren.

Die Entscheidung für den bewaffneten Kampf

Die Entscheidung für den bewaffneten Kampf entstand aus der 68er-Bewegung. Die 68er-Bewegung in Deutschland hatte 3 Wurzeln: die Erfahrungen mit der nachfaschistischen BRD- Gesellschaft, der US-Krieg in Vietnam und die Große Proletarische Kulturrevolution in China.

Aus der Niederlage des Hitler-Faschismus erwuchs in der BRD keine grundlegende gesellschaftliche Veränderung. Kapitalistischer Wiederaufbau, Eingliederung in den westlichen Militär- und Wirtschaftsblock (WEF und NATO) standen auf der Tagesordnung: die BRD, das "Bollwerk gegen den Bolschewismus". Binnen weniger Jahre waren ehemalige Nazis wieder in Amt und Würden. Der offizielle Feind stand und steht auch heute noch links.

Dieselben Bosse in den Konzernen, dieselben Beamten und Bürokraten, dieselben Lehrer an den Schulen. Alle hatten sich über ihre "braune Weste" das Mäntelchen der Demokratie gehängt. Große Teile der Jugendlichen wollte sich in den 60er Jahren nicht in dieser muffigen, verlogenen BRD-Gesellschaft einrichten. Sie suchten nach Alternativen, wollten anders leben, nahmen die Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Gesellschaft und Politik auf, enttarnten, brandmarkten, kritisierten. Wohngemeinschaften entstehen, StudentInnen und Lehrlinge organisieren sich, ein anderes Lebensgefühl wird spürbar: Aufbruchstimmung.

Als sich Anfang der 60er Jahre im Süden Vietnams Widerstand entwickelte, der in Nordvietnam seine Rückzugsbasis hatte, eröffneten die USA den Krieg gegen Nordvietnam. Die Brutalität der US-amerikanischen Flächenbombardements unter Einsatz von Napalm löste in der bundesdeutschen Linken und weltweit Proteste und Empörung aus. In der StudentInnen-und Lehrlingsbewegung entwickelte sich ein bewusstes antiimperialistisches Engagement und die Unterstützung der Befreiungsbewegungen in den abhängigen Ländern. Leitbild und Antrieb war die Proletarische Kulturrevolution, wo die Massen sich unter Mao organisierten und kämpften — gegen verbürokratisierte Kommunisten, die Macht in China erlangt hatten.

Bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien, dessen diktatorisches Folterregime in der BRD einen wichtigen Handelspartner hatte, wurde in Berlin am 2. Juni 1967 der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. Ein knappes Jahr später, am 10. April 1968, schoss ein durch die Springer-Presse aufgehetzter Arbeiter auf den bekanntesten Sprecher der StudentInnenbewegung, Rudi Dutschke, und verletzte ihn lebensgefährlich.

Die Außerparlamentarische Opposition (APO) war auf ein breites Bündnis ausgerichtet. Außerparlamentarisch deshalb, weil sie auf der Straße kämpften, außerhalb des Parlaments, des Bundestags. Das fast allen Flügeln und "Fraktionen" der APO gemeinsame Ziel war die Überwindung und Beseitigung des "bürgerlichen, imperialistischen, monopolkapitalistischen Schweine- und Bullen-Staates". Die Anführer der Protestbewegung waren die StudentInnen. Sie forderten mehr Mitbestimmung an den Universitäten. Sie zwangen die Professoren in den Vorlesungen, über ihre Forderungen zu diskutieren. Sie störten oder verhinderten Vorlesungen durch die Besetzung von Räumen. Dadurch wollten sie ihren Protest gegen die Reichen und Besitzenden, gegen das "Establishment", zum Ausdruck bringen. Sie forderten Enteignung der Reichen und Mächtigen. Allen Menschen sollte es gut gehen. Die APO war keine dauernde und geschlossene Organisation. Sie hatte deshalb auch kein Programm. 1969 löste sich die APO wieder auf.

Aus der 68er Bewegung entstanden 3 verschiedene Strömungen: Gruppen, die sich auf den Kommunismus bezogen, die sogenannten undogmatischen Basisgruppen, aus denen die heutigen Autonomen entstanden. Als 3. Strömung entstanden die Gruppen, die meinten sofort zu den Waffen greifen zu müssen und sich deshalb illegal organisierten. Die ROTE ARMEE FRAKTION (RAF) und als Zusammenschluss mehrerer Stadtguerillagruppen die "BEWEGUNG 2. JUNI", etwas später entstanden die "REVOLUTIONÄREN ZELLEN (RZ)" und die "ROTE ZORA".

Wofür hat die RAF gekämpft…

Zitat Ulrike Meinhof: "Protest ist, wenn ich sage, das und das passt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt, nicht länger geschieht. Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass alle anderen auch nicht mehr mitmachen."

Was wollte die RAF? Sie wollte dasselbe, wie viele der hier versammelten. Sie sah, dass es keine reformistische Verbesserung des Systems gab. Sie sah, dass dieses System nicht mehr zu retten ist, dass das System selbst der Fehler ist. Sie sah, dass die ganze Gesellschaft auf den verschiedenen Herrschaftsformen aufgebaut war — Ausbeuter und Ausgebeutete, Kapitalisten und ArbeiterInnen, Rassismus, Patriarchat, Umweltzerstörung, Chauvinismus, imperialistische Kriege, totale Ausbeutung der Menschen in den abhängigen Ländern. Deswegen kämpfte sie für eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft. Für eine Welt, in der jegliche Herrschaft abgeschafft ist. Die RAF hielt den Aufbau einer solchen Welt nur für möglich, wenn vorher den Ausbeutern ihr Ausbeutungsparadies mit Gewalt entrissen wird.

Die Tatsache, dass die RAF Gewalt als revolutionäres Mittel benutzte, halten einige von uns für sehr wichtig und richtig an der RAF. Andere von uns sind sich nicht sicher, ob eine grundlegende Veränderung nur gewaltsam möglich ist.

Auf den bewaffneten Kampf reagierte der Staat mit einem wahren Feuerwerk der inneren Faschisierung. Manche Leute innerhalb der Linken geben der RAF die "Schuld" dafür. Das ist grundsätzlich falsch! Die Verantwortung dafür trägt der Staat. Er wird auf unsere Kämpfe so oder so mit Faschisierung antworten.

Die damaligen RAF-Mitglieder haben von ihren Träumen und ihrer Sehnsucht nach einer besseren Welt nicht abgelassen. Sie haben leidenschaftlich die Barbarei des System angeprangert und für Befreiung gekämpft. Sie waren radikal und unbeugsam. Selbst als der Staat ihr Leben bedrohte, ließen sie sich in ihrem revolutionären Elan nicht stoppen. Viele von ihnen gaben sogar ihr Leben. Das soll keine Hymne auf Märtyrertum sein oder Werbung dafür, sein Leben der Revolution zu "opfern". Die RAF-Mitglieder kämpften bis zum letzten Atemzug, um zu leben und nicht um zu sterben.

…und unsere Kritik:

Es ist kein Fehler die RAF zu kritisieren. Wir sehen die RAF als Teil der revolutionären Geschichte. Wir müssen uns mit der Geschichte von Befreiungsbewegungen auseinandersetzen. Aus ihren Fehlern können wir lernen.

Das Hauptproblem bei der RAF sehen wir darin, dass sie einen falschen Weg zur Befreiung der Menschen einschlugen. Wir verurteilen ihre Anschläge auf gar keinen Fall moralisch, sie töteten Verbrecher, an deren Händen das Blut vieler klebte. Unser Problem damit ist, dass man damit nicht durchkommt!!! Warum? Ihr Weg war der, die Massen im Schockverfahren, im Schnelldurchgang aufzurütteln, mit spitzen Sporen aufzureizen, anzustacheln, Revolution zu machen. Das Schockverfahren waren die Anschläge. Diese wurden von ihnen —der Avantgarde— durchgeführt. Die Massen sollten den Kämpfen, welche die Avantgarde durchführte, folgen. Sie kämpften quasi für die Massen (Stellvertreterpolitik) Diese Quasi-Abkürzung zur Revolution funktioniert nicht. Der Weg dorthin ist langwierig und kompliziert. Auf diesem Weg müssen die Massen selber kämpfen, selber den Geschmack und den Pulverdampf des Kampfes spüren und erfahren. Sie müssen selber ihre —zum Teil auch bitteren— Erfahrungen machen. Wir können keine Massenbewegung erschaffen. Die Aufgabe der Leute, die eine andere Gesellschaftsform wollen, ist es, in die Massen ihr Wissen, ihre Lebensphilosophie, ihre Überzeugungen hineinzutragen. Man muss mit den Massen kämpfen und nicht für sie.

Wir denken, dass die RAF den Begriff ‘Avantgarde‘ falsch definiert hat. Wir lehnen den Begriff nicht ab, füllen ihn aber so: Wir denken, dass es insofern eine Avantgarde geben wird, weil manche Menschen mehr Möglichkeiten und Fähigkeiten haben, länger in der Bewegung sind, mehr gelesen haben, mehr Zeit haben, mehr Energie haben etc. Von ihnen kann man lernen. Das soll nicht unkritisches Übernehmen ihrer Ansichten sein. Im Kapitalismus gibt es immer Menschen, die ein Wissensvorsprung haben, die gesamte Masse der Menschen hat nicht das gleiche Bewusstsein.

Weitere Kritikpunkte, hier nur kurz angerissen, ist die falsche Analyse der RAF in Bezug auf die BRD. So erklärte die RAF immer wieder "das war Faschismus oder das ist Faschismus". Dadurch wird der Faschismus —und insbesondere der deutsche Nazi-Faschismus— verharmlost. Isolationshaft gegen Revolutionäre ist faschistische Methode innerhalb der bürgerlichen Demokratie, kein Faschismus.

Auch hat die RAF die USA zu stark zum Hauptfeind gemacht und dabei den deutschen Imperialismus unterschätzt. Wir denken, dass der Hauptfeind im eigenen Land steht, und deshalb für uns, als hier kämpfende Menschen, in erster Linie der deutsche Imperialismus angegriffen werden muss. Das bedeutet für uns auch Solidarität mit den Kämpfenden weltweit. Der deutsche Imperialismus trägt seinen Teil genauso bei.

Auch hatte die RAF eine unklare Haltung zur damaligen Sowjetunion, zu den Ostblockstaaten insgesamt, und zur DDR.

Die innere Faschisierung damals und heute:

Zahlreiche Ex-Nazis besetzten nach 1945 wieder einflussreiche Positionen in den Machtzentren von Regierung, Militär, Justiz, Parteien und Wirtschaft. Im Jahr 1959 standen von 33 Polizeipräsidien in Nordrhein-Westfalen 20 unter der Leitung ehemaliger SS-Hauptsturmführer.

Verfassungsschutz, Polizei und Justiz wurden gegen die soziale und revolutionäre Opposition hochgerüstet. Diese Aufrüstung, die sich letztendlich auch in den zahlreichen, die persönliche Freiheit einschränkenden Gesetzesveränderungen äußert, wird im Zusammenspiel von Politik, Polizei, Justiz und der Propaganda in und durch die öffentlichen Medien durchgepaukt.

Am 15. Juli 1971 wird Petra Schelm bei ihrer Festnahme erschossen. In Westberlin erschießen am 4.12.1971 Polizisten in Zivil Georg von Rauch . Bei einer Fahrzeugkontrolle waren Georg von Rauch und zwei Begleiter aufgefordert worden, sich mit erhobenen Händen und dem Gesicht zur Wand zu stellen. Er wurde erfolglos nach Waffen durchsucht. Als Georg von Rauch zur Seite blickt, trifft ihn die Kugel aus einem Meter Entfernung. Thomas Weißbecker wird am 2.3.1972 in Augsburg von einem polizeilichen Sonderkommando aus zwei Metern Entfernung erschossen.

Im August 1976 wird der §129a "Bildung, Unterstützung und Werbung (für) eine/r terroristische/n Vereinigung" geschaffen. Als "Terroristen" werden GegnerInnen dieses Staates definiert. Zunächst richtet er sich nur gegen die RAF, weil —wie die Bundesregierung ganz offen sagt— die RAF so besser als Gruppe verfolgt werden kann, ohne einen EinzeltäterInnennachweis erbringen zu müssen. 1987 wird der §129a gegen die RZ und antiimperialistische Widerstandsgruppen ausgeweitet. Mit dem §129a werden alle Sonderhaftbedingungen und Sonderermittlungen begründet. Es wird massiv versucht die Verteidigung auszuschalten bzw. zu verhindern. So werden die VerteidigerInnen aufgrund ihrer beruflichen Kontakte zu den Gefangenen kriminalisiert, ihre Büros durchsucht, Prozessunterlagen beschlagnahmt. Es gibt Iso-Haft, die die Gefangenen psychisch und physisch zerstören soll.

Im Rahmen der Fahndung werden keine Gefangenen mehr gemacht, sondern quasi Hinrichtungen vollzogen. Bis Juni 1979 werden im Zuge der Fahndung drei Gesuchte erschossen: Willy Peter Stoll, Michael Knoll, Elisabeth von Dyck.

Und heute:

Die innere Faschisierung ist nicht einfach 1977 stehengeblieben. Sie wird auf allen Ebenen des Staatsapparates weiter vorangetrieben. Der Große Lauschangriff, flächendeckende Kameraüberwachung, die Einführung des §129b, ein Repressionsparagraph gegen den antiimperialistischen Widerstand, die Verfahren gegen die Zeitung Radikal, gegen die Autonome Antifa M, die faktische Abschaffung des Asylrechts.

Als Otto Schily in der SPD noch in Opposition war, war seine Ansicht, dass die Gesetze, die gegen die RAF und den Widerstand erlassen wurden, eingestellt gehören. Heute, als Innenminister, erlässt er ein Sicherheitspaket, ein rassistisches Zuwanderungsgesetz und Rasterfahndung nach dem 11.9. Nach dem 11. September findet der sogenannte Antiterrorkrieg nach Außen sein Gegenstück nach Innen: Ein Gesetz nach dem anderen wird durchgepeitscht. Das neue Zuwanderungsgesetz und das Otto-Schily-Sicherheitspaket. Ein neuer §129b zur Kriminalisierung von "ausländischen" Widerstandsgruppen, die Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten wird national, als auch innerhalb der Schengener-Grenzen, intensiviert. Umfassende DNA-Analysen gegen Menschen aus dem "linken" Spektrum. Fingerabdrücke und Gesichtsgeometrie in den Pässen von Nicht-EU-StaatsbürgerInnen.

Der Krieg gegen den sogenannten Terrorismus nach Außen findet seine innenpolitische Entsprechung in einer Hochrüstung staatlicher Repressionsapparate, die sämtliche Entwicklungen der letzten Jahre in den Schatten stellt, sie sind die umfangreichsten Sicherheitsmaßnahmen der Nachkriegszeit. Beispiel: Lauschangriff, Notstandsgesetze in den '60ern, verdeckte Ermittler, Verfassungsschutz-Leute (V-Leute), Provokateure, die gibt es schon lange, für den ganz normalen alltäglichen Ausnahmezustand. Das hört sich nun sehr übertrieben an, aber ein Beispiel: Die Trennung von Polizei und Geheimdienst wird mit dem neuen Sicherheitspaket beendet. Diese Trennung war eine Erfahrung aus dem Nazi-Faschismus. Die GESTAPO war Polizei und Geheimdienst.

Das Sicherheitspaket wurde mit großer Mehrheit von der Regierung angenommen und gilt seit 1.Januar dieses Jahres. Insgesamt wurden 17 Gesetze und 5 Verordnungen geändert. Klaus Jansen, der Vizepräsident der deutschen Kriminalbeamten meint zu dem Sicherheitspaket: "Damit kann die Bundesregierung Missstände im Ausländerrecht bekämpfen, aber nicht den Terrorismus." Innenminister Otto Schily wurde in einem Interview gefragt, warum braucht man diese biometrischen Daten? Die Antwort: "Zur Identitätssicherung von Menschen, die von Außen kommen."

Klar also, die umfangreichen Sicherheitspakete sind nicht zum Schutz vor "islamistischen TerroristInnen" gedacht, wie uns die PolitikerInnen und Medien immer weismachen wollen.

Was tun?

Einerseits durchschreitet die linksradikale Bewegung heute einen Tiefpunkt. Wir sind insbesondere in Deutschland sehr schwach. Wir leben in einer Zeit der Niederlage und der Zersplitterung der Linken, die Kämpfe gehen immer weiter zurück.

Andererseits stellen wir fest, dass zwar 25 Jahre seit Stammheim vergangen sind, sich aber nichts aber auch gar nichts grundsätzlich verändert hat. Die Faschisierung ist weiter gegangen. Aber nicht nur das, wir stehen vor den gleichen Problemen wie die RAF: Auf der einen Seite eine kleine Minderheit der Unterdrücker und auf der anderen Seite die übergroße Mehrheit der Unterdrückten, die sich tagtäglich mit brennenden Problemen herumschlagen muss. Arbeitslosigkeit, Teuerung, Abbau demokratischer Rechte, Kriege gegen andere Völker, Umweltzerstörung, Rassismus . Die Liste ist noch lange nicht fertig. Damals wie heute gilt also: Es gibt genug Gründe zu kämpfen.Unsere Aufgabe ist es, um die Köpfe und Herzen der Massen zu kämpfen. Denn eine Revolution ist nur mit den Massen möglich. Die Massen müssen selbständig —gemeinsam mit der Avantgarde— kämpfen. Der Kampf geht weiter! Diskutieren wir gemeinsam, wie wir ihn führen sollen!