TROTZ ALLEDEM!

Diskussionsveranstaltung anlässlich des Jahrestages der Ermordung von Ibrahim Kaypakkaya, dem Gründer der TKP/ML, der am 18. Mai 1973 vom faschistischen türkischen Staat ermordet wurde

Die brennenden politischen Fragen anpacken Ibrahim Kaypakkaya gedenken, heißt aus seinem Kampf die Lehren für heute ziehen!

Unter diesem Motto wurden 2003 zum 30. Todestag von Ibrahim Kaypakkayain der BRD zwei Veranstaltungen durchgeführt.

Im Unterschied zu früheren wurde diesmal die Verantwortung für den Ablauf von den drei Zeitungen zusammen übernommen:

„Bolşevik Devrim“/Ausland („Bolschewistische Revolution“ für den Aufbau der kommunistischen Partei in der Türkei),

“Stêrka Bolşewîk“/Ausland („Bolschwistischer Stern“ für den Aufbau der kommunistischen Partei in Nordkurdistan) und

„Trotz Alledem“ (für den Aufbau der bolschewistischen Partei in Deutschland).

Im Vorfeld wurde der Charakter der Veranstaltung geplant. Wichtig war, dass sie jugendgerecht und spannend, vielseitig und aktivierend, aktuell und vorwärtsbringend sein sollte. Das sind sehr gute Vorsätze – wie wurden sie umgesetzt?

Die politischen Inhalte wurden nicht über ein langes Referat vermittelt. Es wurden Thesen vorgetragen, die dann direkt in die Diskussion übergingen. Wir drucken die Thesen von Trotz Alledem und Stêrka Bolşewîk im Anhang in deutscher und türkischer Sprache ab. Die Thesen von Bolşevik Devrim zum Thema „Wohin geht die Türkei“ veröffentlichen wir nicht, weil die darin angesprochenen Fragen bereits ausführlich in der TA Nummer 26 debattiert wurden. Das gewohnte – Referat, dann Fragen und Antworten, schließlich Diskussion – fand nicht statt. Jede Zeitschrift hatte eigene Thesen vorbereitet. Thema von „Bolşevik Devrim“/Ausland war „Wohin geht die Türkei“, von „Stêrka Bolşewîk“/Ausland die kurdische Frage aktuell nach dem imperialistischen Krieg im Irak und von „Trotz Alledem“ zur aktuellen Entwicklung des deutschen Imperialismus und unseren Kampfaufgaben.

In beiden Veranstaltungen lief das dann so, dass zunächst „Bolşevik Devrim“/Ausland und „Stêrka Bolşewîk“/Ausland ihre Thesen in türkisch vorstellten. Für die VeranstaltungsbesucherInnen, die kein türkisch, aber deutsch verstehen, sollten sie übersetzt zum Mitlesen vorliegen. Leider gab es nur die Übersetzung der Thesen von „Stêrka Bolşewîk“/Ausland. Die Methode, so der Zwei(Mehr)sprachigkeit gerecht zu werden, ist sehr gut. Anschliessend wurden diese Thesen diskutiert. Nach einer Pause folgten die Thesen von „Trotz Alledem auf deutsch. Die türkische Übersetzung lag zum Mitlesen vor. Auch die Thesen von „Trotz Alledem“ standen anschliessend zur Disussion.

Zur Diskussion: Es war geplant, dass mit dem neuen Konzept auch mehr neue und junge Leute aus unserem Umfeld angesprochen werden, die sich dann auch aktiv beteiligen. Der Aufbau, Thesen-Diskussion, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Was wir noch verbessern können, ist die Organisation der Diskussion durch eine klarere Redeleitung: Es ist denkbar, dass wir am Anfang deutlich machen, dass genau dieses Ziel verfolgt wird: Jugendliche, neue Interessierte und GenossInnen zu Wort kommen zu lassen. In den Veranstaltungen wurde doch sehr viel Raum gegeben für Diskussionsbeiträge, die viel zu lang waren und deren Inhalt nichts mit den Thesen zu tun hatte. Selbstverständlich ist es demokratisch und das Recht der BesucherInnen, auch dazu zu sprechen, was ihnen wichtig ist. Mit dem Ziel, neue Leute zu gewinnen, müssten aber die organisierten GenossInnen mehr bereit sein, sich an Regeln und inhaltliche Konzepte zu halten. Das heißt nicht, dass ältere erfahrenere GenossInnen gar nicht mehr reden sollen. Wenn aber das Hauptziel –und da sind wir alle einer Meinung– solcher Agitations- und Propagandaveranstaltungen das Gewinnen neuer Symphatisanten ist, müssen wir auch den Diskussionen einen dementsprechenden Charakter geben.

Auf beiden Veranstaltungen wurde ausgiebig diskutiert, nicht nur die Thesen der Zeitungen. In der Diskussion um die aktuelle Lage in der Türkei und in der Diskussion zur kurdischen Frage nach dem Krieg im Irak, wurden einige spannende Einstellungen vertreten, die teilweise auch im Widerspruch zu unserer Haltung stehen:

* Dass die Kurden die Situation jetzt, nach dem Krieg im Irak, nutzen könnten, ihre Lage zu verbessern; zusammen mit den US-Verbündeten.

Da muss man klar fragen, ist denn ein imperialistischer Krieg gegen die Völker des Iraks der richtige Weg, um die Lage des kurdischen Volkes zu verbessern? Sind denn die USA die richtigen Verbündeten, um eine nationale Befreiung zu erwirken? Die KurdInnen in Südkurdistan sind den „kleinen Banditen“ los und ihre Führer haben sie dem „großen Banditen“ verkauft für ein paar Rechte und Freiheiten, die ihnen jederzeit wieder genommen werden können, solange sie sich nicht selbst befreien.

Und auch:

* Weil der Angriffskrieg der USA auf den Irak imperialistisch war, ist dann nicht auch die Verteidigung Saddam Husseins antiimperialistisch?

Ja, der Angriffskrieg der USA auf den Irak ist imperialistisch. Aber: antiimperialistischer Kampf heißt nicht, das reaktionäre Regime eines Saddam Hussein verteidigen, sondern den Kampf der irakischen Völker gegen die inländische und ausländische Unterdrückung zu unterstützen.

Bei der Diskussion der Thesen zur aktuellen Entwicklung des deutschen Imperialismus und unseren Kampfaufgaben gab es leider kaum Beiträge zum Thema. Hier geht als erstes die Kritik an uns anwesende GenossInnen von „Trotz Alledem“. Wenn die Diskussion abschweift und kaum ein/e Redner/Rednerin auf die Thesen eingeht, müssen wir unseren Standpunkt vertreten. Es ist ja Teil unserer Politik, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Politik der imperialistischenBRD alle hier lebenden Menschen betrifft und dass alle hier lebenden KommunistInnen diese imperialistische Politik bekämpfen müssen. Fakt war, dass auf der ersten Veranstaltung überhaupt kaum Interesse da war, über die aktuellen Entwicklungen in Deutschland zu diskutieren. Auf der zweiten Veranstaltung beteiligten sich die GenossInnen von „Trotz Alledem“ aktiv und regten auch die Diskussion an, dass die Aufgabe der KommunistInnen ist, für die Revolution zu kämpfen, unabhängig davon, in welchem Land sie leben. Auf der zweiten Veranstaltung zog die Redeleitung vor der Diskussion den Rahmen, zu welchem Thema jeweils diskutiert wird. Das war auf jeden Fall eine Verbesserung gegenüber der ersten Veranstaltung, als beim Thema deutscher Imperialismus Beiträge zur kurdischen Frage debattiert wurden.

Ein weiterer Ausdruck unserer politischen Inhalte zeigte sich in unseren Büchertischen, die es leider nur auf der ersten Veranstaltung gab. Bei der zweiten Veranstaltung wurden keine Büchertische organisiert mit der Begründung von den vor Ort verantwortlichen GenossInnen, es kämen doch sowieso nur Leute von uns. Diese Haltung ist politisch falsch. Sie zeigt aber auch auf ein weiteres, entscheidendes Problem: Die Mobilisierung. Es waren wirklich außer „uns“ (sprich: Leute aus dem Umkreis der drei Zeitungen kaum andere Leute auf den Veranstaltungen. Für die Zukunft kann das nur heißen, dass wir viel aktiver mobilisieren müssen: Bei befreundeten Organisationen, bei regionalen politischen Gruppen und Einrichtungen, z.B. bei den Autonomen oder anderen Opportunisten, in unserem Umfeld, auf der Arbeitsstelle ... Wenn wir nur unter uns bleiben, werden wir zwar immer schlauer aber erreichen viel zu wenig andere fortschrittliche Kräfte.

Die Thesenvorträge und Diskussionen wurden aufgelockert und unterstrichen durch ein Kulturprogramm. Wobei das auf den beiden Veranstaltungen unterschiedlich war. Auf der ersten Veranstaltung sind befreundete Jugendliche aufgetreten: Ein Breakdance und eine Theaterszene zum Krieg mit Agit-Rap. Dieser Beitrag war toll, die Jugendlichen haben gezeigt, was in ihnen steckt, aber leider sind sie dann auch wieder gegangen und haben nicht an der Veranstaltung teilgenommen. Vor ihrem Auftritt gab es einen Beitrag vom Podium, für die Jugendlichen. Kurz wurde die Biographie Ibrahim Kaypakkayas erzählt und warum er ein so bedeutender kommunistischer Kämpfer war. Der Auftritt der Jugendlichen war ein erster Schritt. Aber wir müssen viel aktiver daran arbeiten, sie einzubeziehen – sie zum Beispiel mitplanen und durchführen lassen – nicht, um reine Jugendveranstaltungen zu machen, sondern, um die Veranstaltungen tatsächlich lebendiger,orientiert auf ihre Probleme und Fragen und die von neuen interessierten Symphatisanten auszurichten.

Noch ein paar Sätze zum Kulturprogramm: Eine Genossin hat verschiedene Gedichte vorbereitet. Den Rahmen bildeten eine im Gefängnis protokollierte Aussage und ein Gedicht von Ibrahim Kaypakkaya: „Viele sind für die Revolution gestorben“, mehrere Gedichte von Bertolt Brecht: „Lob der Dialektik“, „Lob des Kommunismus“, „Die Teppichweber von Kujan Bulak gedenken Lenin“ und ein Gedicht von Johannes R. Becher: „Du rechnest falsch, Genosse“.

Die Auswahl dieser Gedichte zielte darauf ab, dazu beizutragen, das Gedenken an einen bedeutenden kommunistischen Kämpfer, an den Genossen Ibrahim Kaypakkaya in den Zusammenhang unseres gemeinsamen Kampfes für die Revolution zu stellen.

Ergänzt wurde diese Sammlung noch von Gedichten, die einzelne aus dem Publikum beisteuerten.

Auf der zweiten Veranstaltung war der Programmablauf geändert, so dass die Genossin auch mit einem türkischen Gedicht und einem kurdischen Lied für die Bildung der türkisch- bzw. kurdischsprachigen Sektion bei „Trotz Alledem“ werben konnte – natürlich mit einem Augenzwinkern.

Am Ende der zweiten Veranstaltung wurde ein Film gezeigt, in dem Ibrahim Kaypakkayas Vater zu Wort kommt.

In den Veranstaltungsräumen wurde eine kleine Ausstellung mit aktuellen Fotos über die Kämpfe in verschiedenen Ländern gegen den imperialistischen Krieg, über Aktionen am 8. März und 1. Mai präsentiert.

Schließlich wurde gemeinsam gesungen. Es gab ein Textheft: „Die Lieder der Arbeiterbewegung für Ibo“. Diese Idee war sehr schön. Das gemeinsame Singen war kämpferisch und gab Kraft für unseren gemeinsamen Kampf.

Wenn wir die Veranstaltungen insgesamt sehen, können wir viel lernen. Das Konzept war neu und entschieden ein Schritt in die richtige Richtung. So wird die Zusammenarbeit auf ein gutes Fundament gestellt. Für künftige Veranstaltungen sollten wir vor allem darauf achten, dass wir sie nicht vor allem für „uns“ machen. Das bedeutet, der Maßstab für das Gelingen ist die Mobilisierung nach außen, Einbeziehung von Jugendlichen und „neuen“ Menschen. Es heißt aber auch, am Ablauf der Veranstaltungen selbst etwas zu ändern.

Wir sind es gewohnt, lange Diskussionsveranstaltungen ohne Pause durchzuführen. Für neue Leute ist das aber eher abschreckend. Also: kleine Einheiten, mehrere kleine Pausen, und dafür gibt’s dann wahrscheinlich mehr Konzentration und Beteiligung. Wir wollen die Fortschrittlichsten erreichen, aber wir müssen sie schon einladen, auf sie zugehen und motivieren, damit sie kommen. Und wenn sie dann bei uns sind, ist es auch unsere Aufgabe sie einzubeziehen und die politische Debatte so zu führen, dass sie für alle spannend und interessant ist.

Ibrahim Kaypakkaya gedenken, heißt aus seinem Kampf die Lehren für unsere Kämpfe heute ziehen. Ibrahim Kaypakkaya gedenken, heißt für uns Kommunisten in Deutschland das revolutionäre Feuer für den Kommunismus zu entfachen, heißt, den Hauptfeind im eigenen Land, die Bourgeoisie, zu bekämpfen und alle Kräfte für den Sieg der sozialistischen Revolution zu mobilisieren!

Es lebe der proletarische Internationalismus!