TROTZ ALLEDEM!

 

Die Heuchelei der deutschen Großmacht und die Anti-Kriegsbewegung

Thesenpapier von Trotz Alledem zur Gedenkveranstaltung von Ibrahim Kaypakkaya

Liebe Zuhörer!

Heute gedenken wir alle zusammen Ibrahim Kaypakkaya. Ibrahim Kaypakkaya wurde (auf den Tag genau) vor 30 Jahren von faschistischen Schergen durch brutalste Folter ermordet.

Wer war Ibrahim Kaypakkaya und was bedeutet er für den kommunistischen Kampf in Deutschland? Diese Frage möchte ich nur ganz kurz beantworten. (seine hervorragende Bedeutung für die kommunistische Bewegung in Nordkurdistan-Türkei hat BP in verschiedenen Schriften bereits ausfürlich erläutert).

Ibrahim Kaypakkaya war ein unbeugsamer Kommunist. Er kämpfte unerschrocken gegen die Kompradorenbourgeoisie und gegen den Imperialismus. Während viele Revolutionäre seiner Zeit –und im übrigen heute immer noch– den Hauptfeind im US-Imperialismus sahen/sehen und den Kemalismus hofierten, war es Ibrahim Kaypakkaya der den Kemalismus als Faschismus entlarvte und seinen Kampf in erster Linie gegen den faschistischen türkischen Staat richtete und jeglicher Illusion in die Kemalistische Armee und Bürokratie einen Dämpfer verpasste. Davon können wir von Ibrahim Kaypakkaya auch für unser Land lernen. Als Beispiel möchte ich den Krieg gegen den Irak nehmen. In Deutschland haben sich viele linke Organisationen vor den Karren der Bundesregierung einspannen lassen und die Irakpolitik der Rot-Grünen Regierung begrüßt. Damit haben sie den deutschen Imperialismus aus dem Schussfeld genommen. Der Hauptfeind war nicht der deutsche Imperialismus, sondern der böse US-Imperialismus, die Supermacht USA.

Ibrahim Kaypakkaya gedenken, heißt für uns Kommunisten in Deutschland, das revolutionäre Feuer für den Kommunismus zu entfachen, heißt, den Hauptfeind im eigenen Land, die Bourgeoisie, zu bekämpfen und alle Kräfte für den Sieg der sozialistischen Revolution zu mobilisieren!

Das ist unsere Einladung an euch alle, die zu dieser Gedenkveranstaltung gekommen sind.

Und nun einige Thesen zur aktuellen Entwicklung des deutschen Imperialismus und unsere Kampfaufgaben

 

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

1. Die Widersprüche zwischen den imperialistischen Großmächten verschärfen sich. Die Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen den Großmächten führen zu neuen Bündnissen und Rivalitäten

2. Der deutsche Imperialismus ist auf dem Vormarsch. Er kann nun seinen Expansionsdrang, der als Folge der Verbrechen des Nazifaschismus gebremst wurde, voll ausleben. Durch den Zusammenbruch des Ostblocks und der Annexion der DDR hat Deutschland seine Vormachtstellung in Europa weiter ausgebaut. Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg ist der deutsche Imperialismus offen gegen den amerikanischen Imperialismus aufgetreten, wie wir das an der Irak-Kriegsfrage sehen konnten. Damit hat er gezeigt, dass er auf internationalem Parkett ein ernstzunehmender Gegner ist. Die ideologische Munition für die Stärkung des deutschen Imperialismus gegen den "amerikanischen Neoimperialismus‘‘ (Frankfurter Rundschau) liefern zur Zeit vor allem "linke" Sozialdemokraten und Grüne und linksliberale Intellektuelle, Schriftsteller wie Günter Grass, Habermas, Junge Welt (Soli mit Saddam und Verleugnung von Halabja) etc.

3. Deutschland ist ökonomisch und politisch ein Riese, aber militärisch im Vergleich zu USA, Großbritannien, Frankreich, Russland etc. ein Zwerg. Die Antwort Deutschlands auf die Herausforderung der Zukunft lautet: eine eigene Interventionsarmee aufbauen, zur Zeit in Kooperation mit Frankreich. Vorläufig sollen 60 000 Soldaten die Sicherheit der BRD am Hindukusch verteidigen (Kriegsminister Struck) und "den ungehinderten Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt" (Verteidigungspolitische Richtlinien von 1992) frei bomben. Bereits jetzt ist Deutschland mit 10.000 Soldaten nach den USA auf Platz zwei bei den internationalen Einsätzen.

4. Die deutsche Haltung zur Aggression gegen den Irak war gekennzeichnet durch zwei gegensätzliche Pole. Einerseits wollte sie die intensiven wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zum Saddam-Regime und zu anderen arabischen Ländern, die einer direkten Kriegsbeteiligung im Wege standen, nicht aufs Spiel setzen und andererseits wollte sie eine völlige Kontrolle des Gebiets durch die USA und eine ernsthafte Konfrontation mit den USA, die eine Kriegsbeteiligung erforderten, vermeiden. Schließlich hat sich Deutschland für den ersten Weg entschieden, sich nicht an der Bombardierung Iraks beteiligt und die Konfrontation mit den USA gesucht. Diese Politik des deutschen Imperialismus hat zwar kurzfristig seine Stellung im Irak geschwächt –das deutsche Kapital wird vom profitablen Kuchen nur die Brosamen abkriegen— aber dafür hat es sich für kommende Schlachten günstige Ausgangspositionen erarbeitet.

5. Der deutsche Imperialismus hat sich als Friedenstaube weltweit und insbesondere in der arabischen Welt ein hohes Ansehen verschafft und die eigene Bevölkerung für seine imperialistischen Ziele eingespannt. Unter der Maske des Friedensstifters kann er nun ohne nennenswerten Widerstand die eigene Interventionsarmee aufbauen, die Bundeswehr aufrüsten und für künftige Einsätze fit machen.

6. Im Schatten des Irakkrieges fährt die Bundesregierung einen sozialen Krieg gegen die Werktätigen. Den "Vertrauensvorsprung" missbrauchend sollen mit Hartz, Rürup und Schröders Agenda 2010 die Arbeiterinnen und Arbeiter für weniger Geld mehr arbeiten. (Quasi die 35 Stundenwoche in der Logik der Kapitalisten) Rentenklau steht uns bevor, die Arbeitslosenhilfe wird gestrichen und die Gesundheitsversorgung wird immer mehr privatisiert. Des einen Leid ist des anderen Freude: Dafür sahnen die Kapitalisten milliardenschwere Profite ein.

7. Große Teile der Friedensbewegung und große Teile der "linken Gruppen und Organisationen" haben mit "Stoppt Bush", "Bush‘s new war", "Rot-Grün: Luftraum sperren!" anti-amerikanische Positionen tatkräftig mit verbreitet und den deutschen Imperialismus als einen Herd der imperialistischen Aggression aus dem Schussfeld genommen. Mit "Schröder den Rücken stärken", "Kanzler Schröder hat Recht, wenn er eine Kriegsbeteiligung Deutschlands ablehnt" (Erklärung des ZK der MLPD vom 14.2.02), "Natürlich ist es zu Begrüßen, wenn sich die Bundesregierung gegen einen Irak-Krieg ausspricht", (Stefan Engel, Rote Fahne 10/2003), "Die US-Regierung ist derzeit weltweit die mit Abstand größte Gefahr für den Frieden“ (Roter Morgen, März 2003) und der Gleichsetzung der US-Politik mit Nazipolitik und Bush mit Hitler von diversen Seiten wird der Friedensheuchelei der Bundesregierung auf den Leim gegangen. Auch wenn an anderer Stelle die Rote Fahne oder der Rote Morgen die Rolle des deutschen Imperialismus benennen, so bleibt doch die zentrale These dieser Zeitungen, dass der Hauptfeind der US-Imperialismus sei, bestehen. Der Hauptfeind wird draußen geortet und nicht im inneren des Landes. Seit dem 1. Weltkrieg gehört es zum Grundsatz kommunistischer Politik, dass auch während eines Krieges der Hauptfeind die eigene Bourgeoisie, der eigene Imperialismus ist.

Fakt ist jedoch, dass der deutsche Imperialismus die Aggression gegen den Irak mit vorbereitet hat. Das Embargo gegen den Irak 1991, das ca. einer Million Menschen das Leben kostete, wurde von Deutschland mit beschlossen. Die Einteilung Iraks in Flugverbotszonen und ständige Bombardierung irakischer Stellungen wurde mitgetragen. Die Resolution 1441 über die Kontrolle irakischer Massenvernichtungswaffen ist ein schwerwiegender Eingriffin die Souveränität eines Staates. Diese Resolution, die von Deutschland mit beschlossen wurde, enthält die Option eines Krieges gegen den Irak und die anschließende Besetzung des Landes. Der Krieg der Imperialisten, darunter auch Deutschland, gegen die irakischen Völker hat lange vor dem 20. März 2003 begonnen. Jahrzehntelang haben sie das faschistische Terrorregime in Bagdad politisch gedeckt, wirtschaftlich am Leben erhalten und militärisch aufgerüstet. Mit deutscher Technik und deutschem Know-how hergestelltes Giftgas wurden im kurdischen Halabja 5000 Menschen brutal ermordet. Deutschland hat damals stillschweigend zugestimmt und Rot-Grünhat bisher jede Wiedergutmachung abgeschmettert. Während Deutschland im Irak den Friedensstifter spielt, sind deutsche Konzerne weltweit an Ausbeutung und Unterdrückung beteiligt. Deutschland ist in einigen Ländern Besatzermacht, mit steigender Tendenz. Die Parole "Deutsche Waffen und deutsches Geld morden mit in aller Welt" geriet für diese Gruppen in Vergessenheit.

Wer die Augen vor diesen Realitäten verschließt und die Machenschaften des deutschen Imperialismus im weltweiten Konkurrenzkampf um die Weltherrschaft nicht begreift, wird heute der Friedensheuchelei deutscher Kriegspolitiker auf den Leim gehen und morgen einer anderen Taktik dieser Brandstifter. Der deutsche Imperialismus und seine Sachwalter können im Betrug der Massen auf einen reichen historischen Schatz zurückgreifen. Im Kosovokrieg wurde der Schutz der Menschenrechte vorgeschoben, im Afghanistanfeldzug wurde die Befreiung der Bevölkerung insbesondere der Frauen von einem mittelalterlich-barbarischen Taliban-Regime, das sie im übrigen selber gezüchtet hatten, vorgeschoben und im Irakkrieg waren es eben Saddams Massenvernichtungswaffen, die sie ihm selber geliefert hatten bis er in Ungnade fiel, der Kriegsgrund.

8. Die antideutschen-antinationalen Gruppen in der Gestalt ihrer Zentralorgane "Bahamas", "Jungle World" und "Konkret" haben mit ihrem JA zu US-Bomben auf Bagdad zum Schutze Israels und zum Schutze der "ZIVILISATION GEGEN DIE ISLAMISTISCHE BARBAREI" den imperialistischen Chauvinismus und Rassismus gegen die arabische Nation und den Islam in das Zentrum ihrer Politik gerückt. Offen nehmen sie Partei auf der Seite von Bushs “Coalition of Willings“, die eine ungerechte imperialistische Aggression gegen die irakischen Völker durchführt. Ausgangspunkt der Haltung dieser Gruppen ist der Kampf gegen den Antisemitismus, als dessen Bollwerk sie Israel sehen. Da für diese Gruppen jede arabisch-nationalistische und islamistische Bewegung einen "eliminatorischen Antisemitismus" betreibe, die Vernichtungspolitik der Nazis sich in den Nahen Osten verschoben habe und ein islamischer Faschismus Israel bedrohe , so ist es für diese Gruppen nur Recht, wenn im konkreten Fall das Saddam Regime aber auch die palästinensische Bewegung von den imperialistischen Bomben platt gemacht werden. Um dieser Position eine gewisse Legitimität zu verschaffen, wird auf die schon seit den Anfängen des Kolonialismus angewendete und heute durch Huntington popularisierte Eroberungsformel "Kampf der Kulturen", "Kampf der westlichen Zivilisation gegen die islamische Barbarei" zurückgegriffen.

Der berechtigte Kampf gegen den Antisemitismus, wird karikiert, wenn die arabischen Völker durchweg des Antisemitismus denunziert werden. In dieser Frage sollten wir zuerst einmal vor der eigenen Haustür kehren. Antisemitismus, Rassismus, Faschismus sind Bestandteile hiesiger Gesellschaft, die von den Herrschenden zweckdienlich eingesetzt werden. Die antideutschen-antinationalen Gruppen suchen den Feind woanders und lenken vom eigenen Imperialismus ab. Auch dieses bietet keine Grundlage für eine revolutionäre Perspektive.

Wer den Schutz eines bürgerlich-nationalistischen Staates Israel, der eine brutale Besatzungspolitik gegen die palästinensische Nation durchführt, zum Gradmesser seiner weltanschaulichen Haltung erhebt, der hat jede emanzipatorische undgeschweige denn eine antiimperialistische Glaubwürdigkeit verloren. Die Trennungslinien zwischen Emanzipation und Reaktion lauten immer noch Sozialismus oder imperialistische Barbarei, proletarische oder bürgerliche Diktatur, Befreiung der Völker oder imperialistische Versklavung.

Wer kein Programm zur Befreiung der Arbeiterklasse und unterdrückten Völker hat und auch nicht im Proletariat die revolutionäre Kraft sieht, die jede Barbarei des Imperialismus und dazu zählt sowohl der Antisemitismus als auch Islamismus, aber auch Chauvinismus und Rassismus beenden kann, der wird zwangsläufig zum Anhängsel dieser oder jener imperialistischen Großmacht. Die antideutschen-antinationalen Gruppen beweisen mit ihrer Position nur ihre Ohnmacht, wenn sie sich Bushs Kriegskoalition anschließen. Sie haben für die Organisierung des Proletariats gegen den Imperialismus weder einen Plan noch die Kraft dazu.

9. Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Diese von Karl Liebknecht gegen den ersten imperialistischen Weltkrieg formulierte Kampflosung hat immer noch ihre Berechtigung. So wie lbrahim Kaypakkaya die Speerspitze seines Kampfes gegen den türkischen Staat und den Kemalismus richtete, so müssen wir als Kommunisten in der BRD unsere Speerspitze gegen den deutschen Imperialismus richten. Jede Abweichung von diesem Weg führt uns ob bewusst oder unbewusst zwangsläufig in die Arme unserer eigenen Bourgeoisie. Es ist unsere Pflicht, jede imperialistische Machenschaft aufzudecken. Die Werktätigen müssen sich gegen jede imperialistische Aggression, gegen Raub- und Eroberungszüge in den Weg stellen. Das gebietet der proletarische Internationalismus von der Arbeiter/innenklasse der imperialistischen Länder.

Frieden fordert Revolution, alles andere ist Illusion!

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!