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Redebeitrag Stêrka Bolşewîk -

Thesen über den Irak und die kurdische Frage:

Ibrahim Kaypakkaya ist der kommunistische Führer, der in Nordkurdistan/Türkei 1972 die Existenz der kurdischen Nation und die bedingungslose Verteidigung des Rechts der kurdischen Nation auf eigenständige staatliche Existenz als die marxistisch-leninistische Mindestforderung aufgestellt hat. Damit hat er einen radikalen Bruch mit der –auch in der linken Bewegung– vorherrschenden türkisch-nationalistischen Unterdrückerposition gegenüber der kurdischen Nation vollzogen. Seine Mindestforderungen sind auch heute für die Kommunisten der Ausgangspunkt in der nationalen Frage.

Die kurdische Nation wurde im Kampf der Großmächte um die Welthegemonie auf vier reaktionäre-faschistische Staaten Türkei-Iran-Irak-Syrien aufgeteilt und als Teil des Staatsvolkes dieser Staaten einverleibt. Die kurdische Nation wurde in diesen Staaten –ihrer nationalen Rechte beraubt– zu einem würdelosen Leben, als Bürger zweiter Klasse gezwungen. Die Territorien Kurdistans wurden zu untrennbaren Teilen der territorialen Integrität dieser Staaten gemacht. Kurdistan wurde somit zu einem von vier Staaten usurpierten, geteilten, von vier Staaten als innere Kolonie kolonisierten Land. Eine Politik, die diesen Status quo nicht in Frage stellt; und das Recht der kurdischen Nation in jedem Teil Kurdistans auf Lostrennung und Gründung eines eigenen Staates, ohne wenn und aber, nicht verteidigt, ist keine revolutionäre Politik.

Die Imperialisten und die regionalen Mächte haben immer versucht, den Kampf der Kurden in allen Gebieten des geteilten Kurdistans für ihre nationalen Rechte, für ihre eigenen Interessen zu instrumentalisieren. Der Kampf der Kurden für nationale Rechte existiert in allen Teilen Kurdistans, als Massenbewegung unter Führung bürgerlich-nationalistischer Kräfte. Der bürgerliche Nationalismus kann in unserer Epoche nicht an die Macht kommen, bzw. an der Macht bleiben, ohne dass er sich auf eine imperialistische Macht stützt. Die bürgerlich nationalistischen Bewegungen werden entweder von vornherein oder im Laufe eines Prozesses zu Handlangern der Imperialisten. Auch die Praxis der kurdischen Nationalbewegungen bestätigt diese These.

DPK - PUK -PKK/KADEK

Der jetzige Krieg im Irak hat in der kurdischen Frage die Grenzen einer “Lösung” im Rahmen des imperialistischen System klar gezeigt.

Die kurdisch nationale Bewegung ist in den Szenarien der Imperialisten nichts anderes als ein Instrument, das im Interesse eigener Interessen verwendet wird. Im jetzigen Krieg haben die US/britischen Invasoren Südkurdistan als Aufmarschgebiet und die kurdischen nationalen Organisationen KDP und PUK als Söldner verwendet. Dass die militärische Macht von KADEK (PKK-Organisation) in diesem Gebiet nicht auch als Söldner verwendet worden ist, liegt nicht an KADEK sondern an den Beziehungen der USA mit den türkischen Faschisten.

Für die Bündnistreue der Kurden im Krieg gegen den Irak haben die US Imperialisten als Sold ihnen ein wenig mehr Autonomie und Beteiligung an der zentralen politischen Macht unter US Schirmherrschaft versprochen. In der „Lösung des Irakproblems“ der Imperialisten gibt es auf keinen Fall die Option Zerschlagung der „territorialen Integrität des Staates Irak” und die Gründung eines eventuellen eigenständigen Staates Kurdistan in Südkurdistan. Dieser Krieg im Irak hat noch einmal ganz klar gezeigt:

Die bürgerlich nationalistischen Führungen der kurdisch nationalen Bewegung feiern das „Ende des Kriegs“ und die US-Besetzung als einen Sieg. Dies ist eine Einschätzung, die die Grenzen ihres Horizontes hinsichtlich der nationalen Befreiung klar definiert. Ein Befreiungshorizont, der von der heutigen stärksten Weltmacht Befreiung erwartet. Es ist klar, dass die kurdischen nationalistischen Machthaber in Südkurdistan bei dieser “Lösung”, die ihnen Beteiligung an der zentralen Macht und mehr Autonomie zusichert, besser dastehen als gestern. Aber das ist auf keinen Fall eine wirkliche nationale Befreiung für die unterdrückte kurdische Nation. Es ist auch illusorisch von bürgerlichen Nationalisten eine solche Befreiung zu erwarten.

* Für den faschistischen türkischen Staat sind

- die Verhinderung der Gründung eines wie auch immer gearteten eigenständigen kurdischen Staates in einem Teil Kurdistans und

- die Entwaffnung der militärischen Kräfte der KADEK die zwei wichtigsten Punkte hinsichtlich der Neuordnung in Irak.

Die Gründung eines kurdischen Staates liegt nicht im heutigen Interesse des US Imperialismus. Insofern garantiert die Invasionsmacht USA der Türkei, dass es im neuen Irak keinen Kurdenstaat geben wird. Hinsichtlich der Entwaffnung der KADEK sieht es so aus: Auf der einen Seite steht KADEK auf der US Liste der terroristischen Organisationen. Auf der anderen Seite weiß die USA genau, dass KADEK die USA nicht als Zielscheibe sieht und auch mit der Türkei keine bewaffnete Auseinandersetzung, sondern einen Kompromiss sucht. Die Lösung der Kurdenfrage seitens KADEK für Nordkurdistan ist –IN IHREN MAXIMALFORDERUNGEN– nichts anders als die amerikanische Lösung im Nach-Saddam Irak. Aus diesen Gründen ist nicht zu erwarten, dass die US Invasoren die KADEK gewaltsam entwaffnen werden, sondern sie werden dieses Ziel auf diplomatischem Wege zu erreichen versuchen. Die Auflösung der KADEK in Südkurdistan in der KDP und PUK könnte ein Weg der Lösung sein.

Es scheint, dass die US Invasoren trotz enormer Schwierigkeiten es schaffen können, eine ihnen genehme Nachkriegsordnung im Irak zu installieren.

Das Ergebnis dieser Entwicklung für Kurdistan würde bedeuten:

Die Losung “Befreites, unabhängiges, vereinigtes, demokratisches Kurdistan” wird eine Propagandalosung des Proletariats –und nur seine– bleiben.

Dass in jedem einzelnen Teil Kurdistans das Recht der kurdischen Nation auf Selbstbestimmung und Lostrennung nur durch Revolutionen unter Führung des Proletariats erreicht werden kann, das hat die Entwicklung im Irak noch einmal gezeigt.

Die Lösung ist wie Ibrahim Kaypakkaya 1972 festgestellt hat:

„Die kommunistische Bewegung in der Türkei ist nur dafür verantwortlich, die nationale Frage in der Türkei in der besten und richtigsten Weise zu lösen. Wenn auch die kommunistischen Parteien im Irak und Iran die nationale Frage in ihren Ländern richtig lösten, würde das historische Unrecht, von dem die Rede war, seine Bedeutung verlieren. Es wäre auch noch aus einem anderen Grunde falsch, die Vereinigung Kurdistans in unser Programm aufzunehmen: Das ist eine Sache, die wir nicht bestimmen können. Das ist eine Sache, die die kurdische Nation selbst bestimmt. Wir verteidigen das Selbstbestimmungsrecht der kurdischen Nation, also das Recht, einen selbständigen Staat zu gründen. Ob sie dieses Recht wahrnehmen oder nicht, und auf welche Weise sie es wahrnehmen, überlassen wir der kurdischen Nation selbst“ („3 Programmatische Dokumente der TKP/ML“ S. 86)

„Die marxistisch-leninistische Bewegung sieht die Lösung der nationalen Frage in der demokratischen Volksdiktatur. Im System der demokratischen Volksdiktatur wird die volle Gleichberechtigung der Nationen und Sprachen gewährleistet. Es wird keine Sprache aufgezwungen, und es werden Schulen für sämtliche einheimischen Sprachen geschaffen. In der Verfassung werden Privilegien irgendwelcher Nationen entschieden verboten; die Verletzung der Rechte der nationalen Minderheiten wird entschieden verboten. Das Selbstbestimmungsrecht jeder Nation wird anerkannt. Um das zu verwirklichen, ist regionale Autonomie und vollständige demokratische Gebietsautonomie besonders notwendig. Die Grenzen dieser autonomen Gebiete werden auf der Grundlage der ökonomischen und sozialen Voraussetzungen nationaler Vereinigung der Bevölkerung usw., selbst von der örtlichen Bevölkerung bestimmt. („3 Programmatische Dokumente der TKP/ML“ S. 119)

Wiederholen wir noch einmal unsere Losung in der nationalen Frage:

Volle Gleichberechtigung für alle Nationen,

Recht der Nationen auf Selbstbestimmung,

Vereinigung der Proletarier aller Länder und der unterdrückten Völker!