TROTZ ALLEDEM!

 

2003: Fünfzigster Todestag von J.W.Stalin! Aus der Geschichte lernen für die Zukunft!

Wir wollen in diesem Jahr in jeder Nummer von TA einen Hintergrundartikel über das Werk und den Kampf Stalins und die KPdSU veröffentlichen.

In dieser Nummer drucken wir den ersten Teil eines Artikels von Clara Zetkin über den 15. Parteitag der KPdSU. Es war in der Tat ein besonderer Parteitag. Er setzte einen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung mit der trotzkistischen Opposition und bekräftigte die theoretischen und praktischen Grundpositionen Lenins und Stalins zum Aufbau des Sozialismus in einem Land.

Da gerade die deutsche Kommunistin und Vorkämpferin für den Sozialismus, Clara Zetkin, von Opportunisten und von bürgerlichen Feministinnen versucht wird, als reine Frauenrechtlerin zu vereinnahmen, ist diese Stellungnahme umso interessanter. Clara Zetkin nimmt hier eindeutig und ausführlich marxistisch-leninistisch Stellung und verteidigt die Positionen der KPdSU. Sie war eine der Führerinnen der III.Internationale. Sie war eine vehemente Verteidigerin Lenins und Stalins gegen alle Angriffe und Verleumdungen und als solche wird sie auch immer Vorbild für die kämpfenden ArbeiterInnen bleiben!

In dem Text werden wiederholt Namen von KommunistInnen und von opportunistischen Gruppierungen, Anhängern etc. genannt. Da wo wir es für das Verständnis des Textes notwendig fanden haben wir kurze Erläuterungen gemacht.

Um den Text richtig historisch einzuordnen haben wir einen Auszug aus der Geschichte der KPdSU im Kasten abgedruckt.

 


 

CLARA ZETKIN: INTERNATIONALE AUSWIRKUNGEN DER OPPOSITION IN DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI DER SOWJETUNION

"Wenn dieses Heft der "Kommunistischen Internationale" erscheint, so wird der 15. Parteikongreß der WKP die Trennungslinie zwischen dieser und der Opposition in reinlicher Scheidung gezogen haben. Er hat in dieser Beziehung nur die Entscheidung zu begründen und zu bestätigen, die von der erdrückenden Mehrheit der Parteigenossen wie von den politisch aktiven Arbeitermassen bereits unmißverständlich gefällt worden ist. Von den Parteigenossen durch Abstimmungen in der Organisation von unten bis oben, nach einer eingehenden, durch reiches Material gestützten Diskussion; von den Arbeitermassen in den Straßen durch die Demonstrationen zur Zehnjahrfeier, Demonstrationen, die gewaltige Bekundungen des Selbstvertrauens zur eigenen revolutionären schöpferischen Kraft waren, gleichzeitig aber auch bedeutsam, vielsagende Bekundungen des unerschütterten Vertrauens zu der jetzigen Leitung der Kommunistischen Partei, die als revolutionäre Klassenorganisation der Arbeiter die proletarische Diktatur durchführt. Diskussionen, Abstimmungen, Demonstrationen riefen mit starker Stimme der Opposition das Menetekel zu: "Gewogen, zu leicht befunden, verworfen." Alles Drehen und Deuteln der Opposition in der Sowjetunion und ihrer materiellen und geistigen Kostgänger in den nichtsowjetischen Ländern vermag diesen Tatbestand nicht aus dem Zeitgeschehen zu streichen.

Allerdings! Dem Urteil des Parteikongresses eilt mit Siebenmeilenstiefeln voraus die traditionelle Verketzerung und Herabsetzung seiner Stellungnahme als eines brutalen Machwerks des brutalen Parteiapparats. Die "notwendige Vorbemerkung" der Gegenthesen der Opposition zu den Thesen des ZK bezweckt offensichtlich die Diskreditierung der Kongreßbeschlüsse im voraus. In der nämlichen Absicht ziehen die Maslows und Souvarine (Linksopportunisten A.d.V) alle Register verlogener Empfindungen, vom hysterischen Schluchzen über das vergewaltigte demokratische Recht der nichtswissenden, nichtsverstehenden vertrauensseligen Parteigenossen und der um ihr revolutionäres Recht betrogenen proletarischen Massen bis zu der dramatischen Beschwörung des "Thermidorgespenstes" und Verfluchung des "beschränkten Diktators Stalin" und des "kleinen Parteipapstes Bucharin", mitsamt ihren "Schmeichlern und Lakaien". Jedoch, wen kann dieses Getue und Gehabe täuschen? Es beweist nichts und ändert nichts, es ist nur der Ausdruck ohnmächtiger Wut. Kein noch so mächtiger, raffiniert gehandhabter Parteiapparat wäre imstande, die stürmischen, jubelnden Vertrauenskundgebungen für das ZK, die nicht weniger stürmische, niederschmetternde Ablehnung der oppositionellen Auffassungen zu "organisieren", wie sie in der Eröffnungssitzung des Parteitages und wiederholt späterhin von Vertretern zahlreicher Betriebe in Moskau und anderen Industriezentren, von den Delegierten und Zuhörern erfolgten, und wie sie ganz besonders Stalins Bericht und die Verhandlungen darüber begleiteten. Das alles war der spontane Ausdruck fester innerer Uebereinstimmung und Verbundenheit zwischen der Führung der WKP und ihrer Mitgliedschaft, einer kräftigen ideologischen Blutzirkulation zwischen oben und unten, bei der das politische Bewußtsein der Genossen zu grundsätzlicher Klarheit über die umstrittenen Fragen herangereift ist. Die zwei Jahre Auseinandersetzung des ZK mit der Opposition haben diesen Entwicklungsprozeß unstreitig gefördert. Ein beachtenswertes Merkmal dafür sei hervorgehoben. Auf dem 14. Parteitag bekämpften überwiegend führende Theoretiker der WKP die antibolschewistische Fraktionsmacherei und Einstellung der Opposition. Hüben und drüben bestritt man den Kampf reichlich mit Leninzitaten und Leninauslegungen, die von den "Linkskommunisten" hin und wieder mit mehr Wagemut als geschichtlichem Tatsachensinn bis zu Leninfälschungen uminterpretiert wurden. Eine stattliche Zahl von hervorragenden wie schlichten Praktikern des Parteilebens schlug heuer die tönenden, aber hohlen Losungen der Opposition nieder. Diese Genossen und Genossinnen haben zweifellos Lenin gut studiert und verstanden. Sein von revolutionärem Zielwillen beherrschter realpolitischer Sinn spricht aus ihren Gedankengängen, nicht in gewissenhaft angemerkten Zitaten, vielmehr in Tatsachen und Erfahrungen aus dem unerschöpflichen Buch des ringsum brausenden sozialistisch aufbauenden Lebens. Die entscheidende Stellungnahme des Parteikongresses ist um so bedeutsamer, als die Opposition demagogisch und skrupellos nicht bloß gegen die feste organisatorische, sondern ebenso gegen die klare bestimmte ideologische Geschlossenheit der WKP vorstößt und damit die beiden unerläßlichen Voraussetzungen dafür gefährdet, daß die Partei die ihr übertragene Macht der proletarischen Diktatur möglichst erfolgreich an die sozialistische Umwälzung der Sowjetunion setzt. In der Tat! Das bis zur Gründung einer geheimen zweiten Partei zugespitzte oppositionelle Fraktionstreiben ist der äußere Ausdruck inneren Wesens, der grundsätzlich gewandelten oppositionellen Auffassung von der geschichtlich gegebenen Situation ist der zwangsläufig daraus folgenden revolutionären Aufbaupolitik der Kommunistischen Partei. Ein unversöhnlicher, nicht zu verkleisternder Gegensatz scheidet sowohl in organisatorischer wie in ideologischer Beziehung den "Leninismus", das kostbare, von der WKP zu verwaltende Erbgut des Proletariats der Sowjetunion, der Arbeiter, der Unterdrückten der Welt, von dem "Trotzkismus", um diese Bezeichnung für das uneinheitliche Sammelsurium oppositioneller Anschauungen und Forderungen zu gebrauchen.

Die Einstellung, der Wille der überwältigenden Mehrheit der Kongreßdelegierten ist unzweideutig, ist klar. Sie haben sich durch die verschieden glasierten Erklärungen der Unterwerfung einzelner Oppositionsgruppen nicht rühren, nicht verwirren lassen. Aus zweimaliger bitterer Erfahrung wissen sie, welchen papierenen Wert solche Reden und Dokumente haben. Nicht nur oppositionelle Fraktionstreiberei ist unvereinbar mit der Zugehörigkeit zur WKP. Ebenso unvereinbar mit ihr sind Auffassungen, die bewußt oder unbewußt von der konsequenten Linie der leninistischen Revolutionspolitik abweichen, die einheitliche Ideologie und Praxis der Partei unterwühlen und zersetzen und schließlich zum reformistischen Sozialismus, zu seiner menschewistischen Spielart führen, selbst wenn sie noch so "links" drapiert sind. Diese Einstellung gibt dem Parteikongreß sein grundsätzliches Gepräge, seine historische Bedeutung, und sie wird sicherlich die Formulierung seiner letzten Entscheidung über die Opposition diktieren. Die harte Schärfe und Bestimmtheit, mit der der Kongreß die Partei organisatorisch, grundsätzlich und taktisch von der Opposition abgrenzen, mit der er Konzessionen an ehrliche und unehrliche bußfertige verlorene Söhne zurückweisen wird, schafft den festgegründeten Boden, auf dem sich zur Partei jeder einzelne zurückfinden kann, der sich zur Erkenntnis von der Richtigkeit ihrer Politik durchringt. Gleichzeitig errichten entsprechende kompromißfreie Beschlüsse einen Abwehrwall gegen jene, denen die Unterwerfung nur ein billiges Manöver ist, das ihnen die WKP als Schutzdach und als Tummelplatz für ihre Sonderpolitik ausliefern soll.

So ist ausgeschlossen. daß das geschieht, was haßgeschwollene Feinde der Bolschewiki und ihres unsterblichen geschichtlichen Werks hofften, was kleinmütige Freunde befürchteten. Der 15. Kongreß der WKP wird kein Parteitag der Spaltung sein, sondern im Gegenteil- eine Tagung weiterer organisatorischer und ideologischer Klärung, Festigung und Geschlossenheit. Vor dem Weltproletariat steht die WKP, ein unerschütterlicher granitner Felsen, von dem das Blitzen oppositioneller Wortgewaltigkeit nur unbedeutende Splitter losgerissen hat. Was immer die hervorragenden Führer der russischen "Linkskommunisten" tun werden: diese Opposition ist gewesen. Das leichtfertige Spiel hat ein Ende, die sozialistische Aufbauarbeit der Kommunistischen Partei zum Kriegskommunismus zurückzuführen, das heißt sie um Jahre, ja um eine ganze durchlaufene Entwicklungsetappe zurückzuwerfen. Lenins revolutionäre Realpolitik hat sich als wegweisend für die Weiterführung der proletarischen Revolution siegreich behauptet. Denn sie ist nicht erstarrte, tötende Tradition, sie ist glühendes, schöpferisches revolutionäres Leben. Sie sichert mit der Diktatur der Arbeiterklasse auch den sozialistischen Charakter der bewußt geleiteten wirtschaftlichen und kulturellen Umgestaltung der Sowjetunion, einer Umgestaltung, die der Anfang und eine wichtigste bleibende Kraft der sozialen Weltrevolution ist.

Kann, darf die Kommunistische Internationale angesichts der flüchtig umrissenen Sachlage sich damit begnügen, das Ergebnis des Ringens zwischen der bolschewistischen Parteimehrheit und der Opposition in der WKP wie Philister Wagner im "Faust" als Besitz "schwarz auf weiß getrost nach Hause zu tragen", in ihrer Presse zu melden, in ihren Analen zu verzeichnen? Kann, darf sie sich mit dem frohen Bewußtsein beruhigen, daß ihre führende Partei die Schlacht gegen die zermürbende, auflösende Theorie und Praxis der Trotzki und Sinowjew, der Kamenew und Rakowski (Opposition in der KPdSU A.d.V) glänzend gewonnen? Es wäre das eine verhängnisvolle Vogel-Strauß-Politik. Die russische Opposition ist auch gegen die Einstellung und Geschlossenheit der Kommunistischen Internationale vorgestoßen und hat sich aufs eifrigste bemüht, in ihr festen Fuß für ihr Zersetzungswerk zu fassen. Und das mit allen Mitteln, auch den schäbigsten, ohne Rücksicht auf die Interessen des ersten Staates der proletarischen Diktatur mit bedenkenloser Ausnutzung aller Positionen und Institutionen, in denen sie Anhänger hatte, kurz, mit allen Methoden und auf allen Wegen, deren die revolutionären Parteien im Ringen mit den Klassenfeinden nicht entarten können, und die in diesem Falle dem Kampfe gegen die eigene revolutionäre Organisation dienten. Es versteht sich, daß die führenden Oppositionellen in der WKP dabei persönliche Sympathien und Verbindungen in Anrechnung brachten, auf alten Groll und sachliche Meinungsgegensätze zwischen Angehörigen der Komintern spekulierten, insbesondere auf den Haß Ausgestoßener oder beiseite Geschobener links und rechts, auf Mißvergnügte, Unsichere, Schwankende, die zur Rebellion wider die stramme Disziplin, die festgesetzte politische Linie, die verpflichtende, jeweilige Zielsetzung der revolutionären Weltorganisation neigen. Männer wie Trotzki und Radek, diese Kenner westeuropäischer, weltwirtschaftlicher und weltpolitischer Verhältnisse mit ihrem Drum-und-Dran, wie Sinowjew, bis vor kurzem Vorsitzender der Kommunistischen Internationale, sind aufs genaueste mit dem Terrain vertraut, um dessen Eroberung es der Opposition geht. Sie wissen, wo sich dem Einfall günstige Stellen befinden und auf welche Bundesgenossen sie zählen können. Noch ehe daß Trotzki an sein verzeihendes Herz den nämlichen Sinowjew nahm, der ihn sachlich und persönlich bis aufs Blut befehdet hatte; noch ehe daß die vereinigte Opposition fraktionsmäßig organisiert, es als ihre geschichtliche Mission erklärte, das "thermidorianische" ZK zu stürzen, eröffneten außerhalb der Sowjetunion "Rechts- und Linkskommunisten" das Feuer gegen die Führung und Politik der WKP und der Komintern. Ihre Angriffe waren das getreue Echo der Klagen und Anklagen derer um Trotzki, Sinowjew und andere. In Frankreich unternahm Souvarine, ein Gefolgsmann Trotzkis, eine giftige Hetzkampagne gegen die KPF und die Kommunistische Internationale, die mit seinem Ausschluß aus dieser endete. In ihrer Geheimkorrespondenz mit Herrn Maslow und anderen Fraktionsfreunden jammerte die ultralinkeFrau Fischer vor der 14. Parteikonferenz der WKP in Kassandratönen, daß der "Felsen" Sinowjew erschüttert "wanke" und weissagte, daß in den Straßen Moskaus bald die Kanonen der nötigen zweiten Revolution donnern würden. Offenbar hatte ihr das bekannte Mäuschen der Märchen verraten, daß unter den Führern der russischen Revolution, zwischen Sinowjew und Kamenew auf der einen Seite, Stalin, Bucharin, Rykow, Tomski auf der anderen, scharfe politische Unstimmigkeiten aufgetreten seien. Die Clique der doppelten Buchführung brachte die Meinungsgegensätze in Zusammenhang mit ihrer eigenen politischen Erledigung durch den "Ekki-Brief"(Ekki war das Exekutivkomitee der KI, leitendes Gremium zwischen KI Kongressen, A d.V.). Ebenso prinzipien- wie charakterlos sah sie in der begonnenen Auseinandersetzung um entscheidende Probleme der sozialistischen Aufbaupolitik auf dem geschichtlich gegebenen Boden der Sowjetunion lediglich ein automatisches Schaukelspiel zwischen links und rechts. Die Maslow, Scholem, Fischer, Urbahns mitsamt den Katz und Korsch (Oppositionelle in und um der KPD,A.d.V.) mobilisierten gegen die angebliche Rechtsschwenkung der WKP, der Kommunistischen Internationale und selbstverständlich auch der deutschen Partei.

In anderen nationalen Sektionen empfanden ebenfalls Genossen, linker als links, das Bedürfnis, das Werk des Roten Oktober und die proletarische Weltrevolution gegen Verfälschung und Vernichtung durch die "Stalingruppe" zu sichern. In Polen, der Tschechoslowakei und Holland – um nur diese zu nennen – glimmten die Funken des heiligen revolutionären Verteidigungskrieges auf. Das nicht mehr zu leugnende, nur noch durch faule Ausreden beschönigte Fraktionstreiben der russischen Oppositionellen war das Signal, daß ihre Gesinnungsgenossen allenthalben in der Kommunistischen Internationale mehr oder minder entschieden und offen von fraktioneller Maulwurfsarbeit gegen die nationale und internationale Organisationsdisziplin zum planmäßigen Kampfe gegen sie vorgingen, wie gegen die Politik, deren konsequente Durchführung die Disziplin sicherstellen sollte. Zum Greifen deutlich erwies sich dabei zweierlei. Die disziplinbrechenden Fraktionsmacher waren von Land zu Land fest miteinander verbunden. Die Kämpen für die Opposition in der WKP erhielten aus Moskau politischen und materiellen Beistand, sie wurden insbesondere von dort mit Dokumenten, Informationen, Artikeln, Direktiven versehen. Unter der harmlosen Losung: "Herausbildung eines linken Flügels der Kommunisten in der Kommunistischen Internationale" sammelte die Opposition Elemente zur Sprengung der revolutionären Weltorganisation des Proletariats, schuf sie Keimzellen einer "Vierten Internationale". Dies frevelhafte Zerstörungswerk zwang dazu, Sinowjew den Vorsitz der Kommunistischen Internationale zu entziehen und später ihn wie Trotzki und Wujowitsch, den Vertreter der Kommunistischen Jugendinternationale, aus dem Präsidium der Komintern zu entfernen. Begreiflich genug finden die Auswirkungen der Opposition in der WKP einen besonders günstigen Nährboden in nationalen Sektionen unserer Internationale, die noch unter den Nachwehen einer durchlebten Krise leiden. Das gilt namentlich von der Kommunistischen Partei Deutschlands. Der durch den "Ekki-Brief" eingeleitete Gesundungsprozeß nach der zerrüttenden Diktaturära der Maslow-Fischer-Scholem wird gestört und erschwert durch den tückischen, erbitterten Fraktionskampf, den die aus der Leitung geworfenen Herrschaften gegen das Zentralkomitee und die Einstellung, die Politik der Partei führen. Die Maslows, Urbahns und Konsorten verweisen auf die Parallelerscheinung unter Führung von Trotzki und Sinowjew, um den Arbeitern vorzulügen, ihr Zersetzungstreiben sei "geschichtliche Notwendigkeit". Nicht internationales Solidaritäts- und Verantwortlichkeitsbewußtsein treibt sie zur Behandlung der russischen Fragen –das beweist die Art der Behandlung–, sondern das Bedürfnis nach billigen Ablenkungsmanövern von ihrer Unfähigkeit und ihrem schlechten Willen, die Arbeit, den Kampf für die Interessen der Werktätigen in Deutschland geschlossen und einheitlich mit der Partei auf der Linie der Komintern zu führen. Schließlich sollen die großen Gestalten russischer Revolutionshelden Deckung gewähren für Knirpse, die kompromittiert und beschmutzt zu der Zweideutigkeit ultraradikaler Phrasen die Eindeutigkeit gegenrevolutionären Handelns gesellen. Aehnlich, wenn auch im einzelnen verschieden, liegen die Dinge in Frankreich, wo nicht nur hyperlinke Fraktionen und Fraktiönchen als Handlanger und Mitschuldige der russischen Oppositionellen auftreten, sondern Rechte und Linke innig gesellt.

In Frankreich werden "Stalin, der erste Konsul" und "Bucharin, der Bereicherer der Kulaken", werden die "Republik der Thermidorianer" und der "Wirtschaftsaufbau für die Nepmänner" aus zwei literarischen Kübeln regelmäßig mit Verleumdungen und Beschimpfungen überschüttet. Aus den beiden Zeitschriften "Bulletin Communiste" und "La Révolution Prolétarienne", deren Inhalt eine blutige Versöhnung der Namen ist. Die reformistelnden und anarchistelnden Hasser der "despotischen Stalinfraktion" können sich den Luxus dieser Veröffentlichungen leisten. Herr Eastman hat den literarischen Kampffonds des Herrn Souvarine mit den viel mehr als dreißig Silberlingen bedacht, für die er das sogenannte Lenin-Testament an eine große New Yorker Zeitung verschacherte. Die einander aufs heftigste bekriegenden ultralinken Splitterorganisationen in Deutschland suchen die Langweiligkeit und Oede ihrer Winkelblättchen mit kraftmeierischem Toben gegen den "Verrat der russischen Revolution und des Weltproletariats" durch die Führer der WKP und der Komintern zu beleben. Die Bedeutung und Verbreitung von ihnen allen zusammen wird jedoch durch die "Fahne des Kommunismus" bei weitem überflügelt. Sie nennt sich stolz die "Zeitschrift der orthodoxen Marxisten-Leninisten", - ein grotesker Witz, wenn man der theoretischen und praktischen Leistungen Maslows und der "Kleinen von den Seinen" gedenkt. Der Tatsachenkomplex, der bei Titel und Untertitel der Zeitschrift in Verbindung mit den Namen der sie leitenden Ultralinken über die Schwelle der Erinnerung tritt, ist schärfste Brandmarkung vollster Prinzipienlosigkeit der führenden Oppositionellen in der WKP, als deren internationales Zentralorgan die "Fahne des Kommunismus" angesprochen werden kann. Trotzki, Scholem und Frau Fischer, Radek und Maslow Arm in Arm! "Stalins Faust" schafft nicht nur Kulaken und Nepmänner, sie wirkt auch Wunder.

"Die Fahne des Kommunismus" veröffentlicht in ihren Spalten und in Broschüren "Material zur russischen Frage". Reden, die von Kamenew, Trotzki, Sinowjew und anderen Oppositionsführern vor Parteikörperschaften und Parteiveranstaltungen gehalten worden sind, vor dem Plenum des Zentralkomitees und der Zentralen Kontrollkommission, in der Sitzung der Kommunistischen Fraktion des Zentralexekutivkomitees der Sowjetunion und anderwärts, Reden, die nach Beschlüssen der Parteileitung zunächst nicht in die Oeffentlichkeit gelangen sollten. Dazu Nachrichten über interne Vorgänge des bolschewistischen Parteilebens und der Komintern, die Plattform der Opposition und die Gegenthesen zu den Thesen des ZK für den 15. Parteikongreß, Notizen, Artikel, von denen viele deutlich lesbar den Stempel tragen: "Aus der Fabrik der Opposition in Moskau."

Zusammengefaßt: "Die Fahne des Kommunismus" und die von ihr herausgegebenen Hefte unterrichten ausgiebig über die Einstellung der russischen Opposition zu der sozialistischen Aufbaupolitik in der Sowjetunion, zu den Schwierigkeiten und Gefahren des gewaltigen Beginnens, zu dem, was dieser Einstellung nicht lediglich als einzelner Mißgriff erscheint, vielmehr als unvermeidlicher Ausfluß eines fehlerhaften politischen Systems, das mit der Preisgabe des Sozialismus und der proletarischen Diktatur enden muß. Jedoch bei all diesem ist nicht genügend – manchmal auch gar nicht – die geschichtlich gegebene wirtschaftliche und soziale Struktur mit ihren Begleit- und Folgeerscheinungen, mit ihren vielverschlungenen Verknotungen berücksichtigt, jene harten Tatbestände, die auch die schönste, logischste Formel nicht zu bannen vermag und die für den treuen revolutionären Zielwillen oft genug die zeitweilige Umgehung, den zeitweiligen Umweg zum sichersten und damit kürzesten Weg werden lassen. Von vornherein wird in den Bekundungen der russischen Opposition als bewiesen unterstellt, was zu beweisen war: die objektive Richtigkeit der Einstellung.

Die anspruchsvoll auftretenden "authentischen Dokumente" des Maslow-Verlags sind demzufolge wohl authentische Zeugen für die Psychologie und soziale Ideologie der russischen Oppositionellen, allein keineswegs für den geschichtlichen Charakter und Wert der Umwälzung in der Sowjetunion, sind keineswegs authentische Zeugen gegen die kritisierte und bekämpfte staatliche Machtanwendung und Aufbaupolitik der bolschewistischen Parteimehrheit, gegen die Wegsicherheit und Entschlossenheit der Führung. Sie zeigen nicht das zielgerichtete Wesen und Wirken der Sowjetmacht in den starken Händen der WKP, sondern dessen entstellte Widerspiegelung im Bewußtsein der hervorragenden Oppositionellen. Statt Wirklichkeit geben sie den deutschen, den internationalen Arbeitern Zerrbilder. Der erste Staat der proletarischen Diktatur entartet zum Werkzeug einer neuen Bourgeoisie, des Kulaken im Dorfe, der Nepmänner in der Stadt, in den Industriezentren. Die Aufbaupolitik der "Stalin-Bucharin-Fraktion" schafft statt des Sozialismus den Kapitalismus. Die ausschlaggebenden Führer der Kommunistischen Partei und der Staatsgewalt tragen unter der russischen Bluse die Seele, die Gesinnung, das Bestreben der Thermidorianer. Die Parteimassen und erst recht die parteilosen Arbeitermassen sind ohne Einfluß auf die Gestaltung der politischen und sozialen Verhältnisse. Sie werden am Narrenseil geführt durch die Parteifunktionäre, die ihrerseits Hampelmänner sind, deren Drähte der "Parteifeldwebel" Stalin zieht. Das und Wesensgleiches ist deutlichst nicht nur zwischen den Zeilen, sondern in den Zeilen der "Fahne des Kommunismus" zu lesen. Es blieb den "orthodoxen Marxisten-Leninisten" vorbehalten, das Monopol der Menschewisten, der Sozialdemokraten, der Gegenrevolutionäre jeder Färbung auf derartige Darstellungen des aufblühenden sozialistischen Lebens in der Sowjetunion zu durchbrechen.

Wesensbedingt ist nach der oppositionellen Auffassung, daß mit der Kapitulationspolitik des ZK vor der neuen Bourgeoisie in der Sowjetunion Hand in Hand geht die Kapitulation vor der Auslandsbourgeoisie, vor den imperialistischen Staaten. Kapitalisten aus aller Herren Länder müssen unter ihnen günstigen Bedingungen zur Entwicklung der Produktion herangezogen werden. Der Handelsvertrag mit Persien ist der Anfang zur Räumung einer der wichtigsten "Kommandohöhen" der Sowjetwirtschaft: des staatlichen Außenhandelsmonopols. Ein weiterer Rückzug ist die sich vorbereitende Verständigung mit der französischen Regierung, betreffend die Schulden des Zarismus und Kredite. Und welch eine Schlappe ist der Abstand der Sowjetregierung von einer gut bürgerlichen Prestigepolitik anläßlich der Konflikte um die Person der Gesandten in Paris und Peking! Hier wäre nach Rakowskis Meinung wenn nicht die Kriegserklärung, zum mindesten die Androhung einer solchen am Platze gewesen.

Besonders verhängnisvolle, bitterste Früchte hat die Thermidorpolitik für die Komintern, für die weitere Entfaltung der proletarischen Weltrevolution gezeitigt. Den Verzicht auf die Sprengung des Anglo-Russischen Einheitskomitees durch die allsowjetischen Gewerkschaften, der gleichbedeutend ist einem opportunistischen Bund mit dem Generalrat der englischen Gewerkschaften, der mit seinem Verrat des Generalstreiks und des Bergarbeiterstreiks nach der Ansicht der Oppositionellen auch dafür die Verantwortung trägt, daß in Großbritannien der mögliche Ausbruch der Revolution ausgeblieben ist. Die russischen Oppositionellen und ihre ultralinken Schrittmacher in Deutschland entrüsten sich ferner über das unbolschewistische Verhalten der Kommunistischen Partei Chinas, das durch die falsche Einstellung und Wegweisung der Komintern und der Stalinfraktion verschuldet worden ist und zu Niederlagen der chinesischen Revolution geführt hat. Der Thermidor der russischen Revolution verträgt sich schlechterdings nicht mit einer echten, kräftigen revolutionären Betätigung der Kommunistischen Internationale und ihrer einzelnen nationalen Sektionen. Das bewußte Vorwärtstreiben der proletarischen Weltrevolution fordert die Organisierung des internationalen Seitenstücks zur Partei Trotzki-Sinowjew, deren Geburts- und Todesschein der 15. Kongreß der WKP ausgestellt hat. Nämlich die Gründung der linkskommunistischen Vierten Internationalen, die von Moskau aus in Nr. 34 und 35 der "Fahne des Kommunismus" befürwortet wurde.

Die russische Opposition bestreitet nicht, daß auch die sündhafte "stalinistische" Partei- und Staatsleitung die rasche und kraftvolle Industrialisierung der Wirtschaft als die tragsichere Grundlage einschätzt für die proletarische Diktatur und den sozialistischen Aufbau und damit für die volle Befreiung der Proletarier in Wahrheit und Tat. Ja, in ihren "Gegenthesen" und sonst noch anerkennt sie nebenbei, fast verschämt, daß die Industrialisierung in den letzten Jahren Fortschritte gemacht hat, daß zumal die Sowjetbetriebe auf Erfolge zurückblicken können. Allein vor das magere, schwächliche Lob schiebt sich breit und schreiend das oppositionelle Bedürfnis, den Werktätigen der Sowjetunion, der ganzen Welt als unzulänglich, armselig, grundverkehrt und letzten Endes als kulaken- und nepmannfromm alle Maßnahmen zu brandmarken, durch die das ZK das revolutionäre Ausleben des Roten Oktober bewußt fördert. Verblüffend einfach ist das Wundermittel, das Trotzki und seine Freunde zu diesem Ziel anpreisen. "Die Neuverteilung des Nationaleinkommens" durch schärfste Erfassung des akkumulierten Privatkapitals in Dorf und Stadt. Eine Naturalzwangsanleihe großen Stils von Getreide bei den zehn Prozent Kulaken der bäuerlichen Bevölkerung, stärkste Besteuerung dieser Schicht und ihrer kapitalistischen Ergänzung in der Stadt, daneben der Kampf gegen den Bürokratismus und für einige kleine Reformen.

Mit anderen Worten: der Kriegskommunismus, verwirklicht durch verschärften Klassenkampf, soll nach der Meinung der Oppositionellen die beschleunigte, durchgreifende Industrialisierung der Wirtschaft herbeiführen, soll Warenhunger, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot beseitigen, soll viel höhere Löhne und andere günstigere Arbeits- und Lebensbedingungen für die Proletarier bringen. Bei ihrem Rettungsrezept haben die russischen Oppositionellen in ihrem Tatendrang einiges vergessen, das nun auch für die orthodoxen "Marxisten-Leninisten" nicht vorhanden ist. So die Struktur des großen Agrarlandes mit seinen vielen Millionen kleiner und kleinster Bauernwirtschaften und die dadurch bestimmten Erfahrungen in den Jahren, wo der Kriegskommunismus eine Notwendigkeit war, um die Lebenshaltung des industriellen Proletariats zu ermöglichen und die Rote Armee auszurüsten und zu unterhalten. Die Erfahrungen waren eindeutig und eindringlich genug: katastrophaler Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und wieder und wieder aufflammende Bauernaufstände. Sie veranlaßten Lenin, den kühl Wägenden und kühn Wagenden, mit brüsker Wendung vom Kriegskommunismus zur Nep überzugehen. Unter den gegebenen Umständen mußte nach seiner Auffassung der Weg über den Markt zu dem Ziel beschnitten werden, die kleinbäuerlichen Betriebe der sozialistischen Sowjetwirtschaft einzugliedern und dem revolutionären Proletariat die Bundesgenossenschaft und Führung der Bauern zu gewinnen. (Hervorhebung d.V.)

Die Erfolge der sozialistischen Aufbauarbeit haben Lenin recht gegeben. Die Industrialisierung und Sozialisierung der Wirtschaft schreiten fort in fruchtbarer Wechselwirkung mit der Hebung der Landwirtschaft und mit der ausschlaggebenden Rolle der Industrie; das Prinzip der Zusammenfassung und Genossenschaftlichkeit der kleinbäuerlichen Betriebe setzt sich in steigendem Maße durch. Die Lage der "Dorfarmut" hebt sich mit Unterstützung der Sowjets langsam, ein klassenbewußtes, ländliches Proletariat beginnt sich zu bilden, das gewerkschaftlich organisiert gegen den Kulak kämpfen kann. Die bäuerliche Bevölkerung verbündet sich immer enger und bewußter mit dem brüderlich führenden Industrieproletariat. In diesem Stadium der Entwicklung, dessen Ziel die leitende Mehrheit der Kommunistischen Partei klar und unverrückbar wie je festhält, ruft die russische Opposition und ihr ausländisches Echo ruft es nach: "Zurück zum Kriegskommunismus." Die unvermeidlichen praktischen Folgen der Verwirklichung wären neuerlich: ein erheblicher, untragbarer Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und Rebellion auf dem Lande. Jedoch wohlgemerkt! Nicht mehr Aufstände von Muschiks, die der Zarismus für seine Zwecke zurecht geknetet hatte, nein, Aufstände von Bauern, die die Revolution von allen feudalen Bindungen befreit, und denen sie den Boden zur Nutzung in die Hand gegeben hat, von befreiten Bauern, deren "Politisierung" in zehn Jahren Sowjetordnung große Fortschritte machte und deren Söhne die erdrückende Mehrzahl der Roten Armee bilden.

Was die "Fahne des Kommunismus", der "Spartakus" von Katz, die "Kommunistische Politik" von Korsch und andere Organe der deutschen "Linkskommunisten" aus eigenem zur russischen Frage beisteuern, zeigt, abgesehen von der gleichen Grundeinstellung dazu, einen gemeinsamen Zug. Dieses tritt auch in den Zeitschriften von Souvarine und Monatte auffällig hervor. Das Eigene, Selbständige besteht in der Vergröberung und Verschärfung der oppositionellen Beschwerden, Beschuldigungen und Kritiken; in einer marktschreierischen Anpreisung der oppositionellen Forderungen; in einer geschichtsfälschenden Unterscheidung zwischen den "Helden" der russischen Revolution links, ihren "Parvenus" und "Verrätern" rechts. Selbstverständlich kommt dazu noch die beschimpfende Bezugnahme auf die antibolschewistische politische Linie und das revolutionsfeindliche Verhalten der Exekutive der eigenen Partei und der Komintern. In der Atmosphäre der Solidarisierung mit der Opposition in der WKP schießt wie in Treibhaushitze der bitterste fraktionelle Kampf gegen die organisatorische und ideologische Disziplin geil empor, die für Kommunisten verpflichtend sein soll. Zusammen mit der planmäßigen Diskreditierung der Zustände in der Sowjetunion, der Herabwürdigung der sozialistischen Aufbauarbeit, zu der die WKP breiteste werktätige Massen sammelt, führt und erzieht, verdient auch diese internationale Auswirkung der Opposition in der WKP ernste Beachtung. Beide Ausstrahlungen des Kampfes in der Kommunistischen Partei der Sowjetunion werfen ein sonderbares Licht auf das Weitertreiben der proletarischen Weltrevolution, für das Trotzki, Sinowjew und ihre Nachbeter und Nachtreter in den kapitalistischen Ländern ein Patent anmelden.

Die gefährlichen Auswirkungen der oppositionellen Wühlerei außerhalb der Sowjetunion dürfen nicht deshalb unterschätzt werden, weil die organisierten Kräfte der internationalen Parteigänger des "Trotzkismus" nicht zahlreich sind und weil ihre Führer bei den Arbeitermassen nicht hoch im Kurs stehen. Gewiß! Die Schmähartikel, mit denen die Souvarines, Monattes und ihre mehr oder weniger anonymen Mitarbeiter die Führer der WKP und ihre rüstige sozialistische Aufbauarbeit bewerfen, ebenso auch die von allen Seiten gehetzte KPF, dringen nicht unmittelbar in die Massen des Pariser, geschweige denn des französischen Proletariats. Gewiß auch: die acht oder noch mehr ultraradikalen Organisationssplitter in Deutschland zählen zusammen nur wenige tausend Mitglieder. Wie klein ihr Ansehen und ihr Einfluß ist, haben Zahlen bewiesen. Bei den Gemeinderatswahlen in Altona erhielt die Liste von Urbahns ganze 364 Stimmen gegen 19000 Stimmen, die auf die Liste der KPD entfielen. In Hamburg waren die Ultralinken nicht imstande, die 3000 Unterschriften aufzubringen, die für eine selbständige Kandidatenliste zu den Bürgerschaftswahlen erforderlich sind.

Jedoch aus den engen Gruppen der Ultras von links und rechts dringen die gehässigen Angriffe ihrer Organe und Redner in die weiteren Kreise, revolutionär empfindender, politisch noch unklaren und ungeschulter Proletarier und anderer ausgebeuteter Werktätigen. Sie verwüsten dort das Erkennen, Wollen und Tun, verstärken die Abneigung gegen die zentralisierten Gewerkschaften und die zentralisierte Partei mit ihrer bindenden Zucht, ihren mühseligen, aufreibenden Tagesaufgaben, ihren oft unscheinbaren Tageskämpfen. An die Stelle höchster Aktivität im proletarischen Klassenkampf tritt das Austoben der revolutionären Stimmung in rollenden Worten und großen Gesten, in der negativen Kritik an den gewerkschaftlichen und politischen "Bonzen", an der weiteren Entwicklung der russischen Revolution. Wir dürfen dieser mittelbaren internationalen Auswirkung der Opposition in der WKP nicht gleichmütig zusehen. Der letzte Proletarier und Werktätige, der sich gegen die Verkrüppelung seines Menschentums durch die bürgerliche Ordnung auflehnt, hat seine Bedeutung als Teil der revolutionären Kraft, die die soziale Welt umwälzen muß. Es darf nicht geschehen, daß ein revolutionärer Kämpfer sich aus Reih und Glied der nationalen und internationalen roten Einheitsfront des Proletariats verliert und zu einem verärgerten, polternden Philister herabsinkt, daß er sich aus einem tat- und opferbereiten Verteidiger der Sowjetunion in einen räsonierenden Beschauer und Benörgler der ungeheuren geschichtlichen Leistung des ersten Arbeiterstaates der Welt verwandelt.

Ein Blinder kann fühlen, daß die internationalen revolutionsfeindlichen Auswirkungen der russischen Opposition sehr weit über die charakterisierten Kreise hinausreichen und sich auf die breitesten Massen von Proletariern, Kleinbürgern und Kleinbauern erstrecken, die rechts von der Kommunistischen Internationale stehen; soweit sie organisiert sind, gehören sie bürgerlichen Vereinigungen und insbesondere den reformistischen demokratischen Arbeiterparteien der Zweiten Internationale und den von ihrem Geist erfüllten Gewerkschaften der Amsterdamer Internationale an. Welche entscheidende Bedeutung diesen Millionen und Abermillionen Ausgebeuteten für den Kampf gegen den Kapitalismus zukommt, für Leben und Tod des Kapitalismus, das haben der imperialistische Weltkrieg und die Nachkriegsjahre der fortbestehenden Klassenherrschaft der Bourgeoisie klärlich erwiesen. Die bürgerliche Ordnung existiert gegenwärtig nicht länger dank ihrer früheren geschichtlichen Rolle als Trägerin des allseitigen Fortschreitens der Gesellschaft zu höherer Entwicklung, sie hält sich nur noch von Gnaden der Stumpfheit, des Sklavensinns, des mangelnden revolutionären Selbstvertrauens der unterdrückten und ausgeplünderten Massen. Die geschichtliche Reife der Vielmillionen, bezeugt durch die große geschichtliche Kampfestat, zerbricht auch die stärksten Machtmittel der herrschenden Bourgeoisie. Darum rief Lenin auf dem Dritten Weltkongreß der Kommunistischen Internationale der sturmentschlossenen Vorhut des Proletariats zu: "Heran an die Massen! Eroberung der Massen!"

Die weltwirtschaftliche und weltpolitische Lage fördert die Bestrebungen der Kommunisten, die Losung des Meisters durchzuführen. Die passiven, wie erstarrten Massen beginnen endlich sich zu radikalisieren, allen Täuschungsmanövern und Gewaltmitteln der Bourgeoisie zum Trotz. Immer bestimmter, kräftiger zeichnet sich die Linie ihrer Linksentwicklung ab. Das unvergängliche Beispiel des russischen Proletariats im Roten Oktober und der Machtanwendung zum sozialistischen Aufbau des Arbeiterstaates ist eine der stärksten treibenden Kräfte für den Reifeprozeß der werktätigen Massen allerwärts. Die Peitschenhiebe der Stabilisierung und Rationalisierung, die Mordgruben und Kerker des Faschismus und Justizterrors rütteln die Ausgebeuteten und Versklavten zu der Erkenntnis wach, daß sie gegen den unbarmherzigen Klassenfeind kämpfen müssen. Die zehnjährige Existenz der Sowjetunion und die sich durchsetzende Umwälzung zum Sozialismus lehren den Weg, den die kampfbereiten Massen zu ihrer Befreiung gehen und wie sie kämpfen müssen. Die führenden Theoretiker und Praktiker der Zweiten und der Amsterdamer Internationale stemmen sich wider die Linksorientierung der Massen. Sie stört den Burgfrieden mit der Bourgeoisie und zerreißt die seit dem Weltkrieg bewährten reformistischen Rezepte von Vaterland, Demokratie und anderen Illusionen. Die Macdonald, Blum, Vandervelde, Wels und Otto Braun müssen sich in die Unkosten unbequemer Scheinopposition wider ihre bürgerlichen Freunde und Herren stürzen. Die Hilferding, Renner, Otto Bauer und sogar noch Karl Kautsky werden mit der Bürde belastet, neue, marxistisch schillernde Theorien zur Rechtfertigung der alten verzichtenden Koalitionspolitik zu fabrizieren. Das russische Vorbild ist der sauren Liebesmüh besonders abträglich, die nach links drängenden Massen mit dem "Staatsgedanken" und der "Wirtschaftsdemokratie" rechts zu halten, in dem Pfade verbürgerlichter Gesinnung, bei dem Kapitalismus unschädlicher Aushöhlungsspielerei. Aus dem Dunstgewölk der Lügen und Verleumdungen tritt immer leuchtender die geschichtliche Riesengestalt des ersten Staates der proletarischen Diktatur hervor, erscheint klarer und klarer das gewaltige Beginnen seines sozialistischen Aufbauwerkes. Taten sind auf die Dauer stärker als Worte. Die Erfahrungen und Feststellungen der Arbeiterdelegationen aus verschiedenen kapitalistischen Ländern werden fruchtbar.

Ausgerechnet in dieser Situation von großer revolutionärer Tragweite sind die Oppositionellen um Trotzki und Sinowjew drauf und dran, die radikalisierende Macht des neuen, umwälzenden geschichtlichen Lebens der Sowjetunion abzuschwächen, die kaum korrigierten Meinungen proletarischer Massen vom Wesen und Wirken der WKP abermals zu verwirren. Wie die oppositionellen Fraktionswühlereien, ja noch mehr als sie, sind die oppositionellen Werturteile über die Früchte des "Stalinismus" unerwartete wahre Gottesgaben für die reformistischen Führer. Was kann ihnen willkommener, hilfreicher sein als das oppositionelle Geschreibe und Gerede von dem "entartenden Sowjetstaat der Bürokraten, Kulaken und Nepmänner", von seinem "Aufbau des Kapitalismus auf Kosten der Muskel- und Nervenkraft der Proletarier", deren Klassenlage sich nicht im Verhältnis zur steigenden Arbeitsproduktivität und zum wachsenden Reichtum der neuen Bourgeoisie hebe. Die Reformisten - allen voran natürlich die russischen Menschewiki - finden darin die Bestätigung, daß ihre eigene antirevolutionäre Theorie und Praxis tadellos richtig sei. Diese Herrschaften können, wie die unverhüllten Gegenrevolutionäre triumphierend darauf verweisen, daß ihre Auffassung von dem Charakter und den Folgen der sozialistischen Aufbauarbeit sich durchaus mit jener hervorragendster Führer der russischen Revolution decke, daß sie selbst der proletarischen Diktatur in den Händen einer "Parteiclique" nichts Schlimmeres nachsagen als Trotzki und Kamenew. Das ist kein Spiel äußerer Zufälligkeiten des Kampfes um die Orientierung und Führung der WKP. Unbewußt oder bewußt hat sich die Ideologie der Oppositionellen hinsichtlich einzelner grundlegender Streitfragen gemausert, ist sie Schritt für Schritt reformistischen Gedankengängen nähergekommen. Damit sich der feste Ring eines Systems antimarxistischer, antileninistischer Geschichtsauffassung zusammenfüge, fehlt schließlich nur noch, daß auf den Roten Oktober Plechanows Ausruf gegen die Revolution von 1905 angewendet werde: "Sie hätten nicht zu den Waffen greifen sollen."

Wer sich von solcher internationalen Auswirkung der russischen Opposition überzeugen will, der blättere die sozialdemokratische Presse durch. Vom Stockholmer "Socialdemokraten" und dem Norwegischen "Arbeiterbladet" bis zu dem "Peuple", dem "Vooruit" und der "Volksgazet" in Belgien, dem "Peuple" und "Populaire" in Frankreich, von dem englischen "Daily Herald" bis zum Berliner "Vorwärts" und den übrigen Organen der Sozialdemokratie in Deutschland, nicht zu vergessen "Het Volk" und den "Vorwaarts" in Holland, die sozialdemokratischen und sozialistischen Blätter der Tschechoslowakei in deutscher und tschechischer Sprache, die Zeitung der polnischen Reformisten und die Wiener "Arbeiter-Zeitung": sie sind insgesamt einmütig auf den nämlichen Grundton gestimmt, daß es in Rußland kommt, wie es kommen muß, weil das von den Bolschewiki verführte russische Proletariat den Lasterweg der Oktoberrevolution und Diktatur beschritten hat, statt hübsch artig mit Menschewiki, Sozialrevolutionären und Volkssozialisten auf dem Tugendpfad der Demokratie zu bleiben. Blätter, die nach literarischen Lorbeeren geizen, beschäftigen sich auch in ihren Artikeln und Notizen mit der Frage der im "Duell um die Macht" hervortretenden Persönlichkeiten, mit dem Menschlichen-Allzumenschlichen, das nach ihrer Ansicht eng verschlungen ist mit dem Kampfe um die zwei Linien der Politik: hie Arbeiterpolitik, da Bauernpolitik. Von Trotzki und Stalin wird meist im ultralinken Jargon gesprochen, und allgemein entlädt sich der Haß gegen Sinowjew, den mehrjährigen Vorsitzenden der Komintern, den "Spalter" in den bekannten Eselsfußtritt. Ganz besonders tut sich dabei die deutsche sozialdemokratische Presse hervor. In ihr – und zumal in ihren "linken" Organen – tobt noch der Grimm über Sinowjews ruhmvolle revolutionäre Tat in Halle.

Mit stärkster Unterstreichung zitieren die sozialdemokratischen Zeitungen die Zahlen, Darstellungen und Forderungen, mit denen die Oppositionellen erklären wollen, daß Stalin, Bucharin, Rykow und Tomski (russische Opposition, A.d.V.) die Interessen der Arbeiterklasse den dreist und dreister werdenden Ansprüchen der reichen Bauern und der Bourgeoisie opferten. Den tatsachenreichen Berichten der Arbeiterdelegierten stellen sie mit Schadenfreude entgegen, daß die russische Opposition die in Aussicht genommene allmähliche Einführung des Siebenstundentages als einen demagogischen Bluff herunterreißt und behauptet, daß er in Wirklichkeit keinen ernsten Fortschritt bedeute, vielmehr lediglich als "Kurzarbeit" maskiert als normaler Siebenstundentag eine Verteilung der Arbeitslosigkeit auf das gesamte Proletariat. Ferner nützen sie die Forderungen, die im Zusammenhang mit dieser Frage Sinowjew in der Sitzung der Kommunistischen Fraktion des Zentralexekutivkomitees vertrat, und die in die Plattform und die "Gegenthesen" der Opposition für den 15. Parteikongreß aufgenommen worden sind. Angesichts der großzügigen Bemühungen, durch gesetzlich gewährleisteten sozialen Schutz und soziale Fürsorge die proletarische Klassenlage zu verbessern, erinnern diese Forderungen an den ins Sozialpolitische übersetzten Weihnachtswunschzettel eines weltfremden Backfisches. Der "Vorwärts" aber wertet sie und andere einschlägige oppositionelle Meinungsäußerungen als "Feststellungen über die menschenunwürdige Lage der Arbeiter zur Zeit des wilden, aufstrebenden Kapitalismus" in England. Sie sind ihm "Dokumente der Not gegen die amtliche Schönfärberei".

Welches ist der politischen, geschichtlichen Weisheit höchster Schluß, den die Blätter der Zweiten Internationale nach den „Dokumenten der russischen Opposition" den Arbeitern enthüllen, die anfangen, sich gegen die Segnungen der bürgerlichen Staats- und Wirtschaftsdemokratie aufzulehnen? Es ist ein Bündel verschieden variierter Behauptungen über die Aussichtslosigkeit des Sozialismus in der Sowjetunion. Es wird "festgestellt", daß der Diktatur des Proletariats im allgemeinen keine ausschlaggebende, weltumwälzende historische Rolle zukomme, und daß die Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion im Besonderen vor ihrem völligen Bankrott stehe. Hier habe sie ihre Untauglichkeit erwiesen, den Kapitalismus zu überwinden, die Arbeiterklasse wirklich zu befreien, ja auch nur ihre Klassenlage auf das Niveau der Brüder und Schwestern in den kapitalistisch hochentwickelten Ländern zu heben. Dort sei nichts als "ein roter Mantel für die Unfreiheit", ein Deckname für die Herrschaft einer kleinen, dogmenverrannten, machtlüsternen Parteiclique, denn das Proletariat sei eine zersplitterte, passive, aktionsunfähige Masse. So gehe die Diktatur "an ihrer eigenen inneren Logik" zugrunde, und mit ihr das Sowjetregime. Der Parteikonflikt zwischen dem von Stalin geleithammelten ZK und der Opposition um Trotzki sei der Anfang des Endes. Die Frage dränge zur Entscheidung: Bonapartismus oder Demokratie nach westeuropäischem Muster. "Was sich in Rußland abspielt," schrieb der "Vorwärts" am 16. November, "ist nicht die Tragödie einzelner Menschen, ist die Tragödie der Diktatur."

Aus diesen und ähnlichen Kommentaren klingt die ängstliche Mahnung: Proletarier aller kapitalistischen Länder, laßt euch warnen! In ihnen kommt der unüberbrückbare prinzipielle Gegensatz zwischen dem bürgerlichen Reformismus und dem revolutionären Marxismus zum Ausdruck, jenem revolutionären Marxismus, der in Lenins Werk, in dem Werk der leninistischen Partei der Sowjetunion sich schöpferisch auslebt, Geschichte machend, Gesellschaft gestaltend. Die luftigen sozialdemokratischen Orakelsprüche über den angeblichen Bankrott der proletarischen Diktatur und der Sowjetordnung in der Räteunion sollen die Aufmerksamkeit von den faustdicken Tatsachen ablenken, die den aufwachenden werktätigen Massen den wirklichen Bankrott der Koalitionspolitik, der bürgerlichen Demokratie ins Bewußtsein hämmern.

Die Bedauernswerten, die sich dauernd mit der Mohrenwäsche abplagen müssen, den sozialdemokratischen Verrat der proletarischen Revolution zu rechtfertigen, vermögen - wenige ausgenommen - sich nicht einmal mehr zu dieser geschichtlichen Erkenntnis aufzuschwingen: wenn ihre Voraussage vom "Bankrott der proletarischen Diktatur und des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion" so wahr wäre, als sie falsch ist, - wie die Jahre der immer erfolgreicher fortschreitenden sozialistischen Aufbauarbeit zweifellos bewiesen - würde das "russische Experiment", den Sozialismus aus dem Reiche der Gedanken auf den rauhen Boden der Erde überzuführen, dennoch das größte Ereignis der Zeit, die größte, ruhmreichste menschliche Willenstat bleiben, neben der alle sozialdemokratische Ministerherrlichkeit verblaßt. Außerdem: es gibt eine internationale Solidarität des Proletariats, die ihrer nicht spotten läßt. Das von den Reformisten herbeigesehnte "Scheitern des russischen Experiments" würde die größte geschichtliche Niederlage des Weltproletariats sein, das aber wahrhaftig nicht als tragische Schuld des Proletariats der Sowjetunion und seiner führenden Klassenpartei. (Schluß folgt.)"

(Aus „Die Kommunistische Internationale“, Wochenschrift des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, IX. Jahrgang 1928, Heft 1)

Clara Zetkin, bei der Ankunft aus der SU 1927 in Berlin am Lehrter Bahnhof,