TROTZ ALLEDEM!

Über das Verhältnis der Kommunisten zur Religion

Die Kommunisten fordern, daß die Religion Privatsache bleibt im Verhältnis zum bürgerlichen Staat; unter keinen Umständen aber dürfen Kommunisten den Standpunkt vertreten, die Religion sei Privatsache auch im Verhältnis zur Kommunistischen Partei.

Die Kommunisten fordern, daß der bürgerliche Staat als solcher keinerlei Beziehungen zur Religion habe und die religiösen Gesellschaften in keinerlei Weise mit der bürgerlichen Staatsgewalt verbunden seien. Die Kommunisten fordern, daß es jedem Bürger freigestellt bleibe, sich zu einer beliebigen Religion zu bekennen oder gar keine Religion anzuerkennen, d. h. Atheist zu sein, was gewöhnlich jeder bewußte Kommunist ist. Die Kommunisten bestehen darauf, daß der Staat in den Rechten der Bürger auf Grund des Kriteriums der Zugehörigkeit zu diesem oder jenem religiösen Glauben keinerlei Unterschiede walten lassen darf. Die Kommunisten fordern, daß in den offiziellen Dokumenten selbst die bloße Erwähnung der einen oder anderen Konfession der Bürger gänzlich zu verschwinden habe. Die Kommunisten streben danach, dem bürgerlichen Staat jede Möglichkeit zu nehmen, den kirchlichen oder religiösen Gesellschaften irgendwelche materielle oder sonstige Unterstützung zu gewähren. Das zusammengenommen, stellt gerade jene Forderung dar, die die Religion im Verhältnis zum Staat zur Privatsache erklärt.

Doch die Kommunistische Partei kann sich auf keinen Fall gleichgültig gegenüber der Tatsache verhalten, daß einzelne ihrer Mitglieder, und sei es auch als &#quot;Privatpersonen&#quot;, sich religiöser Propaganda widmen. Die Kommunistische Partei stellt einen aus freiem Willen geschlossenen Bund bewußter, fortgeschrittener Kämpfer für die Befreiung der Arbeiterklasse dar. Die Kommunistische Avantgarde der Arbeiterklasse kann und darf sich zur Unaufgeklärtheit, Unbildung und zum religiösen Obskurantismus nicht gleichgültig verhalten. Die Kommunistische Partei hat die Pflicht, ihre Mitglieder zu erziehen nicht nur im Sinne der hingebungsvollen Befolgung eines bestimmten politischen Programms, ökonomischer Forderungen und der Statuten der Partei, sondern ihnen auch die scharfumschriebene, einheitliche Weltanschauung des Marxismus einzuimpfen, von dem der Atheismus einen wesentlichen Bestandteil bildet.

Es versteht sich von selbst, daß die antireligiöse Propaganda besonders vorsichtig und in gründlich überlegter Weise, mit Rücksichtnahme auf die Schichten, unter die sie getragen wird, betrieben werden muß. Die antireligiöse Propaganda der Kommunisfen muß, insbesondere unter der Jugend, nach einem gründlich durchdachten Programm und unter Berücksichtigung aller besonderen Um-stände geführt werden. In einer kommunistischen Massenpartei finden sich zuweilen Mitglieder, die sich religiöser Stimmungen und Vorurteile noch nicht ganz entledigt haben. Die Partei als Ganzes dagegen, insbesondere deren führende Schichten, müssen die religiösen Vorurteile bekämpfen und in zweckentsprechender Weise den Atheismus propagieren. Eine aktive Religionspropaganda seitens führender Genossen, besonders der Intellektuellen unter ihnen, mag sie auch noch so moderne Form annehmen, ist absolut unzulässig. Die Kommunisten sprechen sich dafür aus, daß man alle Arbeiter ohne Rücksicht auf ihre religiösen Anschauungen in die Reihen der Klassencharakter tragenden Gewerkschaften einbeziehe. Eingedenk dessen, daß es in verschiedenen Ländern noch Millionen Arbeiter gibt, die in dieser oder jener Weise religiös gesinnt sind, müssen die Kommunisten sie in den allgemeinen ökonomischen und politischen Kampf hineinziehen, dürfen sie aber unter keinen Umständen wegen ihrer religiösen Vorurteile etwa zurückweisen. Im besonderen haben die Kommunisten bei der Agitation für eine Arbeiterregierung oder eine Arbeiter- und Bauernregierung immer wieder zu betonen, daß sie damit allen Arbeitern, ohne Rücksicht darauf, ob sie religös gesinnt oder Atheisten sind, ein brüderliches Bündnis vorschlagen.

3.Sitzung des erweiterten Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale 1923