TROTZ ALLEDEM!

In Lateinamerika wird eine Regierung nach der anderen durch Massenbewegungen der Völker verjagt. Dabei werden sowohl „demokratische“ Regierungen, als auch scheinbare „linke“ Regierungen von der Macht verdrängt. In den vergangenen vier Jahren kam es in verschiedenen Ländern Lateinamerikas zu gewaltigen Massenkämpfen:

Revolutionäre Situation in Argentinien!
In Bolivien und in Peru wurden korrupte Regierungen zu Fall gebracht!
In Ecuador musste der „linke“ Präsident Gutiérrez abtreten.
In Kolumbien führt die FARC- Guerilla einen revolutionären Kampf!
„Linke“ Präsidenten in Venezuela, in Argentinien, in Uruguay und in Brasilien! …

Gab und gibt es wirklich eine revolutionäre Situation in einem oder mehreren Ländern auf dem amerikanischen Kontinent, wie organisiert sind die Bewegungen, wer steht an der Spitze und wie „links“ sind „linke“ Präsidenten?

BOLIVIEN: Massenstreiks und die Regierung wird verjagt

Bolivien ist nach wie vor eines der ärmsten Länder in Lateinamerika. 70% der Bevölkerung lebt in Armut. Nach wochenlang anhaltenden Massenprotesten hat am 9. Juni der nach Sucre (Hauptstadt) geflohene Kongress das Rücktrittsgesuch von Staatspräsident Carlos Mensa angenommen. In La Paz, dem Regierungssitz, konnte das Parlament nicht mehr tagen. Aber auch in Sucre lieferten sich empörte Bauern und ArbeiterInnen Straßenschlachten mit der Polizei. Ein Führer der Bergarbeitergewerkschaft wurde erschossen. Die anhaltenden Proteststürme der werktätigen Massen, vor allem auch der indigenen Völker, haben die Parlamentarier zum Handeln gezwungen. Neuwahlen werden im Dezember stattfinden. In Bolivien herrschte seit den 70ern ein militär-faschistisches Regime. 1971 kommt Hugo Banzer (*) an die Macht. 1982 tritt die Militärjunta zurück. Bolivien wird zur Republik, in der der Präsident das Sagen hat (Präsidial-Republik). Präsident wird erneut Hugo Banzer. 2001 stürzen Massenproteste den Präsidenten. Daraufhin wird Gonzales Sánchez de Lozada Anfang 2002 zum Präsidenten gewählt. 2003 folgt C. Mesa.

Seit 1985 treibt die Bourgeoisie die Privatisierung der wichtigsten Staatsbetriebe und der natürlichen Ressourcen des Landes an die imperialistischen Mächte voran, während die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung immer weiter in Armut und Elend versank. Weit über die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut. Die Versuche der Regierung Sánchez de Lozada, dem Koka-Anbau ein Ende zu setzen, führten dazu, dass sich die Lebensbedingungen der Bauern, denen keine Anbau-Alternativen angeboten werden, weiter verschlechtern. Die Zahl der landlosen Bauern stieg weiter an. 87% des Landes in Bolivien (28 Millionen Hektar) befinden sich in den Händen von 7% der Großgrundbesitzer, während die Masse von Millionen armer Bauern/Bäuerinnen die restlichen 13% besitzt. Die Auslandsschulden betragen 5 Milliarden US$. Das sind 70% des BIP. Das jährliche Haushaltsdefizit beträgt 8%. Das Haushaltsloch wurde über Kredite beim IWF und Weltbank gestopft, die forderten, die öffentlichen Ausgaben zu kürzen und die Massensteuern zu erhöhen. Bereits im Februar 2003 kam es in Bolivien, aufgrund einer geplanten Steuerreform, zu heftigen Protesten. Das neue Steuergesetz sah vor, den Unternehmern 60% ihrer Steuerschuld zu erlassen. Im September desselben Jahres führte der Konflikt um das Gas zu Massenprotesten. 1,3 Milliarden US$ jährlich sollte das Gasgeschäft den Imperialisten einbringen, während der bolivianische Staat „nur“ 40-70 Millionen US$ Gewinn aus dem Geschäft ziehen sollte. Dieses Geschäft wurde von der Regierung Lozada angeleiert und vom bolivianischen Kongress abgesegnet. Vor diesem Hintergrund sind die Bewegungen zu sehen, welche die Losung nach Verstaatlichung der Erdgasindustrie zu ihrer Kampflosung machten. Sie riefen zum unbefristeten Generalstreik. Doch die bürgerlichen Regierungen handelten wie immer: sie versuchten die Proteste mit Gewalt im Keim zu ersticken. Über 80 Tote und etwa 400 Verletzte - so die Bilanz des Masssakers der Bourgeoisie. Doch der Druck der Straße ließ nicht nach. Die Bergarbeiter kamen, bewaffnet mit Dynamit, in die Hauptstadt, die Bauern blockierten die wichtigsten Straßen des Landes, der unbefristete Generalstreik hatte das Land lahm gelegt, die Polizei verbrüderte sich mit den Menschen, die Armee war gespalten, etliche Soldaten weigerten sich, auf die Demonstranten zu schießen, und als selbst Teile des Mittelstandes durch Hungerstreiks den Rücktritt des Präsidenten forderten, griff die Bourgeoisie zu ihrem anderen Mittel: zum Zuckerbrot. Sie ließ de Lozada wie eine heiße Kartoffel fallen, und installierte umgehend eine neue Regierung, vertreten durch den bisherigen Vizepräsidenten Carlos Mesa.

Die Bourgeoisie versuchte, die Forderungen der Massen mit scheinbaren Verbesserungen und einem Referendum über die künftige Nutzung der Gasvorkommen, zu beruhigen. Das war ihr kurzfristig auch gelungen. Die Bourgeoisie hat ein Referendum über die künftige Nutzung der Gasvorkommen gemacht. Die COB, (Gewerkschaftsdachorganisation) die CSUTCB (Landarbeitergwerkschaft) und die MIP (indigene Bewegung) haben zum Widerstand gegen das Referendum aufgerufen. Die Frage nach der Nationalisierung der Erdgasressourcen wurde aber gar nicht erst gestellt. Die Bewegungen, die zum Sturz des Präsidenten de Lozada führten, sind heute noch mehr zersplittert. Morales (Bewegung für den Sozialismus) hatte das Referendum von Carlos Mesa - und damit den neuen Präsidenten - unterstützt.

Bis März 2005. Solange hielten die Bewegungen still. Seit März 2005 kam es zu wochenlangen Protesten und Mitte März zum Generalstreik in Bolivien. Das halbe Land war durch Straßenblockaden und Demonstrationen ohnehin schon im Ausnahmezustand. Sechs der neun größten Städte waren durch die Blockaden völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Es entwickelten sich neue Aufstände an dem Ausverkauf des Erdöls. Die Bewegungen forderten eine 50% Abgabe der multinationalen Konzerne für Erdöl und Erdgas. Weiterhin forderten sie eine verfassungsgebende Versammlung. Trotzdem weigerte sich Mesa, die Profite der Energiekonzerne zu beschneiden. Der Präsident konnte die Massen nur beruhigen, indem er seinen Rücktritt ankündigte, was er dann nicht tat. Im Rahmen der Proteste gegen das Verbot des Koka-Anbaus ging Evo Morales als Führer hervor mit der Bewegung für den Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS). Bei den nächsten Präsidentschaftswahlen hat Morales gute Chancen. Wenn es wieder zu Protesten kommt, dann braucht es eine „linke“ Bewegung, die die revolutionären Kräfte der Massen in der bürgerlichen Legalität hält. Dann braucht es einen „linken“ Präsidenten, wie in Brasilien oder in Venezuela.

Die Bewegungen

80% der Bevölkerung Boliviens und die größten Teile der Arbeiter- und Bauernschaft sind Indigenas (Ureinwohner). Die Unterdrückung der Indigenas durch die überwiegend weiße Bourgeoisie hat eine über 500 jährige Geschichte. Nationale Unterdrückung und die Klassenfrage sind in Bolivien untrennbar miteinander verbunden.

Die Arbeiterklasse in Bolivien war zahlenmäßig und politisch in den 80er und 90er Jahren sehr geschwächt. Anders als in den 70ern, als die bewaffneten Auseinandersetzungen noch unter Führung der Arbeiterklasse und revolutionärer Parteien waren - vor allem die revolutionären Bergbauarbeiter die Führung innehatten - heute gibt es kaum noch Bergbauarbeiter in Bolivien. Heute hat sich in ganz Lateinamerika eine neue Elendsschicht gebildet, bestehend aus Millionen von Jugendlichen, Erwerbslosen, Opfer der dauernden Naturkatastrophen und der Angehörigen von KämperInnen.

Führend in den Streikbewegungen sind die LandarbeiterInnen, die kleinen Bauern und die Indigenas. Sie alle haben keine revolutionären Organisationen hinter sich, sie führen Verteidigungskämpfe. Was fehlt, ist eine starke kommunistische Partei, die die Massen vereinigt und zur Revolution führt. Die bestehenden Organisationen haben weder die Armee, noch die Polizei angegriffen. Sie wollen auch nicht die Machtfrage stellen: den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen und die proletarische Diktatur errichten.

Die Landarbeitergewerkschaft CSUTCB und die indigene Bewegung Pachakuti (MIP) unter Führung von Felipe Quispe fordern die Autonomie der indigenen Gemeinschaften. Die nationale Unterdrückung der Indigenen muss ein Ende haben und ihre Kultur muss respektiert werden. Gegenüber dem neuen Präsidenten verhielten sich beide Organisationen abwartend. Misstrauisch setzten sie Mesa eine Frist von 90 Tagen, in der dieser das Versprochene einlösen sollte. Andernfalls würden die Indigenen und Bauern den Kampf und die Straßenblockaden wieder aufnehmen. Was sie auch taten!

Bei den Präsidentschaftswahlen 2002 kam die MAS, Bewegung für den Sozialismus (Movimiento al Socialismo), mit Evo Morales als Führer, auf den 2. Platz, knapp hinter dem Wahlbündnis, das de Lozada zum Präsidenten machte. Immerhin hat die MAS 35 Abgeordnetensitze errungen, ein kleiner Sieg, denn bis dahin haben nur Weiße und Mestizen das Land regiert. 20% der Kongressmitglieder sind heute Indigenas. Die MAS konnte aber bisher kein Gesetz durchbringen.

Ihre Forderungen sind:

• Stop dem Ausverkauf von Gas und Erdöl,

• Landreform,

• Respektierung der Rechte der Indios,

• Ende der Diskriminierung der Kokabauern...

Was die Arbeiterklasse betrifft, so hat die Gewerkschafts-Dachorganisation COB im August 2003 einen Kongress veranstaltet, auf dem sie die regierungstreue Führung absetzte. So konnte die COB während des Streikes eine Avantgarde-Rolle einnehmen. Mit dem Aufruf zum Generalstreik erreichte ihr neuer Vorsitzender Jaime Solares, dass die Organisation am 3. Oktober, mitten im Konflikt, ein fortschrittliches Programm annahm.

Die Forderungen des COB an die neue Regierung Mesa umfasste folgende Punkte:

• Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses bezüglich aller Verträge rund um die Frage der Privatisierung und Teilprivatisierung der Ölindustrie, der Bergwerke und sonstiger Staatsunternehmen.

• Beseitigung des Landgesetzes und Aufteilung des Landes unter den Bauern.

• Respektierung des Landbesitzes der Indios.

• Rücknahme aller arbeiterfeindlichen Gesetze.

• Sofortige Rücknahme des Gesetzes zur Aufhebung des Kündigungsschutzes.

• Nein zum Freihandel auf der Grundlage des FTAA (ALCA) und Wiederaufbau der nationalen Industrie.

• Die für die Ermordungen an der bolivianischen Bevölkerung Verantwortlichen müssen vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden

Deutschland ist derzeit nach den USA und Japan der drittgrößte Geldgeber Boliviens mit über 900 Millionen Euro. Hauptexportprodukte von Bolivien nach Deutschland sind Kaffee, Südfrüchte, und Zinn.

ARGENTINIEN: Revolutionäre Situation

Argentinien ein abhängiges Land!

1999 fiel in Argentinien das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 3,5%, im Jahr 2000 gab es bereits ein Nullwachstum. Das Haushaltsdefizit lag bei über 120 Milliarden US$, im Dezember 2000 stand Argentinien bereits am Rande des Staatsbankrotts. Ein „Hilfspaket“ seitens des IWF in der Höhe von 40 Milliarden US$ konnte dies gerade noch verhindern.

Um das Vertrauen der imperialistischen Investoren in die argentinische Wirtschaft zu stärken, wurde der Peso an den Dollar gebunden. Wenn aber die argentinische Wirtschaft nicht so stark ist, wie die US-amerikanische, was der Fall war, bedeutet das in einer Wirtschaftskrise, dass es nur einen Ausweg geben kann: Ausverkauf der Industrie und der Ressourcen, Sparpakete, Privatisierungen, Gehalts- und Rentenkürzungen... Was natürlich ein Rezept für eine weitere Verschärfung der Krise ist, da der Binnenmarkt auch noch zusammenbricht (nationale Kaufkraft sackt ab). Der Anteil der Erwerbslosen und Unterbeschäftigten an der Gesamtbevölkerung stieg auf über 30%. Sogar offizielle Zahlen sprechen davon, dass 53% der Argentinier unter der Armutsgrenze leben. Laut dem Gewerkschaftsdachverband CTA sterben täglich Dutzende Kinder unter 5 Jahren an den Folgen der Unterernährung.

Im Dezember 2001 spitzte sich die wirtschaftliche Krise zu: Der Peso verlor gegenüber dem Dollar weiter an Wert. Die Industrieproduktion brach fast zusammen. Besonders stark betroffen waren die Textil-, die Auto- und die Metallindustrie mit einem Produktionsrückgang von 55 - 65%. 2001 lag der durchschnittliche Reallohn in Argentinien nur halb so hoch wie 1974! 90% der Banken und 40% der Industrie befinden sich im Besitz imperialistischer Konzerne.

Die ökonomische Krise weitete sich zur politischen Krise aus: Massendemonstrationen, Besetzungen von Banken, Luxusvillen und anderer Institutionen gehörten zum Alltag, auch Streiks und Betriebsbesetzungen. Die Masse der ArbeiterInnen, Erwerbslosen und Mittelschichten, die sich nicht mehr mit ihrer verzweifelten sozialen Lage abfinden wollte, hat innerhalb kürzester Zeit eigene Massenorgane - sogenannte „Volksversammlungen“ - aufgebaut, in denen sie zusammenkamen, um das Leben zu organisieren, um sich zu politisieren. Innerhalb weniger Tage wurden mehrere Präsidenten gestürzt.

Die Gewerkschaftsbewegungen

Die CTA (Zentrale argentinischer Arbeiter-Gewerkschaftsdachverband) steht der Frepaso nahe, und ist vor allem im öffentlichen Dienst stark. Die Frepaso ist ein Bündnis von Mitte-“Links“-Parteien, in der auch die Mitglieder der ehemaligen reformistischen KP sitzen.

Die CMT/CCC (Klassenkämpferische Strömumg) steht der Revolutionären Kommunistischen Partei, PCR Argentinien, nahe. Es gibt auch noch kleine, unabhängige und kämpferische Gewerkschaften, wie die SIMeCa, die unabhängige Gewerkschaft der Motorradkuriere in Buenos Aires.

Die kämpferischen Piqueteros (Arbeitslosenverbände), die vor allem durch ihre militanten Straßenblockaden berühmt wurden, sind keine einheitliche Organisation.

Die Arbeiterklasse als Ganzes ist aber nicht auf die Straße gegangen. Teile der Arbeiterklasse haben sich den Forderungen der unterschiedlichen Bewegungen angeschlossen, Teile der Arbeiterklasse haben sich an den Massenversammlungen beteiligt, es gab auch kämpferische Generalstreiks, die das Land zum Stillstand brachten, militante Fabrikbesetzungen, aber die Arbeiterklasse ist gespalten. Die größte Gewerkschaft, die CGT, die ihre größte Unterstützung in der TransportarbeiterInnengewerkschaft hat, steht unter dem Einfluss des Peronismus.

Viele revolutionäre Organisationen sind nicht in der Lage, den Peronismus in der Arbeiterklasse als vorherrschende Ideologie zu besiegen. Sie bekämpfen ihn nicht konsequent als Ideologie. Deshalb kann er auch in der Arbeiterklasse weiter bestehen. Es gibt auch innerhalb der Peronisten eine Spaltung - in Links- und Rechtsperonisten - was schon zeigt, wie absurd diese Ideologie ist. Aber die Arbeiterklasse ist nicht nur gespalten, sie ist auch sehr schwach. Der Mord an den Revolutionären in den 70ern, während der Militärdiktatur und die Deindustrialisierung haben der Arbeiterklasse einen Schlag versetzt.

Wahlen 2003

Im Mai 2003 waren die Wahlen, bei denen Nestor Kirchner, ein Peronist, zum Präsidenten gewählt wurde. Die sogenannten „Linken“ bildeten verschiedene Bündnisse, vorherrschend war aber die Stimmung: „Nein zu Menem“ (der schon von 1989 bis 1999 Präsident gewesen war und maßgeblich zum Ausverkauf des Landes beigetragen hat), der ebenfalls als Peronist antrat. Menem zog seine Kandidatur zurück und Nestor Kirchner konnte sein Amt übernehmen. Die Vereinigte Linke IU (Izqierda Unida), ein Block reformistischer Trotzkisten erlangte zusammen nur 2,5%. Einige der fortschrittlichen Parteien, die noch 1999 und 2001 angetreten waren, stellten keine KandidatInnen auf und riefen zum aktiven Wahlboykott auf. Es enthielten sich aber nur sehr wenige WählerInnen. Das war eine Niederlage für die revolutionären Bewegungen.

Die revolutionäre Situation in Argentinien ist abgeflaut

Der „linke“ Präsident Kirchner hat die Wut der Massen kanalisiert. Die Wirtschaft wächst. Die ArbeiterInnen, die Erwerbslosen, RentnerInnen, StudentInnen... stehen vor den gleichen Problemen, wie vor 2001. Es gibt ein großes Potential an Unzufriedenen in der Bevölkerung, aber keine revolutionäre politische Kraft, die die Kämpfe leitet. Rund die Hälfte der 37 Millionen EinwohnerInnen des Landes lebt als Folge der Wirtschaftskrise weiterhin unterhalb der Armutsgrenze, die früher recht breite Mittelschicht verringerte sich von ehemals 60 auf 20% der Bevölkerung.

Es finden auch weiterhin große Demonstrationen statt: gegen die Flexibilisierung der Arbeitszeit, gegen die Zahlung der Auslandsschulden, gegen die Privatisierung von Staatsbetrieben... Nach wie vor ist die Arbeiterklasse gespalten. Der Einfluss der Verräter - Peronisten von links bis rechts - Gewerkschaftsbürokraten und linksnationalistischen Reformer, ist bedeutend größer als der Einfluss der revolutionären Bewegungen.

Mit einem Wirtschaftswachstum von aktuell 8,8% ist Argentinien im letzten Jahr für die multinationalen Konzerne wieder ein attraktiver Investitionsort geworden. Der deutsche Automobilkonzern VW will 200 Millionen US$ in seine Fabrik in Córdoba stecken. VW zahlt nirgendwo niedrigere Löhne als in Argentinien.

Die EU hat an der Krise verdient. In wichtigen Bereichen der argentinischen Wirtschaft wie Erdöl, Bananen, Luftfahrt, Telekom, Wasser u.a. hat die EU weiterhin das Sagen und Profite aus der Wirtschaftskrise abgezogen.

VENEZUELA: Bolivarische Republik

Im Januar 1999 wird Hugo Chavez zum Präsidenten von Venezuela gewählt. Chavez liess dem Land einen neuen Namen geben - es heißt jetzt: Bolivarische Republik Venezuela. Nach seiner Wahl zum Präsidenten liess Chavez eine verfassungsgebende Versammmlung wählen, in der sein Wahlbündnis 91% der Sitze bekam. In seinem Wahlbündnis Patriotischer Pol sind die „Bewegung der Fünften Republik“, die Partei von Chavez, die revisionistische „KP“, verschiedene „sozialistische Parteien“, linke Gewerkschafter und soziale Organisationen. Es wurde eine neue Verfassung per Referendum eingeführt. Die Abgeordneten sind wählbar und müssen in ihren Wahlkreisen jährlich Berichte vorlegen. Die Verfassung beinhaltet den freien Zugang zum Gesundheitswesen, eine Sozialgesetzgebung und die Forderung nach Renten und Bildung für alle. Die Renten sollen dem Durchschnittslohn entsprechen und Frauen und Männer sollen gleichen Lohn bekommen. Außerdem wurden kulturelle Rechte für die Indigenas festgeschrieben. Die Arbeitszeit wurde von 48 auf 44 Stunden reduziert. Für Öl, Gas und Das Rentensystem wurde eine Privatisierung verboten. Das alles sind fortschrittliche Maßnahmen für die werktätigen Massen, die aber noch nicht verwirklicht sind.

Hugo Chavez selbst bezeichnet die Entwicklung in Venezuela als „friedliche Revolution“. Chavez ist kein Revolutionär oder gar Kommunist. Er steht auf dem Boden von Privateigentum und freier Marktwirtschaft. So steht es in der Verfassung. Er vertritt die antiamerikanischen, nationalen Sektoren der Bourgeoisie, die Teile der Kompradorenbourgeoisie enteignen will und will, dass das Kapital im Land bleibt und nicht aus Venezuela von den US-Imperialisten abgezogen wird.

Der Wahlsieg von Chavez ist keine Revolution, er ist auch kein Bruch mit der herrschenden Ordnung. Er ist erstmal nur ein Wahlsieg. Aber er bedeutet für die revolutionären Organisationen, dass sich ihre Organisationsbedingungen verbessern. In dem Prozess, in dem Venezuela steckt, kommt es zur Radikalisierung der ArbeiterInnen, der werktätigen Massen und der Bauern. Sie bilden verschiedene Komitees (Stadtteil, ArbeiterInnen, Nachbarschaftskomitees...), Grundlage für revolutionäre Arbeiterräte, nach dem Vorbild der Sowjets. Es wird sich schnell zeigen, dass der auf bürgerliche Legalität und Reformismus bauende Chavez seine Macht nicht halten kann, wenn er zu große Reformen einführt. Die imperialistischen Mächte, allen voran die USA, haben kein Interesse an der Verstaatlichung der großen Fabriken, da sie das Land nicht mehr zügellos ausbluten können. Seit der Wahl von Chavez haben die imperialistischen Mächte verschiedene Putschversuche und Aktionen zum Sturz des Präsidenten initiiert oder unterstützt. Im April 2002 provozierten Anhänger der Opposition eine Schießerei auf einer Demonstration in Caracas. Die anschließenden Tumulte nutzten einige Offiziere der herrschenden Klasse und einige Politiker zum Putsch. Sie machten den Chef des Unternehmerverbandes FEDECAMARAS, Pedro Carmona, zum Präsidenten. Und erzählten der ganzen Welt, Chavez sei zurückgetreten. Der aber konnte sich mit Hilfe loyaler Militärs aus der Gefangenschaft befreien und kehrte nach 48 Stunden an die Regierung zurück. Dabei wurde er von den Volksmassen bejubelt.

Venezuela verfügt über das größte Erdgasvorkommen Lateinamerikas und ist fünft größtes erdölexportierendes Land. Der EU-Imperialismus versucht verstärkt Fuß zu fassen in den Ländern, in denen es Konflikte oder zwischenimperialistische Widersprüche mit den USA gibt (das sind v.a die „arabischen Staaten“, in Lateinamerika allen voran Venezuela, Brasilien, Argentinien...). Dazu will die EU mit den Mercosur-Staaten (Venezuela ist im Mercosur assoziiert - siehe Anhang) einen gemeinsamen Handelsvertrag abschließen, und zwar möglichst schneller als FTAA (ALCA, siehe S. 17) zustande kommt. Wenn ALCA Realität wird, schadet das dem EU-Mercosur Freihandelsvertrag.

BRASILIEN: Lula’s „PT“ - Arbeiterpartei - Wandel zur modernen Sozialdemokratie

Die PT entstand am Ende der 70er Jahre, die Militärdiktatur befand sich schon im Niedergang, und die PT wurde allmählich immer stärker. Brasilien hat die stärkste Arbeiterbewegung in ganz Lateinamerika. Die Massen in Lateinamerika: ausgeblutet und brutal unterdrückt durch die imperialistischen Mächte, das Land ausverkauft, die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Brasilien brauchte eine legale Kraft, um die Massen ruhig zu halten. Die revolutionären Kräfte mussten kanalisiert werden. Darum konnte Lula Präsident werden.

Luiz Inácio Lula da Silva (Lula) hat mit seinem zunächst reformorientierten Programm drei Mal die Präsidentschaftswahlen verloren. Mit seinem weichgespülten, sozialdemokratischen Programm ist er, der ehemalige kämpferische Gewerkschafter, zum Präsident gewählt worden.

Sein Wahlprogramm beinhaltete:

• Umverteilung der Einkommen von oben nach unten,

• eine Million neue Arbeitsplätze,

• Wirtschaftswachstum durch niedrige Zinssätze,

• ein Programm ‘niemand soll mehr hungern’,

• Freigabe von Bewirtschaftungsflächen zur Stillung des Landhungers der armen Bauern.

Doch schon kurz nach Lulas Amtsantritt zeigte sich Ernüchterung. An Lulas Seite stand als Vizepräsident ein liberaler Unternehmer. Am 11. Juni 2003 demonstrierten fast 40 000 ArbeiterInnen in Brasilia gegen die geplante Rentenreform der Regierung, welche die Rentenbedingungen für Staatsangestellte drastisch verschlechtern sollte.

Die Initiative zur Mobilisierung ging vom Nationalen Verband der Angestellten des Bildungswesens (CNTE) aus, welcher dem nationalen Gewerkschaftsdachverband CUT angehört. Obwohl der Großteil der Leitung vom CUT dem moderaten Mehrheitsflügel der Arbeiterpartei (PT) zuzurechnen ist, unterstützte und beteiligte sich der Dachverband an der Mobilisierung. Die Mehrheit der DemonstrantInnen waren Parteimitglieder der PT. Im Dezember schloss die PT-Leitung vier fortschrittliche AktivistInnen aus der Partei wegen Teilnahme an der Demonstration aus.

Gleichzeitig beschloss das Parlament die von den internationalen Finanzmärkten geforderte Reform der Sozialversicherung. Einen Tag später gewährte der IWF einen Kredit über 14 Milliarden US$. Einen Tag später gab es von der Weltbank 7,5 Milliarden US$ als Unterstützung für die Reformbestrebungen. Die Mindestlöhne sollten direkt nach der Wahl angehoben werden. Doch auch hier zeigte sich, wie sehr sich die Regierung von den Rechten der ArbeiterInnen entfernt hatte. Die Zentralbank bestimmte die Höhe des Mindestlohnes.

Brasilien hat 170 Millionen EinwohnerInnen. 58 Millionen BrasilianerInnen leben von weniger als einem US$ am Tag. Das Land ist mit 212 Milliarden US$ im Ausland verschuldet. Die Erwerbslosigkeit ist rapide gewachsen. Der Anteil der Industriegüter am BIP ist von 36,6% auf 23,6% gesunken. Es gibt kaum Export von Industrieprodukten. Brasilien ist stark abhängig von Forschung und Import von Technik aus imperialistischen Ländern. Der Export von Rohstoffen und Halbfertigwaren ist dagegen gewachsen.

Die MST (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra - Die Bewegung der Landarbeiter ohne Boden), die militante Bewegung der landlosen ArbeiterInnen, hat Landbesetzungen seit über zwei Jahrzehnten, oft im blutigen Kampf gegen die Großgrundbesitzer und ihre Privatpolizei durchgeführt. Sie hielt seit Lulas Wahl ein Stillhalteabkommen ein, das den Verzicht auf Landbesetzungen vorgesehen hatte. Seit März 2003 nahm sie die Aktionen wieder auf, weil Lula und sein Kabinett nichts zur Neuaufteilung von Grund und Boden zugunsten der Landlosen getan hatten. Unter Lulas Regierung starben im Jahr 2003 doppelt so viele Landlose bei Auseinandersetzungen mit Grundbesitzern, wie unter seinem Amtsvorgänger, und auch die Zahl der Landbesetzungen stieg von 103 auf 222 an.

Direktinvestitionen

Staatspräsident Lula besuchte Deutschland bereits wenige Wochen nach seinem Amtsantritt. Deutschland ist für Brasilien wichtiger Handelspartner (an 2. Stelle beim Export, an 3. beim Import). Deutsche Tochterunternehmen (ca 800) investieren kräftig in Brasilien. Bis 2005 sollen 2,5 Milliarden Euro investiert werden. Deutschland hat Brasilien insgesamt über 1,5 Milliarden Euro Kapital und Kredite zur Verfügung gestellt und ist Hauptgeberland Brasiliens.

Im Bezug auf Investitionen hat das EU-Kapital das nordamerikanische Kapital in den Mercosur-Ländern längst verdrängt. Argentinien und Brasilien drängen vor allen darauf, dass der EU-Markt für Agrarprodukte geöffnet wird. Die Mercosur-Staaten liefern 1/4 ihrer Exporte in die EU, anderseits exportiert die EU gerade mal 2% ihrer Waren in die Mercosur-Staaten.

Inwieweit die lateinamerikanischen Staaten nun an die USA oder an die EU gekettet werden, hängt im wesentlichen von den regionalen Mächten ab, also von Brasilien und Argentinien. Präsident Lula, Brasiliens „Hoffnung“ tendiert eindeutig zur EU.

„Die EU ist, noch vor den USA, mit einem Anteil am Außenhandel von ca. 30% größter Handelspartner des Mercosur. Das Handelsvolumen stieg im Zeitraum 1990 bis 2000 um etwa 140%. Deutsche Exporte in den Mercosur entsprechen etwa der Größenordnung der Exporte in die VR China oder nach ASEAN (Verband südostasiatischer Nationen) bzw. dem Dreifachen der Exporte nach Indien. Nicht nur deswegen bleibt der Mercosur gerade für Deutschland als größter EU-Mitgliedsstaat der strategische Partner in Lateinamerika schlechthin“ (Deutsches Auswärtiges Amt). „Für die brasilianische Außenpolitik wiederum ist Deutschland innerhalb Europas der entscheidende Partner, nicht zuletzt als ausgleichende Kraft in den Beziehungen Brasiliens zu den USA“. (Brasilianische Botschaft)

URUGUAY: Wahlsieg der Frente Amplio (Breite Front) - Hoffnung für Lateinamerika?

Die Frente Amplio ist ein linkes Wahlbündnis, und wurde 1971 gegründet. Darin haben sich die reformistische Kommunistische Partei, die Sozialistische Partei, die christdemokratische Partei, die links-konservative Asamblea Uruguay, einige linke Gruppen und die MPP, die stärkste Gruppe innerhalb der Frente, mit 30% der WählerInnenstimmen zusammengeschlossen. Die MPP (Movimiento Participación Popular-Volksbewegung) ist die Nachfolgeorganisation der Movimiento de Liberación Nacional/Tupamaros (MLN/T) der während der Militärdiktatur (1973-84) agierenden Stadtguerilla Tupamaros. Sie übernimmt durch ihre ideologische Öffnung eine Vorreiterrolle, um die Basis hinter sich zu bringen. Der Mitgründer der Tupamaros Mujica erklärte kurz vor den Wahlen: „Wir haben ein klares Motiv: Wir wollen im Oktober die Wahlen gewinnen. Wenn wir sie verlieren, bricht die Linke auseinander. Deswegen können wir nicht auf unseren revolutionären Positionen beharren und das Bürgertum verschrecken. Wir müssen alle Sektoren der Gesellschaft mit einbeziehen, auch wenn wir dabei die eine oder andere Kröte zu schlucken haben.“

Am 1. März 2005 hat Tabaré Vázquez von der Sozialistischen Partei sein Amt als Staatspräsident angenommen. Eckpunkte des Regierungsprogramms sind eine gerechtere Steuerreform, Maßnahmen zur Überwindung der Energiekrise, Bildungsinitiativen, die Modernisierung der Infrastruktur, des Polizeiwesens und Sofortmaßnahmen gegen den sozialen Notstand. „Die Bedürftigen werden die Privilegierten sein“, so Vázquez. Als eine der ersten Amtshandlung erließ er einen Plan zur Armutsbekämpfung vergleichbar dem Null-Hunger-Programm Brasiliens. 100 Millionen US$ will die Regierung dafür locker machen.

Dieser Wahlsieg kam nicht von ungefähr. Wenn es in Uruguay noch nicht zu militanten Protesten, wie in Argentinien, gekommen ist, dann vor allem deshalb, weil „die Hoffnung“ auf eine politische Wende vorhanden war, eine Hoffnung, die der FA zum Sieg verhalf. Zum einen ist die Lage der Masse der Bevölkerung in Uruguay katastrophal, zur Zeit leben 1/4 der 3,3 Millionen EinwohnerInnen unterhalb der Armutsgrenze. Die Hälfte der Bevölkerung gilt als arm. Die Staatsschulden verschlingen mehr als 90% des Bruttoinlandsprodukts, fast 40% der UruguayerInnen sind erwerbslos. Das Bruttosozialprodukt von 19 Milliarden US$ steht einer Auslandsverschuldung von knapp 10 Milliarden US$ gegenüber. Uruguay ist von dem weit größeren Nachbarn Argentinien wirtschaftlich stark abhängig und der Staatsbankrott dort wirkte sich verheerend auch auf Uruguay aus. Im Würgegriff von Weltbank und IWF machte die letzte Regierung das, was alle taten: Sie verscherbelte die nationalen Ressourcen an ausländische Konzerne. Gleichzeitig mit den Präsidentschaftswahlen fand ein von der Opposition erzwungenes Referendum zur geplanten Wasserprivatisierung statt, und das gewannen die GegnerInnen der Privatisierung haushoch. Die Bevölkerung hatte in den letzten Jahren genug Gelegenheit, zu beobachten, was es für sie bedeutet, wenn öffentliche Güter privatisiert werden.

Spaltung innerhalb der Frente

Schon kurz nach den Wahlen zeichneten sich innerhalb der Regierung zwei Linien ab: Die AU vertreten in der Regierung durch den Wirtschaftsminister Astori will den Sparkurs der ehemaligen Regierung weiterführen, alle Zahlungsverpflichtungen erfüllen und die Währungsstabilität garantieren. Bereits vor der Wahl kündigte der neue Präsident an, eine „gemäßigte“ Politik betreiben zu wollen. In Washington versprach er Weltbank und IWF, ihre Spielregeln einzuhalten. Sogar die Amnestie, die frühere Regierungen den Folterknechten und Mördern der Militärdiktatur gewährte, soll aufrecht erhalten werden.

Die MPP will den Binnenkonsum ankurbeln und dafür Geld locker machen. Das wird aber zwangsläufig zu einer Inflation führen. Das will die AU verhindern. Große Teile der Völker Uruguays warten darauf, dass die Folterer und Mörder der Militärdiktatur verurteilt werden. Das muss die MPP gegen den Präsidenten durchsetzen, wenn sie glaubwürdig bleiben will, und damit ist der Keim für eine Spaltung gelegt.

Der Gewerkschaftsbund PIT-CNT, der sich als Bestandteil der Bewegung, die zum Wahlsieg führte, betrachtet, legt in seinem Positionspapier den Schwerpunkt auf Menschenrechte. Sie kritisiert die mangelnde Aufarbeitung der lateinamerikanischen Militärdiktaturen durch nationale Regierungen und die US-Regierung. Kritisiert wird auch die Unglaubwürdigkeit internationaler Institutionen. Die Gewerkschaft begrüßt Projekte zur regionalen Integration, kritisiert aber das Programm MERCOSUR für die mangelnde Berücksichtigung von Rechten für die Arbeiterklasse. Die „Entwicklungsprogramme“ ALCA, TLC, Plan Colombia und Plan Puebla Panamá lehnt die PIT CNT ab.

Was nun?

In der Frente Amplio hat sich ein gemäßigt neoliberaler Kurs durchgesetzt, der mit dem ursprünglichen antioligarchischen und antiimperialistischen Gründungsprogramm der Frente nichts mehr zu tun hat. Der Wahlsieg der FA ist erstmal nur ein Wahlsieg und kein Systemwechsel. Die Kräfteverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit werden sich nicht verändern. Ein radikaler demokratischer, antiimperialistischer oder antikapitalistischer Schritt wurde nicht unternommen.

Die FA schürt die Hoffnung der Werktätigen auf einen Wechsel. Das haben die Völker schon einmal teuer bezahlen müssen, wie in Chile 1973.

ECUADOR: „Linker“ Präsident auf der Flucht

Nach militanten Volkskämpfen musste im April 2005 der Präsident Lucio Edwin Gutiérrez Borbúa fliehen. Zum neuen Präsidenten wurde Alfredo Palacio von der christlich-sozialen Partei bestimmt. Palacio war vorher Vizepräsident.

Vor Jahren wurde Gutiérrez, als „revolutionärer“ Präsident gewählt. Er hatte die Unterstützung der breiten Volkmassen, der Gewerkschaften, der Völker Ecuadors und der Bauernbewegungen. Gutiérrez ist somit der erste der sogenannten „linken“ Präsidenten, der wieder gehen musste. Das war schon sehr früh nach den Wahlen absehbar. Er hatte alle seine Wahlversprechen gebrochen, er hat den US$ als offizielle Währung eingeführt, er hat die Privatisierung wichtiger nationaler Güter vorangetrieben. Seine Gegner im Parlament sind eine bunte Mischung. Zum einen die VertreterInnen der indigenen Völker, die „Pachakuki“, die „demokratischen Linken“ und auf der anderen Seite die reaktionäre bürgerliche Opposition, so wie die christlich-soziale Parteio, die nun den neuen Präsidenten stellt.

Ecuador hat 12,2 Millionen EinwohnerInnen, 2/3 aller EinwohnerInnen gelten als arm. 20% der Bevölkerung müssen mit weniger als 1 US$ pro Tag leben.

Mit Gutiérrez musste in Ecuador bereits der dritte Präsident innerhalb von 8 Jahren gehen. Die Herrschenden sind aber immer noch in der Lage zu regieren. Sie bieten einfach einen neuen, ihnen genehmen Präsidenten. Wenn sie das nicht mehr können, präsentieren sie eine „linken“ Präsidenten, der dann die Wut der Massen kanalisiert.

Aussichten: Der Vulkan brodelt

Das Anwachsen der sozialen Bewegungen in Stadt und Land in den lateinamerikanischen Staaten, als Reaktionen auf Industriedemontage, Ausverkauf der Rohstoffe und Verelendung breiter Volksschichten geht einher mit einer langsamen aber doch stetigen Stärkung linker, revolutionärer Bewegungen. Die wachsende Schicht der ökonomisch Ausgegrenzten: GelegenheitsarbeiterInnen, MülleinsammlerInnen, StraßenhändlerInnen, alle, die in prekären Verhältnissen ohne soziale Absicherung arbeiten, zumeist in die Elendssiedlungen am Stadtrand verdrängt, bilden den großen Teil der Volksbewegungen.

Ein weiterer breiter Strom der Aufständischen sind die indigenen Völker Lateinamerikas, die seit mehr als 500 Jahren versklavt, ermordet und an den Rand des Existenzminimums gedrängt wurden. Sie lehnen sich auf und fordern nationale Rechte ein. Der andere Teil der Volksbewegungen sind überwiegend LandarbeiterInnen und kleine Bauern, die gegen den Ausverkauf der nationalen Güter an die imperialistischen Mächte - allen voran - den USA kämpfen. Die Arbeiterklasse ist gespalten, sie nimmt, im Vergleich zu den 70er Jahren kaum an den Kämpfen teil, und wenn doch, so nicht als führende Kraft. Aber sie erholt sich von ihren Niederlagen und setzt in den letzten Jahren in kraftvollen Aktionen wieder Zeichen ihrer Kraft. Es gibt auch noch keine ausreichend starke revolutionäre kommunistische Parteien, die die verschiedenen Bewegungen vereinen könnten. Die brutal ausgebeuteten Völker Lateinamerikas führen überwiegend einen Verteidigungskampf um nationale Souveränität und gegen die imperialistischen Ausbeuterkonzerne.

Die Forderungen der Bewegungen sind in allen lateinamerikanischen Ländern ähnlich:

• Aussetzung der Zahlung der Auslandschulden

• gegen Privatisierung und Ausverkauf von Gesundheit und Bildung

• für Arbeiterrechte und demokratische Rechte

• Reduzierung der Lebensmittel- und Medikamentenpreise

• Lohnerhöhung

• Schluss mit den Stromsperren

• Reduzierung des Benzinpreises

• keine Zustimmung zu ALCA oder FTAA.

Die Bourgeoisie fährt überall eine ähnliche Taktik. Zuerst unterdrückt sie brutal jeden Aufschrei der Unterdrückten, so wie in Kolumbien. Wenn das nicht mehr ausreicht, weil die Kämpfe stärker werden, bietet die Bourgeoisie ein Zuckerbrot, in Form von verfassungsgebender Versammlung oder sie setzt eine „linke“ Regierung ein, die die Wut der Massen kanalisiert, aber nicht mit der herrschenden Ordnung bricht, so wie in Venezuela, in Brasilien, in Argentinien, in Ecuador und zuletzt in Uruguay.

Deutschland und der EU-Imperialismus fassen vor allem Fuß in den Ländern, die sich gegen den US-Imperialismus gestellt haben, so wie in Venezuela. Die EU wird offen als „besserer“ oder „humanerer“ Imperialist angepriesen. Die neuen „linken“ Herrscher drängen darum auf einen Freihandelsvertrag mit der EU und nicht mit den USA.

Die unterdrückten Völker und die werktätigen Massen Lateinamerikas brauchen unsere ganze Solidarität. Wenn wir sie in ihrem Kampf unterstützen wollen, müssen wir den deutschen Imperialismus angreifen. Er macht sich in ganz Lateinamerika breit. Er ist mitverantwortlich, dass Millionen hungern, an heilbaren Krankeiten sterben, sie halten brutale Ausbeuterregime am Leben, nur damit der Profit der Bonzen wächst. Wir leben mitten im Herzen des Imperialismus. Alle hier lebenden Werktätigen müssen sich hier organisieren und gegen den deutschen Imperialismus kämpfen -

Für eine sozialistische Revolution!

Für eine Welt ohne Unterdrückung und Ausbeutung!

Für den Kommunismus!

Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker!

Schlaglichter aus Lateinamerika:

39% aller NicaraguanerInnen haben keinen Zugang zu Trinkwasser, 60% der El SavadorianerInnen sind nicht sozial abgesichert, 27% aller guatemaltekischen Kinder sind unterernährt.

70% der HaitianerInnen sind arbeitslos. Die Zinsen der Auslandsschulden betragen mehr als das Doppelte der staatlichen Ausgaben für die Gesundheitsversorgung. Das jährliche pro Kopf Einkommen beträgt 450 US$, das entspricht viel weniger als 1,5 US$ am Tag. 80% der Bevölkerung lebt in Armut. 50% sind Analphabeten. In Ecuador ist die Armutsrate von 65 auf 80% der arbeitsfähigen Bevölkerung gestiegen.