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Aufbau der Kommunistischen Partei und Sektionen der MigrantenarbeiterInnen

1. Imperialismus und Migration

Im Zeitalter des Imperialismus ist die Ausbeutung der Arbeiterklasse international. Die Herrschaft einer Handvoll Finanzmagnaten und führender imperialistischer Staaten knechtet die abhängigen und unterdrückten Länder. Flucht und Migrationen von Millionen Menschen sind die Folge. Auf der einen Seite steht der Ausbau der Festung Europa, die Schließung der Grenzen und die Verschärfung der Ungleichheit zwischen Deutschen und Menschen nichtdeutscher Herkunft. Auf der anderen Seite wird die Nutzung billiger Arbeitskraft, die gezielte Ausbeutung von werktätigen Menschen aus anderen Ländern, von Menschen, die ohne Papiere hier leben, vorangetrieben. Die seit Jahrzehnten in die BRD immigrierten ArbeiterInnen sind nach wie vor Menschen zweiter Klasse. Die ArbeiterInnenklasse in der BRD umfasst ProletarierInnen verschiedenster nationaler Herkunft. Das Kapital und die herrschende Politik bauen auf die Spaltung zwischen den deutschen ArbeiterInnen und den ArbeiterInnen anderer Nationalitäten. Die Bourgeoisie benutzt die bestochene Arbeiteraristokratie als Hauptstütze, um die ArbeiterInnen zu spalten. Die Einheit der Arbeiterklasse soll verhindert werden. Nationales Misstrauen und Feindschaft werden, nach Bedarf, unterschwellig oder offensiv gefördert.

2. Die Einheit der ArbeiterInnenklasse in der BRD – zwei Wege: ein Ziel

Der Kampf der ArbeiterInnenklasse ist seinem Wesen nach international und seiner Form nach national. Die ArbeiterInnen und Werktätigen aller Nationalitäten, die hier leben, deren Lebensmittelpunkt hier ist, sind Teil der ArbeiterInnenklasse der BRD. Den Kampf für die sozialistische Revolution in Deutschland kann nur die gesamte ArbeiterInnenklasse führen. Die MigrantenarbeiterInnen sind nach wie vor einer besonderen Unterdrückung, einer verstärkten Ausbeutung und dem Rassismus ausgesetzt. Die deutschen ArbeiterInnen können nur wirklich internationalistisch den Kampf für ihre Befreiung führen, wenn sie gegen diese Form der Unterdrückung der schlechter gestellten Teile der ArbeiterInnenklasse ankämpfen. Dazu müssen klassenbewusste ArbeiterInnen vor allem gegen den deutschen Chauvinismus und Rassismus in der Praxis des Klassenkampfes kämpfen. Die klassenbewussten ArbeiterInnen anderer Nationalitäten müssen ihrerseits vor allem gegen die nationale Abschottung, den Nationalismus ihrer Herkunftsstaaten, aktiv vorgehen.

Der Zusammenschluss aller ArbeiterInnen kann nur über diesem Weg erfolgen.

3. Internationalistischer Parteiaufbau

Die Organisierung in der Kommunistischen Partei beruht auf dem Klassenprinzip. Die ArbeiterInnen aller Nationalitäten organisieren sich für die Revolution in dem Land in dem sie leben und kämpfen. Da die Migration der jugoslawischen, italienischen, türkischen (und anderer Nationalitäten) ArbeiterInnen in den 50er und 60er Jahren in die BRD zunächst nur vorübergehenden Charakter hatte, organisierten sie sich in Auslandsorganisationen der Kommunistischen Parteien ihrer Herkunftsländer. Selbstverständlich ist das auch heute für vorübergehend hier lebende Werktätige richtig. Aber die überwiegende Mehrheit der ArbeiterInnen unterschiedlicher Nationalitäten lebt und kämpft hier. Ihr Platz ist in der aufzubauenden Kommunistischen Partei Deutschland.

4. Hebel der kommunistischen Organisierung: Sektionen für MigrantenarbeiterInnen

Die kommunistische Parteiorganisierung in der BRD muss von Anfang an besondere Organisierungsformen für MigrantenarbeiterInnen schaffen. Gegen jegliche “deutsch-chauvinistischen Einverleibungsversuche” erkennt die KP in ihrer praktischen Organisierungsarbeit die besondere Unterdrückung und Rechtlosigkeit der MigrantenarbeiterInnen an. Sektionen für MigrantenarbeiterInnen bieten die Möglichkeiten in der jeweiligen Herkunftssprache eine besondere Agitation und Propaganda und eine spezielle kommunistische Politik für und mit MigrantenarbeiterInnen zu entwickeln. Nur so schafft die Kommunistische Partei die Bedingungen für die völlige Gleichberechtigung der MigrantenarbeiterInnen auch in der eigenen Organisation. Die Sektionen sind auch ein Mittel der Verschmelzung der deutschen und MigrantenarbeiterInnen. Sie machen in der Kommunistischen Partei die Notwendigkeit der besonderen Politik für die MigrantenarbeiterInnen bewusst und sind eine Kampfansage gegen den deutschen Imperialismus und seine Spaltungspolitik. KommunistInnen, die aus anderen Ländern vorübergehend in Deutschland leben, stehen die Kommunistische Organisation und die Sektionen der MigrantenarbeiterInnen natürlich offen.

5. Historische Beispiele

Es gibt keinen Beschluss in der Geschichte der Arbeiterbewegung, der Kommunistischen Internationale oder einer Kommunistischen Partei, dass unbedingt für Migrantenarbeiter in der Partei der Apparat für eine Sektionsarbeit geschaffen werden muss.

Aber es gibt Beispiele in Frankreich die MOI (Organisation der immigrierten ArbeiterInnen, ca. 1920-1945) geleitet von der KP Frankreich, in Deutschland die polnische Sektion beim ZK der KP Deutschlands (zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts), die Sektion der ausländischen Kriegsgefangenen beim ZK der SDAP Rußland (um 1918). Das waren besondere Organisationen von Migranten-ArbeiterInnen/KommunistInnen. Diese Kommunistischen Parteien wie die KP Deutschland und die KP Frankreich waren Massenparteien.

Die Aufgaben der polnischen Sektion der KPD:

In der Sektion waren Parteigenossen und Symphatisierende erfasst. Die Parteigenossen waren gleichzeitig in Zellen der KPD organisiert. Die Sektion war praktisch ein Parteiinstrument für die Gewinnung und Organisierung der polnischen ArbeiterInnen für die KPD. An erster Stelle stand die Agitation in polnischer Sprache für die Revolution in Deutschland. Gleichzeitig wurde ein intensiver Kampf gegen den polnischen Nationalismus geführt, der versuchte polnische Migranten für seine politischen Interessen auszunutzen. Der Kampf für die Forderungen der polnischen Minderheit gegen den deutschen Staat und Kapital wurde geführt. Eine besondere Unterstützungs- und Solidaritätsarbeit gab es mit dem Kampf der Arbeiterklasse in Polen.

Die MOI in Frankreich:

Der Zusammenschluss der “Immigrierten Arbeiter” war eine eigene Organisation der KommunistInnen aus den verschiedensten Ländern, die in Frankreich lebten. Es war ein organisatorischer Apparat, angesiedelt beim ZK der KP Frankreichs. Die MOI hatte eine zentrale Leitung und war nach Sprachgruppen in viele Unterorganisationen aufgeteilt. Sie umfasste italienische, polnische, russische, jüdische, ungarische, spanische, jugoslawische Gruppen. Zeitungen und Agitations/Propaganda-, Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, Kulturtätigkeit, Jugend- und Frauenarbeit dienten der Gewinnung der immigrierten ArbeiterInnen für die sozialistische Revolution in Frankreich. Im bewaffneten Kampf gegen den deutschen Faschismus und die französischen Kollaborateure nahm die MOI eine herausragende Rolle ein.

6. Unser heutiger Stand

Wir stehen heute am Beginn des Aufbaus der kommunistischen Organisation. Wir stehen vor einem gewaltigen Berg von Aufgaben: Die Schaffung der Theorie der Revolution in Deutschland, die Herausbildung kommunistischer Kader und die Schaffung einer Kampforganisation. Unsere Kräfte sind - gemessen an diesen Aufgaben - noch schwach. Die Schaffung der Theorie ist unser Hauptkettenglied, dabei liegt zur Zeit das Schwergewicht auf der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. In diesem Rahmen müssen wir die Anforderungen an eine Sektionsarbeit stellen. Es geht um eine richtige Gewichtung. In unserer Organisation ist ein hoher Anteil von MigrantenarbeiterInnen organisiert. Wir haben noch große Sprachschwierigkeiten in der Organisation. In der politischen Auseinandersetzung sind wir noch zu wenig in der Lage ausreichend zu übersetzen. Wir machen aber punktuell in anderen Sprachen Agitation und Propaganda und Bündnisarbeit mit Organisationen aus anderen Ländern, bzw. mit Migrantenorganisationen.

7. Unser Ziel ist der Aufbau einer Migrantensektion mit Sprachgruppen

Bislang gibt es bei BI noch keine besondere Sektionsarbeit.

Unser derzeitiges Ziel ist, die anstehenden Arbeiten auszudehnen, zentral anzuleiten und darauf aufbauend die ersten Schritte für organisatorische Strukturen zu schaffen.

Als nächstes Ziel setzen wir uns die Schaffung einer kurdisch-türkischen Sektionsgruppe. Aufgabe für eine kurdisch/türkische Sektionsgruppe:

- Agitation in türkischer, in kurdischer Sprache für die Revolution in Deutschland

- Kampf gegen den türkischen und kurdischen Nationalismus

- Kampf für die Forderungen der Migranten gegen Kapital und Staat

- besondere Verbundenheit und Unterstützungsarbeit mit dem Kampf der Arbeiterklasse in Nordkurdistan/Türkei

- Gewinnung von türkischen/kurdischen MigrantInnen, vor allem im Betrieb für den Aufbau der KP Deutschland

- Bewusst in der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit die Fragen der MigrantenarbeiterInnen als Teil des Klassenkampfes anpacken

Für die Aufgabe der Gewinnung von MigrantInnen aus anderen Herkunftsländern müssen wir Propaganda/Agitation sowie eine Organisierungsarbeit, vor allem im Betrieb, in möglichst vielen Sprachen der ArbeiterInnen anderer Nationalitäten machen. Das ist eine längerfristige Aufgabe.

8. Opportunistische Vorstellungen in der Frage der Organisierung der MigrantenarbeiterInnen bekämpfen

Die sich auf den Marxismus-Leninismus berufenden Organisationen in der BRD, die aber opportunistisch geprägt sind, verfallen in zwei Extreme. Die eine Fraktion verleugnet die Notwendigkeit der gemeinsamen Organisierung von deutschen und ArbeiterInnen aus anderen Herkunftsländern. Im vorgeblichen Kampf gegen den deutschen Chauvinismus, verfallen sie ihm selbst. Sie schließen die ArbeiterInnen aus anderen Ländern einfach aus und legen fest, dass diese “noch lange” Teil der Arbeiterklasse ihrer Heimatländer seien. Die andere Fraktion verleibt tatsächlich die ArbeiterInnen aus anderen Ländern der “deutschen Arbeiterklasse” ein. Für sie gilt, wer hier lebt ist Teil der deutschen Arbeiterklasse und hat keine Sonderinteressen zu haben. Ebenso wenig stellen sie sich die Aufgabe gegen das Gift des deutschen Chauvinismus in den Köpfen der deutschen ArbeiterInnen zu kämpfen. Gegen diese Abweichungen müssen wir herausstellen, dass proletarischer Internationalismus die gemeinsame Organisierung erfordert. Bei gleichzeitiger Schaffung besonderer Organisationsformen wie den Sektionen, die der speziellen Unterdrückung der ArbeiterInnen anderer Nationalitäten Rechnung trägt.