TROTZ ALLEDEM!

Befreiungskampf in Nepal – wohin geht der Weg?

Es gibt in den bürgerlichen Medien nur sehr vereinzelte Berichte über die Volkskämpfe und die politischen Entwicklungen in Nepal. In der internationalen Arbeiterbewegung wird der langjährige Volkskrieg unter Leitung der Kommunistischen Partei Nepals (Maoistisch) als ein Hoffnungszeichen für die Kämpfe aller Unterdrückten gesehen. Durch die Ereignisse der letzten Jahre stellen sich viele Fragen: Was geschieht wirklich in Nepal? Wie sieht die aktuelle Situation in Nepal aus? Vor allem, welche Entwicklung nimmt die Politik der KPN(M)?

Diese Fragen versuchen wir in diesem Artikel zu beantworten. Unsere Einschätzung der Politik der KPN(M) ist noch nicht umfassend und abgeschlossen. Dafür fehlen uns grundlegende Dokumente der KPN(M) wie die „40-Punkte Erklärung“ (1996); das „24-Punkte-Programm“ (2003) und auch die Dokumente der Ersten und Zweiten Nationalen Konferenz etc. Unsere Bewertung basiert auf den Dokumenten, die auf Deutsch veröffentlicht sind: Interviews von Prachanda (Vorsitzender der KPN(M), Artikel von Bhattarai und die Abkommen mit dem 7-Parteien-Bündnis. Zunächst eine kurze Darstellung der Landesstruktur Nepals und ein geschichtlicher Überblick.

STATISTISCHE ANGABEN, LANDESSTRUKTUR

Die zur Verfügung stehenden statistischen Angaben über Nepal sind leider sehr unterschiedlich. Wir stützen uns auf die Daten aus der Internetenzyklopädie „wikipedia“, aus dem „Fischer Weltalmanach“ und des Auswärtigen Amts.

Der bisherige offizielle Name Nepals ist „Königreich Nepal“. Die Hauptstadt ist Katmandu. Die Staatsform ist immer noch die so genannte Parlamentarische Monarchie. Nepal hat eine Einwohnerzahl von ca. 28,3 Millionen EinwohnerInnen (Stand Juli 2006). Bei einer Volkszählung im Jahre 2001 wurden über 100 verschiedene ethnische Gruppen und Kasten sowie mehr als 70 unterschiedliche Sprache und Dialekte gezählt. Der Anteil der Stadtbewohner liegt bei 15%. 85% der Bevölkerung sind immer noch ländlich und bäuerlich geprägt. 75% der nepalesischen Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft, 9,8% in der Industrie und 14% im Dienstleistungssektor. Das Landesbruttosozialprodukt teilt sich in 41% aus der Landwirtschaft, 22% aus der Industrie und 38% aus dem Dienstleistungssektor auf (Fischer Weltalmanach, 2006). 42% der Werktätigen sind erwerbslos. Ca. 40% der nepalesischen Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, mehr als die Hälfte der 28 Millionen Nepalesen sind Analphabeten (Auswärtiges Amt). Mehr als 80% sind Hindus, etwa mehr als 10% Buddhisten, ca. 4% Muslime und ca. 2% Christen. Religion und das ländliche Leben spielen eine wichtige Rolle in Nepal (wikipedia). Ebenso das Kastensystem, obwohl offiziell abgeschafft, existiert es immer noch. Ca. 70% der Bevölkerung werden von dem brahmanisch beherrschten Kastensystem als minderwertig angesehen. Die feudale Unterdrückung zeigt sich in Nepal durch die Monarchie, durch das Kastensystem, durch die nationale Unterdrückung und die Männerherrschaft über Frauen.

KURZER ÜBERBLICK ÜBER DIE GESCHICHTE BIS 1990

Die Geschichte Nepals ist eine Geschichte, die geprägt ist von Machtintrigen und Familienstreitigkeiten der Könige der Shah-Dynastie. Nach einem blutigen Massaker ergreift Jang Bahadur Kunwar (später Rana) 1846 als Ministerpräsident die Macht. Ab diesem Zeitpunkt dauerte die Herrschaft der Familie Rana, eine Art Oligarchie, bis 1951. In diesem Zeitraum waren die Könige eigentlich relativ machtlos in ihren Palästen – obwohl sie formal ihre Macht behielten. Der jeweilige Ministerpräsident war der eigentliche Herrscher. Das Amt des Ministerpräsidenten war erblich. Der Kampf um die Macht ging natürlich weiter. 1950 gelang es König Tribhuvan nach Indien zu fliehen. Mit Hilfe und Einmischung Indiens wurde die uneingeschränkte Herrschaft der Ranas beendet. Die Ranas und der König wurden von Indien gezwungen, eine parlamentarische Monarchie einzuführen. Seit Mitte Februar 1951 wird in Nepal, mal mit konstitutioneller, aber im Verlauf dieser Zeit doch mehr, mit absoluter Monarchie regiert. Die oppositionelle Partei „Nepali Congress“ wurde 1950 in Indien gegründet. Sie ist sozialdemokratisch orientiert und Mitglied der Sozialistischen Internationale. „Nepali Congress“ setzte sich für die Einführung der konstitutionellen Monarchie in Nepal ein.

Die ersten Versuche, ein parlamentarisches System einzuführen, waren vergeblich… Politische Parteien wurden zwar zugelassen und der König ernannte 10 Ministerien, aber die Ranas hielten einen Teil der Macht im Parlament und mischten sich weiter ein. Die „Nepali Congress“ Partei zersplitterte schnell in kleinere Parteien. Schon 1952 rief der König den Notstand aus und erlangte die alleinige Macht.

Nach dem Tod seines Vaters übernahm 1955 Mahendra Bir Bikram Shah Dev die Macht und schaffte das nicht praktizierte parlamentarische System wieder ab.

Unter dem Druck der Völker Nepals verabschiedete der König eine erste parlamentarische „Verfassung“ und gestattete allgemeine Wahlen. Im Februar und März 1959 wurden die ersten „freien“ Wahlen in Nepal durchgeführt. Sieger dieser Wahlen war der „Nepali Congress“. Schon am 15. Dezember 1960 ließ der König alle Regierungsmitglieder verhaften und verfügte ein Verbot aller Parteien. Damit wurden auch sämtliche legalen Demokratiebewegungen beendet. Das parlamentarische System hatte nicht mal ein Jahr existiert.

1962 wurde eine Verfassung verabschiedet. Nepal wurde zum ersten Mal als ein Hindu-Staat bezeichnet. Im so genannten Panchayat-System wählte das Volk nur begrenzt. 112 Abgeordnete konnte es direkt wählen, 28 weitere wurden vom König ernannt. Das Parlament wählte den Ministerpräsidenten. In Wirklichkeit stützte dieses Verfassungs- und Wahlsystem im Zusammenhang mit dem Kastensystem die Alleinherrschaft des Königs. Es herrschte in Nepal bis 1990. Während die absolute Monarchie in Nepal weiter an der Macht war, entwickelte sich auch eine Bewegung die sich „zur Wiederherstellung der Demokratie“ bekannte. Die 1960 verbotenen Parteien, auch die Kommunistische Partei Nepal (KPN) [gegründet 1949] und verschiedene ihrer Abspaltungen kämpften im Untergrund. In den 1970’er und 1980’er Jahren gab es Volksbewegungen und Aufstände. Die Forderungen nach Abschaffung der Monarchie (Bauernaufstand, Studentenaufstand, Bombenattentate – auch Attentatversuche gegen den König) wurden immer stärker.

Aus diesem kurzen Überblick ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Herrschaftsform in Nepal eine feudale ist. Feudalistische Strukturen bestimmen nicht nur das politische, sondern auch das wirtschaftliche und kulturelle Leben.

Im Herrschaftssystem des Imperialismus stand und steht Nepal unter der Knute der imperialen Regionalmacht Indien und seinen Großmachthintermännern, vor allem den USA. Der andere mächtige „Nachbar“, den eine Grenze mit Nepal verbindet ist China. Diese aufstrebende Macht mischt sich verstärkt in die nepalesische Entwicklung ein. Bei den ‚Friedensverhandlungen’ hat auch der EU-Imperialismus eine Stimme. Die BRD verstärkt ihre wirtschaftlichen Investitionen in Nepal. Nepal gehört zu den, von deutschen Staatsinvestitionen besonders bedachten, 70 „Schwerpunktländern“. Finanziert werden Projekte wie Wasserkraftwerke. Politisch Einfluss genommen wird von der BRD über Instrumente wie „dezentrale Selbstverwaltungs“ - Projekte. Nepal ist ein abhängiges Land und der antiimperialistische Kampf ist eine zentrale Aufgabe im Kampf um Befreiung.

WICHTIGE EREIGNISSE ZWISCHEN 1990 – 2005

Am 18. Februar 1990 begann ein von „Nepali Congress“, und Parteien, die sich von der Kommunistischen Partei Nepals abgespaltet hatten, organisierter landesweiter Volksaufstand. Der Aufstand dauerte bis zum 8. April 1990. Über 20.000 Menschen wurden verhaftet und Hunderte verloren ihr Leben. Der König wurde dadurch und durch den massiven Druck aus mehreren Ländern gezwungen, Parteien wieder zuzulassen und das Panchayat-System durch ein Mehrparteiensystem zu ersetzen. Eine Übergangsregierung wurde gebildet. Gerade aus der Haft entlassene oppositionelle Politiker zogen wieder ins Parlament ein. Die Übergangsregierung beschloss im November 1990 eine neue Verfassung und bereitete die zweiten „freien“ Wahlen vor. Kritikpunkte einiger Parteien an der neuen Verfassung waren die mögliche Notstandsverordnung durch den König, die ihm unter bestimmten Bedingungen die Alleinherrschaft sicherte. Trotzdem wurde mit dieser Verfassung die absolute Monarchie durch die konstitutionelle Monarchie ersetzt.

Am 12. Mai 1991 wurde das erste Mal seit den 1959 abgehaltenen Wahlen wieder gewählt. Aus diesen Wahlen ging „Nepali Congress“ mit 110 von 205 Sitzen als stärkste Partei hervor. Die CPN-UML (Kommunistische Partei Nepal-Vereinte Marxisten Leninisten) wurde mit 69 Sitzen zweitstärkste Partei im Parlament. 1960 zerfiel die Kommunistische Partei Nepals in der Auseinandersetzung über die richtige politische Linie. Zentrale Punkte waren die Haltung zur Spaltung der kommunistischen Weltbewegung durch die modernen Revisionisten der Sowjetunion und die den Marxismus-Leninismus verteidigenden KPChinas und Partei der Arbeit Albanien. Es ging auch um den Weg der Revolution in Nepal. Zahlreiche Parteien und Organisationen entstanden, die sich auf den Marxismus, oder Marxismus-Leninismus beriefen. Heute gibt es 10 Parteien mit diesen Wurzeln (die KPN(M) nicht mitgezählt). Die CPN-UML entstand über verschiedene Zusammenschlüsse und wurde 1991 in ihrer heutigen Zusammensetzung gebildet. Ihre politische Plattform ist das Konzept der „Viel-Parteien Volksdemokratie“, die „eine kreative Anwendung des Marxismus und Leninismus auf die nepalesischen Bedingungen ist. Die Partei ist dem Nationalismus, der Demokratie und der Gerechtigkeit verpflichtet.“ (Selbstdarstellung auf der Webseite der Partei) Das Programm ist eine Mischung aus Sozialdemokratismus, Revisionismus und marxistisch-leninistischer Phraseologie.

Auch die sich später als KPN(M) konstituierte Gruppierung, wurde ins Parlament gewählt mit ihrer Wahlplattform (United People’s Front Nepal / UPFN-Vereinigte Volksfront Nepals). Als drittstärkste Kraft hatte die UPFN 9 Sitze im Parlament. Der „Nepali Congress“ Vorsitzende Girija Prasad Koirala wurde zum Premierminister gewählt.

Im Juli 1994 trat Koirala zurück, und Neuwahlen wurden angesetzt. Ende 1993 zerbrach das Bündnis UPFN und es gab zwei verschiedene Gruppen bzw. Organisationen mit dem gleichen Namen CPN (Unity Centre). Beide Gruppen wollten eine Zulassung zur Wahl. Die von Baburam Bhattarai wurde von der Wahlkommission aber nicht zugelassen. Diese Gruppe ging dann in den Untergrund und schloss sich später mit der Gruppe um Pushpa Kamal Dahal (bekannt als Prachanda) zusammen. Dadurch entstand die KPN(M). Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im November 1994 verlor „Nepali Congress“ 27 Sitze im Vergleich zum Wahlergebnis von 1991 und kam auf 83. Die Mehrheit erreichte die CPN-UML mit 88 Sitzen. Die NDP (National Demokratische Partei) erhielt 20 Sitze und die restlichen 14 bekamen andere Parteien. Von November 1994 bis September 1995 gab es eine Minderheitsregierung, die von der CPN-UML gebildet wurde und deren Premier Man Mohan Adhikari war. Bis 1999 gab es mehrere Regierungen und Premiers.

Für die Geschichte Nepals war die wichtigste Entwicklung, dass die KPN(M) den bewaffneten Kamp begonnen hatte. Bevor die KPN(M) den bewaffneten Kampf begann, wandte sie sich an die Regierung mit der „40-Punkte- Erklärung“ auch „40-Punkte-Forderungskatalog“ genannt. Die in den Medien veröffentlichten Forderungen stimmten überwiegend mit den Richtlinien der Verfassung überein und traten für die Umsetzung der Reformen, die in der Verfassung genannt waren, ein. Einige Forderungen der KPN(M) rührten aber an die Grundlage der Verfassung von 1990. „Schaffung einer neuen Verfassung durch eine vom Volk gewählte verfassungsgebende Versammlung, die Abschaffung der Sonderrechte und Privilegien der Königsfamilie und die Ersetzung der Hindu-Monarchie durch einen säkularen Staat.“ Der damalige Regierungschef Deuba wollte noch nicht einmal über die Forderungen reden. Daraufhin begann die KPN(M) am 13. Februar 1996 den bewaffneten Kampf im „langandauernden Volkskrieg“.

Am 3. und 17. Mai 1999 gab es wieder einmal vorgezogene Wahlen. Sieger war der „Nepali Congress“ mit 111 und zweitstärkste Kraft die CPN-UML mit 71 Sitzen. Die NDP hatte diesmal keine 20, sondern 9 Sitze. König Birendra hatte sich weitgehend an seine konstitutionelle Rolle gehalten. Weil die nepalesische Armee unter seinem Befehl stand und er einen Einsatz der Armee gegen die KPN(M) verweigerte, hatte die KPN(M) bis dahin keinen direkten Kampf gegen die Armee geführt.

Eine Eskalation der Situation erfolgte durch das „königsfamilien interne“ Blutbad am 1. Juni 2001. Der neue König wurde im Juni 2001 Gyanendra, der Bruder des ermordeten Königs. Gyanendra hat in kurzer Zeit gezeigt, dass er absoluter Alleinherrscher sein will.

Es kam mit der KPN(M) zu einem Dialog, aber die Gespräche scheiterten. Schon bald wurde klar, dass der neue König nicht wirklich an einer friedlichen Lösung interessiert war. Der König mobilisierte die Armee gegen die KPN(M), verhängte den Ausnahmezustand und schaffte viele Grundrechte ab. Kurz danach, im Mai 2002, löste der König das Parlament auf. Das war ein Schritt von der parlamentarischen zur absoluten Monarchie. Dieser Schritt wurde dann am 1. Februar 2005 mit dem Staatsstreich vervollständigt. Bis zum 1. Februar 2005 gab es mehrere Regierungen, die vom König eingesetzt wurden. Ab dann war der König der alleinige Herrscher.

Auf der internationalen Ebene spielten auch die Ereignisse vom 11. September 2001 eine wichtige Rolle. Der US-Imperialismus und die westlichen Großmächte hatten im Namen des „Kampfs gegen den Terrorismus“ ihren Großangriff gestartet. Die KPN(M) wurde als „terroristische Organisation“ eingestuft. Auch der Herrscher Nepals wurde verstärkt militärisch und finanziell unterstützt. Die Angriffe der nepalesischen Armee auf die KPN(M) wurden dadurch forciert.

KPN(M) UND VOLKSKRIEG

Wir können nicht zu allen Entwicklungen von 1996 bis 2005, und allen Fragen der Politik der KPN(M) Position beziehen. Wir versuchen, bestimmte für uns wichtige Eckpunkte hervorzuheben. Wesentliche Charakteristik der KPN(M) ist, dass sie sich auf den „Marxismus-Leninismus-Maoismus“ stützt. Für die Maoisten hat Mao den Marxismus-Leninismus qualitativ weiterentwickelt. Nach ihnen ist der Maoismus die Theorie für eine neue Epoche. Unserer Meinung nach ist die Epoche heute nach wie vor die des Imperialismus und der proletarischen Revolution. Der Marxismus-Leninismus ist die Theorie der Revolution in dieser Epoche. Wir schätzen Mao als einen großen Kommunisten ein, der aber auch wichtige Fehler begangen hat. Mao hat wertvolle Beiträge zum Marxismus-Leninismus geleistet, so Z.B. über den Weg der Revolution in den halbkolonialen und halbfeudalen Ländern. Aber er hat ihn nicht, wie die Klassiker Marx, Engel, Lenin und Stalin qualitativ weiterentwickelt.

Gerade die Organisationen und Gruppen, die sich auf den Maoismus stützen, verteidigen nicht Maos Verdienste, seine richtigen Beiträge zum Marxismus-Leninismus, sondern hauptsächlich Maos Fehler und entwickeln sie weiter. Es wäre noch erträglich, wenn sie Maos Verdienste mit seinen Fehlern zusammen verteidigen würden. So ist es aber nicht! Die KPN(M) ist wie gesagt, auch eine von den Parteien, die sich auf den Maoismus stützen. Die KPN(M) sieht ihre Politik selbst so, dass sie auf dem Weg ist den Maoismus zu bereichern. Sie hat auf der Zweiten Nationalen Konferenz (2001) eine neue Stufe verabschiedet, nämlich den „Prachanda-Pfad“.

Prachanda selbst stellt den „Prachanda-Pfad“ so dar: „Die Partei betrachtet den Prachanda-Pfad als eine Bereicherung des Marxismus-Leninismus-Maoismus. Um eine konkrete Definition zu geben: Die Konferenz hat den Prachanda-Pfad als eine Reihe von Ideen bezeichnet, die mehr als eine allgemeine Parteilinie sind, aber noch nicht das Niveau von ‘Ideen’ erreicht hat. Die Partei hat den Prachanda-Pfad im nepalesischen Kontext als ein neues Kettenglied in der Entwicklung des kreativen Marxismus definiert, der sich sowohl gegen die rechten Revisionisten als auch die sektiererischen Dogmatiker richtet.“ (Rote Fahne, „Auf dem Dach der Welt“, S. 258) Weder der Maoismus noch der Prachanda-Pfad sind eine Bereicherung für den Marxismus-Leninismus. Der Prachanda-Pfad hat höchstens Fehler von Mao weiter in eine falsche Richtung entwickelt. Aber man muss auch klar sagen, dass Mao bestimmt etwas gegen eine „Demokratie des 21. Jahrhundert“ des Prachanda-Pfads einzuwenden gehabt hätte.

Kurz und klar gesagt: Wir schätzen die KPN(M) nicht als eine marxistisch-leninistische Partei ein. Natürlich heißt es nicht, wenn wir eine Partei nicht als marxistisch-leninistisch einschätzen, dass wir die revolutionären Inhalte ihrer Politik nicht unterstützen oder verteidigen. Trotz aller Fehler und der falschen Politik der KPN(M), bewerten wir den bewaffneten Kampf, der von der KPN(M) geführt wurde, als einen revolutionären Kampf.

Die KPN(M) hatte zum Ziel, „die neudemokratische Revolution nach der Zerstörung des Feudalismus und Imperialismus zu vollenden und sofort Richtung Sozialismus weiter zu gehen, und auf dem Weg von Kulturrevolutionen, gestützt auf die Theorie der ununterbrochenen Revolution unter der Diktatur des Proletariats, zum Kommunismus zu marschieren – der goldenen Zukunft der ganzen Menschheit.“ (Proletarische Rundschau, Zeitung der KOMAK ML, Österreich, Nr. 18, S. 28) Richtig wird gesagt: Das Ziel sei der Sozialismus und Kommunismus. Um in Nepal dorthin kommen zu können, ist eine „neudemokratische, antiimperialistische“ Revolution, auch „Volksrevolution“ genannt, notwendig. Die KPN(M) verteidigte die revolutionäre Gewalt zur Eroberung der Staatsmacht, und die Diktatur des Proletariats. Mit dieser Zielsetzung hatte die KPN(M) auch eine Politik vertreten, die sich gegen den Parlamentarismus richtete. Der bewaffnete Kampf wurde als einziger richtiger Kampfweg eingeschlagen, der die „neudemokratische“ Revolution ermöglichen kann.

Damit hat die KPN(M) eine revolutionäre Politik vertreten und hat die Herrschaft der Monarchie und des Imperialismus bewaffnet bekämpft. Diese Haltung lässt uns die KPN(M) als eine revolutionäre Organisation einschätzen. Durch den bewaffneten Kampf hat die KPN(M) in einigen ländlichen Gebieten Nepals eine Gegen/Parallelmacht geschaffen. Dort hat sie begonnen eine alternative neudemokratische Gesellschaft aufzubauen. Auch der bewaffnete Kampf, der ca. 10 Jahre geführt wurde, hat in Nepal eine positive umwälzende Rolle gespielt. Dadurch wurde in der Gesellschaft ein fortschrittlicher Prozess bewirkt, der begann die Ketten des Feudalismus, des Kastensystems und der Männerherrschaft zu sprengen. Die gesellschaftliche Entwicklung wurde vorwärts gebracht.

Für die Frauen in einer feudalen Gesellschaft wie in Nepal, in der bis vor kurzem Frauen noch lebendig begraben oder verbrannt wurden, die Mehrheit der Frauen Analphabetinnen sind, kurz gesagt in der die Frauen völlig rechtlos sind und ihre einzige Chance ist, Untertanen zu sein, um zu überleben, ist es sehr schwer die Ketten zu sprengen und in den Kampf für ihre eigene Befreiung einzutreten. Der bewaffnete Kampf der KPN(M) hat in dieser Hinsicht viel Positives beigetragen. Wenn es auch unter den führenden Kadern der Partei, zum Beispiel im Zentralkomitee sehr wenige Frauen gibt, gibt es doch Tausende Frauen, die sich in der KPN(M) auf regionaler und Bezirksebene organisiert haben. Der größte Anteil Frauen findet sich bei der „Volksbefreiungsarmee“ und in den Massenorganisationen der Frauen. Die Anzahl der weiblichen Mitglieder in den Massenorganisationen wird mit 600.000 angegeben.

Durch das Sprengen der feudalen Ketten im Volkskrieg hat sich auch eine neue Beziehung zwischen Frauen und Männern entwickelt. Eine weitere Errungenschaft des bewaffneten Kampfes war die Verbesserung der Lage der unterdrückten Völker und Nationalitäten, die auch den unteren Kasten zugerechnet wurden, von denen ein Teil als die „Unberührbaren“ ausgegrenzt werden. Die KPN(M) trat für Selbstbestimmungsrecht und Autonomie ein. Diese politische Haltung und die Gleichbehandlung der Menschen im praktischen Kampf hat auch unter den verschiedenen Nationalitäten Sympathien geweckt. In einem Interview im Frühjahr 1999 sagte Prachanda: „Während dieser drei Jahre des Volkskriegs hat es auch andere Arten von Veränderungen gegeben. Völker der unterdrückten Nationalitäten – die mongolischen Völker, die Terrai-Völker und die Völker aus dem fernen Westen des Landes – haben sehr viel Sympathie für den Volkskrieg.“ (Rote Fahne „Auf dem Dach der Welt“, S. 226) Unter diesem Einfluss entstanden Organisationen der verschiedenen Völker, die auch in den bewaffneten Kampf eingetreten sind. Das, was in der nepalesischen Gesellschaft hiermit erreicht wurde, sehen wir als positive und fortschrittliche Seiten des bewaffneten Kampfes der KPN(M).

POLITISCHE ENTWICKLUNG DER KPN(M)

Um die politische Entwicklung der KPN(M) verstehen zu können, versuchen wir darzustellen, wie Schritt für Schritt im Namen von „Flexibilität“ und gegen „den Dogmatismus“ anzutreten, politische Forderungen abgeändert wurden und sich so die Linie nach und nach verändert hat.

Wir erinnern daran was die Strategie der KPN(M) war: durch die „Volksrevolution“ sollte die Staatsmacht erobert, die Monarchie abgeschafft und ein „neudemokratischer Staat“ errichtet werden. Das wurde ganz klar formuliert: „Wir sind uns völlig bewusst, dass dieser Krieg mit dem Ziel, die Fesseln von jahrtausendlanger Sklaverei zu sprengen und einen Neudemokratischen Staat zu gründen, sehr mühevoll sein wird, (…)“ (Rote Fahne „Auf dem Dach der Welt“, S. 211) Wenn eine Partei sich auf den Marxismus-Leninismus-Maoismus stützt, ist das Mindeste, dass klar ist, was „Neudemokratischer Staat“ heißt. Wenn wir Maos Haltung zur „Neuen Demokratie“ als Basis nehmen, dann heißt das: Diktatur des Volkes. Diese wird unter Führung des Proletariats im Bündnis mit den Bauern – natürlich nicht Großgrundbesitzer – errichtet. Mao und andere Marxisten-Leninisten verteidigen also den „Neudemokratischen Staat“ eindeutig nicht als einen bürgerlich demokratischen Staat unter der Herrschaft der Bourgeoisie. Weiter muss hervorgehoben werden, dass die KPN(M) den Parlamentarismus abgelehnt und ihn als eine Politik des Versöhnlertums dargestellt hat. Soweit so gut ... aber nur für kurze Zeit...

Der bewaffnete Kampf lief bis zur Ermordung des Königs Birendras (Juli 2001) hauptsächlich gegen die Polizeikräfte in den ländlichen Gebieten. Bis dahin hatte die Königliche Nepalesische Armee keinen direkten Kampf gegen die KPN(M) Guerillas geführt. Im Frühjahr 2001 fand die Zweite Nationale Konferenz der KPN(M) statt. Diese Konferenz stufte den „Prachanda-Pfad“ „als eine Bereicherung des Marxismus-Leninismus -Maoismus“ ein. „Die zweite Konferenz hat auch die Partei auf eine neue Höhe im Verständnis der Frage der Neuen Demokratie im 21. Jahrhundert gebracht.“ (Proletarische Rundschau, Nr.18, S.30) Mit dieser so genannten „Demokratie des 21. Jahrhundert“ wurde vieles geändert. Aber über dieses Thema muss extra diskutiert werden. Was wir hier nur sagen können ist, dass nachdem der „Prachanda-Pfad“ als „Gedankengebäude“ der Partei erklärt wurde, die KPN(M) immer versöhnlerischer wurde. Wie der „Aufbau“ (www.aufbau.org) schreibt, stand schon seit Mai 1999 in der Presse, dass die KPN(M) bereit war, Verhandlungen mit der Regierung zu führen und es „haben nun gemäß NZZ (Neue Züricher Zeitung) vom 29. Oktober 2000 inoffizielle Gespräche stattgefunden.“ (Nepal-Texte, Infoverteiler, Proletarische Rundschau [ab jetzt nur „Nepal-Texte“], S. 27) Selbstverständlich ist an der Verhandlungsbereitschaft oder an Verhandlungen auch mit dem Feind an sich nichts zu kritisieren. Es kann immer wieder zwischen Gegnern zu Verhandlungen kommen. Entscheidend ist, worüber und mit welcher politischen Haltung verhandelt wird. Was für ein Ziel oder welche Absicht bezweckt ist. Im Jahr 2001 kam es zu ersten offiziellen Verhandlungen. Nachdem der neue König Gyanendra die Armee in den direkten Krieg gegen die KPN(M) einsetzte und ein Fiasko erleben musste, trat der Premierminister Koirala zurück. Der neue Premierminister Deuba verkündete Ende Juli einen Waffenstilstand und schlug baldige Gespräche mit der KPN(M) vor. Die KPN(M) hat diesen Vorschlag angenommen und Anfang September wurde schon verhandelt. Vor den Verhandlungen hatte die KPN(M) drei Hauptforderungen gestellt, die durchgesetzt werden sollten: „Bildung einer Übergangsregierung, Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung und Abschaffung der Monarchie und Errichtung der Republik“. Da die Regierung bei den Verhandlungen nicht auf diese Forderungen eingegangen war, wurden die Gespräche abgebrochen.

Die drei Hauptforderungen, die für die Verhandlungen gestellt wurden, sind keine Forderungen für eine „Neudemokratische Republik“ oder einen „Neudemokratischen Staat“. Die Abschaffung der Monarchie und die Errichtung der Republik zu fordern ist fortschrittlich. Nur, diese Forderung zielt auf eine bürgerliche Republik unter der Herrschaft der Bourgeoisie. Das gilt es klar zu sagen.

In dieser Zeit trat der US-Imperialismus in Folge der 11. September Angriffe seinen so genannten „Anti-Terror-Feldzug“ an. Später unterstützten die USA und Großbritannien die nepalesische Regierung und erklärten die KPN(M) als „terroristische Organisation“. Bis zum Waffenstillstand Anfang 2003 griff der König mit Hilfe der Notstandgesetze und mit Unterstützung der Imperialisten, die Kräfte die KPN(M) massiv an. Diese Angriffe waren aber vergeblich. Als König Gyanendra seine Bereitschaft erklärte, die drei Forderungen der KPN(M) zu diskutieren, kam es zum zweiten Mal zu offiziellen Verhandlungen. „Der Waffenstillstand wurde am 29. Jänner 2003 mit der Regierung abgeschlossen. Es wurde ein Fahrplan für Verhandlungen ausgearbeitet, dem beide Lager zustimmten. Nur: die Regierung hat sich nicht daran gehalten.“ (Info Verteiler Österreich, Nr. 66, S. 41) Die Verhandlungen dauerten – mit drei Verhandlungsrunden – bis zum 27. August 2003. Während der dritten Verhandlungsrunde hat die Armee 19 (nach Angaben verschiedener Zeitungen 21) unbewaffnete Menschen, davon 17 Kader der KPN(M) ermordet. Daraufhin brach die KPN(M) die Gespräche ab. Prachanda führte am 27.08.2003 nochmals das in den Verhandlungen vorgelegte „Drei-Punkte-Programm der KPN(M)“ an: „Gespräche am Runden Tisch, Interimsregierung und konstitutionelle Versammlung“. Um diese Forderungen durchzusetzen, wurde ein dreitägiger „Generalstreik“ ausgerufen, der das Land zum Stillstand brachte.

In dem Programm wurde die Forderung „Abschaffung der Monarchie und Errichtung der Republik“ einfach weggelassen. Stattdessen beschränkte sich die Forderung der KPN(M) auf eine „konstitutionelle Versammlung“. Prachanda erklärte, auch die KPN(M): „…hat ernsthaft und enthusiastisch den Waffenstillstand begrüßt, um durch Verhandlungen eine vorwärtsblickende politische Lösung zu finden.“ (Info Verteiler 66, S. 44)

Das Ziel der Verhandlungen war also für die KPN(M), durch Verhandlungen eine „politische Lösung zu finden“. Was war eigentlich diese „politische Lösung“? Das muss beantwortet werden. Dass die Forderung für eine „konstitutionelle Versammlung“ keine revolutionäre Forderung ist, gibt auch Prachanda selbst zu: „Es ist für alle klar ersichtlich, dass unsere Partei, eine kommunistische Partei, für eine Volksrepublik kämpft. Um aber der wachsenden Gefahr des ausländischen Einflusses auf Nepal und dem Verlust der Souveränität auch durch den alten Staat entgegen zu wirken, und um den Wunsch unseres Volkes zu erfüllen, haben wir auf die Forderung nach einer Volksrepublik bei den Verhandlungen verzichtet und haben die Forderung nach einer konstitutionellen Versammlung gestellt. Das ist eine internationale, universelle Methode, um am Verhandlungstisch Probleme zu lösen. Die Losung einer konstitutionellen Versammlung ist keine kommunistische, revolutionäre Losung.“ (Info Verteiler 66, S. 45) Prachanda sagte in einem Interview (1999) „Mein Hauptpunkt ist, dass ich den Revisionismus hasse. Ich habe einen tiefen Hass auf den Revisionismus. Und ich schließe nie Kompromisse mit dem Revisionismus. Ich habe immer und immer wieder gegen den Revisionismus gekämpft. Und die korrekte Linie der Partei basiert auf dem Prozess der Bekämpfung des Revisionismus. Ich hasse den Revisionismus. Ich habe einen tiefen Hass auf den Revisionismus.“ (Rote Fahne „Auf dem Dach der Welt“, S. 242) Es kann sein, dass Prachanda den Revisionismus hasste und hasst. Aber wir leben mit Tatsachen und Fakten, nicht mit „hart“ geäußerten Worten. Es wäre besser, wenn Prachanda einen Kampf gegen den Revisionismus auf ML-Basis geführt hätte, anstatt den Begriff „Revisionismus“ ständig zu benutzen. An dieser Stelle muss man sagen, dass Prachanda selbst als Vertreter von revisionistischen Forderungen auftritt. Prachanda versicherte auch „wir werden die Türe für Gespräche nicht von unserer Seite schließen.“ (ebenda) Und als Voraussetzung für eine neue Gesprächsrunde wurde verlangt: „…eine vierte Verhandlungsrunde wird es nur geben, wenn eine konstitutionelle Versammlung zusammentritt und der alte Staat dem zustimmt.“ (ebenda) Diese Erklärungen von Prachanda bestimmten die folgende spätere Politik der KPN(M).

Am 25. März 2004 appellierte Kofi Annan im Namen der UNO an die nepalesische Regierung und an die KPN(M), erneut Friedensverhandlungen aufzunehmen. Prachanda begrüßte im Namen der KPN(M) den Vorschlag. In seiner Erklärung sagte er unter anderem: „Die Schaffung von Rahmenbedingungen, die gewährleisten, dass das Volk des 21. Jahrhunderts frei darüber entscheiden kann, welchen Typ von Staat es errichten will, ist die Schlüsselfrage für eine friedliche Lösung des aktuellen nepalesischen Bürgerkriegs.“ (Nepal-Texte, S. 60) Mit dieser Erklärung machte Prachanda noch einmal klar, dass die KPN(M) für eine friedliche Lösung des Bürgerkriegs ist, das heißt ihren „Volkskrieg“ zu beenden. Die Schlüsselfrage wäre es, dass das Volk entscheidet welcher Staatstyp errichtet werden soll. Das heißt konkret, dass auf das Ziel der KPN(M) einen „neudemokratischen Staat“ zu errichten, erstmals verzichtet wurde. Auch in der Verlautbarung des ZK der KPN(M) vom 15. November 2004 wurde eine Vermittlung der UN gefordert. „Aus dieser bitteren Tatsache haben wir den Schluss gezogen, dass die Verhandlungen mit dem alten Staat nur unter Vermittlung der UN oder einer anderen zuverlässigen Internationalen Menschenrechtsorganisation möglich ist.“ und „Das feudale Nepal hat das Land durch Ablehnung unseres Vorschlages auf UN-Vermittlung sowie Zurückweisung der allgemeinen demokratischen Forderung nach einer verfassungsgebenden Versammlung, in ein schwarzes Loch gestoßen.“ (ebenda) Vorsitzender Prachanda und das ZK der KPN(M) erklärten damit noch einmal die UN zu einer „zuverlässigen“ Menschenrechtsorganisation. Mit solch einer Politik stand für die KPN(M) kein wesentliches Hindernis im Wege, um mit dem König zu verhandeln. Der König aber wollte nicht und putschte am 1. Februar 2005.

Die ganze Entwicklung vom Volkskrieg zur Verhandlungsrunde über einen friedlichen Übergang von der Monarchie zur bürgerlichen Demokratie, hat gezeigt, dass die KPN(M) zu folgender Einschätzung gekommen sein muss: Eine Eroberung der Macht durch den langandauernden Volkskrieg ist unter den aktuellen Gegebenheiten als nicht realistisch anzusehen. Die eigene militärische und politische Macht hat nicht ausgereicht, um die Machtfrage für die KPN(M) zu entscheiden. Da es aber ein gewisses Machtvakuum gibt, gilt es dieses auszunutzen. Es werden nun Umwege, die über den parlamentarischen Weg führen, gesucht. Damit ist aber die KPN(M) an dem Punkt angelangt, wo die CPN/UML 1994 war! Es gibt nur den Unterschied, dass die KPN(M) noch über bewaffnete Formationen verfügt. Die Haltung der CPN/UML wurde damals von der KPN(M) als revisionistisch verdammt.

ENTWICKLUNG NACH DEM STAATSSTREICH 2005

Nachdem der König 2002 das Parlament auflöste, formierte sich aus den Parteien, die im Parlament vertreten waren, eine Opposition gegen die absolute Macht des Königs. Sogar die CPN-UML und die KPN(M) näherten sich an und arbeiteten Anfang Januar 2004 zusammen eine „Road-Map“ aus.

Der Putsch am 1. Februar 2005 mit seinen Folgen, wie die Auflösung der vom König selbst ernannten Regierung, Hunderte Verhaftungen von Politikern, Journalisten, Gewerkschaftern, das Verbot aller Parteien, die Abschaffung vieler Grundrechte, die Errichtung des Ausnahmezustands usw. hat die Entwicklung der bürgerlichen Opposition beschleunigt. Bis dahin war diese Opposition mehr im Hintergrund und der überwiegende Teil dieser Opposition vertrat die konstitutionelle Monarchie. Als der König sich nicht mehr an die Regeln der konstitutionellen Monarchie hielt und sich zum alleinigen Machthaber erklärte, trat die Opposition dagegen auf. Auch die Anhänger der Opposition, die eigentlich eine konstitutionelle Monarchie wünschten, waren gezwungen gegen den König zu kämpfen. Schon kurz nach dem Putsch des Königs schlug die KPN(M) ein 7-Parteien-Bündnis, eine Einheitsfront vor, um zusammen gegen den König zu kämpfen. Dieser Vorschlag der KPN(M) wurde zunächst von den anderen abgelehnt. Ein erfolgreicher Kampf gegen den König ohne die KPN(M) war aber für dieses Bündnis nicht in Sicht und eine „friedliche Lösung“ für die KPN(M) ohne dieses Bündnis auch nicht.

Die parlamentarische Opposition wurde durch die Taten des Königs ein wenig radikalisiert – die KPN(M) war schon längst bereit für eine „friedliche Lösung des Bürgerkriegs“ Mitkämpfer zu finden. Das Ergebnis dieser Entwicklung war das 7-Parteien-Bündnis mit der KPN(M). Am 22. November 2005 wurde das sogenannte „12-Punkte-Programm“ verabschiedet, das das Fundament für die späteren Entwicklungen darstellte. Was wollten die Bündnispartner konkret? Punkt zwei des Abkommens gibt uns eine Antwort: „2. Die sieben aufrufenden Parteien verpflichten sich der Tatsache, dass nur durch die absolute Demokratie, Wiederherstellung des Parlaments, Formierung einer All-Parteien-Regierung mit allen Vollmachten, die verfassungsgemäße Wahlen abhält und Dialog und Übereinkommen mit den Maoisten der bestehende Konflikt gelöst werden kann und alle Souveränität und Regierungsgewalt vollständig an die Bevölkerung übergeben werden. Die Kommunistische Partei Nepals (Maoist), CPN(M), ist der Ansicht, dass dieses Ziel durch eine nationale politische Konferenz der aufrufenden demokratischen Kräfte und der von ihnen getroffenen Entscheidung, eine Interimsregierung zu bilden und Wahlen auf Grundlage der Verfassung abzuhalten, erreicht werden kann. (…)“. Um die Wiederherstellung des Parlaments zu erreichen und Wahlen auf Grundlage der Verfassung abhalten zu können, wurde ein Waffenstillstand verlangt. Die KPN(M) erklärte schon vor den Gesprächen über das Bündnis von ihrer Seite aus den Waffenstillstand, der dann verlängert wurde. Falls es zu Wahlen käme, wie würde dann mit den bewaffneten Kräften umgegangen? In Punkt 3 steht die Antwort: „3. (…) Die CPN(M) versichert, gemäß des neuen friedlichen Weges zu agieren. Während der geplanten Wahlen werden die bewaffneten maoistischen Rebellen sowie die königliche Armee unter Aufsicht, Anleitung und Kontrolle der Vereinten Nationen oder eines anderen vertrauenswürdigen und zuverlässigen internationalen Akteurs die Freiheitlichkeit und Unabhängigkeit der Wahlen sichern.“ Das Bündnis erklärt weiter: „9. Die Ankündigung von Kommunalwahlen (Feb. 2006) und die forcierten Parlamentswahlen (2007) dienen nur dazu, die Bevölkerung Nepals sowie die internationale Gemeinschaft über die autoritäre und illegitime Machtergreifung und -ausübung des Königs hinwegzutäuschen und diese weiterhin zu sichern. Wir kündigen an, diese Wahlen aktiv zu boykottieren und durch das Informieren und Aufklären einer breiten Öffentlichkeit zu ihrem Misserfolg und ihrer Entlarvung beizutragen.“ (12-Punkte-Program) Dieser „Aktionsplan“ wurde eingehalten. Die Wahlen, die vom König geplant waren, um sich bei der Weltöffentlichkeit Liebkind zu machen, wurden boykottiert. Die Wahlen waren für den 8. Februar 2006 angesetzt. Die Opposition hatte schon am 1. Februar, wegen des Jahrestags des Königsputschs Proteste organisiert. Trotz massiver Proteste und Boykotte wurden die Wahlen durchgeführt und es nahmen nur 20% der Wahlberechtigten teil. Mit Unterstützung des US-Botschafters in Nepal wurde auch intrigiert, um das Bündnis mit der KPN(M) zu zerstören. Aber die Beteiligten des 7-Parteien-Bündnisses wussten, dass sie ohne das Bündnis mit der KPN(M) den König nicht zwingen konnten das Parlament wieder einzusetzen. Wegen der Angriffe durch die Armee des Königs war die KPN(M) gezwungen, teilweise den bewaffneten Kampf weiter zu führen. Das Bündnis rief die KPN(M) wiederholt auf, die bewaffneten Aktionen zu beenden. Das galt in erster Linie für den Zeitraum (6.-9. April 2006), in dem ein viertägiger „Generalstreik“ geplant war . Die KPN(M) hat nach den Gesprächen mit dem 7-Parteien-Bündnis entsprechend die bewaffneten Aktionen eingestellt. Der „Generalstreik“ war der Anfang vom Ende der absoluten Macht des Königs. Trotz aller Verbote und Angriffe von Seiten der Monarchie wurden der „Generalstreik“ und die Proteste massiv durchgeführt. Angriffe durch Polizei/Armeekräfte und machtvolle Reaktionen gegen diese nahmen ihren Lauf – so dass immer mehr Menschen an den Protesten teilnahmen. Der „Generalstreik“ wurde unter diesen Bedingungen verlängert. Die Initiatoren selbst waren überrascht. Die Menschen riefen immer lauter nach der Abschaffung der Monarchie, und es wurden auch Rufe wie „Tod dem König“ lauter. Trotz der massiven Aggression der Königlichen Armee und Polizei nahmen ca. fünf Millionen Menschen an den Protesten teil. Die Vertreter des 7-Parteien-Bündnis, besonders Koirala vom Nepali Congress, versuchten die Wut der Massen in Schach zu halten statt für die Forderungen der Massen wie „Der König muss weg“ einzutreten. Das gesamte Bündnis inklusive der KPN(M) hatte diese Proteste organisiert, aber sie wurden von den Massen überholt. Letztendlich haben diese Parteien in der Situation die Rolle einer „Bremse“ gespielt und die Proteste in eine „versöhnlerische“ Richtung gelenkt. Objektiv gesehen war es möglich, den König ein für allemal zu entmachten und eine bürgerliche Republik auszurufen. Das wurde aber gar nicht bezweckt, und damit hat dieses Bündnis eigentlich den König gerettet. Trotzdem wurde der König nach dem Besuch des indischen Außenministers gezwungen, in der Nacht vom 24. April eine Erklärung abzugeben, dass er die Forderung, das im Jahr 2002 aufgelöste Parlament wieder einzusetzen, annimmt. Das Parlament trat nach fast vier Jahren am 28. April zusammen und es begann eine neue Entwicklung in Nepal…

WAS IST DER NEUE WEG UND WOHIN GEHT ES?

Wenn wir die Wiederherstellung des Parlaments betrachten, dann kann man ja leicht sagen, dass das ja eigentlich nichts Neues sei. Der König bleibt, das aufgelöste Parlament wird wieder eingesetzt und damit ist die Lage ähnlich wie vor der Auflösung des Parlaments im Jahr 2002. Die Staatsform ist immer noch die konstitutionelle Monarchie, was immerhin besser ist als die absolute Monarchie, wo grundlegende demokratische Rechte nicht existieren. Wir finden es richtig, diese Situation, als einen Fortschritt im Sinne der bürgerlichen Demokratie zu bewerten. Aber wir finden es falsch, das als eine Revolution zu propagieren. Noch falscher wäre es, wenn man das als eine „neudemokratische Revolution“, als eine Stufe um zum Sozialismus überzugehen, einschätzt. Es war zweifellos ein wichtiger Schritt in Richtung bürgerliche Demokratie. Er ist erreicht worden durch den Aufstand der Massen vor allem in der Hauptstadt. Wichtiger ist die Entwicklung die nach der Wiederherstellung des Parlaments in Gang kam. Das Neue ist eine Wendepunkt für eine bürgerliche Republik. Aber ob die Monarchie abgeschafft wird oder bleibt, darum wird noch gestritten. Die Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung am 22. November 2007 werden –falls nicht nochmals verschoben– auch eine Entscheidung bringen. Im Moment läuft der Kampf zwischen den Kräften, die für die Abschaffung der Monarchie eintreten und denen, die für eine parlamentarische Monarchie sind.

Einige Eckpunkte dieser Entwicklung sehen so aus: Der König wurde gezwungen, das Parlament wieder einzusetzen. Aber das war nicht genug, um eine konstitutionelle Monarchie zu sichern und eine neue absolute Monarchie zu verhindern. Dafür musste der König völlig entmachtet werden. Nach langen Verhandlungen wurde am 15. Januar 2007 eine Interimsverfassung angenommen, auch die Exekutivgewalt lag ab da beim Regierungschef – bis zu neuen Wahlen. Es wurde auch festgelegt, dass Nepal nicht mehr eine Hinduistischer Staat, sondern ein säkularer ist. Diese beiden Entscheidungen sind wichtige Schritte hin zu einer bürgerlichen Republik.

Mindestens ebenso wichtig war, dass der bewaffnete Kampf beendet wird. Dafür hat die Regierung unter Koirala intensive Gespräche mit der KPN(M) geführt. Das Fundament für diese Gespräche wurde schon mit dem „12-Punkte-Programm“ im November 2005 geschaffen. Aber das war ja nur ein Anfang. Der bewaffnete Kampf war trotzdem nicht offiziell beendet. Um die KPN(M) in eine parlamentarische Politik einzubinden, wurden drei Themen in erster Linie bearbeitet: Ein Interimsparlament und eine Übergangsregierung unter Teilnahme der KPN(M), Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung und während der Wahlen, um diese überhaupt durchführen zu können: UN-Aufsicht über die Waffen. Als Ergebnis der Gespräche und Verhandlungen stand letztendlich das „Friedensabkommen“, das am 21. November 2006 unterzeichnet wurde. Damit wurde auch der bewaffnete Kampf, der ca. 10 Jahre gedauert hat, offiziell beendet. Prachanda sagte schon Anfang Juli 2006: „Aber wir werden nicht zum Krieg zurückkehren“. Das Friedensabkommen wurde am 21. November 2006 unterzeichnet. Der Inhalt dieses Abkommens sah in groben Zügen so aus: „Die Vereinbarung legt im Detail den Fahrplan für Frieden dar und nennt für jede Phase den Zeitrahmen. Ab 21. November werden die maoistischen Kämpfer und eine gleiche Anzahl von Soldaten in ihre Kasernen oder Unterkünfte ‘verbannt’. Am 26. November wird ein 330 köpfiges Interimsparlament gebildet, in dem die stärkste politische Partei, der Nepali Congress, 75 Sitze, die KP Nepals(Maoisten) 73 und die KPN (Vereinte Marxisten-Leninisten) ebenfalls 73 Sitze erhalten. Dem folgt am 1. Dezember die Installierung einer aus 23 Ministern bestehenden Übergangsregierung. In ihr werden die Maoisten mit fünf oder sechs Ministern vertreten sein.“ (Junge Welt, 9. November 2006) Die Umsetzung dieses Plans ist verschoben bzw. hat sich verspätet. Der Inhalt aber ist so geblieben. Die Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung waren für den 20. Juni 2007 vorgesehen. Am 15. Januar 2007 wurde die Interimsverfassung verabschiedet und ein Interimsparlament wurde eingesetzt. Nach Angaben war die Zahl der KPN(M) „Abgeordneten“ nun 83. Die Interimsregierung (Übergangsregierung) wurde am 1. April 2007 gebildet, die KPN(M) beteiligt sich mit fünf Ministerien. Bevor die Übergangsregierung gebildet wurde, hat die KPN(M) ihre Waffen unter Aufsicht der UN-Mission in Nepal (UNMIN) gestellt. Die „Volksregierungen“ und „Volksgerichte“ der KPN(M) wurden schon davor aufgelöst. Prachanda schlug auch die schrittweise Entwaffnung vor. Als wichtigstes Thema in diesem Rahmen bleibt nur noch die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung übrig. Das Datum für diese Wahl ist der 22. November 2007. Weiter wurde ein Gesetz erlassen (mit Zweidrittelmehrheit des Interimsparlaments) um die Monarchie abzuschaffen, falls der König versuchen würde, die Wahlen zu sabotieren. Es sieht danach aus, dass versucht wird, den König aus dem Spiel zu halten. Aber der Kampf unter den Bündnispartnern geht nach wie vor weiter. Außerdem beschäftigen die Interimsregierung und Herrscher des Landes die Kämpfe der Terrai-Völker, Madhesi oder anderer indigener Völkerschaften um Selbstbestimmung. Auch der Föderalismus, das Selbstbestimmungsrecht, Autonomie oder „gerechte“ Vertretung im Interimsparlament und in der Regierung sind Konfliktthemen…

Wohin kann diese Entwicklung gehen?

Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob die KPN(M) vollständig mit dem revolutionären Kampf abgeschlossen hat. Die Entwicklung wird zeigen, ob die KPN(M) unter der kommenden bürgerlichen Herrschaft sich auf den Weg des bewaffneten Kampfes für den Sozialismus begeben wird. Die andere Alternative ist, dass sie als Regierungspartei sich für den parlamentarischen Weg zum Sozialismus entscheidet. Das wäre aber nichts anderes als die Praxis des revisionistischen friedlichen Überganges zum Sozialismus. Etliche Anzeichen in der aktuellen Politik der KPN(M) weisen in diese letzten Richtung.

SCHLUSSWORT

Wir haben hier versucht, eine Zusammenfassung zu machen, die die wichtigen Eckpunkte anschneidet und in groben Zügen die Entwicklung der politischen Haltung der KPN(M) darstellt. Einen Punkt wollen wir nur kurz noch anführen. Kampfmethoden wie im Namen „des Volkes“ gegen die Bevölkerung oder gegen die Opposition –wie NMP (UC-Mashal)– Gewalt anzuwenden bis hin zu Ermordungen lehnen wir ab. Von der KPN(M) wurden sowohl parteiintern als auch gegen andere fortschrittliche, linke Parteien solche sozialfaschistische Methoden im Kampf angewendet.

Es ist uns bewusst, dass es noch vieles über die Politik der KPN(M) zu diskutieren gibt: z.B. über die Theorie des Prachanda-Pfades, den Personenkult, die Selbstkritik und das Märtyrertum. Auch über die Themen, die wir in unserem Artikel angeschnitten haben ist eine tiefergehende Debatte nötig. Aus den Erfahrungen beim Aufbau eigener Machtgebiete und dem bewaffneten Kampf der KPN(M) gilt es konkret für alle Marxisten-Leninisten zu lernen. Das sind Bespiele des revolutionären Kampfes unter schwersten Bedingungen, die zeigen, dass auch eine kleine Kraft siegreich Politik machen und sich in den Massen verankern kann. Die Imperialisten scheinen groß und mächtig, aber sie sind zu schlagen!