TROTZ ALLEDEM!
SRI LANKA: Peace
process is another face of war!
(Ein anderes Gesicht des Krieges – der Friedensprozess!)
Vorwort
Seit meiner Reise im November 2007 wird der Krieg in Sri Lanka mit aller Härte geführt. Im Tropenparadies Sri Lanka blutet das tamilische Volk aus. Als Neujahrsbotschaft hat die Regierung sogleich auch offiziell der Welt verkündet, dass sie den Waffenstillstandsvertrag mit der LTTE kündigt und setzt eine Frist von drei Jahren für die vollständige Vernichtung der LTTE. Dieser leise Genozid der Tamilen vollzieht sich vor den Augen der internationalen Gemeinschaft, die als „Retter der Menschenrechte und Demokratie“ vor sechs Jahren ins Land kamen. Die SLMM (Sri Lanka Monitoring Mission), das ist die skandinavische Beobachtermission, wurde aus dem Land verjagt, und die norwegische Vermittlung wurde für beendet erklärt. Die Eskalation spitzt sich täglich zu. Das Paradies wandelt sich, wie so oft in der Geschichte, wieder zu einem blutigen Schlachtfeld.
Höchste Alarmstufe in Colombo in diesen Novembertagen. Am 2. November
wurde der zweithöchste LTTE-Führer, Thamilchelvan, bei einem Luftangriff der
Sri Lankanischen Air Force getötet. Es wird mit Vergeltungs- maßnahmen gerechnet.
Zehn Tage zuvor hatte ein Selbstmord- kommando der LTTE (1), die Black-Tiger,
die A-pura Air Base angegriffen und ein Dutzend Kampfflugzeuge und Helikopter
in die Luft gejagt. Es ist Krieg in Sri Lanka. Auf der geschäftigen Galle Road,
die in das Regierungs- und Finanzzentrum der Stadt führt, stehen alle 50 Meter
Kontrollposten der Polizei und Armee. Sandsäcke sind zu mannshohen Mauern
aufgetürmt, dahinter stehen Soldaten schießbereit. Soldaten bewachen wichtige
Objekte, Straßensperren erschweren den auch sonst schon immer chaotischen
Verkehr. In Sichtweite patrouillieren Boote der Navy, die Angriffe der
Sea-Tiger abwehren sollen. Diverse Zivilbeamte, die am Galle Face Boulevard
auf- und abgehen.
Das Parlament hat immer wieder auch mit den Stimmen der singhalesischen
Opposition das Emergency Law – den Notstand – aufrechterhalten.
Ich will ein Foto von der Szenerie machen, mein Begleiter verhindert
das. Das sei jetzt zu gefährlich. Meine Gedanken schweifen zurück in den Sommer
2003 als ich mich in Jaffna, dem früheren kulturellen und politischen Herzland
der Tamilen, aufhielt. Es war die Zeit der Waffenruhe und des
Friedensprozesses. Damals posierten Soldaten bereitwillig für Fotos.
Kontrollposten auf Celluloid festzuhalten war überhaupt kein Problem. Tauwetter
war angesagt, es wurde eine friedliche Lösung des Selbstbestimmungsrechts der
Tamilen verhandelt.
Wir begeben uns in das „Delifrance“, um beim Kaffee über die Situation
in Sri Lanka zu reden. Diese Establishments werden in der Regel von Ausländern,
die hier leben und arbeiten und der reichen einheimischen Schicht frequentiert.
Wir bestellen uns zwei Kaffees und setzen uns an einen der freien
Plätze. Sivaoli schreibt für eine von vier tamilisch-sprachigen Zeitungen, die
in Colombo ihre Redaktion haben. Er ist mit seinen 24 Jahren recht jung,
aber das ist in diesen Zeiten nichts Ungewöhnliches in seiner Branche.
Journalisten sterben jung, vor allem, wenn sie kritisch oder für das
Selbstbestimmungsrecht der Tamilen schreiben. Mit einem Seufzer erzählt er mir,
dass Eltern ihre Töchter keinem tamilischen Journalisten und Abgeordneten zur
Frau geben würden.
Seitdem Präsident Mahinda Rajapaksa im November 2005 an die Macht
gekommen ist, sind elf tamilische und ein singhalesischer Journalist
umgebracht, drei verschleppt worden, vier sitzen im Gefängnis. Fünf Sender und
drei Zeitungen wurden geschlossen. Die Zensur wird ständig weiter verschärft,
sogar Filme wie „Der Davinci Code“, die mit dem hiesigen Konflikt in keiner
Verbindung stehen, werden wegen Blasphemie (Gotteslästerung) verboten. In
Jaffna wurde eine tamilisch-sprachige Zeitung eingestellt, nachdem der
Herausgeber, der Chefredakteur und der Distributor (Verteiler) erschossen
worden sind. Dieser massive Druck soll verhindern, dass über die alarmierenden
Menschenrechtsverletzungen der Armee berichtet wird. Es wird ganz offiziell eine
positive Berichterstattung über die Armee erwartet.
Ich will von Sivaoli wissen, was ihn antreibt in Sri Lanka zu bleiben
und sein Leben zu riskieren. Zunächst einmal habe er sich ein weitmaschiges
Netzwerk an Freunden und Berufskollegen geschaffen, das er nicht aufgeben
wolle, weil er es für seine Arbeit brauche. Darunter seien sowohl Tamilen als
auch viele Singhalesen, Inländer wie Ausländer. Zum anderen habe er sich
überlegt, was er wohl in der Diaspora machen könne. Da fiele ihm zuerst einmal
ein, er müsse irgendwie seinen Lebensunterhalt verdienen, für seine Arbeit
bliebe da wenig Zeit. Nein, Diaspora käme für ihn nicht in Frage. Er wolle in
seinem Land bleiben, bei seinen Leuten. Es sei auch schwer in Colombo zu
arbeiten, aber allemal sicherer als Jaffna, wo seine Familie lebe. Vier mal
haben Militär und Paramilitärs, die tamilisch sprachen, nach ihm geforscht,
auch bei seinen Eltern. Die Paramilitärs hätten seinen Eltern gedroht, ihn
umzubringen, wenn sie ihn in die Hände bekämen. In Jaffna drohe ihm
unmittelbare Lebensgefahr. Die Drohung eines Armeegenerals, dass er der König
von Jaffna sei und es ihm beliebe wann, wo, wie und was er tun würde, sei
bezeichnend für den Kriegszustand in den Tamilengebieten. Allein in Jaffna
lebten 1200 junge Witwen, das seien nur die von Menschenrechtsgruppen oder der
Verwaltung registrierten Zahlen, die Dunkelziffer liege höher.
Zum anderen sei Colombo ein Drehkreuz für Nachrichten, insbesondere vom
Nordosten (die Tamilen leben mehrheitlich in diesen Gebieten) ins Ausland und
wieder zurück. Die Regierung manipuliere die Nachrichten aus diesem Gebiet, es
liege an ihnen diese zu korrigieren. Es gäbe wenig aktive Tamilen in Colombo,
Angst herrsche unter der Tamilischen Community. Hier würde jeder verdächtigt
LTTE Sympathisant zu sein, der sich für das Selbstbestimmungsrecht der Tamilen
einsetze.
Ich will von ihm wissen wie seine Familie von diesem permanenten
Notstand, der seit dem Massaker an den Tamilen 1983 das Land regiere, betroffen
sei.
Siavoli sagt, sie seien eine politisch aktive Familie, seine Mutter habe
bereits 1961 Reizgas kennen gelernt, als sie gegen den dreimonatigen Notstand
in Nordost demonstriert habe. Seine Schwester habe verletzte Kämpfer gepflegt,
sein Onkel sei im Ausland aktiv. Der Onkel, damals ein Beamter, habe sich noch
knapp nach Jaffna retten können als in Colombo 1983 Tausende von Tamilen
massakriert worden seien. Er habe sechs Schulen gewechselt. Als die Lage in
Jaffna bedrohlich wurde, sei er nach Vanni in den LTTE kontrollierten Gebieten
zur Schule gegangen. Von einer normalen Schule könne man nicht reden. Bei
Bombardements aber auch bei Regen sei die Schule geschlossen gewesen. So sei es
normal, dass Tamilen aus den Nordost-Gebieten in der Regel das College 1-2
Jahre später beenden würden, als ihre gleichaltrigen Schulkameraden im Süden.
Siavoli sagt, dass ein Ereignis sich ganz tief in sein Gedächtnis
eingebrannt habe und nicht mehr auszulöschen sei. Dieses Ereignis habe seinen
weiteren Lebensweg bestimmt. Sehr ergriffen erzählt er mir diese Passage seines
Lebens. Während der Flächenbombardements 1995 musste er als Mitglied der St.
Jacobs Ambulance Brigade mit fünf seiner Kameraden Erste Hilfe leisten. Sie
hätten 15 zerfetzte Schüler, deren Körperteile auf dem Schulgelände verteilt
waren, auflesen, in Säcke verpacken und den Eltern übergeben müssen. Mitunter
wären nur einzelne Körperteile, wie Arme, von den Eltern identifiziert worden,
weil die Gesichter nicht mehr wie Gesichter aussahen. 40 verwundete Schüler,
viele schwer verletzt, seien fürs Erste von ihnen ambulant versorgt worden,
soweit sie das konnten.
Sein Leben sei nichts Außergewöhnliches, das sei eine typische Biografie
für einen Tamilen: Hunger gelitten, an Malaria gestorben, Familienmitglieder
verloren und Familien auseinander gerissen. Von den drei bis vier Millionen
Tamilen – die letzte Volkszählung fand 1981 statt – würden eine Millionen auf
der ganzen Welt verteilt und Hunderttausend in Indien leben. So könne man auch
eine ethnische Säuberung durchführen.
Nach dieser Erfahrung, fährt Siavoli fort, wollte er diese Grausamkeit
den Menschen mitteilen. Denn weder die Singhalesen im Süden der Insel, noch die
Menschen im Ausland, würden von der Grausamkeit des Krieges gegen die Tamilen
wissen. Er habe beschlossen hier zu bleiben und zu schreiben, das sei etwas,
was er könne.
Du bist so alt wie der bewaffnete Kampf der LTTE. Was verbindet dich
damit, will ich von Siavoli wissen.
Kein Frieden ohne Gerechtigkeit, ohne Würde und ohne Freiheit, beginnt
er seine Antwort. Wenn er nach seiner Identität gesucht habe, sei er bedroht
worden. Wenn er seine Würde verteidigt habe, sei er geschlagen worden. Sein
Leben habe keinen Sinn ohne Würde und ohne Freiheit. Das sei ein Kampf gegen
Unterdrückung, es sei ein Befreiungskampf, sie seien Befreier.
Ich entgegne ihm, dass ich bei der LTTE ein soziales Befreiungsprogramm
vermissen würde und nach marxistischen-leninistischen Kriterien sei ihr Kampf
sehr nationalistisch. Siavoli beantwortet meine Frage nur kurz und
unbefriedigend. Die Tamilen seien wenig politisiert und es gebe kleinere
Gruppen, die ihrem Kampf abseits stünden und die LTTE kritisieren würden.
Ich will auf die Fehler der LTTE zu sprechen kommen und frage ihn, ob er
mir welche nennen könne. Siavoli hebt hervor, dass die LTTE bisher ihren
Schwerpunkt auf den militärischen Kampf gelegt habe und dadurch der politische
Kampf zu kurz gekommen sei. Die Tamilen, so seine Einschätzung, seien bisher
auf die militärischen Siege der LTTE eingepolt gewesen und würden sie deswegen
unterstützen. Die politische Erziehung würde zu kurz kommen und im Falle eines
Friedens würde es Schwierigkeiten geben, die Menschen umzuorientieren und sie
für die verschiedenen Etappen des politischen Kampfes zu gewinnen.
Auf der anderen Seite müsse man wissen, dass es die LTTE war, die der
Vernichtung und Vertreibung durch den sri lankanischen Staat und der Invasion
Indiens (1989-1992) die Stirn und der Bevölkerung einen gewissen Schutz bot.
Durch ihre konsequente Politik gegenüber den Besatzern habe sie die Unterstützung
der tamilischen Bevölkerung gewonnen. Während Dutzende von anderen
Organisationen auch mit ML-Anspruch entweder sich aufgelöst hätten oder auf die
Seite der Besatzer gegangen seien. Andere seien vernichtet worden oder seien
dem Alleinvertretungsanspruch der LTTE zum Opfer gefallen. Es gebe Kritik an
einigen Punkten der LTTE-Politik, aber im Großen und Ganzen würden die Tamilen
die LTTE als die alleinige Schutzmacht betrachten.
Ich hake noch einmal nach und frage danach, dass auch die LTTE Gewalt
gegen Zivilisten eingesetzt habe. Siavoli bejaht, zu meinem Erstaunen, meine
Feststellung. Ja, es stimme, dass die LTTE bis 2004 Gewalt gegen Muslime und
Singhalesen eingesetzt, sie vertrieben und umgebracht habe. Vieles sei unter
Colonel Karuna passiert. Die LTTE habe jetzt daraus gelernt und versuche eine
Annäherung und Versöhnung. Die Wunden seien aber schwer zu heilen, es würde
nicht so leicht sein. Sie bräuchten eine politische Kultur, die das
aufarbeitet.
Peace process is another face of war
Unsere Unterhaltung wendet sich der jüngsten Geschichte zu. Ich frage
ihn was der Friedensprozess, der Ende 2002 begann und ein Jahr später
abgebrochen worden ist, gebracht hat.
Siavoli betont den Satz: „Peace process is another face of war“ (Der
Friedensprozess ist ein anderes Gesicht des Krieges). Der Friedensprozess habe
große Erwartungen geweckt, Erwartungen, dass das viele Leiden aufhören werde.
Sie hätten große Hoffnungen gehabt. Am Ende „Nice talks, no implementation!“
(Nette Gespräche, keine Verpflichtungen), fährt er fort. Die Hauptschuld des
Scheiterns sehe er bei den internationalen Akteuren, die die Gespräche
begleitet hätten. Die hätten an entscheidenden Stellen immer gesagt: „Das ist
euer Problem, ihr müsst es lösen.“ Ich frage ihn was an dieser Haltung falsch
sei, sie sei doch richtig, das Problem müssen doch die Insulaner selber lösen.
Siavoli erklärt mir, dass der Konflikt in Sri Lanka ein asymmetrischer Konflikt
sei, das bedeute, dass zwei in vielerlei Hinsicht unterschiedliche
Konfliktparteien sich gegenüber stünden. Obwohl sie, die Tamilen, die Opfer
seien, hätten die internationalen Akteure zwischen dem staatlichen und dem
nichtstaatlichen Akteur, sprich LTTE, unterschieden, und die LTTE
benachteiligt. Einerseits hätten sie die Konfliktparteien zu Friedensgesprächen
gedrängt, andererseits hätten sie weiter Waffen an die sri lankanische Armee
verkauft, wie am Beispiel der USA.
Die vormalige sri lankanische Regierung, an der Spitze der Premier Ranil
Wickremasinghe von der UNP, hätte nach kurzer Zeit ihr wahres Gesicht gezeigt.
Sie habe zwar mit der LTTE ein föderales Konzept als Lösungsmodel diskutiert,
aber es scheiterte schon daran, die Interimslösung umzusetzen. Tempel, Schulen
und öffentliche Einrichtungen, die sich in den Hochsicherheitszonen befänden,
sollten laut Waffenstillstandsvertrag öffentlich zugänglich gemacht werden. Das
sei nicht umgesetzt worden. Hochsicherheitszonen seien Siedlungsgebiete der
Tamilen, die kurzerhand von der sri lankanischen Armee zu militärischem
Sperrgebiet erklärt worden seien und die einen Massenexodus der Bevölkerung zur
Folge habe. So sei ein Drittel Jaffnas zur Hochsicherheitszone erklärt worden.
Die Vertriebenen lebten in so genanten Übergangscamps, in denen sie seit über
20 Jahren vegetieren würden. Versorgungsschiffe, die Lebensmittel in die von
der LTTE kontrollierten Gebiete transportieren sollten, seien auf See versenkt
worden. LTTE-Kader konnten sich in von der Armee kontrollierten Gebieten nicht
frei bewegen, sie wurden erschossen oder verschwanden. Die LTTE habe
Vergeltungsmaßnahmen geübt.
Ich will von Siavoli wissen, ob es eine Friedensbewegung im Süden gibt,
die diesen mörderischen Krieg mit beenden könnte. Die wirkliche Opposition
gegen diesen Krieg ist ziemlich klein, antwortet Siavoli mir. Man werde bereits
als Verräter abgestempelt, wenn man die Menschenrechtsverletzungen und die
Vertreibung der Tamilen durch die Armee zur Sprache bringe. Es gebe eine kleine
Hoffnung im Süden, die aus Menschenrechtsaktivisten, Medienleuten,
Intellektuellen, Künstlern und wirklichen Marxisten bestehe. Aber größere
Chancen auf einen Frieden sehe er in der Stärke der LTTE. Diese werde in der
nächsten Zeit eine power balance – Machtbalance – demonstrieren, und so die
Regierung wieder an den Verhandlungstisch zwingen.
Irgendwann, so hofft Siavoli, wird es Frieden auf dieser Insel geben.
Dann werden auch seine Mutter und seine Schwester aufhören, jeden morgen
anzurufen, ob er noch lebe.
Verlauf und Bedeutung des Friedensprozesses für die LTTE
2002 begannen die Friedensgespräche zwischen der Regierung und der LTTE.
Der Waffenstillstandsvertrag beinhaltete eine Normalisierungsklausel für
die von der Armee besetzten tamilischen Gebiete: Die Hochsicherheitszonen
sollten beschränkt werden. Die Armee sollte sich aus Schulen, Tempeln,
Wohngebieten und öffentlichen Plätzen zurückziehen, Paramilitärs sollten
entwaffnet oder in die reguläre Armee eingebunden werden. Die Grenzen beider
Gebiete wurden festgelegt und durften nicht gewaltsam übertreten werden, sprich
kriegerisch erobert werden. Es wurde festgehalten, dass der Nordosten
tamilisches Heimatland ist.
Die LTTE verfolgte folgende Ziele:
Eine international überwachte Waffenruhe; Gemeinsame Organe für humanitäre Hilfe, Rehabilitation, Deeskalation und
Normalität;
Sie stellen sich der Kritik über die Verletzung der Menschenrechte und
der Rekrutierung Minderjähriger durch Schaffung eines Menschrechtsbüros im
Nordosten, der Zustimmung eines Aktionsplans mit UNICEF und des Beginns von
Verhandlungen über eine Menschenrechtscharta mit der Regierung;
Föderalismus als möglich Lösung soll diskutiert werden;
Beginn eines Versöhnungsprozesses mit den Muslims;
Stärkung des politischen Flügels und Gründung von Büros in von der Armee
besetzten Gebieten.
Die Friedensgespräche bedeuteten für die LTTE, dass sie ein
strategisches Gleichgewicht zum sri lankanischen Staat erreicht hatte. Sie
verhandelte auf Augenhöhe und aus einer starken Position, denn sie
kontrollierte ein zusammenhängendes Gebiet und hatte jede Offensive der Armee
in jüngster Zeit zum Stoppen gebracht.
Ihr zentrales Ziel für diese Friedensphase war internationale
Anerkennung. Wie Anton Balasingham, Cheftheoretiker der LTTE, dem Guardian am
19. September 2002 offenbarte: Die LTTE habe eine funktionierende
robuste Verwaltung in ihren Gebieten aufgebaut
und was sie jetzt bräuchten, wäre internationale Anerkennung, so dass
sie mit der Regierung Sri Lankas und der internationalen Gemeinschaft zusammen
arbeiten könnten.
Dazu muss man wissen, dass die LTTE in ihren Gebieten eigene Gerichte,
Polizei, Standesämter, aufgebaut hat und noch andere Verwaltungsaufgaben
durchführt. Dieser Apparat wird aus Steuern und Zöllen, die die LTTE erhebt,
finanziert.
Die LTTE wollte der internationalen Gemeinschaft beweisen, dass sie in
der Lage ist, ein zusammenhängendes Gebiet nach internationalen Kriterien zu
verwalten und als gleichberechtigter Partner zum sri lankanischen Staat
akzeptiert werden muss.
Bis zum Abbruch der Verhandlungen durch die LTTE April 2003 fanden sechs
Gesprächsrunden unter der Vermittlung Norwegens statt. Die LTTE warf der
UNP-Regierung vor, die Vereinbarungen nicht umgesetzt zu haben. Die
Interimsverwaltung, die die UNP vor den Wahlen der LTTE versprochen hatte und
dadurch die Stimmen der Tamilen bekam, wurde jetzt von ihr abgelehnt. Sie
bemühte die Verfassung, um zu erklären, dass ihr die Hände gebunden seien, weil
die Verfassung regionale Machtteilungen verbiete. Aus dem selben Grund sollten
die Hilfsgelder zentral verwaltet werden, was wiederum von der LTTE abgelehnt
wurde. Es wurde keine Normalität in die vom Krieg gebeutelten Gebiete und die
Hochsicherheitszonen gebracht, weil das Militär in den letzteren jede
humanitäre Maßnahme kategorisch ablehnte. Der quasi Ausschluss der LTTE aus der
Vorrunde der Geberkonferenz in Washington (LTTE wurde von den USA auf die
Terrorliste gesetzt) brachte das Fass zum Überlaufen. Daraufhin stoppte die
LTTE ihre Teilnahme an weiteren Verhandlungsrunden mit der Regierung.
Gleichzeitig boykottierte sie die Geberkonferenz in Tokio mit der Begründung,
dass sie von dem Rehabilitations- und Aufbauprogramm des Nordostens ausgegrenzt
werden würde.
Um die Verhandlungen wieder zu beleben und nicht als Blockierer
dazustehen unterbreitete die LTTE Oktober 2003 einen Vorschlag für eine
Übergangs-Selbstverwaltungsbehörde (Interim Self-Governing Autority, genannt
ISGA).
Unterdessen wirkten andere Kräfte dem Friedensprozess entgegen. Im
November 2003 intervenierte Präsidentin Kumaratunga, die bis dahin den
Verhandlungen weitgehend grünes Licht gegeben hatte, und lehnte die
ISGA-Vorschläge der LTTE als sessesionistisch ab und entließ drei Minister der
UNP-Regierung. Dieser Machtkampf in Colombo wurde erst im April 2004 zugunsten
der Parteienallianz UPFA, die die ISGA ablehnte und eine härtere Gangart
gegenüber der LTTE beschwor, entschieden. Die Ranil-Regierung war damit
abgesetzt.
Colonel Karuna rebellierte gegen die LTTE
Während die Verhandlung mit der Regierung zum Stillstand kam, entflammte
für die LTTE eine zweite Kriegsfront, diesmal in den eigenen Reihen. Der
Kommandeur für die Ostgebiete und gleichzeitig Mitglied im ranghöchsten
Militärstab der LTTE, Colonel Karuna, rebellierte gegen die LTTE. Nachdem die
LTTE diese Rebellion innerhalb kurzer Zeit niedergeschlagen hatte, floh Karuna
mit einer Handvoll Unterstützern nach Colombo. Diesen Schutz ließ sich die
Regierung teuer bezahlen. Viele LTTE Unterstützer wurden mit Hilfe von Karuna
ermordet und die LTTE zog sich aus den Ostgebieten zurück.
Das war militärisch und politisch eine Schwächung der LTTE. Sie verlor
die Kontrolle über das von ihnen kontrollierte Batticaloa-Amparai Gebiet. Aus
dem LTTE Umfeld war zu erfahren, dass die Spaltung der Karuna-Gruppe ihren
Anfang in den Friedensverhandlungen hatte. Karuna war Mitglied der
Verhandlungsdelegation der LTTE und an den Gesprächen maßgeblich beteiligt. Die
Gespräche bezüglich der Militärfragen fanden in seinem Gebiet statt. Während
der Treffen führte er bereits Geheimverhandlungen mit den Regierungsvertretern,
er wurde hofiert und mit allerlei Privilegien gelockt.
Die LTTE hatte bis dato ihrem erfolgreichen Kommandanten, der von der
Armee gefürchtet war, freie Hand gelassen und seine Fehler und Schwächen
durchgehen lassen. Als sie ihn schließlich zum Rapport bestellten, erklärte er
seine Trennung. Karuna floh Ende Oktober 2007 vor seinen eigenen Leuten nach
England. Diese trachten nach seinem Leben. Unterdessen verbreiten seine
Paramilitärs unter dem Schutz der Armee Terror gegen die Bevölkerung in den
Ostgebieten.
„Wir werden sie alle kriegen: einen nach dem anderen“
Unterdessen scheint der Frieden unter dem neuen Präsidenten, Mahinda
Rajapaksa, in weite Ferne gerückt zu sein. Der seit November 2005 regierende
Rajapaksa, im Präsidialsystem Sri Lankas mächtiger als der Premier und
gleichzeitig Befehlshaber der Armee, setzt auf Krieg. Seit der de facto
Aufkündigung des Waffenstillstandvertrages und der militärischen Offensive der
Armee Ende 2005 sind 5.000 Menschen umgebracht worden und 1.000 verschwunden.
Wie der Special Project Minister, Mahinda Wijesekera, den Krieg auf den Punkt
gebracht hat: „War and human rights cannot go hand in hand.“ (Krieg und
humanitäre Rechte passen nicht zusammen)
Die regierende singhalesisch-nationalistische Plattform verfolgt ein
einheitliches Staatsgebilde, lehnt eine föderale Lösung und die Vermittlung der
Norweger ab und mit Karunas Hilfe auf den Geschmack der militärischen
Überlegenheit gekommen, wird eine militärische Vernichtung der LTTE angestrebt.
So, wie der Bruder des Präsidenten nach der Ermordung Thamilchelvans in
Siegesrausch kommentierte: „Wir werden sie alle kriegen, einen nach dem
anderen“, ist bezeichnend für die aktuelle Strategie der Regierung.
Die neue Regierung unter dem Präsidenten Mahinda Rajapaksa, die mit 107
Ministern und Stellvertretern, die Ehre hat, ins Guinness Buch der Rekorde
eingetragen zu werden, setzt auf Krieg. Unter der Bevölkerung wird eine massive
chauvinistische Hetze gegen die LTTE betrieben. Der ganze Konflikt wird auf die
Formel: „Kampf gegen Terrorismus“ reduziert. Dabei kommt ihnen die aktuelle
weltpolitische Konjunktur – jagt nach Terroristen – zugute. Die Kriegsausgaben
fressen tiefe Löcher in den Haushalt. Sie sind der größte Einzelposten mit 1,5
Mrd. Dollar, bei einem Gesamthaushalt von 30 Mrd. Dollar. Das ist, wie hiesige
Analysten schreiben, natürlich nur ein für die Öffentlichkeit und der
Opposition frisierter Haushalt. Die Kriegskosten, die der Bevölkerung
aufgebürdet werden, liegen weit höher. Länder wie Japan, USA und Deutschland
finanzieren mit ihren bilateralen Krediten, die ca. 5 Mrd. Dollar im Jahr 2006
betrugen, den Krieg mit. Die Direktinvestitionen in 2006 reichten an die Höhe
der Kredite ran. Gutes Geld, um die sich schnell leerenden Waffenarsenale zu
füllen.
Der Krieg ruiniert das Land und vernichtet menschliche und materielle Ressourcen
Der 24-jährige Krieg hat Sri Lanka um dieselbe Zeit in seiner
Entwicklung zurückgeworfen. Man kann ohne Übertreibung sagen, die Zeit ist für
das Land 1983 stehen geblieben. Schon die Straßen in der Hauptstadt bestätigen
diese Einschätzung.
Die Regierung finanziert den Krieg und die persönliche Bereicherung des
Kabinetts durch Kredite. Im Oktober wurde im Ausland eine Staatsanleihe von 500
Mio. Dollar aufgelegt, die reißenden Absatz fand. Die Anleger werden mit einer
Rendite von 8,5% belohnt. Da bleibt die Moral auf der Strecke. Was interessiert
einen Anleger in Frankfurt, wenn mit seiner Investition hier Menschen
massakriert werden, solange die Rendite stimmt. Zum anderen legt die Regierung
hier im Land ständig neue Staatsanleihen auf. Dieses Geld vermag nicht die
Löcher zu stopfen, so wird ständig die Zentralbank angepumpt. Es gibt aber auch
kritische Stimmen, die vor dieser desaströsen Fiskalpolitik warnen. Die
Inflation, angetrieben von der hohen Staatsverschuldung und den ständig neu
erfundenen wie erhöhten Steuern, erklimmt monatlich neue Rekordmarken. Laut
offiziellen Statistiken hat sie die 20%-Marke bereits überschritten. Die
Inflation trifft vor allem die Armen und einkommensschwachen Haushalte der
Insel hart, weil vor allem die Güter des täglichen Bedarfs eine Verteuerung
erfahren. Die Preise einiger Grundnahrungsmittel zeigen das deutlich. In einem
Jahr sind die Preise sowohl vom weißen als auch roten Reis um 40% gestiegen,
von roten Zwiebeln um 60%, von Kokosnuss um 46% und verschiedenen Fischarten 10
bis 15%. Der Markt für Milchpulver ist regelrecht zusammen gebrochen, weil
niemand mehr 275 Rupees (= 1,72 ¤) für ein 400 Gramm Packet bezahlen kann. Dazu
muss man wissen, dass auf der Insel wegen den tropischen Temperaturen um die 30
Grad, Milchpulver anstelle von Milch konsumiert wird, weil es einfach viel
länger hält und viele Haushalte keinen Kühlschrank haben.
Eine Haushaltsangestellte verdient umgerechnet 30-40 Euro, ein
Taxifahrer ungefähr das Doppelte. Laut UN Angaben leben 22% der Menschen unter
der Armutsgrenze.
Die steigende Armut treibt die Menschen dazu, sich als Arbeitskräfte im
Ausland zu verdingen. Von den 800.000 Arbeitsmigranten verdienen 90% ihr Zubrot
in den reichen Ölstaaten des Golfs. Mit 60% ist die Zahl weiblicher
Arbeitskräfte, die als Putzfrauen, Verkäuferinnen, Hausmädchen, Servicekraft,
um nur einige Tätigkeiten zu nennen, arbeiten, erschreckend hoch. Berichte in
Zeitungen über sexuellen Missbrauch und Selbstmorde unter diesen
Arbeitsmigrantinnen sind keine Seltenheit. 2006 haben Arbeitsmigranten 1 Mrd. $
an ihre Familien überwiesen.
Neben dem Ausland freut sich die Berufsarmee des ungebrochenen Zustroms
junger Frauen und Männer. Die 70.000 Toten des ungerechten Krieges gegen die
Tamilen scheinen Menschen aus armen Verhältnissen nicht davon abzuhalten, sich
als Soldaten zu verpflichten. Ein einfacher Soldat verdient 78 ¤ Grundsold, ein
Spezialkommando schon mal 170 ¤. Kost, Unterkunft, Alkohol und Zigaretten
werden gratis zur Verfügung gestellt. Im Falle des Todes wird den Familien eine
kleine Rente zugesprochen. Neben dem offiziellen Einkommen bereichern sich die
Soldaten in den besetzten Gebieten an Korruption, Erpressung, Schwarzhandel.
Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung, aber nur wenige werden publik.
Die Front für eine gerechte Lösung ist klein und unbedeutend
Der Präsident kann sich einer breiten Unterstützung für seine
Kriegspolitik sicher sein. Eine breite Front aus Nationalisten,
Kriegsgewinnlern, Sozialchauvinisten bis hin zum buddhistischen Klerus,
verteidigt bis aufs Blut die ‘ein Land eine Nation’ Ideologie, die
Unteilbarkeit der Insel. In der Sozialistischen Republik Sri Lanka, der
offizielle Name der Insel, ist der Buddhismus Staatsreligion. Es ist der
buddhistische Klerus, der die ideologische Legitimationsbasis für die religiöse
und ethnische Exklusivität liefert. Sri Lanka sei vom Gott Buddha als
buddhistische Insel geschaffen und als Heiliges Land den Singhalesen übergeben
worden. Insofern würden andere Religionen – die Tamilen sind in der Mehrheit
Hinduisten – nur Gastrecht genießen. Während in Deutschland oder in anderen
westlichen Ländern der Buddhismus zur Ersatzreligion von Intellektuellen,
Künstlern, Schauspielern wird und der Dalai Lama hohes Ansehen genießt, dient
der Buddhismus auf der Insel der ethnischen und religiösen Säuberung. Während
der Buddhismus volle Freiheiten genießt, Tag und Nacht Prozessionen, begleitet
von Gesängen und Trommeln, abfeiern, über Lautsprecher Gebete in den
Nachthimmel posaunen darf, so dass man kein Auge zudrücken kann, wird
Hinduisten und Muslimen verboten, von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens laut zum Gebet
aufzurufen oder ihre Religion zu leben.
Die Arbeiterklasse steht unter dem Einfluss bürgerlicher und
chauvinistischer Parteien. Nach ihren Auftritten bei Arbeitskämpfen und
Gewerkschaftsaktionen zu urteilen, ist die sich marxistisch bezeichnende JVP
relativ einflussreich in der Arbeiterklasse. Ihre Vertreter sprechen bei fast
allen größeren Arbeitskämpfen als Redner und beschwören dabei immer wieder die
Einheit der Insel. In der Nationalen Frage stehen ihre Ansichten dem Marxismus
diametral entgegen. Sie verficht die aggressivste und extrem chauvinistischste
Position gegen das Selbstbestimmungsrecht der Tamilen.
In der Bananenrepublik Sri Lanka, wie der Daily Mirror, eine in Colombo
ansässige Tageszeitung, die Situation im Land treffend karikiert, entwickeln
der Chauvinismus kuriose Blüten. Wie vom Daily Mirror berichtet, wurde die
Schenkung des Elefantenbabys Asokamala an Armenien von Nationalisten zur Frage
des nationalen Schicksals erklärt und vor das Oberste Gericht gebracht. Nun
muss dieser Altherrenclub darüber entscheiden, ob diese Schenkung den
Ausverkauf nationaler Schätze bedeutet. Diese Chauvinisten haben auf der
anderen Seite überhaupt kein Problem damit, wenn die sri lankanische Armee die
anderen Nationalitäten, ihre Städte und Dörfer und ihre kulturellen Schätze
vernichtet. Der Zynismus kennt eben keine Grenzen.
Der Hauptprotagonist des tamilischen Widerstandes, die LTTE ist gewiss
kein Freund des Marxismus-Leninismus und hat sicherlich durch seinen
ethnisch-nationalistischen und autokratischen Politikstil zahlreiche Kritiken
geerntet. Aber dennoch steht die LTTE für das nationale Selbstbestimmungsrecht
der Tamilen und somit auf der Seite anderer unterdrückter Völker dieser Erde.
Der Verlust der sozialistischen Sowjetunion nach Stalins Tod als Stütze und
Hoffnungsträger für unterdrückte Völker und Nationen offenbart sich tagtäglich
aufs Neue. Die Oktoberrevolution 1917 gab den unterdrückten Völkern und
Nationen Mut und Kraft gegen ihre Peiniger zu kämpfen und sich aus eigener
Kraft zu befreien. In diesen Novembertagen, im 90’sten Jahr der
Oktoberrevolution, brauchen unterdrückte Nationen mehr als zuvor Rote Oktober.
Die Oktoberrevolution, die Diktatur des Proletariats und der Sozialismus sind
die einzigen Garanten des Selbstbestimmungsrechts der Völker und Nationen.
Kämpfen wir für neue Rote Oktober!
November 2007
Die internationalen Akteure haben bereits bei der ersten
Sondierungs-Geberkonferenz in Washington 2003 die LTTE bewusst ausgeschlossen.
Da sie auf dem Index stand, konnte sie gar nicht einreisen. Das hat die LTTE
als Affront gegen sich eingeschätzt und ist dann zur eigentlichen
Geberkonferenz in Tokio nicht mehr erschienen.
Aus Gesprächen mit kritischen NGO-Leuten erfahre ich, dass die LTTE
diese Friedensgespräche als einen Fehler bezeichnet. Sie kommen zu dem Schluss,
dass Befreiungsbewegungen in Friedensprozessen geschwächt werden. Da sie nicht
als „Spielverderber“ gebrandmarkt werden wollen, sind sie in einer Hinsicht
Gefangene der Friedensfalle. Just in der Zeit, als die Friedensgespräche auf
Hochtouren liefen, sei die LTTE von vielen westlichen Staaten mit der Aufnahme
in die Terroristen-Liste honoriert worden. Länder wie USA, Großbritannien und
Kanada verfolgten das Ziel der Eindämmung des Terrorismus und setzten andere
unter Druck mitzuziehen. Die USA hatte bereits 2001 die LTTE auf ihren
Terrorindex gesetzt. Für sie war die LTTE illegitim und sollte isoliert werden.
Die EU folgte dieser Maßnahme Ende 2005. Auch Norwegen, das eher für
Konfliktlösung eintrat, legte kein Veto gegen diese Maßnahme ein.
Die Intention war eine enorme Drohkulisse aufzubauen und dadurch die
LTTE zur Aufgabe des bewaffneten Kampfes und zu Zugeständnissen zu bewegen. Sie
erhofften sich durch die in Aussicht gestellten Entwicklungsgelder den Tamil
Tigern die gefährlichen Krallen zu ziehen und sie zu einem akzeptabeln Partner
zu zähmen und sie auf diese Weise zu korrumpieren.
Die Norweger hatten regelmäßig die USA und Indien über den
Verhandlungsstand unterrichtet. Dies zeigt, dass eine Lösung ohne die
Zustimmung beider Länder kaum denkbar ist.
Der sri lankanische Staat sei aus dem Friedensprozess gestärkt
herausgegangen, so die Einschätzung hiesiger Experten. Mit der Friedensmaske im
Gesicht seien Staatsvertreter auf der ganzen Welt hausieren gegangen und hätten
viele wichtige Regierungsgrößen geleimt. Allein über die Tsunami-Hilfe
2004/2005 flossen über zwei Milliarden Dollar Hilfe ins Land, von denen wenige
Dollar bei den Bedürftigen aber viele bei der Armee und den Privatkonten der
Regierenden gelandet sind. Die Entwicklungshilfe wurde erhöht. Wieczoreck-Zeul,
deutsche Entwicklungshilfeministerin, besuchte zurzeit der Tsunami-Katastrophe
Sri Lanka und gab auch grünes Licht. Somit hat der Friedensprozess der
Regierung eine Verschnaufpause zum Polieren seines Images, aber noch wichtiger
zur Konsolidierung seiner finanziellen Mittel geliefert.
Kurzes Profil und Geschichte Sri Lankas:
Sri Lanka wird zusammen mit Indien 1948 vom Britischen Empire in die
Unabhängigkeit entlassen. Vor den Briten waren Portugiesen und Holländer die
Kolonialherren auf der Insel.
74% von 20 Millionen Menschen sind Singhalesen, gefolgt von 18% Tamilen,
die sich wiederum aus 12% sri lankanischen und 6% indisch-stämmigen Tamilen
zusammensetzen. Obwohl die 7% Muslims Tamilisch sprechen, verstehen sie sich
politisch nicht als Tamilen, sondern organisieren sich als Muslims. Die 7%
Christen im Land sind in beiden Nationen zu finden. Nach 1948 verdrängt die
singhalesische Mehrheit die anderen Nationen Stück für Stück vom Staatsapparat
und versucht die Dominanz der Singhalesen auf allen Gebieten durchzudrücken. So
wird 1956 Singhalesisch anstelle Englisch zur Staatssprache erklärt, was zu
Massenprotesten der Tamilen führt. Die Antwort des Staates auf den Widerstand
der Tamilen sind Massaker, die 1956, 1958, 1977, 1981 und 1983 zum Tod von
Tausenden führen.
Auf der Halbinsel Jaffna leben 400.000 Menschen, die von 50.000 Soldaten
täglich schikaniert, misshandelt und umgebracht werden.
Laut Schätzungen sind dem Krieg bisher 70.000 Menschen zum Opfer gefallen.