TROTZ ALLEDEM!
Trotzkismus und Leninismus - Ein Einstieg Teil I
Vorbemerkung:
Trotzkismus heute
Die
„linke“ Bewegung weltweit, so auch in der BRD, ist
in viele Gruppen, Parteien
und Organisationen der unterschiedlichsten politischen Orientierung
aufgespalten. Nach wie vor sind die stärksten politischen
Kräfte der moderne
Revisionismus und der Reformismus in der Arbeiterbewegung. Auch wenn
sich viele
kommunistische Parteien der Chrustschowrichtung umbenannt und dem
sozialdemokratischen Reformismus immer mehr angepasst haben: ihre
ideologisch-politischen Wurzeln sind nach wie vor Grundthesen des
20. Parteitages der KPdSU von 1956. Da Konservative, Liberale,
Sozialdemokraten und mittlerweile auch die
„Grünen“ zu einer politischen
Soße
geronnen sind, übernehmen diese modern-revisionistischen
Parteien die Funktion
der Abfederung von Protesten gegen die „Mitte der
Gesellschaft“, d.h. der
bürgerlichen Herrschaft. In manchen Ländern sind sie
selbst an bürgerlichen
Regierungen beteiligt, so seit Jahrzehnten in Indien, in Italien und
auf
kommunaler Ebene die Linke in Deutschland.
Eine
politisch und zahlenmäßig anwachsende Kraft in
etlichen Ländern der Welt, ganz
besonders in Lateinamerika, sind trotzkistische Gruppen und Parteien.
Sie haben
insbesondere starken Zulauf innerhalb der Studenten- und
Schülerbewegungen.
Aber auch innerhalb der ArbeiterInnenbewegung und in den Gewerkschaften
nimmt
ihr Einfluss zu. Größtes Hindernis, damit die
Trotzkisten sich zu einer
geballten politischen Kraft entwickeln, ist ihr ureigenster
Spaltungstrieb. Die
trotzkistische Richtung hält in der Aufsplitterung in Hunderte
verschiedener
Gruppierungen einen einsamen Rekord, zumal sie diese auch zum
programmatischen
Credo erklärt: Ein Widerspruch – eine Spaltung!
Viele
junge RevolutionärInnen sind von den diversen trotzkistischen
Gruppen
angezogen. Der wuchtige Antistalinismus, der die gesamte politische
Debatte und
Geschichtsschreibung in der BRD prägt, ist ein enormer
„Pluspunkt“ des
Trotzkismus. Einerseits propagieren sie offensiv den Sozialismus,
berufen sich
auf die sozialistische Oktoberrevolution in Russland; gleichzeitig
hausieren
sie mit ihren Verleumdungen gegen Stalin und sehen die sozialistische
Sowjetunion als „degenerierten Arbeiterstaat“. Sie
bauen auf dem
vorherrschenden Antistalinismus auf, verpassen ihm ein linkes
Mäntelchen und
ziehen damit ideologisch viele junge RevolutionärInnen an.
Verbal geben sie
sich sehr radikal, fordern Revolution hier und heute, während
sie in der
politischen Praxis mit dem modernen Revisionismus, Reformismus
kräftig
zusammenarbeiten, bzw. in deren Parteien/Organisationen eintreten und
versuchen
sie von ‚innen zu übernehmen’. Die
sogenannte Politik des „ Entrismus“. Aus all
diesen Gründen ist es für uns Marxisten-Leninisten
zentral, sich mit dem
Trotzkismus in Geschichte und Gegenwart auseinander zusetzen. Viele
revolutionäre Jugendliche sind interessiert an einer
Diskussion unserer
Kritiken und Positionen an dieser politischen Richtung.
TROTZKI
(biographische Notizen)
KAMPF
UM DEN WEG DER REVOLUTION
UND DEN AUFBAU DES SOZIALISMUS IN DER KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion):
Leo
Davidovich Bronstein wurde geboren am 7. November 1879 in der
Ukraine
(Janowka). Sein Vater, D. L. Bronstein „war
ein unternehmungslustiger
Arbeiter, anscheinend viel aktiver und viel intelligenter als seine
durchschnittliche Umgebung. Während etwa dreißig
Arbeitsjahren erwarb er
Grundstücke, ließ ein ordentliches Haus bauen,
schaffte es, seinen Kindern eine
höhere Schulbildung zukommen zu lassen…“
(Victor Serge, „Leo Trotzki, Leben und
Tod“, S. 17, im weiteren
„Serge“) Seine Mutter Anna entstammte dem
städtischen Kleinbürgertum. Sie brachte acht Kinder
zur Welt. Vier Kinder
starben in frühen Jahren, die anderen vier, darunter Trotzki,
überlebten. Die
Familie gehörte der jüdischen Religion an.
Die
jüngere Schwester Olga trat später in die SDAPR ein
und heiratete Leo Rosenfeld
(Kamenjev). 1888 ging Trotzki allein nach Odessa zum Besuch der
deutsch-lutherischen Schule. 1897 bestand er das Abitur als bester
seines
Jahrgangs. Mit 17 entwickelt Trotzki sich zunächst zu einem
volkstümlerischen
Oppositionellen.
Damals
gab es zwei Richtungen in der russischen revolutionären
Bewegung: die
Volkstümler (Narodniki) und die Marxisten (Sozialdemokraten).
Die Volkstümler
waren zunächst die vorherrschende Strömung unter der
fortschrittlichen
Arbeiterschaft und der Intelligenz. Für sie war die
Bauernschaft die
revolutionäre Hauptkraft (und nicht die Arbeiter). Nach
schweren Repressionen
des Zarismus setzten die Narodniki vor allem auf einen
„terroristischen Weg“
der Machterkämpfung: individueller Terror und Attentate. Der
Marxismus in
Russland, verfochten von der Gruppe „Befreiung der
Arbeit“ breitete sich in
scharfer ideologischer Auseinandersetzung mit den Volkstümlern
aus. 1898 fand
in Minsk der I. Parteitag der Sozialdemokratischen
Arbeiterpartei
Russlands (SDAPR) statt.
Eine
Kontrahentin Trotzkis in dem Oppositionszirkel war die sieben Jahre
ältere,
Marxistin Alexandra L. Sokolowskaja, die er 1900 in der Verbannung
heiratete.
Er entwickelte sich hin zum Marxismus. Trotzki war 1897
maßgeblich beteiligt an
der Gründung des Südrussischen Arbeiterverbandes.
1898 wurde die ganze Gruppe
das erste Mal verhaftet. Trotzki saß ein Jahr im Knast in
Odessa. 1899 wurde er
in die Verbannung nach Sibirien und 1900 mit Alexandra zur Verbannung
nach
Irkutsk geschickt. Im selben Jahr wurde seine Tochter Sinadya geboren,
1902
dann Nina.
Die
Verbannungsjahre waren für Trotzki Schulungsjahre. In Irkutsk
schrieb er für
die lokale liberale Zeitung Artikel über Literatur und Kunst.
1902 floh er im
Einvernehmen mit seiner Frau, beide Kinder zurücklassend, aus
der Verbannung.
Sein gefälschter Pass lautete auf den Namen Trotzki. Seine
erste Station war
Paris. Die Partei war noch nicht gespalten. Exilgruppen unter
Führung von Lenin
gaben die Zeitung Iskra, Zentralorgan der Partei, heraus. (Lenin,
Martow,
Plehanow). In Paris lernte er Natalja Sedowa (später Trotzki)
kennen und über
sie die anderen sozialdemokratischen Führer. Natalya Sedowa
erzählte:
„1902
wohnte ich in Paris. Ich nahm meine Mahlzeiten in einer Wohnung in der
Rue
Lalande ein, wobei wir, um billiger leben zu können, unsere
Geldmittel
zusammenlegten. Julian Martow kam dorthin. …er war es, der
eines Tages bei
Tisch die Ankunft eines jungen Flüchtlings aus Sibirien
ankündigte… Und Leo
Dawidowitsch kam bereits am Tag seiner Ankunft in Paris in die Rue
Lalande. Er
war dreiundzwanzig Jahre alt; er hatte drei Jahre Verbannung in
Ostsibirien
hinter sich. Seine Vitalität, sein lebhafter Geist, sein
Arbeitseifer ließen in
ihm bereits eine energische und reife Persönlichkeit erkennen.
… Er legte vor
allem Wert darauf, mit der sozialistischen Bewegung der russischen
Emigration
bekannt zu werden.“ (Serge, S. 22)
1902
ging Trotzki nach London zu Lenin. Dort arbeitet er mit ihm als
leitender
Redakteur der „Iskra“.
1903
– II. Parteitag der SDAPR
Auf
dem II. Parteitag der SDAPR 1903, der in Brüssel
begann und dann in London
weitergeführt wurde, kam es zur Spaltung zwischen den zwei
Flügeln der SDAPR,
in die Menschewiki (Minderheit) / Bolschewiki (Mehrheit). Auf der einen
Seite
standen Martow, Axelrod und Vera Sassulitsch, auf der anderen Seite
Lenin.
Inhaltlich ging es um das Statut und um die Frage, wer ist
Parteimitglied. Nach
Lenin ist nur derjenige ein Parteimitglied, der das Programm und das
Statut
anerkennt, Beitrag zahlt und in einer Organisation der Partei aktiv
mitarbeitet. Nach Martow (und alle seine Anhänger in dieser
Frage, auch
Trotzki) ist jeder Mitglied, der sich zur Partei zugehörig
fühlt. Die Frage war
also, soll die kommunistische Partei eine Vorhutorganisation, eine
Organisation
der Revolutionäre sein, oder eine bloße
Massenorganisation, wo jeder Mitglied
ist, der sich ihr zugehörig fühlt. Lenin betonte
immer wieder: Trotzki stand
faktisch in der Organisations-Frage auf der Seite der Menschewiki. In
seiner
Rede auf dem Parteitag geht Lenin speziell auf die Positionen Trotzkis
ein:
„Genosse Trotzki hat den Grundgedanken meines Buches
„Was tun?“ sehr falsch
verstanden, als er sagte, die Partei sei keine
Verschwörerorganisation (diesen
Einwand erhoben auch viele andere gegen mich). ... Er hat vergessen,
dass die
Partei nur der Vortrupp, der Führer der gewaltigen Masse der
Arbeiterklasse
sein soll, die sich ganz (oder fast ganz) „unter der
Kontrolle und Leitung“ der
Parteiorganisationen betätigt, die aber der
„Partei“ nicht ganz angehört und
nicht ganz angehören darf. In der Tat, man sehe sich an, zu
welchen Schlüssen
Gen. Trotzki infolge seines Grundfehlers gelangt. … Er
betrachtet das als
traurig, was jeden einigermaßen erfahrenen
Revolutionär nur freuen könnte.
Würden sich Hunderte und Tausende von Arbeitern, die wegen
Streiks und
Demonstrationen verhaftet werden, als Nichtmitglieder von
Parteiorganisationen
herausstellen, so bewiese das nur, dass unsere Organisationen gut sind
...“.
(Lenin Werke, Bd. 6, S. 501)
Zu
der Auseinandersetzung auf dem Kongress schreibt Serge: „Ohne
näher auf die
Debatte einzugehen, kann man sagen, dass die Menschewiki die
Zusammenarbeit mit
der liberalen Bourgeoisie gegen die alte Regierung anstrebten,
während die
Bolschewiki an einer Auffassung festhielten, die Lenin kurz darauf als
„proletarisches Jakobinertum“
bezeichneten.“ (Serge, S. 24) und zu
Trotzkis Haltung: „Trotzki hielt sich aus beiden Fraktionen
heraus. Da Lenin
begonnen hatte, eine streng zentralistische Organisation aufzubauen,
deren Ziel
die „Hegemonie des Proletariats“ in der
revolutionären Bewegung war, bekämpfte
Trotzki seine Formulierung.“ (Serge, S. 24)
Diese
Darstellung entsprach auch dem Selbstbild Trotzkis, traf aber nicht das
Wesen
der Auseinandersetzung.
Die
Menschewiki boykottierten eine Zeitlang nach dem
II. Parteitag, das vom
II. Parteitag gewählte Zentralkomitee.
Später schloss sich Plechanow den
Menschewiki an und so konnten die Menschewiki die Iskra
übernehmen. Während
dieser Zeit gab sich Trotzki wieder
„überfraktionell“. Inhaltlich war er aber
auf der Seite der Menschewiki. Die Bolschewiki nahmen Kurs auf den
III. Parteitag.
Von
August 1904 an wohnte Trotzki ein halbes Jahr in München. Dort
lernte er den
Sozialdemokraten Parvus persönlich kennen, der
großen Einfluss auf ihn ausübte.
Zusammen mit Parvus nahm Trotzki an der 1905 Revolution in
St.Petersburg teil.
Nach der Biographie von Natalia Trotzki, haben beide gemeinsam die
trotzkistische Theorie der permanenten Revolution entwickelt:
„Mit Trotzki
formulierte er (Parvus A.d.V) die Theorie der „permanenten
Revolution“, die die
Leitlinie der gesamten ersten Phase der künftigen russischen
Revolution werden
sollte. Nach dieser Auffassung sollte sich die bürgerliche
Revolution in
Russland nicht stabilisieren, sondern über sich selbst
hinauswachsen unter dem
unvermeidlichen Druck des Proletariats und des Bauerntum sozialistisch
werden
und das Zeichen für die sozialistische Revolution in Zentral-
und Westeuropa
geben“. (Serge, S. 33/34) (1)
1904
russisch-japanischer Krieg, die Niederlage des Zarismus und die
Revolution 1905
In
dem von beiden Seiten räuberischen Krieg zwischen Russland und
Japan um die
Vorherrschaft im Pazifischen Ozean und die Aufteilung Chinas, standen
die
Menschewiki auf den Positionen der Vaterlandsverteidigung. Nach der
Geschichte
der KPdSU auch Trotzki: „Die Menschewiki, darunter Trotzki,
sanken auf die
Position der Vaterlandsverteidigung hinab, das heißt der
Verteidigung des
„Vaterlandes“ des Zaren, der Gutsbesitzer und der
Kapitalisten.“ (Geschichte
der KPdSU, Bolschewiki, Kurzer Lehrgang S. 70)
Die
verheerende Lage der ArbeiterInnen und Bauern, die Lasten des Krieges,
führten
1905 zur Revolution in Russland.
Die
Bolschewistischen Organisationen kamen im April 1905 in London zum
III. Partei-Kongress zusammen. Vertreten waren 20
bolschewistische
Komitees mit 24 Delegierten.
Parallel
dazu veranstalteten die Menschewiki ihre eigene Konferenz in Genf.
Politisch
ging es um die Frage der ‘Zwei Taktiken’ in der
demokratischen Revolution: Die
Bolschewiki sahen die Arbeiterklasse als Führerin der Bauern
gegen Zarismus und
liberale Bourgeoisie, und sie kämpften für die
Diktatur der Arbeiter und
Bauern. Die Menschewiki vertraten: die Führung der
demokratischen Revolution
muss durch die liberale Bourgeoisie gemacht werden und die Arbeiter und
Bauern
können sie nur unterstützen. In der Folge entstehen
faktisch zwei Parteien.
Trotzki kehrte illegal nach Russland/Petersburg – Natalja
voraus – zurück. Am
1. Mai wurden sie auf Aktionen überfallen. Natalja
kam ins Gefängnis.
Trotzki ging nach Finnland. In Moskau und Petersburg entstanden
Sowjets, von
den Parteien unabhängige Arbeitervereinigungen, die
gesetzgebende und exekutive
Gewalt haben sollten. In Petersburg wird Trotzki zum Vorsitzenden des
Sowjets
gewählt. In der Revolution gibt es eine gewisse
Annäherung in der Praxis an die
Bolschewiki. In der Geschichte der KPdSU wird Trotzki zu den
Menschewiki
gerechnet und die Rolle der Petersburger Sowjet negativ
eingeschätzt: „Der
Sowjet der Arbeiterdeputierten von Petersburg als Sowjet des
größten
industriellen und revolutionären Zentrums Russlands, der
Hauptstadt des
Zarenreiches, hätte in der Revolution von 1905 eine
entscheidende Rolle spielen
müssen. Der Sowjet erfüllte jedoch infolge seiner
schlechten, menschewistischen
Führung seine Aufgaben nicht. Bekanntlich war Lenin damals
noch nicht in
Petersburg, er weilte immer noch im Ausland. Die Menschewiki
nützten die
Abwesenheit Lenins aus, schlichen sich in den Petersburger Sowjet ein
und
rissen dessen Führung an sich. Kein Wunder, dass es unter
solchen Umständen den
Menschewiki Chrustaljow, Trotzki, Parvus und anderen gelang, den
Petersburger
Sowjet gegen die Politik des Aufstands zu kehren. Anstatt die Soldaten
dem Sowjet
näher zu bringen und sie in den gemeinsamen Kampf
einzubeziehen, forderten sie
die Entfernung der Soldaten aus Petersburg. Anstatt die Arbeiter zu
bewaffnen
und sie zum Aufstand vorzubereiten, rührte sich der Sowjet
nicht vom Fleck und
stand der Vorbereitung des Aufstands ablehnend
gegenüber.“ (Geschichte der
KPdSU Bolschewiki, Kurzer Lehrgang, S. 100)
Nach
den Dezember Aufständen wird die Revolution
unterdrückt. Die Sowjets wurden
aufgelöst. Trotzki wurde verhaftet und zu lebenslanger
Verbannung verurteilt.
Im
Gefängnis schreibt er „Russland in der
Revolution“ und „Ergebnisse und
Perspektiven“. Nach 13 Monaten Haft wird er in die
Verbannung geschickt
und floh abermals 1907 mit Parvus. 1906 wird das dritte Kind, ein Junge
geboren, ein Jahr später noch ein Sohn. Die nächsten
Stationen sind Petersburg
– Finnland – Stockholm – das
Habsburgische Wien…
Strategie
der russischen Revolution und der Fraktionskampf
Eine
Hauptthese stellte Trotzki sowohl für Russland (das ein
imperialistisches,
halbfeudales Land war) wie für die Revolutionen in kolonialen
Ländern wie China
auf: „Die Losung Diktatur der Arbeiter und Bauern
… ist falsch … dies ist die
Selbstbegrenzung des Proletariats mit der bürgerlichen
Demokratie“. Seiner
Meinung nach, müsse der Kampf sofort für die Diktatur
des Proletariats geführt
werden. Er schrieb in der von Rosa herausgegebenen polnischen Zeitung
„Sozialdemokratische Rundschau“ 1909:
„… gelangen die Bolschewiki, ausgehend
von der gleichen bloßen Abstraktion,
‘demokratische, nicht sozialistische Diktatur’,
zu der Vorstellung einer bürgerlich-demokratischen
Selbstbeschränkung des
Proletariats mit der Macht in der Hand … drohen die
antirevolutionären Aspekte
des Bolschewismus nur im Fall eines Sieges der Revolution zu einer
großen
Gefahr.“ (Trotzki, Die permanente Revolution, S. 253)
„Die
Bauernschaft ist konservativ, kann nicht ein zuverlässiger
Bündnispartner
sein.“ ... „Ohne die direkte, staatliche
Unterstützung des europäischen
Proletariats kann die russische Arbeiterklasse die Macht nicht halten,
und
seine provisorische Herrschaft nicht in eine sozialistische Diktatur
umwandeln.“ (ebenda) Das vertrat Trotzki in einem Land, in
dem von der
erwerbsfähigen Bevölkerung 80 % Bauern und
10 % ArbeiterInnen sind.
Diese
These war entscheidend auch für das ganze weitere Konzept der
Weltrevolution
von Trotzki: Für alle, also auch für alle kolonialen
und halbfeudalen Länder
stellte er, sehr wortradikal, den Kommunistischen Organisationen die
Aufgabe
für die Etappe der sozialistischen Revolution zu
kämpfen. „Der Versuch der
Komintern, den Ländern des Ostens die Parole von der
demokratischen Diktatur
des Proletariats und der Bauernschaft aufzuzwingen, die schon vor
langer Zeit
von der Geschichte widerlegt wurde, kann nur einen
reaktionären Effekt
erzielen.“ (Trotzki, Die permanente Revolution, S. 48) Damit
legte er die
Führung der demokratischen Revolution, die in diesen
Ländern an der
Tagesordnung war in die Hände der nationalen und
Kompradoren-Bourgeoisien.
Unter dem Deckmantel der Wahrung der reinen Arbeiterinteressen, nutzte
er nicht
das Potential der werktätigen Bauern und ArbeiterInnen in den
kolonialen
Ländern als einer Triebkraft der proletarischen Revolution.
Dieser Theorie
klebte er das Etikett der „permanenten Revolution“
auf. Die Komintern, Lenin
und Stalin wiesen praktisch und theoretisch nach, dass die
demokratischen,
antiimperialistischen Revolutionen in den kolonialen und
abhängigen Ländern
unter der Führung ihrer Bourgeoisie nicht mehr siegreich sein
konnten. Früher
oder später verkauften sich diese Bourgeoisien dem
Imperialismus, weil sie noch
mehr als die imperialistische Versklavung das kämpfende
Proletariat fürchteten.
Der Imperialismus hatte alle grundlegenden Widersprüche
zugespitzt. Und so
stand auch in diesen Ländern die Frage demokratische
Revolution und Fortschritt
zum Sozialismus unter Führung des Proletariats oder
Kooperation und
Auslieferung an die imperialistischen Großmächte
durch die Bourgeoisie. Daher
war die einzige Chance die neudemokratische Revolution unter der
Führung der
kommunistischen Partei im engen Arbeiter- und Bauernbündnis
siegreich
durchzuziehen. Bündnisse mit der nationalen Bourgeoisie, unter
bestimmten
Bedingungen auch mit Teilen der Kompradorenbourgeoisie (z.B. im Falle
eines
nationalen Befreiungskrieges), wurden dabei nicht von vorneherein
ausgeschlossen.
Stalin
charakterisiert zutreffend den Gehalt der Theorie von Trotzki zur
permanenten
Revolution: „Erstens. Trotzkismus ist die Theorie der
„permanenten“
(ununterbrochenen) Revolution. Was ist nun aber die permanente
Revolution nach
der trotzkistischen Auffassung? Es ist eine Revolution ohne
Berücksichtigung
der unbemittelten Bauernschaft als einer revolutionären Kraft.
Die „permanente“
Revolution Trotzkis ist, wie Lenin sagt, ein
„überspringen“ der Bauernbewegung,
ein „Spiel mit der Machtergreifung“. Worin besteht
ihre Gefährlichkeit? Darin,
dass eine solche Revolution, sollte man versuchen, sie
durchzuführen,
unvermeidlich mit einem Zusammenbruch enden würde, denn sie
würde den
Verbündeten des russischen Proletariats, das heißt
die unbemittelte
Bauernschaft, vom russischen Proletariat loslösen. Daraus
erklärt sich auch der
Kampf, den der Leninismus schon seit 1905 gegen den Trotzkismus
führt.
Wie
schätzt Trotzki den Leninismus vom Standpunkt dieses Kampfes
ein? Er betrachtet
ihn als eine Theorie, die „antirevolutionäre
Züge“ aufweist. Worauf beruht
dieses grimmige Urteil über den Leninismus? Darauf, dass der
Leninismus
seinerzeit die Idee der Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft
verfocht
und sie durchsetzte.
Trotzki
beschränkt sich nicht auf dieses grimmige Urteil. Er geht
weiter und behauptet:
„Das gesamte Gebäude des Leninismus ist
gegenwärtig auf Lüge und Fälschung
aufgebaut und trägt den Giftkeim seiner eigenen Zersetzung in
sich“ (siehe den
Brief Trotzkis an TschcheÏdse von 1913). Wie Sie sehen, haben
wir es mit zwei
entgegengesetzten Linien zu tun.“ (Stalin, Werke, Bd. 6, S.
312)
Die
Bolschewiki sahen durch die Zuspitzung der Widersprüche im
Imperialismus die
herausragend neue Bedeutung der kolonialen und halbkolonialen
Bewegungen als
Bündnispartner des Proletariats. Durch die Hegemonie des
Proletariats in der
Diktatur der Arbeiter und Bauern, der neudemokratischen Revolution
eröffneten
die Bolschewiki zunächst theoretisch und dann praktisch dem
Prozess der
Weltrevolution eine neue Perspektive. Sie verwirklichte sich nicht nur
in der
Sowjetunion, sondern auch in den osteuropäischen
Ländern und in China.
Nach
einigen Quereelen hat Trotzki sich später wieder mit den
Bolschewiki
zusammengetan. 1906 fand im April der IV. Kongress in
Stockholm statt. Die
formelle Einheit der Partei wurde wieder hergestellt. Die Menschewiki
waren in
der Mehrheit. Der innerparteiliche Kampf ging weiter. 1907-1912 waren
Jahre der
tiefsten Konterrevolution. Im Mai 1907 wurde der
V. Parteikongress in
London abgehalten. Vertreten waren als Delegierte 105 Bolschewiki und
97
Menschewiki, ansonsten noch Vertreter des Bundes, der polnischen,
lettischen
Sozialdemokratischen Parteien. Trotzki versuchte eine zentristische
Gruppe zu
bilden, es folgte ihm aber niemand. Während seiner Exilzeit in
Wien verfasste
er zunehmend Artikel über Kunst und Literatur. Trotzki
verhielt sich
überfraktionell, er versuchte die Fronten zu
„versöhnen“. 1908 gab er mit Adolf
Joffe die Pravda (nicht zu verwechseln mit der späteren
Parteizeitung) heraus.
Zu dieser Zeit versuchte vor allem Kamenjev ihn von Lenins Positionen
zu
überzeugen. Trotzki polemisiert gegen den angeblichen
„Substitutionalismus“
(das Stellvertretertum) in der Volksbewegung. So wirft Trotzki den
Bolschewiki
vor, wie die Dekabristen Mitte des 19. Jahrhundert,
stellvertretend für
die Mittelschichten, die Narodniki (Volkstümler) im Namen der
Bauern, nun als
marxistische Intellektuelle stellvertretend für die
Arbeiterklasse Politik zu
machen!
Diese
Zeit war eine Zeit des Terrors, der Reaktion. Die Antwort der
Inteligenz und
vieler Revolutionäre und schwankender Elemente waren:
Gottsuche; Idealismus;
Liquidatorentum. Die Liquidatoren teilten sich in Legalisten
(Rechtsopportunisten, die jeglichen illegalen Kampf ablehnten und nur
legal in
der Duma politisch arbeiten wollten) und in Otzowisten
(Linksopportunisten, die
keinerlei legalen Kampf akzeptierten: Otzowisten bedeutet
„Zurückrufer“. Sie
forderten die Dumadeputierten der Partei, die ja legal in der Duma
[Pseudoparlament des Zarismus] kämpften, sollten abberufen
werden. Die
Bolschewiki schlossen sie 1909 aus der Partei aus). Trotzki war zu
dieser Zeit
in Wien, pflegte die Bekanntschaft mit namhaften Vertretern der
internationalen
Sozialdemokraten und versuchte sie in den innerparteilichen
Auseinandersetzungen der SDAPR auf seine Seite zu ziehen.
Ab
1910 wurde wieder verstärkt versucht eine Einigung aller Teile
der Partei zu
erzielen, gegen das Liquidatorentum. Die Bolschewiki stellten als
Voraussetzung
für eine Einheit „die Trennung von den
Liquidatoren“. Zu diesem Zeitraum gab
sich Trotzki wieder als überfraktionell und großer
Versöhner aus. Aber in der
Praxis vereinigte er sich praktisch mit jedem gegen die Bolschewiki.
Diese
Haltung wurde von den Bolschewiki als „Zentrismus“
kritisiert, als in der Mitte
der verschiedenen miteinander ringenden Gruppen stehend, praktisch sich
aber
auf die Seite des Opportunismus schlagend. In seiner Schrift
„Über die Fraktion
der Versöhnler oder der Tugendhaften“ 1911
erläutert Lenin diesen Zentrismus:
„Das Versöhnlertum ist eine Summe von Stimmungen,
Bestrebungen und
Auffassungen, die mit dem eigentlichen Wesen der historischen Aufgabe,
vor die
die SDAPR in der Epoche der Konterrevolution der Jahre 1908 bis 1911
gestellt
ist, unlösbar verknüpft sind. Deshalb
‘verfiel’ in dieser Periode eine ganze
Reihe von Sozialdemokraten, von den verschiedensten Voraussetzungen
ausgehend,
dem Versöhnlertum. Am konsequentesten hat Trotzki das
Versöhnlertum zum
Ausdruck gebracht; er versuchte fast als einziger, dieser Richtung ein
theoretisches Fundament zu geben. Dieses Fundament sieht so aus:
Fraktionen und
Fraktionswesen seien ein Kampf der Intelligenz ‘um den
Einfluss auf das unreife
Proletariat’ gewesen. Das Proletariat erlange immer
höhere Reife, und das
Fraktionswesen gehe von selbst unter. Nicht die Veränderungen
in den
Beziehungen zwischen den Klassen, nicht die Evolution der grundlegenden
Ideen
der zwei Hauptfraktionen liege dem Prozess der Verschmelzung der
Fraktionen
zugrunde, sondern die Sache hänge von der Einhaltung oder
Nichteinhaltung der
Vereinbarungen zwischen allen
‘Intellektuellen’fraktionen ab. Trotzki predigt
denn auch beharrlich – schon seit langem, dabei bald mehr zu
den Bolschewiki,
bald mehr zu den Menschewiki hinneigend – eine solche
Verständigung (oder ein
Kompromiss) zwischen allen und jeglichen Fraktionen.“ (Lenin,
Werke, Bd. 17, S.
246)
Zu
dieser Zeit polemisierte Lenin „Über die
Schamröte des Juduschka Trotzki“
(Notiz Januar 1911, Bd. 17, S. 29) und in dem Brief „An die
Redaktion der
Zeitung ‘Sozialdemokrat’, August 1909 schreibt er:
„Was die ‘Prawda’ betrifft –
haben Sie den Brief Trotzkis an Inok gelesen? Ich hoffe, Sie haben sich
nach
der Lektüre dieses Briefes davon überzeugt, dass
Trotzki sich wie der niederträchtigste
Karrierist und Fraktionsmacher vom Schlage Rjasanows und Co benommen
hat? ...
Schwätzt von der Partei und benimmt sich schlimmer als alle
übrigen
Fraktionsmacher.“ (Lenin, Werke, Bd. 34, S. 392)
1912
versuchten die Bolschewiki auf der Grundlage der leninistischen
Positionen die
Partei wieder auf die Beine zu bringen und auf ein festes Fundament zu
stellen.
Gegen diese Anstrengungen organisierte Trotzki maßgeblich den
August-Block
(Block aller Gegner der Bolschewiki). Gegen diesen Block wurde ein
Parteiblock
gebildet. Im Januar 1912 wurde in Prag eine Parteikonferenz
organisiert, wo
sich die Bolschewiki die Aufgabe stellten, die Parteireihen von den
Opportunisten zu säubern. Es ist die tatsächliche
Gründung der
Bolschewistischen Partei (SDAPR/B). Der August-Block löste
sich als völlig
illusorisches Projekt auf.
1914
rechnete Lenin in dem Artikel „Über die Verletzung
der Einheit, bemäntelt durch
Geschrei über die Einheit“ mit der politischen
windigen Haltung Trotzkis ab.
Trotzki versuchte durch die Herausgabe einer Zeitschrift weiterhin die
Einheit
der sich zusammengeschlossenen Partei zu unterminieren. Lenin
kennzeichnet hier
schon bissig die Methode Trotzkis: „Gerade so spricht
Trotzki, der,
außerstande, seine Gedanken zu durchdenken und seine Phrasen
miteinander in
Einklang zu bringen, bald gegen das Fraktionswesen lamentiert und bald
schreit:
„Die Spaltung macht eine selbstmörderische Eroberung
nach der anderen“ (Nr. 1,
S. 6). Der Sinn dieser Erklärung kann nur der eine sein:
„Die Prawdisten machen
eine Eroberung nach der anderen (das ist eine objektive,
überprüfbare Tatsache,
die durch das Studium der proletarischen Massenbewegung Russlands,
sagen wir in
den Jahren 1912 und 1913, festgestellt werden kann) aber ich, Trotzki,
verurteile die Prawdisten 1.als Spalter und 2. als Selbstmordpolitiker.
Wollen
wir das untersuchen.
Vor
allem danken wir Trotzki: Vor kurzem (von August 1912 bis Februar 1914)
folgte
er Th. Dan, der bekanntlich drohte und aufforderte, das
Antiliquidatorentum zu
‘vernichten’ Jetzt droht Trotzki nicht mit dem
‘Vernichten’ unserer Richtung
(und unserer Partei – seien Sie nicht böse,
Bürger Trotzki, das ist doch die
Wahrheit!), sondern prophezeit nur, dass sie sich selbst vernichten
werde!
Das
ist weit milder, nicht wahr? Das ist fast
‘nichtfraktionell’, nicht wahr?
Aber
Spaß beiseite (obwohl Spaß die einzige Methode ist,
auf die unerträgliche
Phrasendrescherei Trotzkis milde zu reagieren).
Das
mit dem ‘Selbstmord’ ist einfach eine Phrase, eine
hohle Phrase, bloßer
‘Trotzkismus’.“
(„Prawdisten“ – die Bolschewiki, sie
gaben die Zeitung Prawda
heraus) (Lenin, Bd. 20, S. 332/333)
Der
I. Weltkrieg und die russische
Revolution
Bis
1914 war Trotzki Mitglied der menschewistischen SDAPR mit Martow an der
Spitze.
Auch wenn er darin eine eigene Fraktion den Augustblock gebildet hatte.
Während
des ersten imperialistischen Weltkrieges verhielt sich Trotzki
weitgehend
internationalistisch. Er stellte sich gegen die Vaterlandsverteidigung,
im
Gegensatz zu 1905. Das brachte ihn wieder politisch den Bolschewiki
näher. Nach
seiner Ausweisung aus der Schweiz (1915) zog Trotzki nach Spanien. Aber
sein
Zentrismus hielt an. In Zimmerwald, wo es um die Schaffung einer neuen
Internationale gegen die II. Sozialdemokratische ging,
versuchte er den
Bruch mit den Zentristen zu verhindern. Dabei ist er erfolgreich. Lenin
charakterisierte Trotzki in dieser Auseinandersetzung so:
„Und Trotzki? Nachdem
er mit der Partei Martows gebrochen hat, macht er uns weiterhin den
Vorwurf,
Spalter zu sein. Er bewegt sich allmählich nach links und
schlägt sogar vor,
mit den Führern der russischen Sozialchauvinisten (das sind
die
Vaterlandsverteidiger A.d.V.) zu brechen, ohne uns aber
endgütig zu sagen, ob
er hinsichtlich der Fraktion TschcheÏdse Einheit oder Spaltung
will. Und das
ist gerade eine der wichtigsten Fragen.
...
In Zimmerwald wollte Trotzki sich nicht der „Zimmerwalder
Linken“ anschließen.
Trotzki vertrat mit der Genossin Roland-Holst das
„Zentrum“.“ (Lenin Werke Bd.
23, S. 208)
1916
zog Trotzki mit seiner Frau Natalja in die USA um. Lenin in einem Brief
an Ines
Armand, 19. Januar 1917: „Es ist auch noch ein Brief
von unserer Freundin
Kollontai eingetroffen, die … aus Amerika nach Norwegen
zurückgekehrt ist. N.
Iw. (Bucharin A.d.V.) und Pawlow ... haben, so schreibt sie, den
„Nowy Mir“
erobert, ... aber … da kam Trotzki an, und dieser Schuft hat
sofort gemeinsame
Sache gemacht mit dem rechten Flügel des „Nowy
Mir“ gegen die linken
Zimmerwalder!! Da haben Sie es!! Das ist Trotzki!! Er bleibt sich immer
gleich:
voller Winkelzüge, ein Gauner, spielt sich als Linker auf und
hilft den
Rechten, solange er nur kann.” (Lenin, Werke, Bd.35, S. 265)
Eine
breite Debatte in der internationalen Bewegung nahm die Frage des
Selbstbestimmungsrechtes der Nationen ein. Lenin kämpft hier
besonders gegen
falsche Auffassungen der Menschewiki, Trotzkis aber auch Rosa
Luxemburgs. In
seiner programmatischen Schrift „Die Ergebnisse der
Diskussion über die
Selbstbestimmung“ polemisiert Lenin gegen die
opportunistische Haltung Trotzkis
in dieser Diskussion: „Die Kautskyaner hingegen erkennen
heuchlerisch das
Selbstbestimmungsrecht an – bei uns in Russland gehen Trotzki
und Martow diesen
Weg. In Worten sind beide für das Selbstbestimmungsrecht,
ebenso wie Kautsky.
Aber wie sieht es in Wirklichkeit aus? Bei Trotzki – man
nehme seinen Artikel
„Nation und Wirtschaft“ im „Nasche
Slowo“ – sehen wir seinen gewohnten
Eklektizismus: einerseits würden die Nationen durch die
Wirtschaft
verschmolzen, andererseits durch die nationale Unterdrückung
zersplittert. Und
die Schlussfolgerung? Die Schlussfolgerung ist, dass die herrschende
Heuchelei
nicht entlarvt wird, dass die Agitation ohne Leben bleibt und das
Wichtigste,
Grundlegende, Wesentliche, der Praxis Nächstliegende gar nicht
berührt – das
Verhältnis zu der Nation, die von ‚meiner’
Nation unterdrückt wird. … Was immer
die subjektiv ‚edlen’ Absichten Trotzkis und
Martows sein mögen, objektiv
unterstützen sie durch ihre ausweichende Haltung den
russischen
Sozialimperialismus“. (Lenin Werke, Bd. 22, S. 367 ff.)
Die
Nachricht über die Februarrevolution erreichte Trotzki in den
USA. Der Zar
wurde abgesetzt und die bürgerlich provisorische Regierung
unter dem Fürsten
Lwow und seinem Kriegsminister Kerenski gebildet. Zugleich entstanden
wieder
die Sowjets/Räte als Machtorgane der Massen. Es kam die Zeit
der
Doppelherrschaft von Regierung und Sowjets. Doppelherrschaft bedeutete,
dass
die Sowjets/Räte neben der provisorischen Regierung
Machtorgane waren, die
‘basis’demokratisch in den Betrieben und
Wohnvierteln regierten und sich auf
die bewaffnete Macht der ArbeiterInnen und Bauern stützten.
Auf
dem Weg nach Russland wurde Trotzki in Halifax (Kanada) festgenommen
und in ein
Internierungslager gebracht. Daraufhin setzte der Petrograder (ehem.
St.
Petersburg) Sowjet die Provisorische Regierung unter Druck, sich
für die
Freilassung Trotzkis einzusetzen. Trotzki kam frei und erreichte im Mai
1917
Petrograd. Dort schloss er sich der zentristischen Partei
„Überregionale
Organisation Vereinigter Sozialdemokraten“ an, welche
angeblich das Ziel hatte,
die Bolschewiki und Menschewiki auszusöhnen. Er fing an im
Sowjet zu arbeiten
und verteidigte die richtige Linie, die Sowjets sollten alle Macht
übernehmen.
Inzwischen hatte die bolschewistische Partei die Aprilthesen Lenins
angenommen
und Kurs auf die sozialistische Revolution genommen.
„Alle
Macht den Räten“ war die Hauptlosung. Die
Bolschewistische Partei hatte an alle
Internationalisten, und an alle, die Zusammenarbeit mit der
Provisorischen
Regierung ablehnenden Revolutionäre, den Aufruf gemacht, sich
der bolschewis
tischen Partei anzuschließen. Die theoretischen Positionen
deckten sich nun mit
den praktischen Fragen der Revolution.
Die
Partei Trotzkis hatte nach internen Debatten beschlossen sich der
Bolschewistischen Partei anzuschließen. Dabei spielten die
Juli-Ereignisse auch
eine wichtige Rolle. Mitte Juli 1917 brach ein nicht genug
vorbereiteter
Aufstand in Petrograd los. Auslöser war die
Weiterführung des Krieges durch die
bürgerliche Regierung und die Niederlage an der Front. Der
Aufstand wurde
blutig unterdrückt. Die Menschewiki gingen
vollständig auf die Seite der
Konterrevolution über. Die Doppelherrschaft hatte de facto
aufgehört zu
existieren. Lenin verfasste seine „April-Thesen“
die den Übergang zur sozialistischen
Revolution vorbereiteten. Die Bolschewistische Partei wurde zum
Hauptangriffsziel der Bourgeoisie mit dem „deutschen Agenten
Lenin“ an der
Spitze. Lenin musste nach Finnland in den Untergrund. Die
Bolschewistische
Partei hielt unter diesen Bedingungen, zwischen dem 26. Juli
–
3. August 1917 illegal in Petrograd ihren
VI. Parteikongress ab. Die
Partei nahm Kurs auf die Aufstandsvorbereitung.
In
den Julitagen hatte die „Zwischengruppe“ (die
Gruppe Trotzkis wurde so genannt)
praktisch dieselbe Haltung angenommen wie die Bolschewiki. Ihr Antrag
zur
Aufnahme in die Bolschewistische Partei wurde vom VI. Kongress
der Partei
angenommen. So wurde Trotzki, der in Haft war, Mitglied der SDAPR. Er
wurde in
Abwesenheit in das ZK gewählt. Ein Beispiel trotzkistischer
Geschichtsklitterung sei hier angeführt. In der Reihe
theorie.org ist in dem
Band „Trotzkismus – Einführung in seine
Grundlagen – Fragen nach seiner
Zukunft“ folgende Version nachzulesen: „In den
Monaten zwischen Februar- und
Oktoberrevolution von 1917 näherte Lenin seine Position
derjenigen Trotzkis
weitgehend an, was auch den Eintritt Trotzkis und seiner
Anhänger in die
bolschewistische Partei ermöglichte“ (S. 53) Das ist
definitiv falsch. Lenin
hat seine Positionen kein Gramm verrückt. Nur die
demokratische Revolution war
durchgeführt, das Proletariat ging zur proletarischen
Revolution über und da
sprang Trotzki sozusagen auf den abgefahrenen Zug auf. Theoretisch
rechtfertigte er seine Position damit, dass jetzt sein Modell der
„reinen“
proletarischen Revolution sich durchgesetzt habe.
Trotzki
verteidigte Lenin von der Tribüne der vereinigten Sowjets der
Arbeiter,
Soldaten und Bauern gegen die Verleumdungen, er sei ein Agent
Deutschlands und
verfasste einen offenen Brief an die provisorische Regierung, in der er
ihn in
Schutz nimmt. „Jeder glaubt, dass er an Lenin
hinterrücks Rufmord begehen kann
(…). Wer Lenin als deutschen Agenten bezeichnet, ist ein
Schuft!“ (Serge,
S. 58) Er wurde deswegen am 24. Juli wieder in Haft
genommen und
Mitte September freigelassen. Am 23. September wurde er zum
Vorsitzenden
des Petrograder Sowjets gewählt. Er organisierte in dieser
Funktion die
„Kampfverbände der Roten Garde.“ In der
Parteileitung lief eine heiße Debatte
darüber, ob die Zeit reif für den bewaffneten
Aufstand war. Sinowjev und
Kamenjev hielten den Aufstand für verfrüht und als
militärisches Abenteurertum.
Lenin trat vehement für den Aufstand ein. Trotzki stimmte auch
für den
Aufstand, mit der Begründung, die Machtübernahme in
Russland, würde die
Initialzündung für die Revolution in Europa sein.
„Unsere
ganze Hoffnung setzen wir darauf, dass unsere Revolution die
europäische
Revolution entfesseln wird. Werden die aufständischen
Völker Europas den
Imperialismus nicht erwürgen, dann werden wir erwürgt
werden. Das ist
unbestreitbar. Entweder wird die russische Revolution einen Sturm des
Kampfes
im Westen hervorrufen, oder die Kapitalisten aller Länder
werden unsere
Revolution erdrosseln.“ (Rede am 26. Oktober 1917,
im Allrussischen
Sowjetkongress, zitiert in Victor Serge, „Leo Trotzki Leben
und Tod“
S. 89/90)
Am
10. Oktober 1917 fasste das ZK der Bolschewistischen Partei
den
Aufstandsbeschluss. Militärrevolutionäre Komitees in
Petrograd, und Moskau
wurden gebildet.
Am
26. Oktober war der organisierte Aufstand in Petrograd und
Moskau
erfolgreich. Der II. Gesamtrussische Kongress der Arbeiter und
Soldaten
Deputierten wählte eine Regierung der Sowjets der
Volkskommissare. Die ersten
Dekrete über Frieden und über den Grund und Boden
wurden verabschiedet. In der
Regierung der Volkskommissare waren nur Bolschewiki. Die Parteien in
der Duma
lehnten die Anerkennung der neuen Regierung ab. Die Duma wurde
später
aufgelöst. Der 1.Akt der Oktoberrevolution war beendet.
Anmerkung:
1)
Alexander Parvus (Israel Lazarevich Helphand) war jüdischer
Sozialdemokrat aus
Weißrussland. Er war politischer Migrant, der in vielen
Ländern Europas lebte,
vor allem in Deutschland. Parvus war Mitglied der SPD und einer ihrer
Theoretiker. 1906 Deportation nach Sibirien und Flucht nach
Deutschland. In
einer dubiosen Finanzaktion hat er Autorengelder von Maxim Gorki
veruntreut.
Die Bolschewiki machten diesen Skandal öffentlich und die SPD
Zeitungen
veröffentlichten keine Artikel mehr von ihm. Die SPD-Linke
distanzierte sich
von Parvus. Parvus lebte von 1910-1914 in der Türkei, schloss
sich politisch
den Jungtürken an und war ein Vordenker des Kemalismus. Er
begründete ein
Handelsunternehmen, beteiligte sich an
Rüstungsgeschäften und war
Generalvertreter deutscher Konzerne wie Krupp, aber auch englischer
Rüstungsunternehmen. Er verdiente ein Vermögen an den
Balkankriegen des
osmanischen Reiches. Er arbeitete bereits in der Türkei mit
amtlichen deutschen
Stellen zusammen. Zurück in Europa wurde er einer der
Theoretiker des „Kriegssozialismus“
der SPD, d.h. der Rechtfertigung der Vaterlandsverteidigung im
1. imperialistischen Weltkrieg. Trotzki trennte sich bei
Beginn des
1. Weltkrieges von ihm. Parvus arbeitete seit 1915 gemeinsam
mit dem Auswärtigen
Amt des Deutschen Reiches an Plänen zum Sturz des Zarismus. Er
hat dafür hohe
Summen vom deutschen Staat einkassiert. Im Rahmen seiner
Geheimdienstaktivitäten organisierte er die Durchreise Lenins
in Deutschland
mit.
Leo
Trotzki, Verratene Revolution, Raubdruck
Leo
Trotzki, Die permanente Revolution, Fischer Bücherei, 1969 u.
Verlag neue
kritik frankfurt, 1965
Leo
Trotzki, Stalin, Eine Biographie, Pawlak
Leo
Trotzki, Mein Leben, Versuch einer Autobiographie, Dietz Verlag, 1990
Lenin
über Trotzki, Marxistische Taschenbücher, 1970
Victor
Serge, Leo Trotzki, Leben und Tod, Europaverlag, 1973
Heinz
Abosch, Trotzki und der Bolschewismus, Ullstein Materialien, 1984
Manuel
Keller, Trotzkismus, Einführung in seine Grundlagen
– Fragen nach seiner
Zukunft, Reiher theorie.org, Schmetterling Verlag, 2004
Max
Seydewitz, Die große Alternative (Trotzkismus-Kritik 1938),
reprint
ML-LitVertrieb, Wien 2003
Stalin,
Werke
Lenin,
Werke
DOKUMENTIERT
In
der heutigen trotzkistischen Geschichtsschreibung werden die
Differenzen
zwischen Lenin und Trotzki, die scharfe Kritik Lenins am Opportunismus
Trotzkis
völlig verharmlosend dargestellt. „Bis zum Jahr 1923
war Trotzki neben Lenin
der führende Bolschewik mit dem größten
Prestige in Sowjetrussland … Seine
Rolle wurde später unter Stalin systematisch
verfälscht und er selbst als
Konterrevolutionär und Agent des Klassenfeinds und sogar
Hitlers diffamiert.
Seine wirklichen Meinungsverschiedenheiten mit Lenin (der nach seinem
Tod zum
Säulenheiligen gemacht wurde) oder mit der Mehrheit der
bolschewistischen
Führung, sei es in früheren Jahren, sei es in der
Zeit der jungen
Sowjetrepublik – als kontroverse Debatten noch ganz
selbstverständlich waren –
wurden zu diesem Zweck maßlos aufgebauscht und in
gänzlich verzerrter Weise
dargestellt.“ (Manuel Keller, Trotzkismus, S. 25) Die
LeserInnen können sich
selbst davon überzeugen, ob die Kritiken Lenins
völlig untergeordnete Punkte
oder fundamentale Kritiken an opportunistischen Grundpositionen und vor
allem
auch Methoden Trotzkis waren.
Teil
II
Vorbemerkung:
Die Kapitel im
ersten Teil
dieser Schrift in der Trotz Alledem Nr. 48 lauteten:
* 1903 II.
Parteitag der
SDAPR, * 1904 russisch-japanischer Krieg, die Niederlage des
Zarismus und die
Revolution 1905, * Strategie der russischen Revolution und der
Fraktionskampf,
* Der l. Weltkrieg und die russische Revolution.
Wir beendeten
dieses letzte
Kapital mit dem Sieg der Oktoberrevolution. Ergänzend
möchten wir noch einige
Gedanken hinzufügen: In unserem Artikel
charakterisierten wir Trotzkis Haltung
zum Aufstand, im Gegensatz zu der ablehnenden von Sinowjew und
Kamenjew, so:
„Trotzki stimmte auch für den Aufstand, mit
der Begründung, die Machtübernahme
in Russland, würde die Initialzündung für
die Revolution in Europa sein."
(TA 48, S. 45) Was wir nicht erwähnten ist, dass es
über den Zeitpunkt des
Aufstandes sehr wohl auch schwerwiegende Widersprüche
zwischen Lenin und
Trotzki gab. Kern der Frage war, soll auf die Einberufung des
Sowjetkongresses gewartet
oder sofort zu den Waffen gegriffen und zum Aufstand
übergegangen werden.
Trotzki, Vorsitzender des Petrograder Sowjets, trat für ein
Abwarten ein.
Trotzki in seiner
Rede vor
dem Petrograder Sowjet am 16.Oktober: „Ich erkläre
im Namen des Petrograder
Sowjet, daß wir uns zu keinen bewaffneten Aktionen
entschlossen haben ...Der
Petrograder Sowjet wird dem Kongreß der Sowjets vorschlagen,
daß sie die Macht
übernehmen." (Trotzki, Geschichte der russischen Revolution,
Bd. 3, S.
332)
Lenin hingegen in seinem Artikel am 7. Oktober „Die Krise ist herangereift": „Auf den Sowjetkongreß zu ,warten' ist deshalb absolute Idiotie, weil es bedeutet Wochen zu verlieren, zumal Wochen und sogar Tage jetzt alles entscheiden ...Den Sowjetkongreß ,abzuwarten' ist Idiotie, denn der Kongreß wird nichts ergeben, kann nichts ergeben!" (Lenin, Werke, Bd. 26, S.66) und in seinem Brief vom 14. Oktober an das ZK, das Moskauer Komitee, das Petrograder Komitee und an die bolschewistischen Mitglieder der Sowjets von Petrograd und Moskau: „Die Ereignisse schreiben uns so klar unsere Aufgabe vor, daß eine Verzögerung entschieden zum Verbrechen wird ...die Bolschewik! haben nicht das Recht, auf den Sowjetkongreß zu warten, sie müssen die Macht sofort ergreifen!".(Lenin, Werke, Bd. 26, S. 125)
TROTZKI (biographische Notizen) KAMPF UM DEN WEG DER REVOLUTION UND DEN AUFBAU DES SOZIALISMUS IN DER KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion):
In den Revolutionstagen wurden die Meinungsunterschiede zwischen Trotzki und den Bolschewik! in den Hintergrund gedrängt. Es schien, als ob der ehemalige Zentrist tatsächlich die bolschewistischen Positionen übernommen hätte. Dass dies nicht der Fall war, wurde aber sehr schnell klar: Die Revolution hat gesiegt, die Diktatur des Proletariats war errichtet, der Kampf gegen den Weltimperialismus und für den Aufbau des Sozialismus ging weiter! Trotzki, der Anfang September 1917 - kurz vor dem Aufstand Mitglied des ZK der SDAPR/B wurde - wird in der neuen Sowjetregierung zum Volkskommissar für Äußere Angelegenheiten ernannt. Die Sowjetmacht erklärte einseitig das Ende der Teilnahme Russlands am 1. Weltkrieg und rief alle Völker zu Friedensverhandlungen auf. Nur das geschwächte imperialistische Deutschland trat in separate Friedensverhandlungen mit der Sowjetregierung ein. Diese hatte den Beschluss gefasst, mit Deutschland möglichst schnell einen Friedensvertrag zu unterzeichnen. In Brest Litowsk trafen sich die Gesandten beider Seiten. Am 3. Dezember 1917 begannen die Verhandlungen. Die Sowjetdelegation wurde von Trotzki geleitet. Am 5. Dezember wurde ein Waffenstillstandsabkommen erzielt. Dann begannen die Friedensverhandlungen. Die Vertragsentwürfe des deutschen Imperialismus waren ein brutales ,Friedensdiktat' und bedeuteten schwere Verluste für die junge Sowjetmacht. In der Partei gab es eine scharfe, kontroverse Debatte über die Annahme bzw. Ablehnung des Friedensvertrages. Ein ultralinker Flügel in der bolschewistischen Partei um Bucharin / Radek lehnte diesen prinzipiell ab und forderte, den revolutionären Krieg gegen den deutschen Imperialismus zu führen. Trotzkis Taktik war „Weder Krieg noch Frieden" und in seiner Funktion als Verhand- lungsführer, entgegen dem Be-schluss der Sowjetregierung, „Zeit zu schinden", um das deutsche Heer an der Ostfront zu binden und damit dem Proletariat im Westen den Rücken frei zu kämpfen. Die deutsche Armee hielt er für nicht mehr kriegsbereit. Lenin trat für die sofortige Unterzeichnung des Friedensvertrages ein. Er schätzte vollkommen richtig ein, dass das russische Volk eine Atempause brauchte, dass ihm so viele Opfer im Krieg abverlangt wurden, dass es nicht bereit war, in einen revolutionären Krieg gegen den deutschen Imperialismus zu ziehen. Des weiteren kritisierte er die Unterschätzung der Kampffähigkeit des Deutschen Heeres, auch damit sollte er Recht behalten. Die Taktik Trotzkis hatte die deutsche Heeresführung, mit der Begründung, Russland wolle keinen Frieden, dazu gebracht, am 18. Februar 1918 in Russland einzumarschieren. Am Ende musste das revolutionäre Russland einen Friedensvertrag mit noch viel schlechteren Bedingungen, als die ersten Vertragsentwürfe des deutschen Imperialismus vorsahen, abschließen. Polen, Lettland und Estland wurden von deutschen Truppen besetzt, die Ukraine wurde zum Vasallenstaat des Deutschen Reiches! Trotzki wurde massiv kritisiert, und musste sich vom Volkskommissariat für Auswärtiges zurückziehen. Im März 1918 begann der VII. Kongress der SDAPR/B. In seinem Bericht auf diesem Parteitag über den Brester Frieden bewertet Lenin die Bedeutung der Auseinandersetzung: „...die schwere Krise, die unsere Partei durchmacht, angesichts der Entstehung einer linken Opposition innerhalb der Partei, eine der größten Krisen ist, die die russische Revolution durchzumachen hat." („Geschichte der KPdSU(B) Kurzer Lehrgang", S. 272) Der Friedensvertrag wird mit großer Mehrheit vom Parteitag bestätigt. Auf dem VII. Parteitag wird auch der Name der Partei in Kommunistische Partei Russlands (Bolschewiki) geändert, 1925 auf dem 14. Parteitag in Kommunistische Partei der Sowjetunion (Bolschewiki). Am 14. März 1918 wird Trotzki zum Volkskommissar für das Kriegswesen ernannt. Trotzki beginnt mit dem Aufbau der Roten Arbeiter und Bauernarmee. Der Frieden mit Deutschland war geschlossen, die Antwort der Ententemächte war der Interventionskrieg in Sowjetrussland. Die Großmächte England, Frankreich, USA und Japan besetzten sowjetisches Territorium ohne Kriegserklärung. Verbündet waren sie mit den gestürzten Klassen, den Gutsbesitzern und Kapitalisten und deren militärischen Formationen, also der inneren russischen Konterrevolution. Die ehemalige zaristische Armee wurde von allen ausländischen Imperialisten unterstützt. 70.000 Japaner, 2.500 Briten, 1.500 Franzosen, 1.500 Italiener, 8.000 US Soldaten und Polen kämpften in Russland gegen die rote Macht. Es begann der Bürgerkrieg in Russland gegen die inneren und äußeren Feinde, der bis 1922 andauerte. Um den Interventionen der geballten imperialistischen Offensive gegen die junge Sowjetunion widerstehen zu können, wurden ehemalige zaristische Offiziere als „Militärspezialisten" in der Roten Armee eingesetzt. Bisher wurden in den Roten Garden die Offiziere von den Mannschaften gewählt. Soldaten wählten ihre Offiziere, das wurde von Trotzki abgeschafft. Im März 1919 tritt der l. Kongress der III. Internationale (Komintern) in Moskau zusammen.
Grundfragen des Überlebens des ersten sozialistischen Staates
Von 1918 bis zum Tode Lenins 1924 brachen immer neue, tiefgehende Meinungsunterschiede zwischen Lenin und Trotzki auf. Die wichtigsten betrafen die Frage, ist es möglich, den Sozialismus in Russland zu errichten, die Politik gegenüber den Bauern, Fragen der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP), die Rolle der Gewerkschaften und die Arbeitsweise der Kommunistischen Partei. Im März 1919 findet der VIII. Parteitag der KPR/B statt. Ein neues Parteiprogramm wird auf dem Parteitag angenommen: „In dem Programm werden die konkreten Aufgaben der Partei im Kampf für den Sozialismus eingehend dargelegt: Zuendeführung der Expropriation der Bourgeoisie, Leitung der Wirtschaft des Landes nach einem einheitlichen sozialistischen Plan, Teilnahme der Gewerkschaften an der Organisierung der Volkswirtschaft, sozialistische Arbeitsdisziplin, Ausnutzung von Spezialisten in der Volkswirtschaft unter Kontrolle der Sowjetorgane, allmähliche und planmäßige Einbeziehung der Mittelbauernschaft in die sozialistische Aufbauarbeit." (Geschichte der KPdSU(B), S. 314) 1920 folgt Ende März der IX. Parteitag, auf dem der Plan zum ökonomischen Aufbau des Sozialismus in Russland verabschiedet wurde. Der leninsche Slogan lautet: Kommunismus = Sowjetmacht + Elektrifizierung!
Ein Jahr später, März 1921 folgt der X. Parteitag der KPR/B. Er fand in einer sehr kritischen Zeit der Diktatur des Proletariats statt. Der Krieg war beendet. Der Kriegskommunismus, der die Bauern durch die Ablieferungspflicht stark beschränkte, musste nun umgewandelt werden. Auch in der Arbeiterklasse kam es zur Unzufriedenheit als Resultat von Hunger und völliger Erschöpfung der Kräfte. Die Klassenbasis der KP begann zu bröckeln. In dieser Situation setzten die Sozialrevolutionäre und Menschewiki zusammen mit den Weißgardisten auf die Option des Sturzes der Diktatur des Proletariats, indem sie diese Unzufriedenheit für Aufstände nutzten. Die Losung lautete nicht mehr „Nieder mit den Sowjets!" sondern „Für die Sowjets, aber ohne Kommunisten". Die heftigste Auseinandersetzung entwickelte sich unter den Matrosen der Roten Armee in der Festung Kronstadt. Die Konterrevolution jubilierte. Der X. Parteitag schickte seine Delegierten zum Kampf nach Kronstadt/Petrograd und Trotzki war einer der militärischen Führer der Niederschlagung des Aufstandes!
Verschiedene Fraktionen und Gruppierungen in der Partei lagen in heftigen politischen und ideologischen Kämpfen um den richtigen Weg zum Aufbau des Sozialismus: Die „Arbeiteropposition", „Linkskommunisten", „Demokratische Zentralisten" und Trotzki. Eine Frage in der sich die Positionen scharf zuspitzten, war die Gewerkschaftsfrage.
Gewerkschaften -Staats- oder Massenorganisationen?
Trotzki versuchte die Methoden der militärischen Kriegsführung auf die Gewerkschaftsarbeit zu übertragen. Erforderte: „Die Schrauben anzudrehen", „Die Gewerkschaften
durchschütteln", „Verstaatlichung der Gewerkschaften", „Dekrete erlassen und Militarisierung" zur Ausrichtung der Gewerkschaften. Trotzki in seiner Autobiographie: „Ich sah im System des Kriegskommunismus, der alle vorhandenen Mittel mindestens im Prinzip nationalisierte und nach den Bedürfnissen des Staates verteilte, keinen Platz für eine selbständige Rolle der Gewerkschaften. Stützte sich die Industrie auf die staatliche Versorgung der Arbeiter mit den nötigen Produkten, so mußten die Gewerkschaften in das System der staatlichen Verwaltung der Industrie und der Verteilung der Produkte eingefügt werden. Das bildete den Kern der Frage über die Verstaatlichung der Gewerkschaften. ..."(Trotzki, S. 414)
Um in den ganzen Zusammenhang und die Tragweite der Debatte über die Gewerkschaftsfrage halbwegs einzudringen haben wir Stalins Bewertung über Entwicklung und Gehalt der Diskussion, sowie die Haltung Lenins ausführlich dokumentiert. Lenin und Stalin standen auf einer gemeinsamen Position gegen Trotzki. Damit ist auch nachgewiesen, dass das Wüten Trotzkis gegen Stalin im Grunde auch gegen Lenin gerichtet ist. Lenin hält direkt zur Gewerkschaftsfrage eine „Rede, gehalten in der gemeinsamen Sitzung der Mitglieder der KPR(B) unter den Delegierten des VIII. Sowjetkongresses sowie den Mitgliedern des Gesamtrussischen Zentralrates und des Moskauer Gouvernementsrats der Gewerkschaften, 30. Dezember 1920 - 'Über die Gewerkschaften, die gegenwärtige Lage und die Fehler Trotzkis': „Als wichtigstes Material dient mir die Broschüre des Gen. Trotzki 'Über die Rolle und die Aufgaben der Gewerkschaften'. Vertiefe ich mich in diese Broschüre und vergleiche sie mit den Thesen, die er im Zentralkomitee vorgelegt hat, so staune ich, welch eine Unmenge theoretischer Fehler und himmelschreiender Unrichtigkeiten in ihr zusammengetragen ist. Wie konnte man, wenn man sich zu einer großen Parteidiskussion über diese Frage anschickte, ein so missrate-nes Zeug fabrizieren, anstatt etwas gründlich Durchdachtes vorzulegen?" (Lenin, Werke, Bd. 32, S. 1-2)
Inhaltlich geht es um die zentrale Frage, die Trotzki einfach unter den Tisch fallen lässt „Die Gewerkschaften sind nicht nur historisch notwendig, sie sind auch eine historisch unumgängliche Organisation des Industrieproletariats, das unter den Verhältnissen der Diktatur des Proletariats fast in seiner Gesamtheit von ihr erfaßt wird. Das ist die Erwägung, die allem zugrunde liegt, und das wird von Gen. Trotzki ständig vergessen, davon geht er nicht aus, das versteht er nicht zu würdigen". (Lenin, ebenda)
Und weiter: „Überhaupt besteht der kolossale Fehler, der prinzipielle Fehler darin, daß Gen. Trotzki die Partei und die Sowjetmacht zurückzerrt, wenn er jetzt die Frage ,prinzipieir stellt. Wir sind Gott sei Dank von den Prinzipien zur praktischen, sachlichen Arbeit übergegangen." (Lenin, ebenda, S. 4) „Nach ihm (Trotzki) ist der Schutz der materiellen und geistigen Interessen der Arbeiterklasse nicht Sache der Gewerkschaften im Arbeiterstaat. Das ist ein Fehler. Gen. Trotzki spricht vom ,Arbeiterstaat'. Mit Verlaub, das ist eine Abstraktion. Als wir 1917 vom Arbeiterstaat schrieben, war das verständlich, sagt man aber jetzt zu uns „Wozu und gegen wen soll die Arbeiterklasse geschützt werden, wo es doch keine Bourgeoisie gibt, wo wir doch einen Arbeiterstaat haben, so begeht man einen offensichtlichen Fehler. Es ist nicht ganz ein Arbeiterstaat, das ist es ja gerade. Hier liegt eben einer der grundlegenden Fehler des Gen. Trotzki... Wir haben in Wirklichkeit nicht einen Arbeiterstaat, sondern einen Arbeiter-Bauernstaat.... Aber nicht genug damit. Aus unserem Parteiprogramm ... ist bereits ersichtlich, daß unser Staat ein Arbeiterstaat mit bürokratischen Auswüchsen ist. Ja, mit diesem traurigen - wie soll ich mich ausdrücken - Etikett mussten wir ihn versehen. ...Da haben sie die Realität des Übergangs. Was meinen Sie, haben in einem praktisch derart beschaffenen Staat die Gewerkschaften nichts zu schützen, kann man ohne sie auskommen, wenn man die materiellen und geistigen Interessen des in seiner Gesamtheit organisierten Proletariats schützen will?" (Lenin, ebenda, S. 7, Hervorhebung von uns)
Über die Verschärfung der Auseinandersetzung bis hin zur „Krise in der Partei" urteilt Lenin so: „Das ZK wählt eine Gewerkschaftskommission, der auch Gen. Trotzki angehört. Trotzki weigert sich, in dieser Kommission zu arbeiten, und erst durch diesen Schritt erfährt der ursprüngliche Fehler des Gen. Trotzki eine Übersteigerung, die im weiteren zur Fraktionsmacherei führt. Ohne diesen Schritt wäre der Fehler des Gen. Trotzki (das Einbringen falscher Thesen) ganz geringfügig, von der Art, wie er wohl schon allen ZK-Mitgliedern ohne jede Ausnahme unterlaufen ist." (Lenin, Werke Bd. 32, S. 29, Hervorhebung von uns)
„Trotzkis ,Thesen' sind politisch schädlich. Seine Politik ist letzten Endes eine Politik des bürokratischen Herumzerrens an den Gewerkschaften." (ebenda, S. 26)
Im „Referat auf dem gesamtrussischen Verbandstag der Bergarbeiter" (1921) macht Lenin die Dimensionen der Meinungsverschiedenheiten und der fatalen Methoden Trotzkis deutlich:
„Ich frage, vom Standpunkt des fraktionellen Auftretens: ziemt es sich für eine so angesehene Persönlichkeit, einen so bedeutenden Führer, in dieser Weise gegen Parteigenossen aufzutreten? Ich bin überzeugt, daß 99 Prozent der Genossen, ausgenommen nur diejenigen, die sich in den Haaren liegen, sagen werden, daß man so nicht auftreten darf. ... Im November trat die Gesamtrussische Konferenz zusammen und auf dieser Konferenz fällt das Schlagwort vom ,Durchrütteln'. Es war ein Fehler von Trotzki, daß er das gesagt hat. Es ist politisch klar, daß ein solches Herangehen an die Dinge zur Spaltung und zum Sturz der Diktatur des Proletariats führt." (Lenin, Werke Bd. 32, S. 40/41)
„Nicht um ein Haar besser steht es mit Trotzki. Er tritt mit der Beschuldigung auf; Lenin möchte die Diskussion über den Kern der Frage um jeden Preis absetzen und hintertreiben" (S. 65)
„Er (Trotzki) erklärt: Warum ich der Kommission nicht beigetreten bin, habe ich im ZK klar gesagt: solange mir, genauso wie allen anderen Genossen, nicht gestattet wird, diese Fragen in vollem Umfang in der Parteipresse aufzurollen, verspreche ich mir von der Behandlung dieser Fragen hinter verschlossener Tür und somit auch von der Arbeit in der Kommission keinerlei Nutzen'." (S. 69)
„Und das Ergebnis? Es ist noch kein Monat verstrichen, seitdem Trotzki am 25. Dezember mit der, breiten Diskussion' begonnen hat, und es wird sich unter hundert verantwortlichen Parteiarbeitern kaum einer finden, dem diese Diskussion nicht zum Halse heraushinge, der ihre Zwecklosigkeit (wenn nicht noch Schlimmeres) nicht erkannt hätte. Denn Trotzki hat der Partei Zeit geraubt mit einem Streit um Worte, um schlechte Thesen, und als Behandlung ,hinter verschlossener Tür' hat er gerade die sachliche, der Wirtschaft dienliche Behandlung in einer Kommission beschimpft, die sich die Aufgabe gestellt hätte, die praktischen Erfahrungen zu studieren und zu überprüfen, um aus diesen Erfahrungen zu lernen und in der wirklichen ,Produktions'arbeit vorwärtszuschreiten, anstatt zurück, von der lebendigen Sache zur toten Scholastik aller möglichen ,Produktionsatmosphären' ". (Lenin, Noch einmal über die Gewerkschaften, Januar 1921 Werke, Bd. 32, S. 77)
„Wird sich auch nur ein ernster, von fraktioneller Eigenliebe der,Zektran'- [Zektran - Zentralkomitee des Vereinigten Gewerkschaftsverbandes der Eisenbahn-Schifffahrtsarbeiter 1920] oder der ,Puffer'fraktion nicht verblendeter Mensch finden, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ein solches Auftreten eines s o maßgebenden Führers, wie es Trotzki ist, in den Frage der Gewerkschaftsbewegung für revolutionär zweckmäßig hielte??" (ebenda, S. 63)
„Die Gewerkschaften sind das Reservoir der Staatsmacht, eine Schule des Kommunismus, eine Schule des Wirtschaftens. Auf diesem Gebiet ist das Spezifische und Wichtigste nicht die Verwaltung, sondern die ‚Verbindung' ,zwischen der zentralen' (und natürlich auch der örtlichen), Staatsverwaltung der Volkswirtschaft und den breiten Massen der Werktätigen' (wie es in unserem Parteiprogramm, Paragraph 5 des wirtschaftlichen Teils, der den Gewerkschaften gewidmet ist, heißt.)". (ebenda, S. 89)
Wir haben vielleicht die Geduld unserer Leser mit so vielen Zitaten sehr strapaziert, aber wir denken, gerade um sich eine selbständige Bewertung der Auseinandersetzungen anzueignen, ist es wichtig, möglichst auch mit den Originalzitaten zu arbeiten. Der X. Parteitag billigte mit großer Mehrheit die Thesen Lenins in der Gewerkschaftsfrage.
Einheit der Partei und Freiheit der Kritik
Eine weitere zentrale Differenz auf dem X. Parteitag war die Frage nach den Normen des innerparteilichen Kampfes. Um die Handlungsfähigkeit der Partei zu wahren, den ideologischen Kampf in richtige Bahnen zu lenken, wird der Beschluss über die Einheit der Partei mit einer großen Mehrheit gefasst. Dieser beinhaltet auch das Verbot Fraktionen in der KP Russlands zu bilden: „In Anbetracht der gewaltigen Gefahr, die das Vorhandensein fraktioneller Gruppen für die bolschewistische Partei und für die Diktatur des Proletariats darstellte, widmete der X. Parteitag der Frage der Einheit der Partei besondere Aufmerksamkeit. Das Referat zu dieser Frage hielt Lenin. Der Parteitag verurteilte alle oppositionellen Fraktionierungen und betonte, daß diese 'in Wirklichkeit den Klassenfeinden der proletarischen Revolution helfen'. Der Parteitag gab die strikte Weisung, alle fraktionellen Gruppen sofort aufzulösen und beauftragte alle Organisationen, streng darüber zu wachen, daß keinerlei fraktionelle Handlungen zugelassen werden, wobei die Nichterfüllung des Parteitagsbeschlusses den unbedingten und unverzüglichen Parteiausschluß nach sich zog. Der Parteitag bevollmächtigte das Zentralkomitee, im Falle eines Disziplinbruchs durch Mitglieder des Zentralkomitees und im Falle des Wiederauflebens oder der Zulassung der Fraktionsmacherei alle Disziplinarmaßnahmen der Partei bis zum Ausschluß aus dem Zentralkomitee und aus der Partei anzuwenden. Alle diese Beschlüsse wurden in der von Lenin vorgeschlagenen und vom Parteitag angenommenen besonderen Resolution 'Über die Einheit der Partei' niedergelegt." (Geschichte der KPdSU(B), Kurzer Lehrgang, S. 323)
Trotzki hatte diesem Beschluss auf dem X. Parteitag selbst zugestimmt, um ihn dann in den 30er Jahren so zu kommentieren: „Das Verbot der Oppositionsparteien zog das Verbot der Fraktionen nach sich; das Fraktionsverbot mündete in das Verbot anders zu denken als der unfehlbare Führer. Die polizeiliche Einheitlichkeit der Partei brachte die bürokratische Straffreiheit mit sich, die zur Quelle aller Formen der Zügellosigkeit und des Verfalls wurden." (Trotzki, neue Ausgabe 1988, Bd. 1, S. 804)
Der „Schüler Lenins", - Trotzki über Trotzki -stellt einen Beschluss den Lenin initiiert hat, als quasi faschistisch-diktatorische Maßnahme hin! Soviel zum Leninismus von Trotzki!
Debatte über den Aufbau des Sozialismus in einem Land
1922 Ende März folgt der XI Parteitag und „Im Dezember 1922 fand der I. Unionskongreß der Sowjets statt. Auf diesem Kongreß wurde auf Vorschlag Lenins und Stalins ein freiwilliger Staatsverband der Sowjetvölker - die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) - geschaffen." (Geschichte der KPdSU(B) Kurzer Lehrgang S. 332). Zu dieser Zeit wurde Lenin schwer krank. Nach der Gründung der Sowjetunion gab sich Trotzki nun als Kämpfer gegen den entstehenden Bürokratismus, Totalitarismus und Nationalismus aus. Der XII. Parteitag, März 1923 war der erste ohne Beteiligung Lenins. Lenins Vorschläge wurden mit einbezogen. Trotzkis Politik gegenüber der Bauernschaft und seine Kritiken wurden zurückgewiesen. Nach dem Parteitag organisierte Trotzki eine Plattform der 46 Oppositionellen und zwang der Partei eine erneute Diskussion über die Zulassung von Fraktionen, über die Wirtschaftspolitik etc. auf. Im Januar 1924 tagte die 12. Parteikonferenz. Die oppositionelle Plattform wurde als eine kleinbürgerliche Abweichung verurteilt. Der XIII. Parteitag im Mai 1924 (nach dem Tode Lenins am 21. Januar 1924) bestätigte die Ergebnisse dieser Konferenz: „Der Parteitag verurteilte einstimmig die Plattform der trotzkistischen Opposition, die er als kleinbürgerliche Abweichung vom Marxismus, als Revision des Leninismus kennzeichnete, und bestätigte die Resolutionen der XIII. Parteikonferenz 'Über den Parteiaulbau' und 'Über die Ergebnisse der Diskussion'." (Geschichte der KPdSU(B), Kurzer Lehrgang, S. 343)
Nach Lenins Tod setzte Trotzki die Debatte über seine ‚Nachfolge’ auf die Tagesordnung. Wie ein Feudalherr beanspruchte er -sich auf Privatgespräche mit Lenin berufend -nicht weniger als die .exklusive' Parteiführung. In seiner Biographie (1929) phantasiert er sich Geschichten zusammen, die nicht belegbar sind, aber alle auf die Position hinauslaufen, einige Monate vor seinem Tod habe Lenin sein Verhältnis zu Trotzki verändert und beabsichtigt einen „Block Trotzki-Lenin" zu bilden: „die von Lenin begonnene Kampagne (hatte) das unmittelbare Ziel, die günstigsten Bedingungen für meine leitende Arbeit zu schaffen, entweder neben ihm, wenn er sich erholt haben würde, oder an seiner Stelle, wenn die Krankheit ihn überwinden sollte." (Trotzki, Mein Leben, S. 472)
Eine zentrale Rolle in der Diskussion über die .Nachfolge' Lenin spielt das sogenannte „Testament Lenins".
Da Lenin davon ausgegangen war, krankheitsbedingt am XIII. Parteitag nicht persönlich teilnehmen zu können, hat er im Dezember 1922 / Januar 1923 in Briefform politische Vorschläge an den Parteitag verfasst, u.a. auch über die Zusammensetzung des ZKs. Lenin schreibt über die Eignung, Vorzüge, Fehler und Mängel einzelner Genossinnen. Zu Stalin: „Gen. Stalin hat, nachdem er Generalsekretär geworden ist, eine unermessliche Macht in seinen Händen konzentriert, und ich bin nicht überzeugt, daß er es immer verstehen wird, von dieser Macht vorsichtig genug Gebrauch zu machen... und weiter: Stalin ist zu grob" (Lenin, Werke Bd.36, S. 579)
Zu Trotzki äußert er sich wie folgt: „Anderseits zeichnet sich Gen. Trotzki, wie schon sein Kampf gegen das ZK in der Frage des Volkskommissariats für Verkehrswesen bewiesen hat, nicht nur durch hervorragende Fähigkeiten aus. Persönlich ist er wohl der fähigste Mann im gegenwärtigen ZK, aber auch ein Mensch, der ein Übermaß von Selbstbewusstsein und eine übermäßige Vorliebe für rein administrative Maßnahmen hat." (Lenin, Werke Bd. 36, S. 579)
Bezogen auf Trotzki und Stalin: „Diese zwei Eigenschaften zweier hervorragender Führer des gegenwärtigen ZK können unbeabsichtigt zu einer Spaltung führen, und wenn unsere Partei nicht Maßnahmen ergreift um das zu verhindern, so kann die Spaltung überraschend kommen. Ich werde die anderen Mitglieder des ZK nicht weiter auf ihre persönlichen Eigenschaften hin charakterisieren. Ich erinnere nur daran, daß die Oktoberepisode Sinowjews und Kamenjews natürlich kein Zufall ist, daß sie ihnen aber ebenso wenig als persönliche Schuld angerechnet werden kann wie Trotzki der Nichtbolschewismus." (Lenin, Werke Bd. 36, S. 579)
Diese Briefe, die als Lenins„Testament" bezeichnet werden, wurden auf dem Parteitag verlesen. Stalin bot an sich von der Funktion des Generalsekretärs zurückzuziehen, das wurde abgelehnt. In der weiteren Auseinandersetzung zwischen der ,Linken' Opposition, Trotzki und der Parteimehrheit wurde 1926/1927 dieses Testament immer wieder in die Polemik einbezogen. Sie setzen die Verleumdung in die Welt, das ZK habe das „Testament" Lenins „verheimlicht". Gleichwohl hat selbst Trotzki in einer Polemik gegen einen unseriösen amerikanischen Journalisten, Eastman 1925 in einem Artikel in der Prawda (Zentralorgan der KPdSU) gegen diesen Typen geschossen: „An einigen Stellen seines Büchleins spricht Eastman davon, daß das ZK eine Reihe außerordentlich wichtiger Dokumente, die Lenin in der letzten Periode seines Lebens geschrieben habe (es handelt sich um Briefe zur nationalen Frage, um das so genannte Testament usw.), vor der Partei, verheimlicht' habe; das kann man nicht anders nennen als eine Verleumdung des ZK unserer Partei." (zitiert in Stalin, Werke Bd. 10, S. 152)
Das ist nur ein weiteres Beispiel für die fragwürdige Methode Trotzkis heute das eine und morgen genau das Gegenteil zu vertreten.
Der weitere politische Kampf verlief an zwei Strängen: Ist der Sozialismus in einem rückständigen Land wie Russland aufzubauen? Kann der Sozialismus in einem Land, ohne Sieg der Revolutionen in anderen Ländern überhaupt aufgebaut werden??
Richtig legt die aktuelle „Einführung in den Trotzkismus" den zentralen Streitpunkt dar: „Gegen Trotzki und die maßgeblich von ihm angeführte ,Linke Opposition' vertrat Stalin jedoch die Auffassung, es sei möglich in der Sowjetunion den Sozialismus aufzubauen - also eine klassenlose Gesellschaft -ohne zuvor den Kapitalismus in den entwickelten Industrieländern zu stürzen." (Kellner, Trotzkismus, S. 61)
Es fehlt nur eine kleine, aber bedeutende Tatsache: Das war nicht nur Stalins Auffassung, sondern auch die Position Lenins. Trotzki hat mit allen Tricks versucht, das unter den Tisch fallen zu lassen und die Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus in einem Land zu einer Stalinthese umgedichtet! Das ist ausgemachter Blödsinn und nur ein weiterer Beweis wie einfache, leicht nachweisbare Tatsachen von den Trotzkisten auf den Kopf gestellt werden. Lenin (und nicht Stalin) hat bereits 1915 in dem Artikel „Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa" aufgrund der politischökonomischen Tendenzen des Imperialismus folgende Analyse gemacht: „Als selbständige Losung wäre jedoch die Losung Vereinigte Staaten der Welt wohl kaum richtig, denn erstens fällt sie mit dem Sozialismus zusammen und zweitens könnte sie die falsche Auffassung von der Unmöglichkeit des Sieges des Sozialismus in einem Land und eine falsche Auffassung von den Beziehungen eines solchen Landes zu den übrigen entstehen lassen. Die Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwik-klung ist ein unbedingtes Gesetz des Kapitalismus. Hieraus folgt, daß der Sieg des Sozialismus zunächst in wenigen kapitalistische Ländern oder sogar nur in einem einzeln genommenen Land möglich ist" (Lenin, Werke, Bd. 21, S. 345)
Die Gegenthese Trotzkis war: „Ohne die direkte staatliche Unterstützung durch das europäische Proletariat kann die russische Arbeiterklasse sich nicht an der Macht halten und ihre zeitweilige Herrschaft in eine dauernde sozialistische Diktaturumwandeln." (Trotzki, Ergebnisse und Perspektiven, S. 109)
Damit verbunden war die Theorie vom Export der Revolution: „Wenn das Proletariat, das vorübergehend die Macht erlangt hat, nicht aus eigener Initiative die Revolution auf den Boden Europas überträgt, so wird die europäische feudal = bourgeoise Reaktion es dazu zwingen." (Trotzki, Ergebnisse und Perspektiven, S. 112)
1932 begründet Trotzki z.B. in seiner Schrift „Oktoberrevolution" anhand der konkreten Entwicklung der Sowjetunion, wie falsch es sei in nur einem Land den Sozialismus aufbauen zu wollen: „Die Schaffung einer nationalen sozialistischen Gesellschaft, wäre ein solches Ziel überhaupt zu verwirklichen, würde die äußerste Herabminderung der ökonomischen Macht des Menschen bedeuten; und gerade deshalb ist sie undurchführbar ... In Wirklichkeit bleibt das Wachsen der heutigen Sowjetwirtschaft ein antagonistischer Prozeß. Indem sie den Arbeiterstaat festigen, führen die ökonomischen Erfolge keinesfalls automatisch zur Schaffung einer harmonischen Gesellschaft. Im Gegenteil, sie bereiten auf einer höheren Grundlage die Zuspitzung der Widersprüche des isolierten sozialistischen Aufbaus vor." (Trotzki, S. 676ff)
Faktisch bedeutet die Position Trotzkis den Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion aufzugeben, militärisch die Revolution weltweit zu exportieren und abzuwarten, wer dann siegt. Auf dem XIV. Parteitag im Dezember 1925 stellt sich die Leningrader (Petrograder) Parteiorganisation in Opposition zum ZK der Partei. Als zentrale Aufgabe der Partei wurde auf diesem Parteitag der Kampf für die sozialistische Industrialisierung des Landes und der Kampf für den Sieg des Sozialismus aufgestellt. „'Unser Land aus einem Agrarland in ein Industrieland zu verwandeln, das imstande ist, aus eigener Kraft die notwendige Produktionsausrüstung zu erzeugen, darin besteht das Wesen, die Grundlage unserer Generallinie', erklärte Genösse Stalin.
Die Industrialisierung des Landes war geeignet, die wirtschaftliche Selbständigkeit des Landes zu sichern, seine Wehrkraft zu stärken und die für den Sieg des Sozialismus in der Sowjetunion notwendigen Vorbedingungen zu schaffen. Gegen die Generallinie der Partei traten die Sinowjewleute auf. Dem Stalinschen Plan der sozialistischen Industrialisierung stellte der Sinowjewmann Sokolnikow einen bürgerlichen Plan entgegen, der unter den Haifischen des Imperialismus im Schwange war. Gemäß diesem Plan sollte die Sowjetunion ein Agrarland bleiben, das hauptsächlich Rohstoffe und Lebensmittel erzeugt, diese ins Ausland ausführt und von dort Maschinen einführt, die es selber nicht erzeugt und nicht erzeugen soll. Wie die Dinge im Jahre 1925 lagen, nahm sich dieser Plan aus wie ein Plan der ökonomischen Versklavung der Sowjetunion durch das industriell entwickelte Ausland, wie ein Plan der Verewigung der industriellen Rückständigkeit der Sowjetunion zu Nutz und Frommen der imperialistischen Haifische der kapitalistischen Länder.
Diesen Plan annehmen hätte geheißen, unser Land in ein hilfloses agrarisches Anhängsel der kapitalistischen Welt zu verwandeln, es gegenüber der kapitalistischen Umwelt zu Wehrlosigkeit und Ohnmacht zu verurteilen und, am Ende, die Sache des Sozialismus in der Sowjetunion zu begraben. Der Parteitag brandmarkte den wirtschaftlichen 'Plan' der Sinowjewleute als einen Plan der Versklavung der Sowjetunion. Der 'neuen Opposition' halfen auch solche Vorstöße nicht wie die Behauptung (entgegen Lenin!), daß der Mittelbauer angeblich kein Bundesgenosse der Arbeiterklasse in der sozialistischen Aufbauarbeit sein könne. Der Parteitag brandmarkte diese Vorstöße der 'neuen Opposition' als antileninistisch." („Geschichte der KPdSU(B) Kurzer Lehrgang", S. 351/352)
Trotzki wird 1925 vom Politbüro seiner Funktionen als Vorsitzender des Obersten Kriegsrates, als Volkskommissar für die Armee und die Marine enthoben (Trotzki behauptet „er sei freiwillig zurückgetreten", Kellner S. 29) und die Aufgabe wird Frunse übertragen. Trotzki wird zum Vorsitzenden des Komitees für ausländische Konzessionen, Chef der elektrotechnischen Verwaltung und zum Vorsitzenden des wissenschaftlich-technischen Büros der Industrie ernannt.
Kampf gegen den Trotzkismus...
Seit dem Tode Lenins hatte sich die Auseinandersetzung zwischen Leninismus und Trotzkismus immer mehr zugespitzt. Trotzki sprengte die Aktionseinheit der Partei an zentralen Fragen und verstärkte in der Praxis die Organisierung von immer neuen Fraktionen und Oppositionsgruppen. 1924 wächst in der Partei die Stimmung gegen Trotzki und es werden Ausschlussanträge gestellt. Stalin (Bürokrat und Diktator laut Trotzki!)! wandte sich gegen diese und trat vehement für den entfalteten ideologischen Kampf ein: „Was Repressalien betrifft, so bin ich entschieden gegen sie. Wir brauchen jetzt keine Repressalien, sondern einen entfalteten Ideenkampf gegen den ´wiedererstehenden Trotzkismus." (zitiert nach Seydewitz S. 178, Stalin, Probleme des Leninismus) 1925 beteuert Trotzki in einem Brief an das ZK: „Ich dachte im Laufe der letzten acht Jahre kein einziges Mal daran, an irgend ein Problem vom Gesichtspunkt des sogenannten ,Trotzkismus' aus heranzutreten. Der Trotzkismus war und ist für mich längst liquidiert. (zitiert in Seydewitz, S. 69) doch nur da weiterzumachen wo er kurz vorher aufgehört hat. Im Sommer 1926 schlossen sich die oppositionelle Gruppen um Trotzki und Sinowjew erneut zu einem parteifeindlichen Block zusammen. Sie versuchten der Partei eine erneute Plattformdiskussion aufzuzwingen. Sie scheiterten aber in den Parteiorganisationen und machten Selbstkritik wegen fraktionistischer Tätigkeit. Der innerparteiliche Kampf ging aber unvermindert weiter. Der Block führte verdeckt seine fraktionistische Organisierungsarbeit weiter. Sie wurden auf der XV. Parteikonferenz (November 1926) und dem EKKI (Exekutiv Komitee der Kommunistischen Internationale) Plenum der Komintern (Dezember 1926) verurteilt. Trotzki wurde aus dem Politbüro/ZK ausgeschlossen.
1927 in einer Situation, in der die englische konservative Regierung eine Offensive gegen die sozialistische Sowjetunion startete (Embargo), legte Trotzki mit dem Oppositionsblock eine neue „Plattform de 83" vor und forderte eine Generaldebatte der Partei. Es ging bei diesen Plattformen immer wieder um ihre zentralen Forderungen wie: die Parteibeschlüsse gegen fraktionistische Tätigkeit aufzuheben, mehr ausländische Konzessionen zuzulassen, das Bündnis der Arbeiterinnen mit den armen Bauern abzulehnen stattdessen auf die „zivilisierten Pächter" (Kulaken), auf dem Dorf zu setzen, die Revolution in andere Länder zu tragen, da der Sieg und Aufbau des Sozialismus nur in Russland nicht möglich sei. „Im Oktober 1927, das heißt zwei Monate vor dem XV. Parteitag, erklärte das Zentralkomitee der Partei die allgemeine Parteidiskussion für eröffnet. Die Diskussionsversammlungen begannen. Die Ergebnisse der Diskussion waren für den trotzkistisch-sinowjewistischen Block mehr als kläglich. Für die Politik des Zentralkomitees stimmten 724.000 Parteimitglieder. Für den Block der Trotzkisten und Sinowjewleute stimmten 4.000, das heißt weniger als ein Prozent. Der parteifeindliche Block war aufs Haupt geschlagen. Somit hatte die Partei in ihrer überwältigenden Mehrheit die Plattform des Blocks einmütig abgelehnt." („Geschichte der KPdSU(B) Kurzer Lehrgang", S. 362)
und in der Zusammenfassung dieses Kapitels der Parteigeschichte folgt die Feststellung: „Die Trotzkisten, die von der bolschewistischen Partei ideologisch geschlagen waren, und jeden Boden in der Arbeiterklasse verloren hatten, hörten auf, eine politische Strömung zu sein, und verwandelten sich in eine prinzipienlose Karrieristenclique politischer Gauner, in eine Bande politischer Doppelzüngler." (ebenda, S.380)
Am. 7. November 1927 versuchten die Oppositionellen in Moskau und im ganzen Land zum 10. Jahrestag der Oktoberrevolution Demonstrationen gegen die Politik des ZK zu organisieren. Die Massen blieben aus bzw. demonstrierten mit der Partei. Am 14. November 1927 hat die gemeinsame Sitzung des ZK und der Kontrollkommission der Partei Trotzki und Sinowjew aus der Partei ausgeschlossen.
Selbst auf in der Plattform der russischen Opposition, vorgelegt auf dem XV. Parteitag Dezember 1927 hat die Opposition nochmals heftig bestritten in irgendeiner Form mit dem Trotzkismus zu sympathisieren: „Vor dem Angesicht der ganzen Komintern... haben wir mit den Unterschriften Sinowjews, Kamen-jews und Trotzkis erklärt: ,Es ist falsch, daß wir den Trotzkismus verteidigen. Trotzki hat vor dem Antlitz der ganzen Komintern erklärt: daß in allen einigermaßen prinzipiellen Fragen, über welche er mit Lenin stritt, Lenin recht hatte, insbesondere in der Frage der permanenten Revolution und der Bauernschaft." (zitiert in Seydewitz, S. 70)
Auch das war einer der vielen taktischen Schachzüge Trotzkis sich im Spiel zu halten, aber seine Interessen weiter zu verfolgen. In der Auseinandersetzung 1927 zwischen Trotzki, der Mehrheit des ZK der KPdSU(B), sowie Stalin spielte die Haltung zur chinesischen Revolution, die Ursachen der Niederlage der revolutionären Erhebung in China 1927 eine zentrale Rolle. Wir gehen hier nicht weiter auf dieses umfangreiche Thema ein, da wir in unserer Einschätzung Mao Zedongs und der KP China in einer unserer nächsten TAs ausführlich darauf eingehen. In der Politik zur Bauernschaft hatte Trotzki Anfang der 20er Jahre für den unmittelbaren Übergang zur Kollektivierung in den Dörfern plädiert und wollte sofort allen Privatbesitz enteignen. Lenin warnte, das würde zum Zusammenbruch der sozialistischen Macht führen. Als 1929 die Kollektivierung der Landwirtschaft und die Industrialisierung mit großen Schritten voran ging, wurde diese Entwicklung vehement von Trotzki kritisiert. Diesmal wegen des angeblich zu hohen Tempos!!!
Trotzki sprach sich nun „für die freiwillige Kollektivierung der Bauernschaft auf der Basis einer neu zu errichtenden Sowjetdemokratie" aus! Erneut eine 180 Grad Wendung des Trotzkismus!
Die Trotzkisten begannen nun mit konterrevolutionären Aktionen, um ihre These, der Unmöglichkeit des Sieges des Sozialismus in einem Land zu beweisen. Es gab Komplotte, terroristische Aktionen, Sabotageakte. Am 16. Januar 1928 wurde Trotzki nach Alma Ata verbannt. (Serge, S. 198 ff)
Er betätigte sich weiter gegen die Linie der Partei. Er wurde aufgefordert, seine sowjetfeindliche Tätigkeit einzustellen. Trotzkis Antwort lautete: „Ihr wollt auch fernerhin den Einflüsterungen, der dem Proletariat feindlichen Klassenkräften folgen. Wir kennen unsere Pflicht. Wir werden sie bis zum Ende erfüllen." (Serge, S. 204)
Am 20. Januar 1929 wurde ihm vom sowjetischen Staat mitgeteilt: „Gemäß Artikel 58/10 der Strafgesetzordnung ... wegen Anschuldigung, sich mit konterrevolutionärer Arbeit befasst zu haben, die in der Organisierung einer illegalen sowjetfeindlichen Partei bestand, deren Tätigkeit ... auf Provozierung antisowjetischer Erhebungen und auf Vorbereitung des bewaffneten Kampfes gegen die Sowjetmacht gerichtet ist ... wird beschlossen, den Bürger Leo-nid Davidovich Bronstein aus den Grenzen der UdSSR auszuweisen."
Die Türkei erklärte sich bereit Trotzki aufzunehmen. Die Sowjetunion organisiert seine Ausreise. Trotzki und Familie kamen am 12. Februar 1929 mit dem Schiff in Istanbul an und wurden zunächst in der sowjetischen Botschaft untergebracht und erhielten 1.500 Dollar zum Lebensunterhalt. Konsul Minksi organisierte auf der Insel Prinkipo ein Mietshaus. (Serge, S. 57 207) In Istanbul verfasste Trotzki „Geschichte der Russischen Revolution" und seine Autobiographie „Mein Leben". Er begann eine umfangreiche politische Tätigkeit gegen die Sowjetmacht, wobei er sich der bürgerlichen Presse „bediente" oder besser: sich der bürgerlichen Presse andiente! Er war zugleich Herausgeber des „Bulletins der Opposition". Er schätzte die Sowjetunion als „Bürokratischen Staat mit Arbeiter Anachronismen" ein.
Am 20. Februar 1932 erließ das Politbüro die Aberkennung der sowjetischen Staatsbürgerschaft für Trotzki und jene Mitglieder seiner Familie, die sich mit ihm im Ausland befanden (Serge, S. 234).
1933 gewährte die Regierung Daladier ihm Asyl in Frankreich. 1935 ging er nach Norwegen, dort schrieb er „Die verratene Revolution".
Im August 1936 begannen die Moskauer Prozesse. Trotzki wurde in Norwegen interniert, danach folgte seine Ausweisung. Ende 1936 fuhren seine Frau und er mit einem Öltanker nach Mexiko. Im Januar 1937 kamen sie im Hafen von Tampico an. Sie wohnten zunächst bei den mexikanischen Malern Diego Rivera/Frida Kahlo in Cocoyan. 1939 mietete Trotzki dort ein Haus an.
Trotzkis Kampf
Die russische Revolution, 1905
Ergebnisse und Perspektiven, 1906
Die Grundfragen der Revolution, 1923
Die Geburt der Roten Armee, 1924
Die wirkliche Lage in Rußland, 1928
Mein Leben, 1929
Die permanente Revolution, 1930
Die Verratene Revolution (Was ist die UdSSR und wohin treibt sie?) 1936
Zwischen Imperialismus und Revolution, Wer leitet heute die Kommunistische Internationale Geschichte der russischen Revolution 1931-1933
Stalin, Eine Biographie (Fragmente, aus dem Nachlaß 1940)
Im Exil unternahm Trotzki sofort den Versuch eine Internationale Linke Opposition zu schaffen. Über seine Rolle darin schreibt er ganz .bescheiden' „Der Zusammenbruch zweier Internationalen (der II. und der III. Internationale A.d.V.) hat ein Problem entstehen lassen, zu dessen Lösung kein einziger Führer dieser Internationale auch nur im geringsten geeignet ist. Im Vollbesitz schwerwiegender Erfahrungen, bin ich durch die besonderen Umstände meines persönlichen Schicksals mit diesem Problem konfrontiert. Gegenwärtig gibt es niemanden außer mir, der die Aufgabe erfüllen könnte, die neue Generation mit der Kenntnis der Methode der Revolution über die Köpfe der Führer der II. und III. Internationale hinweg ausrüsten." (Trotzki, Tagebuch im Exil, M. Kellner, „Trotzkismus", S. 33)
Aber es sollte ihm nicht so recht gelingen. Die Gruppierungen waren untereinander zerstritten, spalteten sich und es wurde keine stabile Organisation herausgebildet. Ab Mitte der 30er Jahre riefen Trotzki und seine Anhänger offensiv zum Sturz der verbürokratisierten Arbeitermacht in der Sowjetunion auf, richteten ihre praktische Arbeit darauf aus, die Diktatur des Proletariats zu stürzen. Trotzkis mehr als unstimmig und inkonsequenter Position nach, gab es zwar noch sozialistische Ökonomie und Planwirtschaft, aber der Überbau, der Staat und die Partei waren bürokratisiert. Seine Konsequenz: „Einen friedlichen Ausweg aus der Krise gibt es nicht. Kein Teufel hat jemals freiwillig seine Krallen beschnitten. Die Sowjetbürokratie wird ihre Positionen nicht kampflos aufgeben. Die Entwicklung führt eindeutig auf den Weg der Revolution" (Trotzki, Verratene Revolution, 1936,8.279).
In den Moskauer Prozessen war Trotzki einer der Hauptbeschuldigten. Viele alte Bolschewiki gaben zu, sich mit ihm oder seinen Gesandten, getroffen und von ihm Instruktionen für terroristische Akte erhalten zu haben. Trotzki wies alle diese Beschuldigungen zurück. In den USA wurde eine „Untersuchungskommmission für die Moskauer Prozesse" gegründet. Diese nahm vom 10. bis zum 17. April 1937 die Aussagen Trotzkis zu Protokoll. „Mit Ausnahme von Albert Goldman bestand die Kommmission aus Intellektuellen, die gegen den Bolschewismus eingestellt waren, weil sie in ihm die natürliche Voraussetzung für den Stalinismus sehen." (Serge, S. 276)
Stalin war der Hauptfeind Trotzkis und damit fischte er natürlich bei der internationalen Bourgeoisie im Trüben „Nach dem Zusammenbruch der Mittelmächte im November 1918 bildeten sich neue Fronten. Überdies war dem jeder Intrige abholden Trotzki innerhalb der eigenen Partei ein Gegner erwachsen, dessen Verschlagenheit niemand erkannte: Josef Stalin, Oberster Politischer Kommissar der 10. Armee." (rororo, S.123)
Trotzkis Charakteristik von Stalin in seiner Autobiographie 1929 sagt mehr über Trotzki als über Stalin aus: „Bei seinen großen, neiderfüllte Ambitionen musste Stalin seine in intellektuelle und moralische Minderwertigkeit auf Schritt und Tritt fühlen. Er versuchte offensichtlich; sich mir zu nähern. Erst spät habe ich seine Bemühungen, so etwas wie familiäre Beziehungen zu mir herzustellen, erkannt. Aber er wirkte auf mich durch jene Eigenschaften abstoßend, die später, in der Welle des Niedergangs, seine Stärke ausmachten: die Enge der Interessen den Empirismus, die psychologische Plumpheit und jenen besonderen Zynismus des Kleinstädters, den der Marxismus von vielen Vorurteilen befreit hat, jedoch ohne diese durch eine voll erfaßte und in Psychologie übergegangene Weltanschauung zu ersetzen."
(Trotzk S. 425)
Trotzki verfasste das Buch „Stalins Verbrechen" 1937 als Auftragsarbeit für den amerikanischen Buchkonzern Harpers. 1938 gründete Trotzki die IV. Internationale als Alternative zur III. Internationale. Fast täglich schickte er Artikel an die New York Times. (Serge, S. 271)
„Für Lenin war, als er die vergangene Entwicklung der Partei zurückschauend betrachtet, der Trotzkismus weder eine feindliche noch eine fremde, sondern im Gegenteil die dem Bolschewismus nächste Strömung des sozialistischen Gedankens."(S. 299)
Der bürgerliche Kommentar : „Unverständlich bleibt, daß Trotzki nach über einem Vierteljahrhundert in seinem Buch Mein Leben diese Taschenspielertricks Lenins guthieß und sich selber des Irrtums bezichtigte, dabei hatte er die Machenschaften Lenins schon damals durchschaut" (rororo, S. 42)
Trotzki arbeitete unermüdlich an seinem Zerrbild der Geschichte der Bolschewiki und der russischen Revolution. Seine ideologischen Differenzen mit Lenin ließ er in seinen literarischen Ergüssen nach und nach unter den Tisch fallen. Hat er in frühen Schriften wie in seiner Autobiographie „Mein Leben" (1929) noch harsche Kritiken an Lenin vorgebracht, stilisierte er Lenin nun zum Genie der russischen Revolution und sich selbst zu seinem besten Schüler. Er gestand halbherzig eigene Fehler in seinem Kampf gegen Lenins Parteikonzept zu und distanzierte sich dezent von seinem eigenen Zentrismus. Diese völlig unseriöse Geschichtsklitterung werfen ihm auch durchaus wohlwollend gegenüber stehende AntiStalinisten vor: „...projizierte umgekehrt Trotzki spätere Ansichten auf die Vergangenheit. 1930 äußerte er die Meinung, er sei mindestens seit dem Herbst 1902, d.h. seit dem Moment meiner ersten Flucht ins Ausland ein Schüler Lenins' gewesen. Gegensätze reduzierte er auf simple (einfache) ,Missverständnisse'." (Heinz Abosch, „Trotzki und der Bolschewismus", S. 10)
Sein Ziel war damit einen ideologisch-politischen Graben zwischen der KPdSU(B) unter der Führung Lenins und der unter Führung Stalins aufzureißen. Das Feuer richtete er auf Stalin. Er war sozusagen der „Erfinder" des bürgerlichen Kampfbegriffes „Stalinismus". Und niemand war ihm dafür dankbarer als die internationale Bourgeoisie. Seine politischen Schriften sind keine wissenschaftlich fundierten politischen Auseinandersetzungen, sondern von A- Z durchdrungen von blankem Haß, persönlicher Gekränktheit und strotzender Eigenliebe. Sie sind geprägt von einer völlig subjektivistischen Sichtweise. Schärfste ‚Beweismittel' sind Anekdoten und unbewiesene Behauptungen, sowie nicht greifbare Dokumente. Neben dem Gegeneinanderausspielen von Lenin und Stalin betreibt er gleichzeitig eine Herabminderung der Bedeutung Lenins in der Geschichte der Oktoberrevolution und der internationalen kommunistischen Bewegung. Das ist gepaart mit der absurden Überhöhung seiner eigenen Bedeutung in der Oktoberrevolution. In seiner Geschichtsschreibung, war er der Macher, der Dirigent der Oktoberrevolution und Lenin ist ihm einfach nur gefolgt. Die bürgerlich-imperialistischen Geschichtsverfälscher folgen dieser Deutung nur zu gern um ihrerseits den Leninismus zu verdammen. Eine Kostprobe aus der rororo Bildmonographie. Dem Lobgesang auf Trotzki, „Schöpfer der Roten Armee", (S. 36),
„Generalissimus der Roten Armee, die seine ureigenste Schöpfung war", (S. 86), folgen obskure Verleumdungen Lenins: „Grundlegendes Element seines (Lenins) Handelns war sein unbändiger Haß gegen das Zarenregime (den Millionen teilten), gepaart mit einem beispiellosen Willen zur Macht, dem er alles opferte, selbst Freunde und Gesinnungsgenossen. " (Trotzki, 1969 14. Auflage 2006)
Insofern sei jedem/r Leser/in angeraten das eine oder andere Werk Trotzkis durchzulesen und mit den Texten, Polemiken und Auseinandersetzungen Lenins, Stalins, anderer Bolschewik! und den Dokumenten der Kl und der KPDSU(B) zu den entsprechenden Fragen zu beschäftigen. Am 24. Mai 1940 wurde Trotzkis Haus in Mexiko von einer bewaffneten Gruppe unter Beschuss genommen. Er überlebte das Attentat unverletzt. Aus Angst vor weiteren Anschlägen wurde die Wohnung zur Festung ausgebaut. Trotzki beschuldigte David Alvaro Siqueros als Agent der GPU als Verantwortlicher des Überfalls. (Serge, S. 318)
Die KP Mexikos verlangte seine Ausweisung. Jaime Ramon Mercader Hernandez, gab sich unter dem Namen Jacson Mornard als Trotzkist aus und erwarb das Vertrauen Trotzkis. Am 20. August verletzte er Trotzki mit einem Eispickel schwer am Kopf. Am nächsten Tag erlag Trotzki diesen Verletzungen. Mercader wurde nach zwanzig jähriger in Mexiko abgesessener Haftstrafe 1960 freigelassen. Er lebte in Havanna, Prag und Moskau und kehrte nach Kuba zurück. Er starb 1978 in Havanna. Seine Urne wurde in Moskau beigesetzt.
Schluss
Trotzki war Repräsentant einer ideologischen opportunistischen Strömung in der russischen und internationalen Kommunistischen- und Arbeiterbewegung. Seine eigene politische Linie begann er bereits zu Beginn seiner revolutionären Tätigkeit zu entwickeln. Nach und nach bildete er in den Meinungskämpfen in der SDAPR, bzw. gegen die SDAPR sein politisches System, den Trotzkismus in Theorie und Praxis heraus. Trotzdem nahm er eine führende Rolle während der Oktoberrevolution ein, aufgrund seiner Übereinstimmung in einigen wesentlichen Positionen mit den Bolschewiki und seiner Fähigkeiten im revolutionären Kampf. Die fundamentalen und prinzipiellen Differenzen zwischen Trotzki, dem Trotzkismus und den Leninisten verschärften sich nach der Revolution in der Praxis des Aufbaus des Sozialismus. Aber auch anhand von Fragen der internationalen kommunistischen Weltbewegung, wie der Revolution in China. Ab 1926 hörte der Trotzkismus auf, eine politische Strömung zu sein. Er verwandelte sich in eine konterrevolutionäre Strategie und Taktik zur Zerschlagung des ersten sozialistischen Sowjetstaates. Um dieses Ziel zu erreichen verbündete sich Trotzki mit Tod und Teufel, mit den Imperialisten. International schuf er die IV. Internationale deren Hauptzielscheibe ebenfalls die sozialistische Sowjetunion und Stalin waren.
Literatur
Leo Trotzki, Denkzettel, Politische Erfahrungen im Zeitalter der permanenten Revolution, Hrg.Deutscher u.a., edition suhrkamp, 1981
Leo Trotzki, Verratene Revolution, Raubdruck
Leo Trotzki, Die permanente Revolution, Fischer Bücherei, 1969 u. Verlag neue kritik frankfurt, 1965
Leo Trotzki, Stalin, Eine Biographie, Pawlak
Leo Trotzki, Mein Leben, Versuch einer Autobiographie, Dietz Verlag, 1990
Lenin über Trotzki, Marxistische Taschenbücher, 1970
Victor Serge, Leo Trotzki, Leben und Tod, Europaverlag, 1973
Heinz Abosch, Trotzki und der Bolschewismus, Ullstein Materialien, 1984
Harry Wild, Trotzki, rororo, bild mono graphien, 2006
Manuel Keller, Trotzkismus, Einführung in seine Grundlagen - Fragen nach seiner Zukunft,
Reihe theorie.org, Schmetterling Verlag, 2004
Max Seydewitz, Die große Alternative (Trotzkismus-Kritik 1938), reprint ML-Lit-Vertrieb, Wien 2003 Stalin, Werke
Dokumentiert
Stalin: TROTZKISMUS ODER LENINISMUS?
3. In der Frage der Führer des Bolschewismus. Der alte Trotzkismus war bemüht, Lenin mehr oder weniger offen zu diffamieren, ohne sich um die Folgen zu kümmern. Der neue Trotzkismus geht vorsichtiger vor. Er ist bemüht, das Werk des alten Trotzkismus unter dem Schein der Lobpreisung, unter dem Schein der Verherrlichung Lenins zu vollbringen. Ich glaube, daß es sich lohnt, einige Beispiele anzuführen. Die Partei kennt Lenin als unerbittlichen Revolutionär. Sie weiß aber auch, daß Lenin vorsichtig war, daß er es nicht leiden konnte, wenn jemand über die Stränge schlug, und nicht selten mit fester Hand Terrorliebhabern in die Zügel fiel, darunter auch Trotzki selbst. Trotzki berührt dieses Thema in seinem Buch „Über Lenin".
Seiner Charakteristik zufolge aber würde Lenin so gut wie nichts anderes getan haben, als „bei jeder passenden Gelegenheit den Gedanken von der Unvermeidlichkeit des Terrors einzuhämmern". Es entsteht der Eindruck, als ob Lenin der blutdürstigste aller blutdürstigen Bolschewik! gewesen wäre. Wozu brauchte Trotzki diese überflüssige und durch nichts zu rechtfertigende dicke Auftragung der Farben?
Die Partei kennt Lenin als vorbildliches Parteimitglied, der es nicht liebte, Fragen allein zu entscheiden, ohne ein leitendes Kollegium, auf Anhieb, ohne sorgfältiges Sondieren und Überprüfen. Trotzki kommt in seinem Buch auch auf diese Seite der Sache zu sprechen. Aber was er schildert, ist nicht Lenin, sondern eine Art chinesischer Mandarin, der die wichtigsten Fragen in der Stille seines Arbeitszimmers aus Eingebung entscheidet.
Sie wollen wissen, wie unsere Partei über die Auseinanderjagung der Konstituierenden Versammlung entschied? Hören Sie Trotzki:
„'Selbstverständlich muß die Konstituierende Versammlung auseinandergejagt werden', sagte Lenin, ,aber wie steht es mit den linken Sozialrevolutionären?'
Allein der alte Natanson erfreute uns sehr. Er kam zu uns, um sich ,zu beratschlagen', und meinte gleich bei den ersten Worten: ,Die Konstituierende Versammlung wird wohl doch mit Gewalt auseinandergejagt werden müssen.'
,Bravo!', rief Lenin aus, ,das ist ein wahres Wort! Werden die Ihrigen aber damit einverstanden sein?' »Einige schwanken bei uns, doch glaube ich, daß sie schließlich zustimmen werden', antwortete Natanson."
So wird Geschichte geschrieben. Sie wollen wissen, wie die Partei über die Frage eines Obersten Kriegsrats entschied? Hören Sie Trotzki: „'Ohne seriöse und erfahrene Militärs werden wir aus diesem Chaos nicht herauskommen', sagte ich Wladimir lljitsch jedesmal nach einem Besuch beim Stab. ,Das scheint richtig zu sein. Wenn sie nur nicht Verrat üben...' ,Wir stellen einem jeden einen Kommissar zur Seite.'
,Noch besser zwei Kommissare', rief Lenin aus, ,und zwar Leute, die richtig zupacken können. Es kann doch nicht sein, daß es bei uns keine Kommunisten mit richtigen Fäusten gibt.'
So kam es zum Aufbau des Obersten Kriegsrats."
So schreibt Trotzki Geschichte.
Wozu braucht Trotzki diese Lenin kompromittierenden orientalischen Märchen? Etwa, um den Führer der Partei, W. I. Lenin, zu verherrlichen? Es sieht nicht danach aus.
Die Partei kennt Lenin als größten Marxisten unserer Zeit, als tiefschürfenden Theoretiker und erfahrensten Revolutionär, dem jede Spur von Blanquismus fremd ist. Trotzki kommt in seinem Buch auch auf diese Seite der Sache zu sprechen. Aus seiner Charakteristik aber ersteht nicht der Riese Lenin, sondern ein zwerghafter Blanquist, der der Partei in den Oktobertagen rät, „die Macht mit eigener Hand zu ergreifen unabhängig vom Sowjet und hinter seinem Rücken" Ich habe jedoch schon davon gesprochen, daß die Charakteristik nicht im Geringsten der Wirklichkeit entspricht. Wozu braucht Trotzki diese schreiende Ungenauigkeit? Haben wir es hier nicht mit einem Versuch tun, Lenin „ein klein wenig" zu diffamieren? Das sind die Charakterzüge des neuen Trotzkismus. Weshalb ist der neue Trotzkismus gefährlich? Weil der Trotzkismus seinem ganzen inneren Gehalt nach alle Chancen hat, zum Mittelpunkt und Sammelbecken nichtproletarischer Elemente zu werden, die die Schwächung, die Zersetzung der Diktatur des Proletariats anstreben. Was aber weiter? - wird man fragen. Welches sind die nächsten Aufgaben der Partei angesichts der neue literarischen Ergüsse Trotzkis? Das jetzige Vorgehen des Trotzkismus hat den Zweck, den Bolschewismus zu diffamieren und seine Grundlagen zu untergraben. Die Aufgabe der Partei besteht darin, den Trotzkismus als ideologische Strömung zu begraben. Man spricht von Repressalien gegen die Opposition und von der Möglichkeit einer Spaltung. Das ist Unsinn, Genossen. Unsere Partei ist stark und mächtig. Sie wird keine Spaltungen zulassen. Was die Repressalien anbelangt, so bin ich entschieden dagegen. Nicht Repressalien, sondern einen entfalteten ideologischen Kampf gegen den wiederauflebenden Trotzkismus brauchen wir jetzt. Wir haben diese literarische Diskussion nicht gewollt und nicht angestrebt. Der Trotzkismus zwingt sie uns durch seine antileninistischen Vorstöße auf. Nun, wir sind bereit, Genossen.
Auszug, „Prawda" Nr. 26, 26. November 1924, Gesammelte Werke Bd. 6, S. 31