TROTZ ALLEDEM!
Sozialismus in
Venezuela? Schlaglichter
aus dem „linken Spektrum“!
In den Artikeln „Traum und Wunschtraum Venezuela“, TA Nr. 45 und „Venezuela und der Sozialismus des 20. Jahrhunderts“, TA Nr. 46 haben wir verschiedene Aspekte der Entwicklung in Venezuela analysiert. In der vorliegenden Schrift wollen wir auf die teils höchst unterschiedlichen Bewertungen der venezolanischen Realität durch ‚linke’ Gruppen/Parteien eingehen. Zu Beginn möchten wir klarstellen: Es ist nicht möglich, in einem Artikel alle Parteien, Organisationen oder Gruppen, die sich selbst als links verstehen einzeln zu beleuchten. Wir greifen uns Positionen von einzelnen Organisationen, stellvertretend für unterschiedliche Strömungen heraus: für die reformistisch-revisionistische Ecke stehen die Linke/Linkspartei und die DKP; es folgen einige trotzkistische Gruppen, und als Beispiel für eine sich auf den Marxismus-Leninismus berufende Gruppe der „Rote Oktober“.
„Die Linke“ ist die Partei der Strömung, die in der Vergangenheit den modernen Revisionismus vertrat, sich aber immer mehr der kapitalistischen Ordnung angepasst hat und heute langsam aber sicher als „neue“ sozialdemokratische Partei die SPD verdrängt. Die Linkspartei hat, von den sich als sozialistisch ausgebenden politischen Kräften, den stärksten Einfluss unter den werktätigen Menschen.
Die DKP ist die Partei, die sich auf den ersten Blick von der Linkspartei nicht großartig unterscheidet, aber trotzdem an einigen Punkten anderen Positionen anhängt. Ihre politische Linie ist vom modernen Revisionismus Chrustschowscher Handschrift geprägt. Die DKP ist dieser auch nach der Auflösung/ dem Untergang des so genannten Ostblocks im Großen und Ganzen treu geblieben. Im Gegensatz zur Linkspartei versteht sich die DKP als kommunistisch. Die DKP hat immer noch einen gewissen ideologischen Einfluss bei Menschen, die sich als antikapitalistisch verstehen.
Trotzkisten: Insgesamt ist der Trotzkismus eine kleinbürgerliche Strömung in der linken Bewegung. Aber auch trotzkistische Gruppen/Parteien sind in ihren politischen Positionen recht vielfältig und unter sich zersplittert. Ihre wichtigste Gemeinsamkeit ist der “Anti-Stalinismus”, der in Wirklichkeit Anti-Marxismus-Leninismus ist. Die Trotzkisten haben relativ viel Einfluss auf Menschen im linken, radikalen Spektrum.
Roter Oktober ist eine sich auf den Marxismus-Leninismus berufende und nach unserer Einschätzung revolutionäre Gruppe. Roter Oktober ist, wie wir, eine kleine Gruppe. Der Einfluss innerhalb der linken Bewegung ist sehr begrenzt. In einigen politischen Grundfragen haben wir gleiche Positionen, machen gemeinsame Aktionen und sind in den selben Bündnissen vertreten.
Für eine ideologische Auseinandersetzung der sich auf den Marxismus-Leninismus berufenden Gruppen/Parteien ist es nötig, sich mit der jeweiligen Politik gegenseitig auseinander zu setzen. Ziel dabei ist, von einander zu lernen, Fehler zu erkennen und selbstkritisch zu korrigieren und den gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus, für die sozialistische Revolution in Deutschland, vorwärts zu bringen.
Was geschieht in Venezuela? Auf diese Frage gibt es selbstverständlich aufgrund der völlig verschiedenen politischen Grundlinien dieser Organisationen ganz unterschiedliche Antworten.
Letztendlich geht es darum, welche Politik verteidigt und welcher Weg eingeschlagen wird, damit wir uns tatsächlich von dieser kapitalistischen Barbarei befreien können. Jede Politik, die uns an dieses System bindet – auch wenn sie auf den ersten Blick gut, schön und richtig scheinen würde – ist die falsche und ist gleichzeitig eine Politik, die der herrschenden Kapitalistenklasse dient.
Um internationale Geschehnisse wie in Venezuela auf wissenschaftlicher Basis einschätzen zu können, müssen wir bestimmte Prinzipien als Ausgangspunkte haben. Diese beruhen auf dem Marxismus-Leninismus. Wer über Sozialismus diskutiert und für Sozialismus kämpft, muss von diesen marxistisch-leninistischen Prinzipien ausgehen. Auch die Einschätzung der konkreten Situation muss durch Anwendung von marxistisch-leninistischen Prinzipien erfolgen.
Wenn es also um Sozialismus geht, muss die Wissenschaft über die Befreiung der Arbeiterklasse und aller Werktätigen, das heißt, der Marxismus-Leninismus muss Ausgangspunkt sein. Wer den Marxismus-Leninismus ablehnt oder nicht als Ausgangspunkt nimmt, ist schon gescheitert – so kann keine Politik entwickelt werden, die uns vom Kapitalismus befreien kann.
Ausgehend vom Marxismus-Leninismus muss mindestens die Haltung gegenüber der Mission und der historischen Rolle der Arbeiterklasse, die Führung der Kommunistischen Partei, der notwendige gewaltsame Umsturz des kapitalistischen Systems, die Zerschlagung des bürgerlichen Staates und die Errichtung der Diktatur des Proletariats, die Enteignung des Privateigentums an Produktionsmitteln, die Grundprinzipien von neudemokratischen Revolutionen und ihre Aufgaben zum ausschlaggebenden Maßstab genommen werden.
Wenn wir die Geschehnisse in Venezuela anhand dieser Kriterien analysieren, können wir klar feststellen – und auch mit Zitaten von Chavez belegen –, dass der Ausgangpunkt von Chavez nicht der Marxismus-Leninismus ist. Chavez ist bis zu einem bestimmten Grad Anti-USA’ler aber kein Antiimperialist im eigentlichen Sinne. In Venezuela herrscht das kapitalistische System. Die Bourgeoisie ist an der Macht. Es gab weder eine demokratische, geschweige denn eine sozialistische Revolution. Chavez lehnt auch die Mission und die historische Rolle der Arbeiterklasse ab. Chavez lehnt auch ganz klar die Diktatur des Proletariats ab. Es gibt keine Enteignung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, es gibt keine entschädigungslose Vergesellschaft des Großgrundbesitzes, das Ausbeutungssystem existiert ... usw. usf.
Wer unter diesen Umständen sagt oder die Meinung verbreitet, dass in Venezuela eine sozialistische Regierung oder ein sozialistischer Präsident die politische Macht in Händen hält, oder ein Übergangsprozess zum Sozialismus im Gange ist; lügt entweder gezielt um das Bewusstsein der Werktätigen zu trüben oder hat von Sozialismus keine Ahnung. Auf jeden Fall dient solch eine Politik nur den kapitalistischen Herrschern und ihrem System.
Wer behauptet, dass Chavez antiimperialistisch ist, trübt auch das Bewusstsein der Werktätigen, was genauso falsch ist, wie wenn jemand behauptet, dass in Venezuela eine demokratische Revolution stattgefunden hat.
Ja, es geht um Sozialismus. Es geht um die Befreiung der Arbeiterklasse und der Werktätigen von dem Joch des kapitalistischen Systems und der kapitalistischen Ausbeutung. Es geht um den gewaltsamen Umsturz des kapitalistischen Systems. Es geht um die Enteignung des Privateigentums an den Produktionsmitteln. Es geht um die Zerschlagung des bürgerlichen Staates. Es geht um die Macht der Arbeiterklasse und die Errichtung der Diktatur des Proletariats. Es geht darum, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung, eine klassenlose Gesellschaft zu schaffen.
Die neuste Nachricht über die Bewertung Venezuelas durch die Linkspartei stand am 31. März 2008 in der Tageszeitung „Junge Welt“. Demnach hat Lafontaine sich „positiv auf die ‘bolivarische Revolution’ bezogen”. Es werden „zunehmende Kontakte mit Caracas” aufgenommen. Lucia Schnell von Die Linke wird zitiert: „Das ist schließlich nicht nur die Linie Oskar Lafontaines, sondern der gesamten Partei.” Entsprechend wird geplant beim nächsten Bundesparteitag, „Die Solidarität mit Venezuela” zu bekräftigen.
Lafontaine hatte schon einmal in bürgerlichen Zeitungen für Schlagzeilen gesorgt, als er gegenüber Westerwelle (FDP) Chavez und Morales (Bolivien) „verteidigte”… Lafontaine schrieb in „Welt online” im Juli 2007: „Es geht uns nicht darum, die neuen fortschrittlichen sozialistischen Regierungen wie in Venezuela oder Bolivien als Vorbild für Europa hinzustellen. Zu unterschiedlich sind die sozialen und wirtschaftlichen Ausgangslagen.”
Oskarchen schätzt also die Regierungen von Chavez und Morales als „fortschrittlich” und „sozialistisch” ein, auch wenn er sich insofern distanziert, dass er sie nicht für Europa zum Vorbild nehmen mag. Bereits auf dem Gründungsparteitag der Linkspartei (Mitte Juni 2007) hat Lafontaine in einer Rede verkündet: „Wir wollen mitwirken am Aufbau des Sozialismus des 21. Jahrhunderts und unterstützen die Sozialismus-Versuche in Südamerika. Sie geben uns Hoffnung in Europa und in aller Welt!”
Sahra Wagenknecht – wir kennen sie ja als „Marxistische Opposition” in der Linkspartei – Mitglied des Europäischen Parlaments (EP), preist die venezolanische Regierung so an: „Eine Regierung, die immer wieder ein überwältigendes Votum der Bevölkerung erhalten hat, eine Regierung die den Kampf gegen Armut und Ausbeutung in ihrem Land ernsthaft verfolgt – im Unterschied zu den meisten europäischen Regierungen, die mit ihrer neoliberalen Agenda die Kluft zwischen Oben und Unten immer weiter vergrößern. (…) Statt sich arrogant in die Angelegenheiten venezolanischer Medienpolitik einzumischen, wäre es weit eher angebracht, sich an dem demokratischen und sozialen Anspruch der bolivarischen Revolution ein Beispiel zu nehmen. Alternativen zum Neoliberalismus sind auch in Europa möglich!” (Rede im EP, 24.5.2007)
Das kommt nicht von ungefähr. In der Partei DIE LINKE gibt es verschiedene politische Strömungen – von Sozialdemokraten bis Trotzkisten. Klar, dass sich diese auch in unterschiedlichen Haltungen gegenüber Venezuela äußern. Die Führung der Partei zeigt Solidarität zu Venezuela, aber auf der Basis sozialdemokratischen Inhalts, auch wenn die Rede von „Sozialismus” ist.
Das ist die politische Grundposition, die die gesamte Politik der Linkspartei prägt. Sie vertreten ja den sogenannten „demokratischen Sozialismus”. Und dieser passt auch relativ gut zur Politik von Chavez. Wie wollen sie diesen „demokratischen Sozialismus” erreichen? Ohne gewaltsamen Umsturz des kapitalistischen Systems, ohne Enteignung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, ohne Zerschlagung des bürgerlichen Staates, ohne Errichtung der Diktatur des Proletariats über die Bourgeoisie. Stattdessen soll ein „Macht-/Systemwechsel“ über den parlamentarischen Weg, die Mehrheit im Parlament, die Übernahme des bürgerlichen Staates, durch Basisorganisierung verlaufen… So als hätte es die bitteren und blutigen Erfahrungen der Arbeiterbewegung mit dem „demokratischen Sozialismus“ Allendes in Chile nie gegeben!
Der Studierendenverband der Linken, Die LINKE.SDS (SDS steht für Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband) beschäftigt sich intensiv mit den Entwicklungen in Venezuela, organisiert Diskussionsveranstaltungen hauptsächlich unter Studenten oder Reisen nach Venezuela. Bei der Gründungskonferenz 4. – 6. Mai 2007 in Frankfurt am Main beschloss DIE LINKE.SDS folgenden Antrag: „Der (Verband) erklärt sich solidarisch mit dem bolivarischen Prozess in Venezuela und wirkt darauf hin, nach Kräften die Entwicklungen und Hintergründe dieses Prozesses auch in der BRD durch Veranstaltungen verschiedener Art bekannt zu machen.” (Gründungskonferenz, Antragnummer D11.) Der wichtigste Gedanke von DIE LINKE.SDS, der den Hintergrund dieses Beschlusses darstellt, kommt im ersten Absatz der Begründung vor:
„In ganz Lateinamerika gewinnen derzeit demokratisch-sozialistische, von breiten Bevölkerungskreisen getragene Bewegungen an Einfluss. Die große Mehrheit der Regierungen in Südamerika verfolgt das Ziel, das gescheiterte neoliberale Entwicklungsmodell zu überwinden und den militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss insbesondere der USA zurückzudrängen. In den Regierungen von Venezuela, Bolivien, Ecuador und mit Einschränkungen Nicaragua steht der Übergang zum Sozialismus auf der Tagesordnung.” (Hervorhebung von uns)
Hier wird maßlos übertrieben. Den Regierungen von Venezuela, Bolivien, Ecuador oder Nicaragua wird etwas unterstellt, was sie selbst für sich heute nicht auf der Tagesordnung sehen: der Übergang zum Sozialismus. Das ist nicht nur eine falsche Einschätzung der konkreten aktuellen Situation, sondern auch eine Verfälschung der Tatsachen. Aber solch eine politische Haltung passt zur Politik des „demokratischen Sozialismus”.
DIE LINKE.SDS gibt auch vor, den “bolivarianischen Prozess” kritisch zu betrachten. Das sieht so aus:
„Bei all diesen positiven Ansätzen darf nicht in Vergessenheit geraten, dass Venezuela weiterhin ein Schwellenland ist, wirtschaftlich, administrativ, technologisch und wissenschaftlich erhebliche Defizite aufweist. Die Versuche, einen demokratischen Sozialismus aufzubauen und bestehende Entwicklungshindernisse zu überwinden, können daher durch konkrete Unterstützung durch WissenschafterInnen und akademisch sowie technisch ausgebildete Kräfte aus den Industrieländern erheblich unterstützt werden – soweit diese Hilfestellung sich solidarisch in die Erfordernisse einordnet und sich nicht durch Besserwisserei auszeichnet.” (a.a.O.) DIE LINKE.SDS hat auf der Basis des Beschlusses der Gründungskonferenz eine „bundesweite Venezuela AG” konstituiert und auch Ende Februar / Anfang März 2008, eine Reise nach Venezuela organisiert. Bei der Reise waren auch Bundestagsabgeordnete von der Linkspartei dabei. Für diese Reise wurde ein Reader „Die Linke.SDS goes Venezuela“ auf deutsch und englisch zusammengestellt. Im Vorwort wird gesagt: „Vor allem wollen wir darstellen, dass es reale Alternativen zum Kapitalismus gibt, und das auch schon Hier und Jetzt.” (Die linke.SDS goes Venezuela, Der Reader zur Reise, Seite 3) Schlussfolgerung ist also, ohne das ausführlich zu kommentieren: die Entwicklungen in Venezuela werden als Alternative zum Kapitalismus propagiert. Das zeigt uns natürlich gleichzeitig was DIE LINKE.SDS als Alternative zum Kapitalismus versteht.
Als Ziel der Reise wird unter anderem benannt: „Ziel der Reise ist es, die Entwicklungen in Venezuela genauer kennenzulernen, die enormen Fortschritte aber auch die Probleme beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft.” (aus internet, venezuela.linke-sds.org, “Meet the Revolution…”)
Auch hier geht DIE LINKE.SDS von einem „Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft” aus. Im Vorfeld betonte Erik Richter von DIE LINKE.SDS (TU Dresden): „Wir hoffen, dass unsere Erlebnisse und Erfahrungen in Venezuela auch der LINKEN in Deutschland Inspiration und Mut im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft geben.” (venezuela.linke-sds.org)
Kurz gesagt Die Linke und ihr Studierenderverband SDS schätzen die Entwicklung in Venezuela als „Kampf für Sozialismus” oder „Übergang zur sozialistischen Gesellschaft” ein. Sie stehen der „Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas“ (PSUV) von Chavez näher als der Kommunistische Partei Venezuelas (PCV). Die Haltung von Die Linke ist eine reformistische Haltung, die es nicht einmal verdient, dass wir sie als „modernen Revisionismus” bezeichnen. Sie sind also nur „wahre Sozialdemokraten“, die noch von oder über den Sozialismus reden. Die Rolle des modernen Revisionisten, hat die DKP.
Mit der Überschrift „Zur Internationalen Tätigkeit der DKP” beschloss die DKP auf ihrem 18. Parteitag, der am 23. – 24. Februar 2008 stattfand, einen Antrag. In diesem schätzt die DKP Kuba und Vietnam als „sozialistische Länder” ein. Die DKP hat u.a. auch Beziehungen mit der KP China. Beschluss vom 18. Parteitag: „Die DKP wird die kontinuierliche Zusammenarbeit mit der KP China fortsetzen.” Allein diese kurze Darstellung des Beschlusses zeigt, dass die DKP mit dem wissenschaftliche Sozialismus – außer einigen Begrifflichkeiten – nichts zu tun hat. Der moderne Revisionismus passt sich der konkreten Lage an. Eigentlich ist es für eine Partei, deren politische Linie von der entarteten KPdSU und SED bestimmt ist, nicht normal mit der KP China zusammenzuarbeiten. Das ist eigentlich nur möglich geworden, weil auch die KP China selbst entartet ist.
In diesem Beschluss wird auch zu Venezuela Stellung genommen: „Weiter entwickelt wird die antiimperialistische Solidarität mit Venezuela. Wir pflegen die guten Beziehungen zu staatlichen Institutionen und zur Botschaft der Republik Venezuela. Kernpunkt bleibt die Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei Venezuelas.” (Beschluss 18. Parteitag, „Zur Internationalen Tätigkeit der DKP”) Ja, die DKP pflegt „die guten Beziehungen zu staatlichen Institutionen” von Venezuela, aber der „Kernpunkt bleibt die Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV)“. Ihre Position gegenüber der “bolivarianischen Revolution” ist im Wesentlichen die gleiche wie die der PCV. Als revisionistische Parteien passen DKP und PCV wirklich gut zusammen. In „Unsere Zeit - Zeitung der DKP” schreiben hauptsächlich Andre Scheer, Mirko Knoche und Günter Pohl öfter über die Entwicklungen in Venezuela. Deren Einschätzungen spiegelt die Haltung der DKP wider. Sie propagieren auch die Politik von PCV.
Die DKP hat das Referendum über die Verfassungsänderung unterstützt. In einem ihrer Flugblätter mit der Unterschrift „Aktionsbündnis für Venezuela Berlin“ wird gesagt: „Wir sagen JA zum Sozialismus! In zahlreichen Artikeln der Verfassung wird nach der Reform auf eine sozialistische, antiimperialistische, humanistische Gesellschaftsordnung Bezug genommen. Wir unterstützen den Weg Venezuelas, sich von kapitalistischer Ausbeutung und imperialistischer Unterdrückung zu befreien und einen eigenen Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft zu gehen.” (www.venezuela-berlin.de) Dieses Zitat ist ein Beispiel für die gleichzeitig reformistische, revisionistische und opportunistische Haltung. Es wird, JA zum Sozialismus gesagt. Wie schön! Wir sagen auch JA zum Sozialismus! Was versteht man/frau aber unter Sozialismus? Gibt es in Venezuela Sozialismus? Kann Sozialismus mit „zahlreichen Artikeln” in der Verfassung geschaffen werden, die nur „Bezug” nehmen auf eine sozialistische Gesellschaftsordnung? Kann Sozialismus überhaupt durch eine Verfassung von oben geschaffen werden? So wird das Bewusstsein der Werktätigen getrübt und Illusionen über einen „friedlichen Übergang zum Sozialismus” verbreitet.
Es wird „der Weg Venezuelas” in diesem Sinne – also JA zum Sozialismus– unterstützt. Welchen Weg aber geht Venezuela eigentlich? Was für ein Weg ist das? Angeblich ist es ein Weg, „sich von kapitalistischer Ausbeutung” zu befreien, einen „eigenen Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft zu gehen.” Das ist reine Lüge. Weder Chavez noch seine Anhänger wollen die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, der Arbeiterinnen und Werktätigen durch die Bourgeoisie abschaffen. Eine Politik, oder ein Weg, der nicht das Ziel hat, die Ausbeutung abzuschaffen – geschweige denn die Zerschlagung des bürgerlichen Staates –, kann auch nicht zu einer sozialistischen Gesellschaft führen. Der Reformismus wird durch Fälschung der Tatsachen gestärkt und ein kapitalistischer Weg wird als sozialistischer verkauft. Der tatsächlich notwendige Kampf für Sozialismus wird einer Politik für einen „sozialen Kapitalismus” geopfert.
Der Präsident der PCV, Jeronimo Carrera: “In der Essenz wird der venezolanische Sozialismus die Züge des im 19. Jahrhundert erdachten Sozialismus haben, außer, dass er von venezolanischer Machart sein wird.” (Unsere Zeit, 28. Juli 2006) So wird der Sozialismus nationalisiert… Es ist richtig, dass in jedem Land nicht derselbe Weg gegangen werden kann. Aber dadurch ändert sich der Sozialismus nicht. Mit der „Nationalisierung” des Sozialismus werden in Wirklichkeit grundlegende Prinzipien des Marxismus-Leninismus abgelehnt. Wenn es um Sozialismus geht, kann man keine Politik machen ohne vom Marxismus zu reden. Den Leninismus lehnen sie noch offener ab als den Marxismus. Deswegen redet auch Carrera über das 19. Jahrhundert aber nicht vom 20. Jahrhundert. Sie tun so, als ob… In Wahrheit lehnen sie den Marxismus-Leninismus überhaupt als ganzes ab. Moderne Revisionisten sind letztendlich mit sozialistischen Worten bedeckte Sozialdemokraten. Deswegen ist es nicht unverständlich, dass die PCV die Politik von Chavez unterstützt. So wie die DKP oder die Linkspartei, ist die PCV mit der „Chavez-Partei“ befreundet! Die „Chavez-Partei“, PSUV nennt sich sozialistisch wie die Linkspartei und die PCV nennt sich kommunistisch wie die DKP.
Für die PCV und auch für die DKP findet in Venezuela eine Revolution statt. Nach dem Referendum über die Verfassungsänderung – die mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde – sagte der Generalsekretär der PCV, Oscar Figuera: „Das zeigt (gemeint sind die, über 4 Millionen Stimmen bei dem Referendum. A.d.V.), dass die Revolution einen aufsteigenden Kurs verfolgt und der Weg der richtige ist.” (Unsere Zeit, 7. Dezember 2007)
Wenn der Weg der richtige ist, stellt sich die Frage, warum die PCV nicht in die PSUV ging? Warum löst sie sich nicht auf? „Unsere Zeit”-Autor Scheer schreibt am Ende dieses Artikels: „Der sozialistische Kurs der Bolivarianischen Revolution steht also auch nach dieser Niederlage nicht in Frage.” (ebenda) Wie schön! Scheer schreibt auch: „Mit einer hauchdünnen Mehrheit von 50,7 zu 49,3 Prozent konnten sich die Gegner der von Präsident Hugo Chavez vorgeschlagenen Verfassungsreform durchsetzen und dadurch vorläufig verhindern, dass sich Venezuela offiziell zu einem sozialistischen Staat erklärt.” (ebenda)
Wie das zu bewerten ist? Scheer ist ein treuer Verteidiger der Politik des modernen Revisionismus: über parlamentarische Mehrheit zum friedlichen Übergang zum Sozialismus! Wenn das Referendum umgekehrt ausgegangen wäre und Chavez Venezuela offiziell zu einem sozialistischen Staat erklärt hätte, wäre Venezuela dann sozialistisch? Die DKP nennt sich kommunistisch, ist sie es aber wirklich? Genauso wie die PCV rennt auch die DKP hinter Chavez her: Der Schwanz wedelt den Hund!
Die Jugendorganisation der DKP, die SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend), hat entsprechend der Politik der DKP mit der Jugendorganisation der PCV, JCV (Kommunistischen Jugendverband Venezuelas) eine enge Zusammenarbeit. Die SDAJ erklärt: „Das revolutionäre Venezuela ist neben dem sozialistischen Kuba der Schwerpunkt unserer Solidaritätsarbeit.” (info@sdaj-netz.de)
„Viva Venezuela” und „Solidarität mit der bolivarianischen Revolution in Venezuela” sind die Parolen ihrer Unterstützung. Die SDAJ schätzt die Stimmen, die Chavez bei den Wahlen bekommen hat als „Stimmen für die Revolution” ein. In der Überschrift eines nach den Wahlen im Dezember 2006 veröffentlichten Flugblattes hieß es: „6,5 Millionen Stimmen für die Revolution”. Und weiter: „Der Diskussion um den Aufbau des Sozialismus können nach der Wahl im Dezember nun Taten folgen. Erste Maßnahme soll die Gründung einer einheitlichen Partei sein. Die sozialistische Einheitspartei Venezuelas (PSUV) soll die politischen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um die nationale Unabhängigkeit zu sichern und die Aufgaben der Zukunft, den Aufbau des Sozialismus, zu meistern. Voraussetzung dafür ist allerdings ein klares revolutionäres Programm und eine dementsprechende Organisationsstruktur.” (ebenda, siehe auch „Zeitung zum 1 Mai 2007 in Stuttgart”, S. 16)
Die SDAJ dreht die Tatsachen um und erzählt uns, dass in Venezuela Taten zum Aufbau des Sozialismus folgen werden. Was die SDAJ unter revolutionär versteht, ist Reformismus. Daran kann auch ihre Anmerkung zum „revolutionären Programm“ nichts ändern. Sie schüren hier auch Illusionen, dass die PSUV ein revolutionäres Programm haben würde. Wenn wir die Entwicklungen in Venezuela verfolgen, können wir sagen, dass die Partei, die PSUV die von Chavez inspiriert wurde, kein revolutionäres Programm hat. Ein revolutionäres Programm in Venezuela muss mindestens die Enteignung des Privateigentums über die Produktionsmittel und die Enteignung von Großgrundbesitzerland beinhalten. Und das ist nicht als kapitalistische Verstaatlichung eines bestehenden bürgerlichen Staats zu verstehen, sondern als Folge des gewaltsamen Umsturzes des bürgerlichen Staates und der Errichtung der Macht der Arbeiter und armen Bauern, die den Aufbau des Sozialismus vorantreiben kann.
Die SDAJ vertritt auch den Gedanken: „In der momentanen Situation ist Venezuela der Garant für den Ausbau des Sozialismus auf der Karibikinsel.” (www.sdaj-online. de /viva-venezuela) Und der JCV schätzt die Entwicklung in Venezuela so ein: „Die Bolivarische Revolution ist auf dem Weg zum wissenschaftlichen Sozialismus. Daher verschärfen sich die Widersprüche, sowohl die äußeren wie die inneren. Im Moment schulen wir das Volk ideologisch, um den Prozess vor jedem Konterrevolutions-Szenario zu schützen. Wir brauchen die aktive Solidarität unserer Genossen auf der ganzen Welt, sonst sind wir zum Scheitern verurteilt.” (Unsere Zeit, 28. Oktober 2005)
Es gibt einen Tipp, wenn man/frau irgendwas nicht ganz verstanden hat: “Zwischen den Zeilen Lesen”! Ja, wenn wir diesem Tipp folgen, wird hier gesagt, dass der JCV sich als einen Teil des Prozesses versteht. Also ist der von Chavez eingeschlagene Weg der gleiche Weg wie der des JCV. Und dies wird als „Weg zum wissenschaftlichen Sozialismus” verkauft. So wird eine Wirrnis nach der anderen verbreitet. Weil der Prozess in Venezuela von der Chavez-Politik bestimmt wird und weil Chavez selbst und ganz offen den Marxismus-Leninismus ablehnt; indem Chavez, Marx’ „eurozentristische Sichtweise” kritisiert und für sich ablehnt Marxist zu sein, und stattdessen einem „christlich bolivarianischen Sozialismus” anhängt, sind die Einschätzungen von SDAJ und JCV, dass in Venezuela der Aufbau des Sozialismus im vollen Gange ist, grundlegend falsch.
DKP und SDAJ sind Vertreter einer Politik, die uns nicht vom Joch des Kapitalismus befreien kann. Auch die DKP und SDAJ sind wie Linkspartei reformistisch. Das bedeutet auf Venezuela übertragen, dass die Politik von PCV und JCV die Arbeiterklasse und die Werktätigen in Venezuela nicht zur Befreiung vom Joch des Kapitalismus führt. Das Bewusstsein der Arbeiterklasse und der Werktätigen werden durch diese Politik getrübt und das dient letztendlich dem Fortbestehen des kapitalistischen Systems. Es wäre gut wenn die DKP sich mit der Linkspartei und die PCV sich mit der PSUV vereinen würden. Dann hätten es die wirklichen Revolutionäre und Kommunisten leichter, die Arbeiter und Werktätigen zu überzeugen.
TROTZKISTEN…
Wie schon erwähnt gibt es verschiedenste trotzkistische Gruppierungen, die untereinander zersplittert sind. Fast alle trotzkistischen Gruppe oder Organisationen in Deutschland sind mit einer „Internationalen” trotzkistischen Organisation verbunden. Zum Beispiel: SAV mit dem Komitee für eine Arbeiterinternationale; Bolschewik mit der Internationalen Bolschewistischen Tendenz; Spartakist mit der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationale); Revolutionär Sozialistischer Bund-RSB mit der IV. Internationale; Arbeitermacht und Revolution mit der Liga für die Fünfte Internationale.
Eine Grundposition der wortradikal „revolutionären” AnhängerInnen ist, dass das kapitalistische System und der bürgerliche Staat durch die sozialistische Revolution zerschlagen werden soll. Aber ihre konkrete, aktuelle Politik ist reformistisch. Zum Beispiel Spartakist: Sie verteidigen den „Sturz des Kapitalismus” und die „sozialistische Revolution”. Aber sie treten ein für eine Politik zur Verteidigung Chinas, Vietnams, Nordkoreas und Kubas. „Verteidigt die verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten China, Vietnam, Nordkorea und Kuba gegen imperialistische Bedrohung und innere Konterrevolution.” (Flugblatt von Spartakist-Jugend, Mai 2007) Wortradikal gegenüber System und Staat, aber gleichzeitig hinter der Bewegung hertraben. Eine typische Eigenschaft von Trotzkisten… Letztendlich, wenn sie auch wortradikal sind, können sich mit dieser Politik die Werktätigen und die Arbeiterklasse vom Joch des Kapitalismus nicht befreien.
Trotz aller Unterschiede haben viele trotzkistische Organisationen einen gemeinsamen Nenner gegenüber Chavez und Venezuela: Chavez und seine Macht wird mit dem „Bonapartismus“ verglichen und er als „Semibonapartist” oder „Linksbonapartist” eingeschätzt. Bonapartismus wird in Wilhelm Liebknechts Volksfremdwörterbuch so erklärt: „Bonapartismus, bürgerlich, politische Strömung, die auf der Wiedererrichtung der Dynastie der Bonapartes in Frankreich hinarbeitete; hat ihre Bedeutung verloren; System der bürgerlichen Politik, besteht in dem ‘Lavieren der sich auf das Militär (auf die übelsten Elemente des Heeres) stützenden Staatsgewalt zwischen den feindlichen Klassen und Kräften, die sich gleichzeitig mehr oder weniger die Waage halten’ (Lenin), wobei sie sich ständig für die Verteidigung der Interessen der Ausbeuterklassen einsetzt. ‘Als Bonapartismus (nach dem Namen der zwei französischen Kaiser Bonaparte) wird eine Regierung bezeichnet, die bemüht ist, unparteilich zu erscheinen, und sich dabei den heftigen gegenseitigen Kampf der bürgerlichen und Arbeiterparteien zunutze macht. Da eine derartige Regierung in Wirklichkeit den Kapitalisten dient, betrügt sie die Arbeiter mit Versprechungen und kleinen Almosen.’ (Lenin)” (Wilhelm Liebknechts Volksfremdwörterbuch, Seite 41. Zum besseren Verständnis haben wir die Abkürzungen des Wörterbuchs ausgeschrieben, A.d.V,)
Die Trotzkisten, die Chavez als „Bonaparte von Venezuela” oder “Semibonapartist” bezeichnen, bestreiten logischerweise, dass es in Venezuela eine sozialistische Regierung gibt, oder der Übergang zum Sozialismus im Gange ist.
ZWEI BEISPIELE…
a) SAV – Sozialistische Alternative
Die SAV ist Mitglied vom „Komitee für eine Arbeiterinternationale” (CWI) und veröffentlichen Artikel, die von Mitarbeitern des CWI geschrieben sind. Ein Autor ist Karl Debbaut, der hauptsächlich aus London schreibt. Seine Artikel, die auf der Website der SAV und in deren Magazin veröffentlicht werden, spiegeln die Haltung von SAV über Venezuela und Chavez wider. Sie sind teilweise radikaler als Positionen von SAV-AutorInnen aus Deutschland. Sie reden vom „Umsturz des Kapitalismus” und auch von der „sozialistischen Revolution”. Aber wie soll der Kapitalismus gestürzt werden? In Wirklichkeit tasten sie die Zerschlagung des bürgerlichen Staates nicht mal an. Daher ist es wichtig uns auf diese Haltung zu konzentrieren. Weil der Reformismus der SAV sich nicht darin zeigt, dass sie nicht von Revolution oder Umsturz des Kapitalismus reden, sondern darin, dass sie nicht die Zerschlagung des bürgerlichen Staates fordern. Eher verteidigen sie die Verstaatlichung, Arbeiterkontrolle, Arbeiterdemokratie und eine demokratisch organisierte Wirtschaft. Dies alles sieht auf den ersten Blick gut aus.
Nach SAV (auch CWI) gibt es in Venezuela einen „revolutionären Prozess”, der zu vollenden ist. Wie das gemacht werden soll, erklärt uns Karl Debbaut: „Die Arbeiterklasse im Bündnis mit der Stadt- und Landarmut muss mobilisieren und eine Regierung der ArbeiterInnen und Armen fordern, um die venezolanische Revolution zu vollenden und sie wirklich sozialistisch zu machen als ersten Schritt zur Verbreitung der sozialistischen Revolution in andere Länder von Lateinamerika.” (www.sozialismus.info, 20. Juli 2007)
Dieses Zitat zeigt wie CWI und SAV „den Kapitalismus zu stürzen und den Aufbau des Sozialismus zu beginnen” (selbe Stelle) denken: Die Arbeiterklasse soll ein Bündnis mit der Armut, also mit den Armen mobilisieren und deren Regierung einfordern. Wenn die Arbeiterklasse das bekommen hat, dann ist die „venezolanische Revolution” vollendet und kann „wirklich sozialistisch” gemacht werden. Karl Debbaut schreibt auch: „Die Schaffung von wirklich offenen und demokratischen Medien kann nicht von der Hauptaufgabe getrennt werden, vor der die Arbeiterklasse steht. Dies ist die Schaffung einer verstaatlichten Wirtschaft unter der demokratischen Kontrolle und Verwaltung der Arbeiterklasse, und ein echtes System von Arbeiterdemokratie. Dies sollte Teil eines ausgearbeiteten landesweiten Plans zur vollen Entwicklung und Verwendung der Produktivkräfte mit dem Ziel der Befriedigung der Bedürfnnisse der Bevölkerung sein. Bedauerlicherweise ist das nicht das, was die Chavez-Regierung gemacht oder als Programm für die Zukunft aufgestellt hat.” (ebenda) So wird die Hauptaufgabe der Arbeiterklasse gestellt und weil es von der Chavez-Regierung nicht so gemacht wurde, sind diese Trotzkisten enttäuscht…
Auf dieser Basis der Enttäuschung kritisieren sie Chavez. Chavez soll nicht auf halber Strecke stehen bleiben. Er soll mit der Verstaatlichung weiter machen und die Bereiche unter die Kontrolle der Arbeiter stellen. Sie sind enttäuscht weil sie große Erwartungen an Chavez haben. Sie sind aber glücklich, dass Chavez Bezug auf den Sozialismus genommen und Trotzki zitiert hat. Dieses “Glück” und diese Enttäuschung zeigen sich auch so: „Nach den Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2006 machte die Chavez-Regierung eine Wendung nach links, verstärkte die Botschaft des Sozialismus und verstaatlichte die Telekommunikationsgesellschaft CANTV und den Stromkonzern ‘Electricidad de Caracas’. Chavez sprach auch über permanente Revolution und zitierte Trotzki. Wir applaudierten diesen Schritten wiesen aber darauf hin, dass es notwendig war, die Hauptsektoren der Wirtschaft zu verstaatlichen und unter Arbeiterkontrolle zu stellen und mit der Ausarbeitung eines demokratischen Produktionsplans zu beginnen, damit diese Verstaatlichungen eine Wirkung haben. Dies geschah nicht.” (Debbaut, 6.12.2007) Also sind SAV und CWI kritische Unterstützer von Chavez, die auch von Chavez enttäuscht wurden… Da haben sie ihre Hoffnung fast verloren als Chavez das Referendum über die Verfassungsänderung verloren hat. Debbaut gibt als Antwort was zu tun ist: „Die Arbeiterklasse muss ihre eigenen unabhängigen Forderungen aufstellen und ihre eigenen Organisationen aufbauen, die sie und die Reformen der Regierung verteidigen können. Es kann keinen Sozialismus ohne die Verstaatlichung der Kommandohöhen der Wirtschaft und ihre Unterstellung unter Arbeiterkontrolle und -verwaltung geben. Es kann keinen Sozialismus ohne Arbeiterdemokratie geben. Dieser Rückschlag zeigt, dass es die Arbeiterklasse und ihre Organisationen sind, die die Schlüsselrolle dabei spielen müssen, die Reaktion zu besiegen und den Sozialismus aufzubauen.” (ebenda)
Sozialismus, Arbeiterkontrolle, -verwaltung und -demokratie… Hört sich alles gut an. In Wirklichkeit bedeutet diese Haltung Unterstützung Chavez’ von „links” und Reformismus. Die Arbeiterklasse wird als „linke” Stütze der Chavez-Regierung mobilisiert. Chavez-Gegner werden pauschal als Reaktion, Konterrevolution und Pro-USA dargestellt und die Aufgabe diese Reaktion zu besiegen wird der Arbeiterklasse übertragen. Aber die Arbeiterklasse wird nicht gegen die bürgerliche Macht von Chavez und nicht für die Zerschlagung des bürgerlichen Staates mobilisiert.
Unter Arbeiterdemokratie verstehen sie etwas anderes als sozialistische Demokratie oder proletarische Demokratie. Sozialistische Demokratie ist erst möglich, wenn die Arbeiterklasse den bürgerlichen Staat zerschlagen und Diktatur des Proletariats errichtet hat. Also „Arbeiterkontrolle” der Arbeiterklasse als Klasse an der Macht und sozialistische Demokratie unter Diktatur des Proletariats.
Durch Übernahme der Kontrolle des staatskapitalistischen Eigentums und der staatskapitalistischen Produktionsweise kann keine „Arbeiterdemokratie” verwirklicht werden. Aber CWI und SAV sind genau dieser Meinung: „Echte Arbeiterdemokratie kann nur durch Teilhabe der Massen am politischen Entwicklungsprozess erreicht werden. Und dahin muss die Reise gehen: Es müssen rasch Instrumente eingeführt werden, um die Wirtschaft und die Rohstoffe zu kontrollieren, sie zu verwalten und planvoll zu gestalten.” (Debbaut, 2.11.2005)
Über „Arbeiterkontrolle” schreibt Debbaut: „Arbeiterkontrolle bedeutet, dass gewählte VertreterInnen der ArbeiterInnen die vollständige Kontrolle über Einstellungen und Entlassungen, über Löhne und die tägliche Leitung der Betriebe erlangen. Um Korruption zu bekämpfen, müssten Maßnahmen ergriffen werden, die Löhne von Managern zu begrenzen und Manager und Vorgesetzte sollten außerdem wähl- und abwählbar sein. Letztlich müssen die verstaatlichten Betriebe Teil eines größeren nationalen Produktionsplans sein, um die wirtschaftlichen Kapazitäten vollständig auszuschöpfen. (…) Auf der Basis von Arbeiterkontrolle und -verwaltung der Schlüsselbereiche der Wirtschaft wäre es möglich, sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt zu planen.” (Debbaut, 15.2.2007)
So wird die Arbeiterklasse im Namen der „Arbeiterkontrolle” zum Diener des kapitalistischen Systems gemacht. Der „soziale und wirtschaftliche Fortschritt” könnte damit vielleicht geplant werden, der Sozialismus aber wird so nicht erreicht.
Die „demokratisch geplante Wirtschaft”, natürlich unter den Bedingungen des kapitalistischen Systems und der kapitalistischen Produktionsweise wird so propagiert: „Eine demokratisch geplante Wirtschaft könnte endlich damit beginnen, die venezolanische Gesellschaft und die Leben von Millionen ArbeiterInnen und Armen radikal, also von der Wurzel an zu verändern. Ein solches Vorgehen hätte einen elektrisierenden Effekt auf gesamt Lateinamerika und würde eine neue Sprache vom Sozialismus verbreiten. Eine von sozialem und wirtschaftlichem Fortschritt gekennzeichnete Sprache, die sich in der Anzahl neu errichteter Wohnungen, in Tonnen verteilter Lebensmittel, in neuen Arbeitsplätzen und damit auch in gesicherten, demokratischen Verhältnissen ausdrücken würde. Das ist dann der Garant für eine Verteidigung der venezolanischen Revolution im Inland wie auch im Ausland.” (Debbaut, 2.11.2005)
Die gesamte Haltung von SAV und CWI gegenüber Venezuela und Chavez dreht sich in diesem Kreis – Arbeiterkontrolle, Arbeiterdemokratie und demokratisch geplante Wirtschaft – aber alles schön im Rahmen des bestehenden bürgerlichen Systems. Dies alles zeigt uns, dass die SAV eine reformistische Haltung hat.
b) REVOLUTION
„Revolution“ nennt sich eine unabhängige kommunistische Jugendorganisation. Sie ist Partnerorganisation der „Liga für die 5. Internationale” und der „Gruppe Arbeitermacht”. Allgemein vertreten sie, dass um den Sozialismus zu erreichen, die Zerschlagung des kapitalistischen Staates notwendig ist. Wenn wir die Stellungnahmen der „Liga für die 5. Internationale” und anderer Partnergruppen und -organisationen über Venezuela und Chavez ansehen, können wir sagen, dass die Haltung von „Revolution“ eine der schwammigsten ist. Ihre Haltung schwimmt zwischen dem Hafen des Wortradikalismus und Reformismus hin und her. Trotzdem unterscheiden sie sich von der SAV dadurch, indem sie sich gegen den parlamentarischen Übergang zum Sozialismus aussprechen. „Revolution“ hat Anfang dieses Jahres eine Broschüre mit dem Titel „Wohin geht Venezuela?” herausgegeben. Im Vorwort heißt es: „Wir hatten schon wertvolle Diskussionen über Venezuela und wir werden sie sicherlich nicht damit beenden, dass wir jetzt mit dieser Broschüre eine ‘unfehlbare Linie’ festlegen.” („Wohin geht Venezuela“, Seite 2)
Das stellt sich als Bescheidenheit dar, ist aber in Wirklichkeit auch Ausdruck ihrer Unklarheiten über Venezuela und Chavez. Deswegen sind sie auch so schwammig in ihren politischen Äußerungen. Sie stellen richtig fest, dass es in Venezuela keinen Sozialismus gibt. Sie stellen auch richtig fest, dass mit der Politik von Chavez oder mit dem parlamentarischen Weg, der Sozialismus nicht erreicht werden kann. Sie schätzen Chavez auch wie die meisten trotzkistischen Gruppen oder Organisationen als „semibonapartistisch“ (ebenda, S. 13) oder „links-bonapartistische Regierung” (Vortrag von Revolution am 29. Februar 2008 in Berlin) ein. Trotzdem, unter dem Etikett „Taktik gegen Reaktion und Imperialismus“ landen sie in der praktischen Politik im Reformismus.
„Revolution“ sprach sich bei den Präsidentschaftswahlen in Venezuela am 3. Dezember 2006 für die Wahl von Chavez aus. „Wen sollten die venezolanischen ArbeiterInnen und Armen nun wählen? Auf jeden Fall Hugo Chavez. Denn ein Sieg der Opposition, die sich gegen die sozialen Verbesserungen der Regierung Chavez stellt und offen für eine Privatisierung der Erdölindustrie eintritt, würde ihre Situation erheblich verschlechtern. Allerdings sollte man nicht seine ganzen Hoffnungen auf eine sozialistische Gesellschaft auf Hugo Chavez ruhen lassen.” („Revolution“, Nr. 21)
Auch diese Haltung ist reformistisch. Mit dem Vorwand, dass die „sozialen Verbesserungen” verteidigt werden müssen, wird die Chavez-Wiederwahl propagiert und damit eigentlich eine bürgerliche Politik – nach eigener Einschätzung von Revolution selbst „links-bonapartistische” unterstützt. Sie setzen ihre „ganzen Hoffnungen auf eine sozialistische Gesellschaft” nicht auf Chavez, aber sie haben eine gewisse Hoffnung oder Erwartung an Chavez… Somit werden sie zu radikal kritischen Unterstützern der Chavez-Politik und den Entwicklungen in Venezuela.
„Um eine neue Gesellschaft zu erreichen, reicht es nicht jemanden zu wählen, dessen Ziel es ist, das bestehende System etwas menschlicher zu gestalten. Die venezolanischen ArbeiterInnen brauchen ihre eigenen, demokratischen Organe, um den bestehenden Staat zu zerschlagen, um sich selbst zu befreien, anstatt ihrem ‘Maximo Lider’ zu folgen. Deshalb kann die Unterstützung der ArbeiterInnen für Chavez nur äußerst kritisch sein.” (selber Artikel)
Wenn sie einen Satz davor feststellen, dass Chavez ein bürgerlicher Politiker ist, „dem es zu aller erst um seine eigene Machterhaltung geht” und wenn, auch nur „äußerst kritisch“, eine Unterstützung für Chavez vorgeschlagen wird, dann gehen sie einen falschen Weg. Diese Politik ist keine Politik der Arbeiterklasse, die von der bürgerlichen Politik unabhängig sein soll. Diese „kritische Unterstützung” besteht – auch wenn die konkreten Beispiele der Politik der Chavez-Regierung gegen die Arbeiterklasse kritisiert werden. In dem Vortrag zur Diskussionsveranstaltung am 29. Februar 2008 in Berlin wurden verschiedene Beispiele gegeben und dann gesagt: „Anhand dieser Beispiele muss es klar sein, dass unsere Solidarität mit dem Prozess in Venezuela nur kritisch sein kann.” (www.revolution.de.com) Und am Schluss wird appelliert: „Wir müssen jetzt die Kräfte in Venezuela unterstützen, die eine Arbeiterpartei aufzubauen versuchen. Die Chavez-Regierung muss gegen jede Art von Reaktion verteidigt werden. Aber ArbeiterInnen müssen auch in der Lage sein, ihre eigenen Forderungen auch gegen die Chavez-Regierung durchzukämpfen.” (selbe Stelle)
Das ist eine Mischmaschpolitik. Wenn es um die Befreiung der Arbeiterklasse geht und gesagt wird „die Befreiung der Arbeiter kann nur das Werk der Arbeiter sein”, dann muss auch gegen die Chavez-Regierung und für die Zerschlagung des bürgerlichen Staates gekämpft werden.
Wenn aber die Chavez-Regierung gegen jede Art von Reaktion verteidigt werden soll, ist es nicht möglich, dass sich die Arbeiterklasse befreien kann. Mit dieser Haltung wird eigentlich gesagt, dass die Arbeiterklasse nicht gegen die Chavez-Regierung kämpfen soll – nur um die „Forderungen durchzukämpfen”! Was aber sollen die Forderungen der Arbeiterklasse sein? Wer soll die Forderungen erfüllen? Soll die Arbeiterklasse nicht die Chavez-Regierung mit ihrem bürgerlichen Staat stürzen bzw. zerschlagen? Je mehr wir solche Fragen stellen, desto mehr kommt das wahre Gesicht des wortradikalen Trotzkismus ans Tageslicht.
So eine Politik beinhaltet auch die Meinung, dass „Revolution“ die Chavez-Regierung nicht als Vertreter der Reaktion einschätzt. Jede Bewegung gegen die Chavez-Regierung wird als Reaktion gesehen. Beides ist falsch. Unserer Einschätzung kann widersprochen werden, weil zwischen dem Artikel aus „Revolution“ Nr.21 bis zu dem Text des Vortrags vom 29. Februar 2008 auch andere Positionen vertreten wurde. Aber es ändert die Tatsachen nicht: Mischmasch – in dem Laden ist jede Art Politik vorhanden. Jede/r nimmt was er/sie will. Purer Opportunismus!
Diese Mischmaschpolitik können wir auch gegenüber dem sogenannten „revolutionären Prozess” in Venezuela sehen: „Es ist bemerkenswert, wie lange der revolutionäre Prozess in Venezuela anhält. Die Bourgeoisie hat schon mehrmals versucht, dem ein Ende zu bereiten. Letztendlich muss es auch in Venezuela eine Entscheidung geben, wer die Fäden wirklich in der Hand hält: die Arbeiterklasse oder die Bourgeoisie.” (Revolution, 04-2008, Wohin geht Genosse Hugo?) Also, danach gibt es einen „revolutionären Prozess” in Venezuela. Die Bourgeoisie (hier wird kein Unterschied gemacht) hat schon mehrmals versucht, diesen „revolutionären Prozess” zu beenden. Aber sie konnte es nicht. Trotzdem aber ist noch offen, wer wirklich die Fäden in der Hand hält… Diese Darstellung allein ist ein Beweis, dass „Revolution“ eine falsche Linie hat und eine falsche Politik betreibt.
Die Arbeiterklasse hat keine eigene Kommunistische Partei. Die Arbeiterklasse ist auch im Moment nicht so organisiert, dass sie für den Sturz des Kapitalismus kämpft und hat auch nicht das kommunistische Bewusstsein. Es geht in Venezuela nicht darum, dass die Arbeiterklasse kurz vor dem Sieg gegen den Kapitalismus, der Zerschlagung des bürgerlichen Staates und der Errichtung der eigenen Macht steht und die Kräfteverhältnisse so sind, dass wir die Frage stellen müssen: wer wird siegen? Wenn in einer solchen Situation die Lage so eingeschätzt wird, dass nicht klar ist, wer die Fäden in der Hand hält und dass die Entscheidung fallen muss, dann können wir sagen: die das sagen, leben auf dem Mond, nicht auf dieser Welt.
In Venezuela hält immer noch die Bourgeoisie die Fäden in der Hand. Diese Mischmaschpolitik kann nur verteidigt werden wenn man/frau die Regierung von Chavez als Vertreter der Arbeiterklasse betrachtet. Sonst wäre es unlogisch, zu sagen die Bourgeoisie hat mehrmals versucht den „revolutionären Prozess” zu beenden, wenn wir wissen, dass damit der Putsch von 2002, die Produktionsverhinderung vom Dezember 2002 bis Januar 2003 und das Referendum für die Absetzung von Chavez als Präsident von 2004 gemeint ist. Demnach wird Chavez als Vertreter des „revolutionären Prozesses” gesehen. Um diesen „revolutionären Prozess” weiterführen zu können, „muss man die Chavez-Regierung verteidigen”. So funktioniert die Logik von „Revolution“. Trotz ihrer Haltung, dass eine Verstaatlichung im kapitalistischen System nicht zum Aufbau des Sozialismus führen kann.
Durch alle diese Mischmaschpolitik kommt man/frau zu dem Ergebnis: „Die revolutionären Teile der Arbeiterbewegung müssen Chavez und seine Sozialprogramme gegen den Imperialismus und innere Reaktion verteidigen.” („Wohin geht Venezuela“, Seite 7)
Hier werden ganz klar Chavez’ „Sozialprogramme” als Programme gegen den Imperialismus eingeschätzt. Und die Verteidigung Chavez’ wird als eine Aufgabe der Arbeiterklasse, sogar als Aufgabe „der revolutionären Teile der Arbeiterbewegung” propagiert.
Es wird nicht nur das gemacht. „Revolution“ unterstützt UNT (Die Nationale Arbeiterunion). Ein Teil der UNT hat es abgelehnt, in die PSUV hineinzugehen und hat eine „Bewegung für den Aufbau einer Arbeiterpartei” gegründet. „Revolution“ stellt es fest: „Diese Bewegung hat die Aufgabe, eine unabhängige Kraft der ArbeiterInnen zu schaffen, die zwar in einer Einheitsfront mit der Chavez-Regierung gegen den Imperialismus zusammenkämpft, aber auch eigene Forderungen gegen die Chavez-Regierung durchsetzen kann.” (ebenda, Seite 4)
Einheitsfront mit der Chavez-Regierung! Das wird heute als Aufgabe gestellt und nicht für den Fall eines imperialistischen Angriffs oder einer Besetzung des Landes. Damit wird die Chavez-Regierung als antiimperialistisch eingeschätzt. Wenn es die Aufgabe gibt, mit der Chavez-Regierung eine Einheitsfront zu bilden, dann wird es auch so lange keinen Kampf gegen die Chavez-Regierung geben, solange diese Einheitsfront existiert. Zu Recht entsteht auch die Frage, warum gegen die Chavez-Regierung gekämpft werden soll, wenn sie doch antiimperialistisch ist?
„Revolution“ verschiebt den Kampf gegen Chavez auf unbestimmte Zeit: “Auf dieser Art werden sie (gemeint ist die ArbeiterInnenklasse) politisch darauf vorbereitet sein, gegen Chavez und seinen Staatsapparat zu kämpfen, wenn diese einen Politikwechsel oder eine wirtschaftliche Krise durchmachen und die Repressionskräfte gegen die Arbeiterbewegung loslassen.” (ebenda, Seite 18)
Und wenn Chavez seine Politik nicht ändert, soll die Arbeiterklasse nicht gegen Chavez und seinen Staatsapparat kämpfen? Gegen die bürgerliche Staatsmacht soll erst dann gekämpft werden wenn die Arbeiterklasse angegriffen wird?
Letztendlich schwimmt „Revolution“ zwischen Wortradikalismus und Reformismus hin und her. Ihre Haltung zur konkreten Politik wird von Reformismus, Mischmaschpolitik, Opportunismus geprägt. Damit unterscheiden sie sich von der SAV eigentlich nicht wesentlich.
ROTER OKTOBER
Wir können schon in der Überschrift feststellen, dass „Roter Oktober“ die Entwicklungen in Venezuela als „demokratische Revolution” bewertet. So heißt es auch im Editorial: „Besonderes Augenmerk ist hierbei auf den versuchten Putsch gegen den Präsidenten Hugo Chavez Frias im April 2002 gelegt, der letztlich die demokratische Revolution in Venezuela gestärkt und vorangebracht hat.” (Seite 3). Und zum Schluss: „Die demokratische Revolution bedarf unser aller Solidarität. Der Feind schläft nicht also wollen auch wir wachsam sein.” (Seite 3) Diese Einschätzung ist der Schlüssel zum Verständnisses des gesamten Artikels. Zunächst entsteht eine wichtige Frage: Was ist Revolution im Sinne des Marxismus-Leninismus und was versteht „Roter Oktober“ unter dem Begriff Revolution? Wir können auch fragen: Wie wurde die demokratische Revolution in Venezuela durchgeführt? Wie wurde sie erfolgreich? Oder war die Revolution nur ein Regierungswechsel? Um die Antwort auf diese Fragen zu erleichtern, zitieren wir aus “Wilhelm Liebknechts Volksfremdwörterbuch”: „Revolution, Umwälzung, sowohl in der physischen Welt als insbesondere im politischen und sozialen Leben der Völker; jede Erschütterung, durch welche Altes gestürzt und Neues entsteht oder zur Geltung gelangt; sprunghafter Übergang von einem qualitativen Zustand zu einem anderen, von einem alten Zustand zu einem neuen; Periode des Umbruchs, der Umwälzung im Leben der Gesellschaft und des Staates; sprunghafter Übergang von der alten gesellschaftlichen – politischen Ordnung zu einer neuen; grundlegende Umwälzung in der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse; ‘auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhanden. Produktionsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein’ (Marx); die Revolution befreit die Produktivkräfte von den alten Produktionsverhältnissen und schafft ein neues System der Produktionsverhältnisse, die dem Stand der Produktivkräfte in diesem Entwicklungsstadium entsprechen; die höchste Form des Klassenkampfs; bedeutet den Sturz der alten Gesellschaftsordnung und der Errichtung einer neuen, fortschrittlichen Gesellschaftsordnung, der Machtergreifung durch eine fortschrittliche, progressive Klasse, die die Macht zur Weiterentwicklung der Gesellschaft für die revolutionäre Umgestaltungen ausnutzt; die Hauptfrage jeder Revolution ist die Frage der Staatsmacht, ihrer Eroberung, ihrer Behauptung und Festigung, alle Revolutionen der Vergangenheit haben zur Ablösung einer Ausbeutungsgesellschaft durch eine andere geführt; durch das Verhältnis der verschiedenen Klassen und Parteien zum Staat wird der Charakter der Revolution, werden ihre Triebkräfte, ihre allgemeinen Aufgaben bestimmt;…” (Seite 235, Zum besseren Verständnis haben wir die Abkürzungen des Wörterbuchs ausgeschrieben, A.d.V)
Wenn wir diese marxistische Darstellung als Ausgangspunkt nehmen, können wir feststellen, dass „Roter Oktober“ die Entwicklung in Venezuela falsch analysiert. Die Entwicklungen in Venezuela als demokratische Revolution einzuschätzen ist die inhaltliche Grundposition des Artikels, aber das Fundament für diese Einschätzung sind die Eindrücke einer Reise. Im Vorwort wird gesagt: „Die Reise durch Venezuela fand im Zeitraum von Februar bis April 2006 statt. In dieser Zeit wurden Menschen gefragt, interviewt, Demonstrationen besucht und einige der vielfältigen sozialen Missionen besichtigt. Objektiv kann man auf dieser Grundlage (kann man das überhaupt?) ein politisches und wirtschaftliches System nicht einschätzen. Denn die Eindrücke sind sehr subjektiv und die Erfahrungen auch auf vielfältige Zufälle gemünzt. Natürlich kann man objektive Zahlen recherchieren, aber drückt es das aus, was in Venezuela erlebt wurde? Mit Sicherheit nicht. Es soll also darum gehen, der/m interessierten LeserIn Erfahrungen [zu] berichten, die schließlich dazu führten, den bolivarianischen Prozess in Venezuela als revolutionär im demokratischen Sinne und als unbedingt unterstützungswürdig einzuschätzen. Somit soll der Artikel Bestandteil einer ‚Gegenöffentlichkeitskampagne’ sein, die international aufgebaut wird.” (Seite 6) Das ganze Zitat zeigt uns wie widersprüchlich „Roter Oktober“ argumentiert. Wenn „auf dieser Grundlage eine politisches und wirtschaftliches System” nicht objektiv eingeschätzt werden kann; wenn die Eindrücke sehr subjektiv und die Erfahrungen auf Zufälle gemünzt sind, wie kommt „Roter Oktober“ zu dem Ergebnis, dass der “bolivarianische Prozess in Venezuela” eine “demokratische Revolution” ist? Es ist auf alle Fälle keine wissenschaftliche Herangehensweise. Sie erklären es damit, dass ihre Erfahrungen dazu geführt haben! Natürlich können Zahlen nicht ausdrücken was die VerfasserInnen des Artikels von „Roter Oktober“ in Venezuela erlebt haben. Aber auch ihre Erlebnisse sind keine ausreichenden Beweise für die Dinge, die in Venezuela im Gange sind. Und auch kein Fundament der Einschätzung des „bolivarianischen Prozesses”. Der „bolivarianische Prozess” kann nur richtig eingeschätzt werden, wenn der Marxismus-Leninismus als Ausgangspunkt genommen und der konkrete Inhalt des “bolivarianischen Prozess” mit Fakten analysiert wird. Es wird aber von „Roter Oktober“ nicht so herangegangen. Solange sich auf die Darstellung der Erfahrungen und auf die persönlichen Einschätzungen begrenzt wird, ist alles ok. Die LeserInnen können sich dann ein eigenes Bild machen. Aber ihre Darstellung der Erfahrungen wird mit der Einschätzung des „bolivarianischen Prozesses” vermischt. Wenn wir die Aussage: „insofern geht der Anspruch hier nicht über die Darstellung subjektiv Erfahrenes hinaus.” ernst nehmen so wie sie ist – und wir nehmen sie ernst –, dann können wir sagen, dass „Roter Oktober“ keine objektive Analyse des „bolivarianischen Prozesses” macht.
„Roter Oktober“ will mit dem Artikel „einen Beitrag zur notwendigen Gegenöffentlichkeit leisten, denn Diffamierungen der imperialistischen Staaten und ihrer Handlanger läuft weiterhin auf Hochtouren.” (Seite 3)
Es ist richtig
gegen Diffamierungen
der
imperialistischen Staaten eine Gegenöffentlichkeit zu
schaffen. Aber wofür? Mit
welchem Ziel und mit welchem Inhalt? Im konkreten Fall ist die
„Gegenöffentlichkeitskampagne” eine
Kampagne zur Verteidigung der staatlichen
Politik in Venezuela. Mit der Vorgabe die imperialistischen
Lügen zu entlarven,
wird eine Politik favorisiert, die die Unterstützung der
nationalen Bourgeoisie
bedeutet – eine Solidaritätspolitik mit der
Chavez-Clique. Der ganze Artikel
wird auf diesem Fundament aufgebaut.
Wie wurde nach
Meinung von „Roter
Oktober“ die Revolution in Venezuela durchgeführt?
Allgemein wird
auch „Roter Oktober“
über Revolution das sagen, was in „Wilhelm
Liebknechts Volksfremdwörterbuch”
steht. Aber wenn es um Venezuela geht, ändert sich das. Im 1.
Kapitel des
Artikels können wir das deutlich sehen, dass der
„Rote Oktober“ eine falsche
Einschätzung macht. Es wird die „Konsequenz des
Putsches” von April 2002 so
eingeschätzt: „Durch
das Scheitern der
Konterrevolution ist die
antiimperialistische Bewegung Venezuelas gestärkt worden.
Unbestreitbar hat es
große Teile der Bevölkerung formiert und
organisiert. Von einem Wahlsieg wurde
eine Revolution des Volkes.” (Seite 17)
Hier wird ganz
klar gesagt, dass aus
einem Wahlsieg „eine Revolution des Volkes”
geworden ist. Also eine
„Volksrevolution” ohne den Sturz des alten Systems
und Zerschlagung des
Staates!!? Eine andere Art friedlicher Übergang? Oder was ist
es?
Es wird am
Schluss des 1. Kapitels
noch mal gesagt: „Der bolivarische Prozess in Venezuela kann
als demokratische
Revolution eingeschätzt werden. Es gibt Meinungen, die die
bolivarische
Revolution erst mit dem Aufbau der sozialen Missionen und damit der
Partizipation großer Teile insbesondere der armen
Bevölkerung ansetzen.” (Seite
20)
In Folge dieser
Diskussion wird am
Anfang des 2. Kapitels „Zur Theorie der demokratischen
Revolution”
festgestellt: „Ob der Beginn hier mit 2001 oder 1998 (mit dem
Wahlsieg von Hugo
Chavez Frias) oder mit der Niederschlagung des Putsches 2002 angesetzt
wird,
ist wohl letztlich nebensächlich, denn bei jeder Revolution
handelt es sich um
einen Prozess oder mit Lenin’s Worten zu sprechen: um eine
Permanenz der
Revolution.” (Seite 21) Hier wird Lenin zum Zeugen
für eine Verdrehung in der
marxistisch-leninistischen Theorie der Revolution gemacht.
Natürlich gibt es
einen Prozess der zur Revolution führt. Und es gibt einen
Prozess von der
demokratischen zur sozialistischen Revolution bis zum Aufbau des
Sozialismus
und letztendlich bis zum Endziel, zum Kommunismus. Aber Lenin hat das
nicht so
vertreten wie „Roter Oktober“ es tut.
Lenin wusste
zwischen
Entwicklungsgang (Prozess) und Revolution zu unterscheiden. Jede
Revolution durchläuft
verschiedene Stationen, aber das entscheidende Moment jeder Revolution
ist der
Moment der Machteroberung und die Zerschlagung des Staates usw., usf..
„Roter
Oktober“ sagt, dass es
„nebensächlich” ist, wann das Datum der
„Revolution”
angesetzt wird. Das ist mehr als verwirrend.
Es wird auf
Seite 22-23 versucht von
der Kommunistischen Internationale ableitend „die wichtigsten
Aufgaben für die
revolutionären Bewegungen in den kolonialen
Ländern” mit der Praxis der
„bolivarischen Regierung” zu vergleichen. Die
Position der Komintern wird so
dargelegt:
„Die
Komintern hat in den 20er
Jahren des letzten Jahrhunderts die wichtigsten Aufgaben für
die revolutionären
Bewegungen in den kolonialen Ländern wie folgt beschrieben:
1. Sturz des
ausländischen Imperialismus,
des Feudalismus und der Grundbesitzer-Bürokratie
2. Errichtung
der demokratischen
Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft auf der Grundlage der
Räte
3.
Völlige nationale Unabhängigkeit
und staatliche Einheit
4. Annullierung
der Staatsschulden
5.
Nationalisierung der den
Imperialisten gehörenden Großunternehmen
6. Enteignung
des Großgrundbesitzes,
der Kirchenländereien, Nationalisierung des gesamten Grund und
Bodens
7.
Einführung des 8-Stunden-Tages
8. Schaffung
einer revolutionären
Arbeiter– und Bauernarmee.” (Seite 22)
„Roter
Oktober“ stellt die Frage:
“Erfüllt
die bolivarische Regierung Venezuelas diese
Aufgaben?” (Seite 22).
Nach dem
Vergleich wird nicht
gesagt, ob diese Aufgaben von der „bolivarischen Regierung
Venezuelas” erfüllt
oder nicht erfüllt sind. Stattdessen wird versucht, die
„bolivarische
Regierung” positiv darzustellen. Dabei werden auch andere
Fehler begangen.
Die erste
Aufgabenstellung misst der
Rote Oktober an der Wirklichkeit Venezuelas so:
„Das
Wirtschaftsbündnis Mercosur
kann als Bollwerk gegen ausländisches Kapital gewertet werden.
Aber es ist
sicherlich nicht sein Sturz und schon gar keine vollkommene Absage,
vielmehr
eine Hemmung ausländisches Kapital durch Privilegierung
innersüdamerikanischer
Handelsbeziehungen.” (Seite 22)
Bei der
Komintern geht es um den
ausländischen Imperialismus, aber „Roter
Oktober“ wandelt den kurzerhand in
ausländisches Kapital um. Ausgangspunkt der Diskussion war, ob
„die
bolivarische Regierung Venezuelas” die Aufgaben des Sturzes
des ausländischen
Imperialismus erfüllt hat oder nicht. Aber die Antwort ist:
„Mercosur kann als
Bollwerk gegen ausländisches Kapital gewertet
werden”. Bewertet „Roter Oktober“
den Mercosur so? Sieht so aus. Aber was hat Mercosur bei dieser
Diskussion mit
der bolivarischen Regierung zu tun?
Als dieser
Artikel von „Roter
Oktober“ geschrieben und veröffentlicht wurde, hatte
Venezuela keine
vollständige Mitgliedschaft im Mercosur (auf Seite 39 schreibt
„Roter Oktober“
selbst, dass Venezuela „bloß assoziiert”
ist). Am 5. Juli 2006 wurde das
Abkommen zwischen Venezuela und den Mercosur-Ländern
(Brasilien, Argentinien,
Paraguay und Uruguay) unterschrieben und Venezuela wurde als Mitglied
aufgenommen. Aber die vollständige Mitgliedschaft kann erst in
Kraft treten,
wenn alle vier Länder dieses Abkommen in ihren Parlamenten
ratifizieren. „Roter
Oktober“ bewertet diese Bündnis als „Kampf
der bolivarischen Regierung” gegen
„ausländisches Kapital”. Da entsteht
natürlich ein andere Frage: Ist
brasilianisches oder argentinisches Kapital kein
ausländisches?
Wir wollen hier
nicht auf alle
Fragen und auch Fehler eingehen. Aber noch ein Beispiel für
die
unwissenschaftliche Herangehensweise von „Roter
Oktober“. Der fünfte Punkt
lautet: „Nationalisierung der den Imperialisten
gehörenden Großunternehmen”.
(Seite 22) Was sagt „Roter Oktober“?
„Durch die Enteignung stillgelegter
Betriebe hat die bolivarische Regierung zumindest damit angefangen,
Großunternehmen zu zerschlagen. Nach wie vor gibt es
allerdings in vielen
Bereichen (z. B. Finanzkapital) großen imperialistischen
Einfluß.” (gleiche
Stelle) Statt festzustellen, dass keine den “Imperialisten
gehörenden
Großunternehmen” nationalisiert (verstaatlicht)
wurden, wird versucht mit etwas
ganz anderem die „bolivarische Regierung” positiv
darzustellen, unabhängig
davon ob es in Venezuela „Imperialisten gehörende
Großunternehmen” gibt oder
nicht.
Was wurde nach
der Darstellung von
„Roter Oktober“ enteignet? „Stillgelegte
Betriebe”. Und wie können „durch die
Enteignung stillgelegter Betriebe”
„Großunternehmen” zerschlagen werden? Wie
viele “Großunternehmen“, außer
der Gas- und Erdöl-Industrie gibt es überhaupt
in Venezuela? Hier wird auch die in Wirklichkeit nicht stattgefundener
Enteignung als Tatsache verkauft. Fakt ist, dass, stillgelegte Betriebe
nicht
enteignet, sondern vom Staat gekauft wurden. So wird die
„Theorie der
demokratischen Revolution” zur Verteidigung der
“bolivarischen Revolution”
verwendet.
Für
„Roter Oktober“ ist „Venezuela
ohne Zweifel als Speerspitze antiimperialistischer Politik in
Südamerika zu
bezeichnen” (Seite 38). Und Chavez ist als
„national-revolutionär
einzuschätzen” (Seite 27). Kurz
zusammengefasst
können wir sagen, dass „Roter
Oktober“ eine falsche Einschätzung von Chavez und
der Entwicklung in Venezuela
hat. Ihre Politik ist eine, die sich an die Ereignisse in Venezuela
anhängt.