TROTZ ALLEDEM!


Aktionsbericht: Nazis blockiert – Geschichtsrevisionismus konfrontiert

Der Nazi-Aufmarsch in Dresden 2010 konnte gestoppt werden. Zu Blockaden der Nazi-Demonstration hat das breite Bündnis „Nazfrei! – Dresden stellt sich Quer“ mobilisiert. Ihren Aufruf haben über 600 Organisationen/Gruppen und 2.500 Einzelpersonen unterstützt. Über 12.000 AntifaschistInnen verhinderten erstmals seit 1990 den faschistischen „Nazi-Trauermarsch“. Bislang fand er unter staatlichem Schutz von Gerichten und Polizei statt.

Vielfältig, entschlossen, militant und zahlreich wurde der Treffpunkt des Nazi-Aufmarsches blockiert. Sie sind nicht durchgekommen – no pasaran! Das war ein wichtiger Schlag gegen die immer offensiver auftretenden Nazi-Truppen!

Aktion: Die Elbbrücken wurden durch die Polizei gesperrt. Ihr ursprüngliches Konzept war alle Antifa-DemonstrantInnen gegen den Naziaufmarsch in die Altstadt zu sperren, sowie die Nazis durch Dresden-Neustadt laufen zu lassen. Das ging nicht auf, weil von Anfang an zu Blockaden innerhalb der Neustadt aufgerufen wurde. Tausende AntifaschistInnen haben es auch in die Neustadt geschafft und erfolgreich blo­ck­iert.

Wir waren um 9 Uhr morgens in Dresden. Wir haben es auch zufälligerweise geschafft, uns mit GenossInnen aus anderen Städten zu treffen, weil die Busse der Antifas alle an der gleichen Straße, Richtung Neustadt gehalten haben. So konnten wir aus den Bussen aussteigen, sofort in die Neustadt laufen, bevor die Polizei uns in die Altstadt einkesseln konnte. Unsere Gruppe hatte Rote Fahnen dabei, das hat sich schon bei den Blockadeaktionen in Strasbourg gegen die Nato und in Heiligendamm gegen die G8 bewährt.
Auf unserem Transparent stand „Bombardement Nazi-Dresdens war gerecht“. In der Aktion sollte sich zeigen, dass damit sehr viele Diskussionen provoziert wurden. Wir haben im Laufe des Aktionstages kein anderes Transparent gesehen, das so direkt die Frage „Wie stehen AntifaschistInnen zur Bombardierung Nazi-Dresdens durch die Anti-Hitler-Koaltion?“, beantwortete. Auch der Aufruf „Dresden Nazifrei!“ umgeht diese Frage, und richtet sich nur allgemein gegen die Umdeutung der Geschichte durch die Nazis.
Die Polizei hat es geschafft, die DemonstrantInnen an den verschiedenen Blockadepunkten festzuhalten. Durch die Straßen, wo sie nicht wollten, dass wir hineingehen, konnten wir nicht durchkommen. Obwohl es über 12.000 Menschen gab, die sich irgendwie bewegen wollten.
Am Anfang haben wir versucht, in einer Straße durch eine Polizeikette zu preschen. Parolen rufend sind wir in erster Reihe vorwärts gegangen. Es standen ziemlich wenige Polizisten da. Aber leider haben sich uns nur ein paar wenige GenossInnen von der Radikalen Linken aus Nürnberg  angeschlossen. Etliche Antifas sind seitlich unentschlossen neben uns hergeschlendert. Auch die Antifa-Aufbau aus Stuttgart und FreundInnen der MLKP sind nicht mitgekommen. Es war ernüchternd, wie unentschlossen einige waren. Mit den wenigen Kräften konnten wir es nicht schaffen, die Reihen der Polizeikette zu durchbrechen. Die Polizei hatte schnell Verstärkung bekommen. Unsere Reihen waren fest und geschlossen, die Polizei konnte uns nicht trennen. Wir zogen uns an diesem Punkt zurück.
Im Laufe des Tages sind wir zu verschiedenen Blockadepunkten in der Stadt gekommen, haben unser Transparent immer dabei getragen, Flugblätter verteilt und diskutiert. Zwischendurch haben wir MitkämpferInnen aus den Bussen getroffen, denen wir unser Flugblatt auf der Anfahrt gegeben hatten. Sie kamen gezielt zu uns, um über die Inhalte zu diskutieren. Das war spannend und vorwärts bringend.
Mit den Bullen gab es hin und wieder Auseinandersetzungen. Teils wurden DemonstrantInnen auch brutal zusammengeschlagen, Wasserwerfer wurden eingesetzt. Aber die Polizei hielt sich relativ zurück. Gründe dafür sind: Die ‚Einsatzkräfte’ waren von der Blockade-Strategie  überrascht, und hatten auch nicht mit dieser hohen Anzahl von TeilnehmerInnen gerechnet. Offenbar war aber auch die Polizei- und Politikstrategie an diesem Tag auf Deeskalation ausgerichtet!

Diskussion und Hetze
An einem der Blockadepunkte begrüßte ein MLPD-Sprecher, der in einer Musikgruppe stand, über ein Mikrofon unsere Gruppe. Zunächst begann er unser Transparent enthusiastisch vorzulesen, um dann mehr oder weniger im Murmeln zu enden. Der Inhalt passte ihm offenbar überhaupt nicht. Wir wurden dort zum ersten Mal massiv von MLPD’lern und einigen deutschen BürgerInnen wegen unseres Transparentes angegangen. Ein Typ hat einen unserer Genossen auch körperlich angegriffen. Wir konnten aber rechtzeitig dazwischen gehen. Einige MLPD’ler haben vertreten, dass die Bombardierung Dresdens nur stattfand, um die Rote Armee daran zu hindern nach Deutschland einzumarschieren und dass unser Transparent eine bösartige Provokation wäre. Ein MLPD’ler wollte uns sogar unser Transparent verbieten. Einige intellektuelle Bürgerliche wollten uns ebenfalls das Tragen unseres Transparents untersagen. Ihre Vorwürfe: „Es sind so viele unschuldige ZivilistInnen gestorben“, „Das ist ein Straftatbestand“, „Ihr seid nicht aus Dresden, ihr versteht das nicht“, „Das war Bombardierung der Zivilisten“, „Dresden war nicht kriegsentscheidend“.
Wie tief Rassismus, Verachtung auf alle „Nicht-Deutschen“ auch heute in der Bevölkerung verankert sind, zeigten die hasserfüllten Reden dieser BürgerInnen gegen unsere Migranten-GenossInnen. Ihnen wurde von vorneherein das Recht abgesprochen, sich überhaupt zu äußern: „Das ist deutsche Geschichte, da kennt ihr euch nicht aus.“ „Ihr habt keine Ahnung“, „Das Transparent ist kein richtiges Deutsch“ (was nur zeigte, dass sie nicht einmal ihre eigene Sprache kennen!), „Ihr dürft nicht mitreden“, „Was wisst Ihr schon“.
Also egal, ob MigrantInnen selbst formal, also Papier-Deutsche sind, egal ob MigrantInnen seit 30 Jahren hier leben, egal ob MigrantInnen, die deutsche Geschichte besser kennen als mancher Deutsche… alles egal. Hier herrscht der Herren-Mensch und der befindet auch über seine eigene Geschichte – da lässt er sich von niemandem reinreden! Dieser deutsche Nationalismus ist die eine Seite der Medaille.
Die andere ist die Pose des deutschen Großmacht-Lehrmeisters auf internationalem politischem Parkett. Er schreibt anderen Völkern vor, was sie zu tun und zu lassen haben. Da wird den Palästinensern das Selbstbestimmungsrecht abgesprochen, zum Schutze Israels; da wird der Türkei vorgeschrieben wie sie mit dem Völkermord an den Armeniern umzugehen hat, aber die eigene deutsche Beteiligung an diesem Völkermord klein geredet; da wird den Kosovaren ein eigener Staat zuerkannt, gleichzeitig aber werden eigenen Minderheiten und Migranten in Deutschland existentielle Rechte verweigert, Roma aus Deutschland brutal in den Kosovo in Elend und Verfolgung abgeschoben.
Nach diversen Diskussionen haben wir uns dann  entschieden, diesen Blockadepunkt wieder zu verlassen, da wir vermuteten, wenn die Polizei hier eingreifen sollte, hätten wir kaum Unterstützung gehabt.
Ob die Positionen von den Leuten der MLPD Gruppe, tatsächlich die der MLPD sind, können wir nicht sagen. Die Diskussionen mit deren VertreterInnen waren wirklich heftig. Einer warf uns vor, wir würden dieses „breilibü“ – breite linke Bündnis zerstören. Recht haben sie, wenn sie meinen, breites Bündnis bedeutet, sich mit dem Geschichtsrevisionismus der Bourgeoisie auszusöhnen und zu verbünden. Dann ist „sprengen“ richtig – in der Logik der MLPD. Unsere Logik und Haltung ist allerdings eine andere. Ein breites, auch linksliberales Bündnis in dieser Aktion gegen den Nazi-Aufmarsch ist richtig. Aber jede Gruppe, jede Organisation muss die Freiheit innerhalb des Bündnisses haben, die eigene Meinung darzustellen und zu vertreten. Einheit der Aktion – Freiheit der Agitation! Das ist unser Verständnis!
Den Aufruf „Dresden Nazifrei!“ haben neben Autonomen, Antifas, Anarchisten, Trotzkisten, MLPD, Bündnis no.pasaran!, etc. auch attac, Gruppen/Verbände der SPD, Jusos, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, DGB-Gewerkschaften etc. unterstützt.
Der Geschichtsrevisionismus ist keinswegs (wie auch die Dis­kussion mit den MLPD’lern zeigte) nur auf CDU und FDP beschränkt. Nein, auch in weiteren bürgerlichen Parteien und selbst in sich marxistisch-leninistisch nennenden hat er seine Wurzeln geschlagen!
Am Ende des Aktionstages haben wir unser heiß diskutiertes Transparent weithin sichtbar mitten in der Stadt zwischen zwei Fahnenstangen aufgehängt.

Argumente
Zum Geschichtsrevisionismus wollen wir hier noch einmal klarstellen:
*Die Bombardierung Dresdens war ein Teil des Kampfes gegen Nazi-Deutschland und war eine Unterstützung für die Rote Armee, den Krieg gegen die Nazis zu gewinnen. Jede andere Meinung ist eigentlich eine Rechtfertigung für den Nazi-Faschismus.
* Dresden war die zweitgrößte Garnisonsstadt des Dritten Reiches.
* Dresden war ein wichtiger Standort der Rüstungsproduktion: Im Bereich leichter Bombenabwurfmunition hatte Dresden eine Art Monopol und war Zulieferindustrie für die Flugzeugwerke in Dresden-Klotzsche.
* Bis 1944 waren fast alle Betriebe in Dresden vollständig auf Rüstung umgestellt. Etwa 50.000 ArbeiterInnen waren allein in der Rüstungsindustrie beschäftigt. Dresden war im Februar 1945 der letzte größere unbeschädigte Industrie-, Wirtschafts- und Verwaltungsstandort und Verkehrsknotenpunkt des Dritten Reiches, die letzte intakte Garnisonsstadt im Rücken der Ostfront und ein intakter Zugverkehrsknotenpunkt der Reichsbahn. Das Nazi-Motto war: „Räder müssen rollen für den Sieg“!
* Dresden diente bis 1945 zur Aufstellung militärischer Großverbände.
* In Dresden befand sich eine der zentralen Hinrichtungsstätten des Nazi-Reiches am Münchner Platz. Da die Bomben auch die Gestapozentrale am Bismarckplatz zerstörten, kam es nicht mehr zur Deportation der letzten 174 Dresdner Juden, die zwischen dem 14. und 16. Februar 1945 angesetzt war.
* Nur 41 Juden in Dresden entkamen der faschistischen Vernichtung, von 5.000, die hier vor Kriegsbeginn lebten.
* Im nahen Pirna-Sonnenstein fanden Euthanasie-Morde an über zehntausend Menschen statt.
* Zwischen 1939 und 1945 wurden auch KZ-Häftlinge, vor allem aus den Lagern in Auschwitz und Flossenbürg in Dresden in Baracken interniert.
* Etwa 31.000 Fremd- und ZwangsarbeiterInnen schufteten in Dresden. Sie mussten vor allem in der Rüstungsindustrie arbeiten.
* Seit Ende 1944 wurden nochmals weitere 5.000 KZ-Häftlinge als ZwangsarbeiterInnen nach Dresden transportiert, darunter etwa 2.000 Juden.  
* Und schlussendlich: Zu viele Deutsche, auch Werktätige glaubten bis zum Endsieg an das Hitler-Reich.
Die Bombardierung Dresdens hat dazu beigetragen, den Mythos der „Herrenmenschen“-Grossmacht zu zerstören.



Bürgerlicher Gedenkkult

Das bürgerliche Lager hat wie schon in den vorhergehenden Jahren, mit Trauergottesdiensten und weiteren geschichtsrevisionistischen Veranstaltungen  den „Opfern der Höllen-Nacht“ von Dresden gedacht. Auch die symbolische Menschenkette stand in diesem „Gedenkrahmen“. In ihrer Rede vor dem Rathaus erinnerte CDU-Oberbürgermeisterin Orosz der „schrecklichsten Stunde Dresdens“. Die schrecklichste Stunde Dresdens? Die schrecklichsten Stunden durchlebten jüdische BürgerInnen, AntifaschistInnen, Roma und Sinti, ZwangsarbeiterInnen, Homosexuelle, Behinderte, alle Verfolgten des Nazis-Reiches in Dresden seit dem Machtantritt des Faschismus. Sie erlitten die Nazi-Hölle Tag für Tag in dieser Stadt, jahrzehntelang. Alleine hier zeigt sich von wem Frau Orosz spricht und wem sie gendekt: der „Deutschen Volksgemeinschaft“!
Sie forderte auf das „Andenken der Toten von Dresden wie aller Opfer dieses Krieges und einer Gewaltherrschaft“ gegen die „Ewiggestrigen zu verteidigen“. Aller Toten von Dresden zu gedenken, heißt auch den toten Nazi-Tätern, den SS-Leuten, den Wehrmachtsoldaten der Faschistenarmee, die bei der Bombardierung Dresdens starben, zu gedenken. In diesem entpolitisierten Opfer-Kult wird die im KZ ermordete Jüdin neben den SS-Verbrecher gestellt.
In der verlogenen Sprache der Bürgermeisterin war Ziel der Aktion: „Wir setzen auf Toleranz, Verstehen, Vergebung, Versöhnung!“. Wen verstehen und wem vergeben? Den Nazi-Tätern? Toleranz für wen? NPD-Abgeordnete im sächsischen Landtag?
Anmaßend behauptete Orosz „Den Jung- und Altnazis, die heute wieder versuchen, unseren Tag der Trauer zu missbrauchen, stellen wir uns entgegen.“ Ja, diese Menschenkette mit 15.000 TeilnehmerInnen hat still gestanden und „getrauert“! Die Menschenkette fand in der Dresdener Altstadt statt, also getrennt durch die Elbe vom Ort des Naziaufmarsches, der in der Neustadt, auf der anderen Seite des Flusses vor sich ging. Sie war reines „Wir sind die Gut-Menschen“-Symbol! Denn durch sie wären die Nazi-Truppen nicht aufgehalten worden.
Fakt ist: Nur entschlossener antifaschistischer Kampf, ein sich Einmischen, ein tatsächliches Entgegentreten kann sie stoppen. Das hat der 13. Februar 2010 in Dresden gezeigt! Ansonsten wären die Nazis grölend durch Dresden gezogen und die Menschkette hätte zugeschaut!

Vereinnahmung
Wie heuchlerisch und demagogisch die bürgerlichen Medien und Politiker sind, sollte sich schon gleich nach dem 13. Februar zeigen. „Übereinstimmend betonen Verfassungsschützer (!) und Politiker in Ostdeutschland, die von bürgerlichen und linken Nazigegnern inszenierte Blockade der etwa 6.000 Rechtsextremisten… sowie die große Menschenkette in der Altstadt bedeuteten Rückenwind für die Zivilgesellschaft“ (TSP, 20.2.10) CDU Innenminister in Sachsen: „In der Vergangenheit kam noch nie ein so deutliches Signal aus Dresden.“
Also unser mutiges Kämpfen, unsere gelungenen Blockaden aller AntifaschistInnen werden nun zum Erfolg der bürgerlichen Politik umgeschrieben. Vor dem 13.2. wurden Hetze und Kriminalisierung gegen Blockade-Aufruf UnterstützerInnen betrieben, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen durchgeführt.
Jetzt werden unsere Blockadeaktionen für das SelbstIob dieser Herren und Damen benutzt. Die propagandistische Vereinnahmung der Blockade-Aktionen schließt allerdings nicht aus, dass die Kriminalisierung der AntifaschistInnen weitergeht. Am 17. März sind die ersten Bußgeldbescheide bei UnterstützerInnen eingegangen. (www.dresden-nazifrei.de)
In einem ätzenden Zeitungskommentar heißt es: „Dresden wird jetzt ein symbolisches Wort für Demokratie, die sich gegen ihre ärgsten Feinde durchsetzt. Im 20. Jahr der deutschen Einheit überstrahlt ‚Dresden’, die Bilder, die in Ostdeutschland Anfang der Neunziger Jahre zu sehen waren.
Hoyerswerda, Roststock-Lichtenhagen.. am Sonnabend standen in Dresden die Massen gegen die Nazis. Bei den Blockaden und in der gigantischen Menschenkette in der Dresdner Altstadt, zum unverfälschten Gedenken an die Opfer von NS-Regime und Krieg.“ (TSP, 15.2.10) Nicht nur, dass beide Aktionen, Blockaden und Menschenketten sozusagen als Verhinderung des Naziaufmarsches interpretiert werden, was an sich schon verlogen ist. Nein, auch inhaltlich werden die Linken, die AntifaschistInnen, die RevolutionärInnen, die aktiv und militant die Blockaden durchgeführt haben, zu TeilnehmerInnen eines „unverfälschten Gedenken an die Opfer von NS-Regime und Krieg“ umfunktioniert.
Der 13. Februar ist für uns kein Gedenktag! Dieses Datum steht für ein geschichtsrevisionistisches Vereinnahmen durch diejenigen, die die Nazi-Herrschaft relativieren wollen.
Unser Tag, der aller Menschen und Völker die unter der Barbarei der Nazis litten, das ist der 8. Mai, der Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus!
Nachdem sich Bündnis90/DieGrünen wie auch Stefan Thiele, Sprecher des Bündnisses "Nazifrei! - Dresden stellt sich quer" sich beschwerten, dass die Oberbürgermeisterin den Blockierern „keinen Dank“ aussprach, tat Frau Orosz das am 25. Februar auf ihre Weise. In der Stadtratssitzung am 25.2.10 erstattete sie „Bericht“: „Ich habe nach dem 13. Februar mehrfach erklärt, dass ich nichts von der Debatte darüber halte, wer und was denn nun einen Marsch der Neonazis verhindert hat.“,„Ein solches Aufrechnen… beschwört die Gefahr der Spaltung.“, „Den Nazis diese schwere Niederlage beizubringen dazu haben alle beigetragen, die sich….friedlich entgegenstellten“. Und dann kommt natürlich die obligatorische Abgrenzung und das Gleichsetzen von Links und Rechts: Sie dankt „den Polizeibeamten, sie haben sich nicht vom Geschrei wütender Nazis und noch von linken Extremisten provozieren lassen“, „die Polizei hat die Gewalt von beiden Seiten im Zaum gehalten“.
Die linken revolutionären Kräfte, die vor allem die Blockaden organisierten, werden hier, wie immer im bürgerlichen Politikverständnis von CSU bis Grüne auf eine Stufe mit den Nazis gestellt. Na prima, Frau Oberbürgermeisterin: Sich brüsten für die Verhinderung des Nazimarsches, zu der sie nichts beigetragen haben, und dann noch auf diejenigen einschlagen, die die Blockaden praktisch durchgeführt haben!
Wir werden bei all den Betroffenheits-Reden bürgerlicher Politiker und Medienkommentaren zu dem 13.2. den Eindruck nicht los, es geht den Herrschenden im Kern um das internationale Ansehens Dresdens und seine boomende Tourismusbranche. Nichts ist für das Werbe-Image schlechter als mit Naziaufmärschen in Verbindung gebracht zu werden?!

Dresden Demokratie-Symbol?
Frau Orosz geht es darum „diese wiederkehrende braune Belästigung Dresdens irgendwann zu beenden.“ (Stadtratssitzung, 25.2.10) Der Nazi-Aufmarsch in Dresden ist inzwischen der zweigrößte Europas. Orosz zeichnet ein Bild von der Wirklichkeit in Dresden, so als gäbe es keine Faschisten vor Ort. So als würden sie nur jährlich ein Mal vorbeikommen und Dresden „belästigen“. Das ist unglaubliche Verharmlosung.
Frau Orosz hat viele Reden gehalten zum 13. Februar aber nicht in einer ist sie auf die Realität und das Wüten der Nazis im heutigen Dresden eingegangen.
Vor allem nicht auf die faschistische Mordtat in ihrem schönen Dresden im Sommer 2009! Marwa el-Sherbini und ihr ungeborenes Kind werden von einem Nazi, der sie rassistisch beleidigte, in aller Öffentlichkeit vor den Richtern, Anwälten und Zuschauern im Dresdener Landgericht, mit 18 Messerstichen abgemetzelt. Vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes. Ihr Ehemann Elwy wird als er seine Frau schützen will, vom Täter verletzt, und von einem deutschen Polizisten angeschossen. Dessen rassistischer Reflex funktionierte. Er sah einen arabisch aussehenden Mann, eine Kopftuch tragende Frau und einen deutsch wirkenden Mann und schießt…auf den Araber. In keiner Rede, in keinem Kommentar zum 13. Februar 2010 wird an diesen Nazimord erinnert. Das ist bürgerliches Gedenken in Dresden. Zu dem Mord an Marwa el-Sherbini wurde und wird geschwiegen. Schweigen und Wegschauen die gute alte deutsche Tugend!
Dresden ist Sitz der NPD-Landtagsfraktion; der NPD gelang in Sachsen erstmals der Widereinzug in einen bundesdeutschen Landtag nach der Einverleibung der DDR. Ihren rassistischen Ausfällen und faschistischer  Propaganda wird nur sehr halbherzig von den bürgerlichen Parteien entgegengetreten.
Im Bundesland Sachsen, dessen Hauptstadt Dresden ist, arbeiten CDU und NPD in Limbach-Oberfrohna (bei Chemnitz) einträchtig zusammen in einem von CDU-lern gebildeten „Bürgerbündnis für Demokratiegegen Extremismus“.
Dresden steht auch heute für eine Politik, die die Nazis toleriert, gewähren lässt und auch unterstützt.

Ausblick
Die bundesweite Mobilisierung nach Dresden, das kämpferische Konzept der Blockaden, das breite Bündnis machten es möglich den Naziaufmarsch zu stoppen. Das ist ein wirklicher Erfolg der antifaschistischen Bewegung. Und er hat sich auch schon ausgewirkt, so z.B.  auf die ebenfalls wirksamen Aktionen Ende März gegen die antiislamistischen Hetz-Kundgebungen von PRO-NRW und NPD im Ruhrgebiet.  
Keinen Fußbreit den Nazi-Faschisten! Diese Losung muss in allen Städten und Gemeinden greifen.  Gleichzeitig müssen wir aber überall in diesen Aktionen laut sagen, Faschisierung geht heute vor allem vom Staat aus. Rassistische Ausgrenzung und Verfolgung von MigrantInnen und Flüchtlingen ist Regierungspolitik. Die Tolerierung und Unterstützung faschistischer Organisationen und ihrer Mordtaten geht von diesem Staat aus. Die Kriminalisierung von AntifaschistInnen wird von Politik, Polizei, und Justiz betrieben. Und vor allem: Die Wurzeln des Faschismus liegen im bürgerlichen, kapitalistischen System selbst.
In den Vorbereitungen von Aktionen und Bündnisse gilt es auch die Kritik an der heuchlerischen "Anti-Nazi" Haltung, dem verlogenen Geschichstrevisionismus der bürgerlichen Parteien und ihrer Politiker einzubringen. Das "Gedenken" des 13. Februar dient CDU, SPD, Grünen die Barbarei des Hitler-Faschismus zu relativieren.
Krieg ist nicht gleich Krieg! Der Krieg der deutschen Bourgeoisie, des deutschen Finanzkapitals mit ihrer Hitlerregierung an der Spitze war  imperialistisch und auf Unterwerfung der Völker unter ihre Diktatur ausgerichtet. Der antifaschistische Krieg der Völker der Welt gegen die Nazi-Herrschaft, gegen den deutschen Imperialismus war ein gerechter Krieg! Er hat die Menschheit vor der angestrebten Weltherrschaft des Hitler-Reiches gerettet.
Das ist die geschichtliche Wahrheit!
No Pasaran!
Blockieren – Bekämpfen – Faschismus besiegen!
März 2010

Antifaschistische Mauerparole im Nazi-Reich
„Denk bei jeder Bombe dran – diesen Krieg fing Hitler an!“

Der Krieg ist geschändet worden
Wie ich höre, wird in den besseren Kreisen davon gesprochen
Daß der zweite Weltkrieg in moralischer Hinsicht
Nicht auf der Höhe des ersten gestanden habe. Die
    Wehrmacht
Soll die Methoden bedauern, mit denen die Ausmerzung
Gewisser Völker von der SS vollzogen wurde. Die
    Ruhrkapitäne
Heißt es, beklagen die blutigen Treibjagden
Die ihre Gruben und Fabriken füllten mit Sklavenarbeitern, die
    Intelligenzler
Nicht ein Wort
Weiß ich für euch, ihr Geschlechter kommender Zeiten
Nicht einen Hinweis mit unserem Finger
Könnt ich euch geben, denn wie
Könnte den Weg weisen, der
Ihn nicht gegangen ist!

Also verbleibt mir, der ich mein Leben
So vergeudet habe, nur, euch aufzufordern
Kein Gebot zu achten, das aus unserem
Faulen Maule kommt und keinen
Rat entgegenzunehmen von denen, die
So versagt haben, sondern
Nur aus euch heraus zu bestimmen, was euch
Gut ist und euch
Hilft, das Land zu bebauen, das wir verfallen ließen, und
Die wir verpesteten, die Städte
Bewohnbar zu machen

Bertolt Brecht – Gedichte 1941-1947, Seite 939/940