TROTZ ALLEDEM!


Biedermann & Brandstifter: Sarrazin „Deutschland schafft sich ab“

Sarrazinieren=Islamphobie=Faschisieren=Deutschland über alles!

Seit Jahrzehnten werden in der „Ausländer/Integrations“debatte, je nach politischer Zweckmäßigkeit, Migranten, nationale Minderheiten, Flüchtlinge, Menschen ohne Papiere zu Sündenböcken für „gesellschaftliche Fehlentwicklungen“ gemacht. Seit dem 11. September ist der Islam internationaler Hauptfeind. Die Gleichsetzung lautet Terrorismus = Islam. Eine hysterische, aggressive Islamphobie wird angefacht. Damit werden die Kriege in Afghanistan, in Pakistan und im Irak gerechtfertigt. In Europa haben faschistische Parteien von Schweden bis Ungarn, von den Niederlanden bis Italien, von Österreich bis Frankreich starken Auftrieb. In der BRD stehen Migranten türkischer und arabischer Herkunft, „muslimische MigrantInnen“, im Brennpunkt einer rassistischen Debatte und Politik. Sarrazin hat mit seinem Machwerk „Deutschland schafft sich ab“ diese weiter gepuscht. Islamphobie Sarrazin steht für die deutsch-chauvinistische Variante der antiislamischen Hetze. Er ist kein „Einzelfall“. Eine Flut von rassistisch gefärbten „Sachbüchern“, Medienberichten, Filmen unterfüttert diese Kampagne. Sarrazins Thesen sind ein politisches Projekt. Die Herrschenden haben viele Optionen um ihr Programm des Sozialabbaus und der Krisenabwälzung auf die Werktätigen durchzudrücken. Eine Option ist das Szenario, „muslimische“ EinwanderInnen, bzw. deren Kinder, die oftmals deutsche Staatsbürger sind, für alles was nicht läuft im deutschen Staate verantwortlich zu machen. Das ist die Option des deutschen Nationalismus, Rassismus und das Vorantreiben der Faschisierung auf breiter Front. Der Sozialdemokrat Sarrazin bedient genau dieses Politikfeld. Damit soll von den tatsächlichen Problemen der Krise und des Kapitalismus, von den Verursachern dieser Entwicklungen abgelenkt werden. Sarrazins Machwerk „Deutschland schafft sich ab“ ist ein einziger ‚Hilferuf’: „Das deutsche Volk darf nicht aussterben!“ Leitideologie des Herrn Sarrazins ist:  Das deutsche Volk sind nicht die deutschen Staatsbürger. Nur die genetisch ‚rein Deutschen‘ sind das deutsche Volk. „Wenn wir den Zuzug nicht steuern, lassen wir letztendlich eine Veränderung unserer Kultur, unserer Zivilisation, und unseres Volkscharakters in eine Richtung zu, die wir gar nicht wünschen. Es würde nur wenige Generationen dauern, bis wir zur Minderheit im eigenen Land geworden sind. Das ist nicht nur ein Problem Deutschlands, sondern aller Völker Europas.“ (S. 330) Darum muss sich die „Nettoreproduktionsrate der deutschen Mittelschicht und Intelligenz“„ja, wenn die Deutschen ziemlich rasch und recht radikal ihr Geburtenverhalten ändern, und das heißt, dass die Unterschicht (darunter versteht Sarrazin türkische und arabische Migranten, BezieherInnen von Hartz IV A.d.V.) weniger Kinder bekommt und die Mittel- und Oberschicht deutlich mehr als bisher.“ (S. 373) Denn: „Die drei Migrantengruppen mit den größten Bildungsdefiziten und den höchsten Sozialkosten sind auch jene, die sich am stärksten vermehren… Die Gruppen mit der höchsten Bevölkerungsdynamik haben also die niedrigste Bildung… Damit stellen sie nicht einen Teil der demographischen Lösung (mehr Kinder sind nötig A.d.V.) sondern des demografischen Problems dar.“ (S. 64) Dieses Problem ist nach Sarrazin: Es gibt viel zu viele „muslimische“ Migranten, die sich ‚unkontrolliert und rasend vermehren’. Intelligenz ist laut Sarrazin zu 50-80% angeboren. (S. 93) Da arabische und türkische Migranten, die „Unterschicht bilden“ und genetisch (d.h. in der Erbanlage) „dumm sind“, sind es auch ihre Kinder. „Zwischen Schichtzugehörigkeit und Intelligenzleistung  besteht ein recht enger Zusammenhang.“ (S. 93) Sarrazins Horrorvision: Deutschland verdummt und wird islamistisch. Das muss verhindert werden! Der Atem stockt einem, wenn man dieses offensiv vorgetragene, biologistische Rassenkonzept des Herrn Sarrazin liest! Diese Positionen werden ernsthaft im deutschen Feuilleton und in Talk-Shows diskutiert. Haupttenor ist, Sarrazin übertreibt vielleicht etwas, aber er packt Probleme wirklich an, die lange geleugnet wurden. Endlich spricht einer aus, was bisher wegen P.C. (political correctness) nicht gesagt werden durfte! Es wird unterstellt die gesamte deutsche Bevölkerung denkt so wie Sarrazin. Das gipfelt in Feststellungen wie, es gibt keinerlei Probleme bei der Integration von Migranten seitens der deutschen Bevölkerung.  „Integrationsunwillig“ seien einzig und allein islamische Migranten. Sie wollen sich nicht anpassen, sie grenzen sich selbst aus, sie sind fremd! Liberale „Kritiker“ stoßen faktisch ins gleiche Horn: „Sein Buch hat die notwendige Debatte um eine politische Steuerung der Migration und die Gefahren deutscher und migrantischer Parallelgesellschaften und Unterschichts-Milieus mit islamfeindlichen Klischees und rassistischen Tönen vergiftet.“ (Tipp, Stadtmagazin Berlin 1/2011, S. 23) Also, die Probleme gibt’s, nur bitte nicht ganz so rassistisch ansprechen. Auch wenn sich Frau Kanzlerin Merkel, ebenso wie andere bürgerliche Politiker, lau und halbherzig von Sarrazin „abgrenzt“: Er passt hervorragend in ihr politisches Kalkül. Mit seiner Stimmungsmache lassen sich gut Zwangsgesetze gegen Migranten durchbringen. Nach dem Motto: „Wir sind die Guten. Wir ignorieren keine Probleme. Wir tun etwas, während Sarrazin nur polarisiert!“ Die Abberufung Sarrazins als Bundesbanker war dem „Ruf Deutschlands“ in der Welt geschuldet und nicht einer Ablehnung seiner Thesen. Das ist Fakt, auch wenn Sarrazin sich selbst im „Jahresrückblick“  in der FAZ als „politisch Verfolgter“ stilisiert, dessen Buch Merkel auf „den Index setzte, so wie es früher die Heilige Inquisition tat“. (FAZ 24.12.2010) Damit will er nur seine Auflage weiter steigern! Um seine Positionen „gesellschaftsfähig“ zu machen, greift Sarrazin demagogisch geschickt auf Migranten zurück, die sich mit Überanpassung an die deutsche Herrschaftsmeinung profilieren. So motzt Sarrazin das Vorurteile bedienende Belletristik-Buch „Arab Boy. Eine Jugend in Deutschland oder das kurze Leben des Rashid A.“ von G. Balci, gleich zu einer „Studie“ auf. In dieser werde „genau und schonungslos die Parallelwelt der Verlierer beschrieben, in der sich große Teile der türkischen und arabischen Migranten eingerichtet haben“. (S. 87) Necla Kelek, die Sarrazins Buch präsentierte, ist seine „Hauptzeugin“. Pauschalurteile von Kelek wie, „Eigenheiten der türkisch-muslimischen Gesellschaft in Deutschland sind Intoleranz und alltägliche Gewaltverhältnisse“ zitiert Sarrazin genüsslich (S. 306) und kommentiert: „Hätte ich das so gesagt wie Necla Kelek, so würden mir Unkenntnis, Arroganz und Rassismus vorgeworfen.“ (S. 307) Horrorszenarien Das Fazit von Sarrazin findet sich am Ende seines Machwerks: Er malt mit völlig absurden statistischen Zahlenspielen Horrorszenarien aus, die dumpfe deutschnationale Gefühle ansprechen. Im Kapitel „Ein Traum und ein Albtraum – Deutschland in 100 Jahren“ schildert Sarrazin seinen Traum „Die westlichen und europäischen Werte und die jeweilige kulturelle Eigenart der Völker sind es wert, bewahrt zu werden. Dänen sollen noch in 100 Jahren als Dänen unter Dänen, Deutsche als Deutsche unter Deutschen leben können, wenn sie dies wollen.“ (S. 391) Seinen Alptraum malt er in einer „Zukunftsvision“ so aus: „Wer wird in 100 Jahren ‚Wanderers Nachtlied’ noch kennen? Der Koranschüler in der Moschee nebenan nicht.“ (S. 393) oder „Wie Allensbach anlässlich der Bundestagswahl 2045 ermittelte, hatten bereits 30 Prozent der Erstwähler einen muslimischen Hintergrund. 20 Jahre später wurde die 50-Prozent-Marke überschritten.“ (S. 401) und „Die Auswertung der Einschulungsstatistik ergab, dass 2045 noch 48 Prozent, 2075 lediglich 30 Prozent und 2105 gar nur noch 20 Prozent der Einschüler für den muttersprachlichen Unterricht das Fach Deutsch wählten.“ „Im Jahr 2100 konnte der kritische Historiker beim Blick in die Vergangenheit zufrieden registrieren, dass Deutschland seine demografischen Probleme vorbildlich und multikulturell korrekt gelöst hatte. Zwar war die Bundesrepublik im Lebensstandard weit hinter China zurückgefallen, auch Indien hatte Deutschland im Pro-Kopf-Einkommen überholt, aber man zeigte der Welt, dass sich Probleme friedlich lösen ließen.“ (S. 404)

Den Entwicklungen hin zu diesem Alptraum will Sarrazin Einhalt gebieten. Damit sein Traum vom „deutschen Deutschland“ verwirklicht wird, sarraziniert er seine Zukunftsvision: Nach „islamistischen terroristischen Anschlägen 2013 wird EU-weit jegliche Migration aus dem Mittleren und Nahen Osten sowie aus Afrika durch totale Abriegelung völlig gestoppt. „Bei den Migranten aus Nah- und Mittelost sowie aus Afrika hatten die Reformen bei den Sozialtransfers in wenigen Jahren dazu geführt, dass deren Fruchtbarkeit unter den bundesdeutschen Durchschnitt sank…. Die Migrantenquartiere der Großstädte schrumpften und man hörte immer weniger Türkisch und Arabisch auf den Straßen.“ (S. 407) Weiter umfaßt sein „Maßnahmenkatalog“: Zwangsassimilation oder wahlweise „staatlicher Auswanderungsdruck“. Das sind die Instrumente, die er schon heute einsetzen will, damit „Deutschland sich nicht selbst abschafft.“

Faschistoide Geschichtsfälschung

Sarrazin steht aber auch in der Tradition der Geschichtsrevisionisten. Nur in diesem Rahmen sind seine biologistisch-rassistischen Positionen zu verstehen. Es geht um Weltmachtstrategien und ein dafür gerüstetes deutsches Hinterland. Natürlich wird dieser Bezug in den ganzen widerlichen Talk-Show Aufregungsveranstaltungen unter den Teppich gekehrt.

Warum wird in keinem der hunderten von Artikeln und in keiner „Gesprächsrunde“ nicht ein einziges Mal Sarrazins Geschichtsbild thematisiert. Warum nicht aus seinem Machwerk zitiert? Z.B. ist für Sarrazin der 8. Mai, der Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus ‚Tag der Katastrophe des verlorenen Krieges‘.

„Die BRD der frühen fünfziger Jahre war ein sehr modernes Staatswesen. Nach den zwei verlorenen Kriegen hatten sich katastrophale Folgen gezeigt: Die Institutionen waren zerstört, die Traditionen in Frage gestellt und die Bevölkerung durch Flucht und Vertreibung durcheinandergewirbelt. Doch die spezifischen deutschen Stärken – ein hoher Standard in Wissenschaft, Bildung und Ausbildung, eine leistungsfähige Wirtschaft und eine qualifizierte Bürokratie – waren durch die Katastrophe des Krieges und die Zerstörung der Infrastruktur erstaunlich wenig beeinträchtigt worden. Die Angehörigen der Führungsschichten und der Bürokratie waren zu 90 Prozent willige Helfer der Nazidiktatur gewesen; das wirkte sich aber keineswegs auf ihre Effizienz beim Wiederaufbau aus. Ganz und gar ungebrochen und durch die Katastrophe und die Chance zum Wiederaufbau sogar noch angestachelt waren der traditionelle deutsche Fleiß und der Hang zum Tüfteln und Verbessern.“ (S. 13) Na, da sind wir aber glücklich. Die deutschen Ingenieure, die Chemieindustrie IG-Farben haben im Nazi-Reich die industrielle Vernichtung von Menschen „ausgetüftelt“. Die „qualifizierte Bürokratie“ hat das geraubte Eigentum der jüdischen Bürger akribisch „fleißig“ aufgelistet und eingezogen. Sie hat „effizient“ die „rassische“ und religiöse Zugehörigkeit von Menschen bis ins 5. Familienglied zurückverfolgt. Sie hat ein System der Deportationen und Zwangsarbeit über Europa errichtet. Sie hat alle „psychisch-psychiatrisch“ erkrankten Menschen erfasst und  eine Viertel Million Kranke zur Ermordung bestimmt.

Aber für ihn waren diese „Bürokratie und Führungsschicht“ ja auch zu 90 Prozent nur „Nazi-Helfer“. Also, sie waren nicht die Verantwortlichen des Nazi-Faschismus und der Barbarei. Darum, weil sie ja nur Helfer waren, kann er um so mehr, ihre Tugenden „deutscher Fleiß um jeden Preis“, „Effizienz“, „Tüfteln und Verbessern“ loben, als das was zählt. So kommt es dann auch zu seinem Lob dafür, dass die Altnazis einen modernen Staat geschaffen haben. Bravo! Und genau diesen will er wieder zurück haben. Er will die Effizienz dieser Staatsinstitutionen für die Zwangsassimilation, für die Vertreibung/Ausweisung, für die Senkung der Geburtenrate, für die Verdeutschung oder Vertreibung der MigrantInnen!

Die alte Melodie der deutschen Großmacht in neuer Tonart. Was der Nazi-Faschismus im Genozid, in der systematischen, industriellen Vernichtung an den europäischen  Juden, Roma und Sinti, den slawischen „Untermenschen“ exekutierte, war ideologisch bereits in der rassenbiologischen „eugenischen“ Heilslehre des Kaiserreiches angelegt. Das aggressive Streben nach Weltherrschaft der zu kurz gekommenen deutschen Großmacht gründete sich ideologisch auf der Exklusivität deutschen Herrenmenschentums. Am deutschen Wesen sollte die Welt genesen!

Jahrhundertelang gezüchteter wüster Antisemitismus, barbarischer Kolonialrassismus waren die Geburtshelfer des Reiches der Großen Deutschen Nation. Nach ihrer vernichtenden Niederlage im großen Ringen der imperialistischen Mächte im 1. Weltkrieg nahm sie den zweiten Anlauf. Das „zivilisierte abendländische“ Deutschland griff planvoll und gezielt zu faschistischer Diktatur, Völkermord, Tyrannei, Barbarei und überzog die Völker der Welt mit einem erneuten Weltkrieg. Alle deutschen Tugenden Fleiß, Ordnungsliebe, Untertanengeist, „Tüftelgeist“ mündeten in der geplanten, industriellen, rational durchorganisierten Vernichtung der europäischen Juden. Zu solcher Barbarei war die deutsche Nation und ihre Hochkultur fähig. Auf diese „Tugenden“ setzt Sarrazin.

Neu-Deutsche Weltmacht

Im neuen Jahrtausend, im 21. Jahrhundert wandelt die Bundesrepublik Deutschland weiter auf alt bekannten Pfaden. Als „wehrhafte Demokratie“ ist sie international an Kriegseinsätzen beteiligt und führt Krieg in Afghanistan.

Sarrazin beruft sich in seinem Machwerk ausdrücklich auf diese Traditionslinien des deutschen  Imperialismus. Sein Gesamtkonzept ist viel umfassender als „nur „rassistische Hetze gegen Migranten. Er arbeitet an politischen Maßnahmen und Begründungen für die nächste Runde deutscher Weltmachtambitionen. Herausgefordert durch die aufsteigende imperialistische Macht China, beflügelt durch einen gewissen Machtverlust des amerikanischen Giganten, taktierend mit dem russischen Riesenreich, gestärkt durch die Führungsposition in der EU geht es auf zu neuen Ufern. Die Heimatfront muss abgesichert werden. Dazu braucht es eine Neuauflage deutscher Herrschaftsideologie. Das „deutsche Volk“ muss wieder hinter sich geschart werden. Sarrazins Motto dabei: „In der globalisierten Welt können Kapital und Güter frei fließen, doch es ist ganz undenkbar, dass dies auch für Arbeitskräfte gelten soll, denn an diesen hängen Familien, Gesellschaften und Völker.“ (S. 257)

Was bietet sich hier mehr an als die Traditionslinien zu aktivieren und das deutsche Geschichtsbewusstsein  wieder auf alte Höhe zu bringen. Natürlich modern. Natürlich eingehüllt in die verlogene Gedenk- und Erinnerungskultur. Aber die alten Reflexe, das historische Gedächtnis des „deutschen Volkskörpers“ ist nicht in der Spree in der neu erstrahlten Hauptstadt Berlin versenkt worden. Im Gegenteil, zum 3. Oktober, 20 Jahre deutsche Einheit wird schon mal wieder, aus Versehen, die 3. Strophe der Nationalhymne intoniert: „Deutschland, Deutschland über alles“. Die Globalisierung, die Modernität Deutschlands wird bejubelt mit dem Hissen der alten deutschen Nationalfahne. Wir tragen wieder schwarz/rot/gold.  Das urdeutsche „National“-Gefühl, nie verschüttet, nur etwas bedeckt gehalten, kann sich nun ungehindert austoben: Fast 200 Menschen wurden durch faschistische, rassistische Angriffe seit der „Einheit Deutschlands“ ermordet. Deutscher Alltag 2010!

Eugenische-Rassen-Konzepte

Die Eugenik (auch Eugenetik – in Deutsch „Rassenhygiene“) war eine bürgerliche „Wissen“schaftsrichtung.  Im 19. Jahrhundert wurde sie als eine  humangenetische Theorie aus der Vererbungslehre Mendels und der Abstammungstheorie Darwins entwickelt. Ihr Ausgangspunkt ist die Unterscheidung von „positiv“ bewerteten Erbanlagen, die „höhere Rassen“ in sich tragen und negativ bewerteten, die „lebensunwerten Rassen“ zugeschrieben werden. Das „Überhandnehmen von Immigranten“, die „unkontrollierte Vermehrung minderwertiger Rassen“ und „Unterschichten“ (darunter wurden wahlweise Juden, Immigranten, Behinderte, „Sozialfürsorge-Empfänger“ verstanden) wurden als „Zersetzung“ der höheren Rasse beschworen. Daraus wurde eine „sozial“-eugenische Gesetzgebung zur Geburtenkontrolle, Migranten- „auslese“ etc. entwickelt, die sich auf alle Bereiche wie Schule, wie Minderheitenstatus und Gesundheits- Sozialfürsorge erstreckte. In Kanada gab es z.B. Anfang des 20. Jahrhunderts massenhafte Zwangssterilisierungen. „Zur Bestimmung der zu sterilisierenden Individuen wurden Intelligenztests verwendet. Die Durchführung der Test in der Englischen Sprache bedeutete, dass Immigranten häufig niedrigere Punktzahlen erreichten, weswegen unter den sterilisierten viele Einwanderer waren.“ (www.wikipedia.de, Eugenik) In vielen Ländern, teils bis in die 1990er Jahre (Schweden, Schweiz, Deutschland) wurden Menschen, die als geistig behindert eingestuft wurden, in staatlichen Programmen zwangssterilisiert.

Auch die reformistisch-reaktionäre Sozialdemokratie, begeisterte sich Anfang des 20. Jahrhunderts, so z.B. Kautsky, für die „soziale Rassenhygiene“. Die angebliche biologische Überlegenheit der eigenen ‚Rasse’, insbesondere der deutschen, diente z. B. als Rechtfertigung für den Sozial-Imperialismus in den Kolonien: Die gewaltsame, ‚Beglückung’ der Völker Afrikas mit der europäischen Zivilisation. Hauptvertreter der Eugenik, wie F. Galton 1865, führten „menschliche Charaktereigenschaften auf genetische Ursachen zurück. Die Erbgesundheit erhob er zum entscheidenden Kriterium für den Wert einer Rasse.“ (wikipedia). A. Ploetz favorisierte eine „Auslese“ und „Ausjäte“ die eine „Vitalrasse“ schaffen sollte. Die einen Eugeniker wollten per Bevölkerungspolitik verhindern, dass „minderwertige“ Rassen/Schichten, sich vermehren (negative Eugenik), die anderen wollten, dass sich nur die höhere Rasse fortpflanzt (positive Eugenik). 

Zwei deutsche Eugeniker, Hoche und Binding, auf die sich die Nazis ausdrücklich beriefen, legten schon 1920 die Grundlagen für die Euthanasie in ihrer Schrift „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens.“ Die „Eugenik, Rassenhygiene“ endete im Euthanasie-Programm der Nazi-Faschisten. Alle führenden Eugeniker in Deutschland schlugen sich auf die Seite der Nazis und betrieben die mörderische Umsetzung ihrer menschenverachtenden Rassentheorien. Schon 1933 erließen die Nazi-Faschisten das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses.“ Zwangssterilisationen, Menschenversuche und Massenmorde wurden durchgeführt und „eugenisch“ begründet.

Sarrazin kann sich „des Verdienstes“ rühmen solche eugenische, biologistische, sozial-rassistische Theorien aus der Versenkung geholt zu haben. Um unter Stichworten wie „Gescheiterte Integration“, „Islamisierung“, „mindere Intelligenz“ solches Gedankengut wieder gesellschaftsfähig zu machen. Latent waren solche Theorien immer im Umlauf. Aber jetzt sind sie wieder up to day. Er beruft sich direkt und offen auf solche Theorien: „Der Umstand, dass bei unterschiedlicher Fruchtbarkeit von Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher Intelligenz (laut Sarrazin Deutsche und türkisch/arabische Migranten A.d.V) eugenische oder dysgenische Effekte auftreten können wird daher nicht mehr grundsätzlich bestritten.“ (S. 93) Hier redet er offen rassistischen Eugenik-Vorstellungen das Wort. „Dysgenische Effekte“ bedeutet in der „Eugeniker-Sprache“: „Akkumulierung und Verbreitung von mangelhaften Genen einer Rasse.“

Natürlich sind Sarrazins Lösungsvorschläge noch nicht aggressiv auf gewaltsame „Auslöschung“ von migrantischen Bevölkerungsschichten ausgerichtet. Natürlich redet er nicht offen dem NS-System das Wort. Aber er legt doch politische Spuren dahin. Allein schon die Einteilung in sozusagen „lebenswertes, erwünschtes Leben“, intelligente Kinder der deutschen Mittel- und Oberschicht, und „unwertes, unproduktives“ Leben, Kinder der migrantischen Unterschicht verweist auf alte deutsche Traditionen.

Wie hieß es doch bei den Nazis: „rassisch und erbbiologisch wertvolle kinderreiche Familien unterstützen für den Sieg der Geburten des guten deutschen
Blutes“.
Lebensborn, Nazi-Organisation. (zitiert in jw, 11./12.12.2010)

Alarmierend ist auch die pseudowissenschaftliche Sprache des Herrn Sarrazins, die im Inhalt brutal und menschenverachtend ist. Menschengruppen werden nach Herkunft und Religion selektiert und ausgemustert. „Die kulturelle Fremdheit muslimischer Migranten könnte relativiert werden, wenn diese Migranten ein besonderes qualifikatorisches oder intellektuelles Potential verhießen. Das ist aber nicht erkennbar.“ (S. 369) Die viel beschworenen westlichen Menschenrechte, das Recht des Individuums, des Einzelnen gilt exklusiv offenbar nur für Deutsche. Migranten türkischer, arabischer und afrikanischer Herkunft werden als komplette soziale Gruppe stigmatisiert und ausgemustert. Genetische, biologische und rassische Kriterien werden zu Beurteilungskriterien.

Noch eine Tatsache ist zu bedenken. Die rasanten wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Genforschung führen und werden in Zukunft noch viel verstärkter zu Debatten führen, inwieweit Forscher, die Pharmaindustrie, Staaten und Regierungen in das „Gen-Material“ eingreifen sollen. Die „geklonte Menschenzüchtung“ ist von den wissenschaftlich-technischen Voraussetzungen aus der Utopie zu einer schon bald machbaren Möglichkeit geworden. Wie der Imperialismus solche Technologien einsetzen wird, um seine Vorherrschaft zu stabilisieren, wird die nahe Zukunft zeigen. Eugenik und Humangenetik in den Händen dieses Systems sind auch unter diesem Aspekt ein scharf zu bekämpfendes gegen die Menschheitsentwicklung gerichtetes Instrument. Sarrazin liefert schon mal die ideologisch-politische Begründung für eine solche Anwendung.

Internationalismus – Solidarität Kampf gegen Faschisierung

Wenn heute „Kolonien“ deutscher Bourgeois und Rentner Mallorca, Alanya (Türkei), Landstriche in Thailand und Sri Lanka aufkaufen und mit deutscher Kultur beglücken, ist das für Leute wie Sarrazin natürlich kein Problem. Das ist deutsche Weltläufigkeit.

Sarrazins ‚Alptraum’ ist: „Deutschland wird sich kulturell bis zur Unkenntlichkeit verändern, wenn wir einer Entwicklung freien Lauf lassen, die dazu führen – und wahrscheinlich führen wird –, dass die großen Städte Deutschlands, vielleicht aber auch das ganze Land, nach wenigen Generationen von einer muslimischen Mehrheit türkischer, arabischer und afrikanischer Herkunft bewohnt wird.“ (S. 369)

Na und? sagen wir als KommunistInnen und InternationalistInnen… Menschen sind Menschen, was sie einzig im Kapitalismus unterscheidet ist der Klassenunterschied und nichts anders! Uns geht es darum, dass Menschen menschenwürdig leben, egal welcher Kultur und welcher Religion sie angehören oder welche Hautfarbe sie haben. Uns geht es um die Klassengesellschaft in Deutschland, die genau das verhindert und die als ein Instrument die nationale und religiöse Aufhetzung der Werktätigen nutzt, um die eigene Herrschaft zu stabilisieren. Ob Deutschland in hundert Jahren eine arabische, „muslimische“, türkische, kurdische Mehrheitsbevölkerung hat, ist vom Klassenstandpunkt völlig unwichtig. Wichtig ist, dass Ausbeutung und Unterdrückung abgeschafft werden.

Sarrazins Machwerk enthält alle Elemente, einer Hetze und Demagogie, die darauf abzielt, repressives, gewaltsames Vorgehen gegen Menschen, die nach seinem Verständnis nicht-deutsch sind, anzustacheln Von Staatswegen, als Bevölkerungspolitik, als Abschottungspolitik, als Repression zur Zwangsassimilation oder Ausweisung.

Es soll keine/r sagen, er/sie hat es nicht gewusst, er/sie hat es nicht gehört, er/sie hat es nicht gelesen, er/sie hat es nicht gesehen!

Die Wurzeln des deutschen Antisemitismus, des Rassismus und Chauvinismus reichen weit vor den Machtantritt der Nazifaschisten in die deutsche Geschichte hinein. Diese Wurzeln wurden nie wirklich gekappt. Der Schoß ist noch fruchtbar aus dem das kroch. Die Faschisierung nimmt zu. Das Sarrazin Machwerk ist ein Meilenstein darin.

Wir sind hier nur auf zentrale Punkte der Sarraziniererei eingegangen. Sein Rassismus hat noch viele Facetten. So z.B. seine ebenfalls biologistisch-genetische, zutiefst antisemitischen Theorien über Juden. Wie begründet er den, seiner Meinung nach, höheren durchschnittlichen Intelligenzquotienten bei Juden? Sarrazin: „Erklärt wird die durchschnittliche höhere Intelligenz der Juden mit dem außerordentlichen Selektionsdruck, dem sie sich im christlichen Abendland ausgesetzt sahen.“ (S. 95) Welcher Zynismus! Der Antisemitismus des deutschen Kaiserreichs, die Ausrottungspolitik der Nazifaschisten hat  angeblich „kluge Juden“ hervorgebracht – weil nur die intellektuell stärksten überhaupt überleben konnten. Was folgt für Sarrazin daraus? Sarrazin schlägt indirekt vor, Deutschland sollte hier und heute bei den ‚Muslimen‘ selektieren. Natürlich noch „moderat“: „Importbräute“ verhindern, Ausweisungen verschärfen, Zwangsassimilation betreiben. Aber er verkündet auch bereits, „mit diesen friedlichen Problemlösungen“ (s.o.) werden wir die Vorherrschaft der Muslime in Deutschland nicht stoppen. Seine Forderung ist: muslimische, arabische und afrikanische Migranten müssen weniger werden, egal wie. Fragt sich, welche „unfriedlichen Problemlösungen“ er und seine ideologischen  Gefolgsleute ansteuern?

Es ist einfach nicht zu fassen, welche Abgründe sich in der Sarrazin Denke auftun. Die deutsche Geschichte hat eine blutige, völkermörderische Tradition. Stellt er sich in diese?

Das alles wird in dem medialen Hype einfach totgeschwiegen oder glatt gebügelt, unter dem Motto, das sind nur  vereinzelte Übertreibungen.

Jeden Tag werden wir im Betrieb, im Büro, in der Schule, im Sportverein, auf der Straße, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, im Jobcenter damit konfrontiert, wie diese faschistoiden Ansichten, auch bei Wertktätigen, bei ArbeitskollegInnen, bei Jugendlichen auf fruchtbaren Boden fallen.

Offensiv dagegen auftreten, klare antirassistische Gegenpositionen einnehmen und dieser Hetze den Boden zu entziehen, das ist dringende Aufgabe aller KommunistInnen und RevolutionärInnen. Im Bündnis mit Antifaschistischen und Revolutionären, der Faschisierung den Kampf ansagen!

 12.12.2010

Vermischtes:

„Deutschland schafft sich ab“:

Auflage liegt bei bisher 1,2 Millionen

Nr. 1 Sachbuch Spiegel-Jahresbestellerliste

BILD 7.9.2010

„Schlimmste Fälle verfehlter Integrationspolitik die Sarrazin in seinem Buch anspricht:

15 Jahre Sozialabzocke, Drogen-Pate kassiert Stütze, Sohn heißt heiliger Krieg, Steinigung im Wohnzimmer, Verschleiertes Hallenbad.“

Bücherflut zum Sarrazinbuch:

„Zur Sache Sarrazin“, Literatur aktuell 2

„Die Sarrazin-Debatte. Eine Provokation – alle Antworten“, ZEIT-Buch

„Das kleine Anti-Sarrazin Buch“

„Analyse: Die Casa Sarrazin“

Sarrazin im „Weihnachtsurlaub“

Aktuell sitzt Sarrazin im 6 Sterne Hotel in

Bodrum/Türkei. Ganz nach seinem Motto:

„Will ich den Muezzin hören, dann reise ich ins  Morgenland!“ Zeitungen in der Türkei titeln: „Er liebt nicht die Türken, aber die Türkei“.   Sarrazins Selbstbeweihräucherung: Sarrazin hat in der Weihnachtsausgabe der FAZ (24.12.2010) seinen Jahresrückblick geliefert. Neckisch-eklig bebildert: Sarrazin mit Weihnachtsmann-Mütze auf einem Berliner Weihnachtsmarkt Kinder-Karussell. Darin lobpreist sich Sarrazin selbst und sein Machwerk bis zur Unerträglichkeit und transportiert dabei seinen tiefsitzenden Rassismus. Selbst wenn er von seiner „Fangemeinde“ schwärmt: „Und zu den großen Fans zählen eben nicht zuerst frustrierte Mittsechziger, denen per se unterstellt wird, sie verstünden die Welt nicht mehr. Es sind vielmehr die Jugend und die jüngeren Jahrgänge, darunter erstaunlich viele Kinder von Einwanderern. Hier einige Beispiele aus der Fülle von Begegnungen: ’Der türkische Taxifahrer, der mich nachts vom Bahnhof Spandau nach Hause fuhr. Bei der Ankunft stieg er aus, berührte meinen Oberarm, schüttelte mir die Hand und sagte ‚Gut gemacht.’ (…) Der deutsche Taxifahrer, der mich in Duisburg zum Bahnhof fuhr. Er erzählte: ‚Die meisten Taxikonzessionen in Duisburg gehen mittlerweile an Türken, die bieten die höchsten Preise. Und im Duisburger Taxifunk wünscht man den Taxifahrern mittlerweile alles Gute zum Opferfest, anstatt zu den Weihnachtstagen.’“