Occupy – Campen gegen Banker

Vom 17. bis 19. Mai 2012 wird es zentrale Aktionstage in der Bankenmetropole Frankfurt geben. Geplant sind Besetzungen von Plätzen vor verschiedenen Banken sowie Blockaden der EZB (Europäischen Zentralbank) am Freitag. Für Samstag wird zu einer bundesweiten Großdemonstration aufgerufen. (www.european-resistance.org). Organisiert wird das Ganze von den verbliebenen Anti-Krisen-Bündnissen, Erwerbslosen-Initiativen, Attac und Campact, Die LINKE, Interventionistische Linke (IL), Occupy (Besetzen) und anderen. Die Occupy-Bewegung ist eine neue Kraft innerhalb der „Sozial-Bündnisse“. Wenn wir, als revolutionäre KommunistInnen, uns an den Aktionen beteiligen, ist es wichtig zu wissen: Wer ist Occupy? Was will Occupy? Wo kommt sie her und wo will sie hin?

Entstehung
Vorbild für die Occupy-Bewegungen sind der arabische Frühling, die Revolten in Nordafrika und die damit verbundene Besetzung von öffentlichen Plätzen, wie dem Tahir-Platz in Kairo/Ägypten. Die Besetzung eines Platzes ist Symbol für den gemeinsamen Widerstand.

15M (15. Mai) in Spanien
In Spanien liegt die offizielle Arbeitslosigkeit bei 21%. Unter den Jugendlichen sind es 40%. Tausende Menschen sind in Spanien aus ihren Wohnungen vertrieben worden. Die Juventud sin futuro (Jugend ohne Zukunft) und die Bewegung Democracia Real Ya (Wirkliche Demokratie, jetzt) organisierten am 15. Mai letzten Jahres eine Kundgebung in Madrid. Im Anschluss wurde die Plaza del Sol (zentraler Platz in Madrid) mit Zelten besetzt. Daraus entstanden die Indignados (die Empörten), die auch als Bewegung 15M bekannt wurden.

In erster Linie wollen sie organisiert ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen. Ihr gemeinsamer Nenner ist: „Alle sind von der Krise betroffen“.

Die Bewegung ist offen für alle, nach links und auch nach rechts. Sie ist bürgerlich-reformistisch. Aufgrund der massiven Polizeirepression haben die Jugendlichen, die mehrheitlich diese Bewegung tragen, allerdings einen wirklich starken Widerstand geleistet.

Die große Empörung: Occupy
Am 17. September 2011 wurde in New York die Wall Street besetzt. Von dieser Aktion beeinflusst, entstand weitgehend spontan die Occupy Bewegung. Sie schwappte im Oktober auch nach Europa und sogar nach Deutschland über.

Am 15. Oktober 2011 demonstrierten weltweit Hunderttausende am internationalen Protesttag gegen die Macht der Banken und Finanzmärkte. Den Startschuss für den weltweiten Aktionstag hatte 15M aus Spanien gegeben. Die Mobilisierung lief auch über Internet und facebook. Laut Attac fanden in 82 Staaten und über 900 Städten Proteste und Kundgebungen statt. In Deutschland waren etwa 40 000 DemonstrantInnen in über 50 Städten auf den Straßen. Die größten Proteste fanden in Berlin und Frankfurt/Main statt. In beiden Städten waren etwa 10 000 Menschen unterwegs. In Frankfurt wurde die Europäische Zen­tralbank blockiert.

Diese Aktion führte zu riesiger medialer Aufmerksamkeit: Occupy-AktivistInnen wurden in Talkshows eingeladen. Fast alle Tageszeitungen haben über den Protest berichtet und Interviews geführt.

Es ist ganz offensichtlich, dass sich die verschiedenen Aktionen und Proteste gegenseitig beeinflussen. Daher gibt es zwar Gemeinsamkeiten unter den verschiedenen Gruppen, Bewegungen und Bündnissen. Aber auch wichtige Unterschiede, die wir in jedem Land konkret anschauen sollten.

Gemeinsamkeiten:
Grundlegende Gemeinsamkeit besteht in der Frage nach der Gesellschaft in der wir leben. Es gibt eine politische und wirtschaftliche Unzufriedenheit. Nach der Krise 2008 wurde die Last auf die Schultern der Werktätigen abgewälzt. Das Resultat: wachsende Arbeitslosigkeit und wachsende Armut. Gegen die anwachsende Armut oder für Bildung und Kultur ist kein Geld vorhanden. Aber 8 Billionen Euro werden für die Rettung der Banken hinausgeschleudert. Zudem werden die demokratischen Rechte massiv beschnitten. Jetzt schweigen die Massen nicht mehr und zeigen ihre Empörung durch zivilen Ungehorsam. Es wird mehr Demokratie, mehr Brot, mehr Freiheit gefordert!

Unterschiede:
Grundlegender Unterschied: Die Länder des arabischen Frühlings sind Länder, in denen es keine bürgerliche Demokratie gab. Dort herrschten teilweise faschistische Diktaturen und Despoten. In Tunesien, in Ägypten, in Libyen und in Syrien gibt es immer noch halbfeudale Strukturen. In Europa und auch in den USA gibt es eine bürgerliche Demokratie, in der allerdings die innere Faschisierung voranschreitet und weiter vorangetrieben wird.

In Tunesien und in Ägypten hat der Widerstand direkt zur Entmachtung der Diktatoren geführt. In Europa gibt es keine Forderungen für einen Macht- bzw. Regimewechsel. Die sozialen Bewegungen/Bündnisse geben sich friedlich und verbleiben innerhalb des Systems. In der Bewegung agieren natürlich einzelne revolutionäre Gruppierungen, aber der Reformismus der meinungs-machenden Gruppierungen drückt der Bewegung seinen Stempel auf.

Occupy-Bankfurt:
Bisher ist in Deutschland die Occupy-Bewegung nicht zur Stimme der Empörten geworden. So wie etwa in Spanien oder in den USA. Heute gibt es in Berlin, in Frankfurt und in Hamburg meist kleinere Occupy-Gruppen. In den Aktionen von Occupy (BRD) sind Fahnen und Transparente sowie die Beteiligung von Gewerkschaften und politischen Organisationen verpönt. Das ist anders, als z.B. in den USA. Dort riefen Gewerkschaften zusammen mit Occupy zu Streiks auf. In den USA gab es die bedeutendsten Occupy-Gruppen und Zusammenhänge. Auch in Italien bildeten sich große Gruppen. Hier liefen auch die brutalsten Angriffe von Seite der Staatsmacht. Die Polizei hat diese friedlichen Bewegungen geradezu zur Militanz gezwungen.

Hier bei uns hat sich die Occupy-Bewegung hingegen mit den Behörden ziemlich gut gestellt. „...wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir mit den Behörden zusammenarbeiten können. Wir müssen für Sicherheit und Gewaltfreiheit sorgen, auf diese Weise können wir gut mit dem Polizeipräsidium und der Stadt Frankfurt zusammenarbeiten... Im Occupy-Camp kommt sie (die Polizei TA) morgens vorbei, klopft uns auf die Schulter und fragt, ob wir eine ruhige Nacht gehabt haben“. [1]Vom guten Kontakt zum Frankfurter Ordnungsamt... ist man im Camp angetan. ‚Es ist nicht zu leugnen, dass wir hier legal sind‘.“ [2]

Was vertritt Occupy Deutschland?
Es gibt zwei Internet Seiten, die Occupy in der BRD repräsentieren. Auf „occupygermany.org“ steht als erster Satz: „Die zielstrebige Zerstörung von Bildungsbürgertum, Staatsbürgerwesen und nationaler Solidarität haben die Demokratie in Deutschland an einen Abgrund geführt.“ [3]

Das ist bezeichnend für diese Bewegung, dass sie das Bildungsbürgertum und die angeblich früher existierende, nationale Solidarität und das Staatsbürgerwesen hervorhebt. Alles „bürgerliche Tugenden“ des aufsteigenden Kapitalismus des 19. Jahrhunderts. Diese haben zwar im Laufe der Zeit ihre Form gewechselt, aber es sind immer noch dieselben Inhalte, die sie transportieren. Das positiv hervorgehobene Bildungsbürgertum ist die bürgerliche Elite mit ihrem Elitarismus, der sich für etwas ganz besonderes hält. Das Staatsbürgerwesen war und ist solange gut; solange der/die Staatsbürger/in sich als das begreift, was er/sie sein soll: Der/Die Untertan/in des Staatswesens. Die „nationale Solidarität“ war entweder das deutsch/chauvinistische, gegen andere Völker gerichtete Herrenrasse-Menschentum. Oder sie war ein, erfolgreiches revanchistisches Projekt. Oder aber die „nationale Solidarität“ war eine große Lüge in der Klassengesellschaft. Diese hat der Nazi-Faschismus zur barbarischen Volksgemeinschaftsideologie, entwickelt.

Es gab und gibt die „Solidarität“ der herrschenden deutschen bürgerlichen Klasse, des Finanzkapitals und der Großbourgeoisie in der gemeinsamen Ausbeutung und Unterdrückung der Werktätigen in der BRD und weltweit. Und es gab und gibt die Solidarität der Unterdrückten gegen ihre Peiniger. Und die war und ist nicht national, sondern international. Arbeiter aller Länder vereinigt Euch! Das war schon der Schlachtruf des erwachenden Proletariats im 19. Jahrhundert gegen die „nationalen“ Unterdrücker!

Wieso wird von einer sozialen Bewegung nicht die internationale Solidarität hervorgehoben? Da fragen wir uns schon, ob „international“ vielleicht zu kommunistisch klingt und daher abgelehnt wird. Oder denkt Occupy tatsächlich in nationalen Kategorien? Es sieht ganz danach aus, als könnte beides zutreffen!

„Amis“ sind an allem schuld?
Weiter heißt es bei Occupy: „Deutschland befindet sich inmitten einer Systemkrise... Ausgehend von den USA hat sich die Mode durchgesetzt, Betrug und Untreue als smartes Geschäftsgebaren umzudeklarieren. Die Abschaffung der Verantwortlichkeit in den Chefetagen hat dann folgerichtig auch europäische Firmenlenker auf die Idee gebracht, sich ebenfalls selbst zu bedienen.“ Und weiter: „Das korrupte amerikanische Finanzsystem ist ein Krebsgeschwür, das die gesamte westliche Welt befällt“.

Was für ein primitiver Antiamerikanismus innerhalb dieser Bewegung! An allem sind „die Amis“ Schuld! Die „dummen EuropäerInnen“ ahmen die Amis nach. Damit werden die europäischen Großmächte zu Hilfskräften des US-Imperialismus degradiert und vor allem der „eigene“, deutsche Imperialismus völlig aus der Schusslinie genommen. Zudem werden die Methoden von Betrug, Untreue etc. nicht als Mechanismus des Systems, sondern als „Krebsgeschwür“ angeprangert! Wie populistisch und unsinnig! Alles wird auf das internationale, sprich, amerikanische „Finanzsystem“ geschoben und das kapitalistische System insgesamt wird rein gewaschen! Was für eine Illusion in die Reformierbarkeit der bestehenden Verhältnisse.

Staatskontrolle – Alles paletti?
Als Ziel wird proklamiert: „Die Banken müssen unschädlich gemacht werden. Egal wie. Die Zentralbanken müssen unter unabhängige staatliche Kontrolle gestellt werden. Wer glaubt, das wäre bereits der Fall, unterliegt leider einem Irrtum. Jeder privatwirtschaftliche Einfluss auf Zentralbanken muss ausgeschlossen werden.

Na toll! Wie sieht die Lösung aus? Die Banken sollen in wessen Hände? In die Hände des kapitalistischen Staates? Dem „ideellen Gesamtkapitalisten“, (Karl Marx)? Als ob staatliches Eigentum irgendwie sozialer oder besser wäre als privates. Herausragendes Beispiel für das völlige „Staatsversagen“ ist die Hypo Real Estate. Unter Staatsaufsicht wurden die Milliardengräber der Hypo Real weiter geschaufelt. Der deutsche Staat pumpte Milliarden in die HRE und gewährte für sage und schreibe 145 Mrd. Euro Staatsbürgschaften. Weitere Beispiele sind Deutsche Bank oder die Pleite gegangenen Landesbanken!

 Politisches Selbstverständnis
Zum politischen Spektrum finden wir bei Occupy folgendes Selbstverständnis: „Einige von uns bezeichnen sich als fortschrittlich, andere als konservativ. Manche von uns sind gläubig, andere wiederum nicht. Einige von uns folgen klar definierten Ideologien, manche unter uns sind unpolitisch.“ [4] 
[5]Also weder revolutionär noch nicht mal links-reformistisch bewerten sich die Aktivisten selbst. Ja ok, einige sind fortschrittlich. Aber was bedeutet denn konservativ? An dem Bestehenden festhalten bzw. gegen Globalisierung und Finanzkapital nationalen Kapitalismus setzen! Und weiter: „Wir brauchen eine ethische Revolution.“ Eine ethische Revolution steht jetzt auf der Tagesordnung und dann auch noch mit konservativem Weltbild? Na prima!  „3 Regeln und 3 Schritte“, die zu Veränderungen führen sollen:

Die 3 Regel-‚Revolution’:

1. Keine Partei bei Occupy!
Occupy ist keine politische Organisation. Politische Abzeichen oder Partei-Werbung bitte zu Hause lassen...“. 5

Occupy stellt sich hier als eine Ansammlung von IndividualistInnen vor, die ganz schön viel erreichen könnten, ohne, mit oder in einer Organisation zusammen zu arbeiten. Gegen Partei und Organisierung ist das Hauptmotto: „Echte Demokratie – Jetzt“.

Es ist eine Illusion, eine „echte Demokratie“ im Kapitalismus zu fordern. Denn das ist, wie bei allen anderen Fragen des Kampfes gegen das Finanzkapital eine Frage der Macht. Echte Demokratie, also Demokratie für die Mehrheit der Bevölkerung kann es erst im Sozialismus geben. Und um die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen, müssen sich die Unterdrückten und Ausgebeuteten zu einer eigenen politischen Kraft zusammenschließen. Nur so kann wirklich ein organisierter, zielgerichteter und aussichtsreicher Kampf um diese Ziele geführt werden. Dafür ist eine Umwälzung aller Verhältnisse, eine Revolution notwendig und dazu muss der Staat zerschlagen werden. Und dafür braucht es eine starke, schlagkräftige Organisation, die mit den breiten Massen sich der geballten Macht des Kapitalismus entgegenstellt und ihn über Bord wirft.

„2. Occupy ist LEGAL!
Keine illegalen Aktionen! Wir sind gewaltfrei. Und wir machen auch nichts kaputt, brechen nirgendwo ein, und stehlen nichts. Wir besetzen nur, was uns gehört. Unsere Stadt...“ Und weiter: „Die „Occupy-Bewegung“ ist eine zivile und friedliche Protestbewegung...“.

Der „gewaltfreie“ Widerstand der Bewegungen in den afrikanischen Ländern wird hervorgehoben. Und das ist auch ein Fehler der Occupy-Bewegung. In Ägypten und Tunis war Occupy (die damals noch nicht Occupy waren) nur ein Teil der gesamten Bewegung. Unzählige fortschrittlichere, organisierte ArbeiterInnen, innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften, Basisbewegungen, StudentInnen, haben in den Widerstandsbewegungen durchaus nicht den gewaltfreien Widerstand propagiert. Gewaltfreien Widerstand an sich zu propagieren, ist schon ein Problem. Wer glaubt, der Staat und seine Machtorgane, wie Polizei und Militär, würden ohne revolutionäre Gewalt, quasi – einfach so – ihre Macht abgeben, der unterschätzt den Gegner ganz gewaltig. Aber der Staat, das kapitalistische System ist nicht der Feind von Occupy. Sie sagen: „Es gibt eine echte Demokratie, aber jetzt, in der Krise, ist diese Demokratie schlecht“. Diese Einschätzung ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Abgesehen davon, dass es eine Illusion ist, es gäbe volle Demokratie für die Werktätigen im Kapitalismus, werden unter dem Vorwand der direkten Demokratie Parteien und organisierte Strukturen abgelehnt.

„3. Occupy Together!
Wir spalten nicht... Wir sollten überhaupt dankbar sein, wenn wir Pseudo-Individualisten mit unseren gravierten iPods es mal schaffen, uns an zu freunden, uns kennen zu lernen, und obwohl wir grundverschieden sind gemeinsam für ein Ziel einzutreten.

Hier wird deutlich, welche Menschen sich überwiegend bei Occupy zusammen finden. iPod-BesitzerInnen und IndividualistInnen. Das ist die städtische Kleinbürgerschicht, gebildete Jugendliche, die keinen Job finden, trotz abgeschlossenem Studium oder bester Bildung. Sie fühlen sich um ihre sicher geglaubte Zukunft betrogen. Sie sind nicht die, die noch nie eine Zukunftschance hatten. Das sind nicht die Arbeiter- und MigrantInnenjugendlichen, deren Perspektive Hartz IV ist.

Die 3 Schritte-‚Revolution’:

1. Menschliches Mikro: einer spricht, was er sagt wird dann von immer mehr Leuten von innen nach außen hin wiederholt...“. („Praktisches“, Wallstreet PR Group, www.occupydeutschland.de)

Ok, das ist eine interessante Megaphon-Ersatz-Methode. Sie schafft Aufmerksamkeit, weil das was Neues ist. Davon können wir alle lernen.

„2. ….Findet verschiedene Redner! Geht z.B. an die Unis und holt nicht nur die Studenten, sondern auch Lehrende ins Boot...“. („Praktisches“, Wallstreet PR Group)

Occupy möchte also das Bürgertum, Dozenten und Professoren aus den Unis rekrutieren um die Bewegung zu verbreitern. Gutbezahlte und kleinbürgerliche Schichten werden hier angesprochen! Die Botschaft kann auch so gelesen werden: holt bloß nicht ArbeiterInnen aus den Fabriken, nicht Angestellte aus den Büros, nicht arbeitende Jugend aus ihren Ausbildungsbetrieben.

„3. Streitschrift ‚Empört euch’ von Stéphane Hessel.... kopieren.“ („Praktisches“, Wallstreet PR Group)

Die Schrift „Empört euch!“ [6] ist ein Ausgangspunkt für die Occupy-Bewegung. Der Verfasser, Stéphane Hessel ist französischer Résistance-Kämpfer und Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald. Er drückt in der Schrift seine Empörung über die politischen Zustände, die Korruption und die Bereicherung der Politikercliquen aus. Er bezieht sich auf die Résistance und beschwört „ihre Treue zum Kämpfenden Frankreich und dessen Führer General de Gaulle.“ Wie kann man sich 2012 positiv auf De Gaulle beziehen?  Er war der Schlächter des algerischen Volkes, das gegen den französischen Imperialismus seinen Unabhängigkeitskampf führte. Hessel beklagt: „Das ge­samte Fundament der sozialen Errungenschaften der Résistance steht heute auf dem Spiel.“ Er kritisiert den Finanzkapitalismus, die Behandlung von Minderheiten, wie Roma und Sinti oder sogenannten „illegalen Einwanderern“. In dieser Schrift liegen schon grundlegende Fehleinschätzungen von Occupy begründet. Hessel knüpft an die Werte der Résistance an und setzt sich für ihre Wiederbelebung ein. In dieser ‚Tradition’ plädiert Hessel aber „für Gewaltlosigkeit“ und „für einen friedlichen Aufstand“. Er schreibt: „Wir müssen begreifen, dass die Gewalt der Hoffnung den Rücken kehrt. Wir müssen der Hoffnung auf Gewaltlosigkeit den Vorzug vor der Gewalt geben. Bei Unterdrückern wie Unterdrückten müssen wir zu Verhandlungen gelangen, um der Unterdrückung ein Ende zu setzen. Dann wird es möglich sein, ohne terroristische Gewalt auszukommen.“ Dieser Vorschlag steht definitiv im völligen Gegensatz zum Vermächtnis der Résistance. Zwischen Unterdrückern und Unterdrückten verhandeln? Nein, nur mit revolutionärer Gewalt konnte der Nazi-Faschismus besiegt werden. Und heute? Wie sollen die Menschen im Irak, in Afghanistan sich gegen die Besatzer-Kriege wehren? Wie sollen sich die in neokolonialen Kriegen in Afrika geschundenen Völker befreien?

Und worin liegt Hessels Enttäuschung: „Ich bedauere es sehr, dass weder Obama noch die Europäische Union bislang deutlich gemacht haben, worin ihr Beitrag zu einer konstruktiven, auf den Grundwerten basierenden Phase bestehen wird.“ Damit ist eigentlich alles gesagt. Hessel stellt sich mit viel Pathos gegen einige Auswüchse des Imperialismus, aber verteidigt insgesamt das System und seine Akteure.

Unsere Meinung zu Occupy
Es ist erstmal natürlich positiv, dass so viele Menschen, vor allem Jugendliche, ihre Wut über die herrschenden Zustände und ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen und auf die Straße tragen. Den Widerspruch ins Bewusstsein zu rufen, dass die Banken die Politik bestimmen, und dass diese nicht unsere Interessen repräsentieren, ist richtig. Forderungen nach einem besserem Leben und nach direkter Demokratie, gegen Banken und Politiker zu stellen, sowie ihnen entgegen zuhalten: „Wir sind keine Ware“, das ist alles völlig berechtigt. Aber, wie schon gesagt, die berechtigte Empörung wird mit falschen Konzepten und Zielen, in eine falsche Richtung gelenkt.

So z.B. die Losung: „Wir sind die 99%“. (Occupy) Sie soll aufrütteln und benennen: Wir sind die große Mehrheit, die 99%. Die Regierungen handeln nicht in unserem Interesse, sondern in dem der 1% . Diese 1% der ganzen Menschheit besitzen den ganzen gesellschaftlichen Reichtum. Richtig an der Parole ist, dass weltweit eine kleine Gruppe von Finanzmagnaten und Großbourgeois fasst den ganzen Reichtum in den Händen hält. Aber das ist eine breitere Schicht. Sie sind auf jeden Fall viel mehr als nur ein Prozent. Schätzungen gehen von bis zu 20% aus. Aber bleiben wir bei der Parole von Occupy, und fragen wer sind 99%? Die 99%, die nicht den ganzen Reichtum besitzen, sind keine homogene Klasse oder Gruppe. Darunter sind verschiedene Klassen und auch Ausbeuter, Bourgeoisie, Großbauern und Kleinbürger. Occupy versteht unter den 99%, alle die keine Milliardäre sind, und in unterschiedlichem Maße, dem Diktat des Großkapitals unterliegen. Wir sagen, die Ausbeuterklassen, die Occupy auch mit zu den 99% zählt, sind die „Stützen der kapitalistischen Gesellschaft“. Klar, eine kleine, untere Schicht von ihnen, wird bei jeder Krise in den Bankrott getrieben und ins Proletariat „sinken“. Insgesamt sind die Interessen dieser Klasse aber vollkommen andere als die der überwältigenden Mehrheit der Ausgebeuteten und Unterdrückten.

Die Occupy-Bewegung vertritt keinen Klassenstandpunkt. Sie gibt sich ein, über den Klassen stehendes Profil. Damit wird sie keine, sich auf einer grundlegenden Strategie und Zielsetzung entwickelnde, Massenbewegung herausbilden können.

Wenn die Werktätigen sich international aus dem bürgerlichen Ideologienebel befreien können, werden sie beginnen sich zu organisieren und ihren Klassenstandpunkt zu vertreten. Dann werden sie, die die Mehrheit der Gesellschaft bilden, die die 80% sind, eine Gesellschaft erkämpfen, die die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen abschafft. Und damit wird nicht weniger als die Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung befreit. Dann kann keine bürgerliche Macht mehr existieren und dann haben auch die bürgerlichen Medien ausgelacht.

Einige bürgerliche Medien machen sich über den Occupy Slogan „Wir sind die 99%“ lustig. Z.B. titelt Der Spiegel seinen Artikel über die Demonstrationen: „99 Prozent blieben zu Hause“. (Nr. 47, 15.10.2011) Das ist billige Polemik! Andere Medien treffen aber durchaus die Widersprüche der Bewegung, so „Die Zeit“: „Seid umarmt Protestler! – Auf der Straße überschaubar, in der Öffentlichkeit riesig: Medien und Politik feiern in skurriler Einhelligkeit die Occupy-Bewegung. Wie kann das sein?“ [7]

Die Occupy Bewegung wird von CDU bis Die Linke umarmt. Selbst Merkel-Mutti hat „großes Verständnis“ für deren Aktionen bekundet. Warum? Weil Occupy gut zum „Dampf ablassen“ nutzt. Da findet der berechtigte Zorn und die angestaute Wut ein überschaubares Ventil. Tut keinem der Oberen weh, beweist wie ‚pluralistisch’ sie sind und lässt sie in Ruhe weiter die Krise auf die Werktätigen abwälzen.

Weitere Kritiken
Occupy hat kein verbindliches Programm. Sie stellen eigentlich nur Forderungen. Es ist zwar richtig, Aktionen gegen Banken und Finanzzentren zu machen, aber es sind eben nicht (nur) die Banker oder Manager, die die Krise verursacht haben. Krisen gehören zum Kapitalismus wie das Amen in der Kirche. Occupy bekämpft nur die übelsten Auswüchse des Kapitalismus und damit bleibt die Kritik begrenzt. Das System als Ganzes wird nicht in Frage gestellt. Was ist die Alternative? Gibt es ein anderes Gesellschaftssystem? Diese Fragen stellt Occupy sich nicht und kann somit auch keine Antworten geben. Occupy ist zu einem weiteren Auffangbecken für den sozialen Protest und Widerstand geworden. Daher beschäftigen sich jetzt viele Gruppen mit Occupy und setzen große Hoffnung hinein.

Allerdings ist Occupy so beliebig und plural, dass sich verschiedene Kräfte breitmachen, teilweise gibt es eine offene Flanke nach rechts“. Occupy Germany hat Hans-Olaf Henkel auf facebook als Vorbild gewürdigt. Henkel sitzt in Aufsichtsräten wie der Bayer AG und Daimler Luft- und Raumfahrt AG. Er berät die Bank of Amerika als Senior Advisor und er ist Gastautor der Krawattenfaschisten-Zeitung, Junge Freiheit. „Demzufolge gibt es weder einen klaren Grundkonsens noch eine politische Verortung. Das führt dazu, dass rechtspopulistische Positionen dort teilweise von einigen tatsächlich kritiklos aufgenommen werden.[8] Es gibt bisher keine klare Stellungnahme von Occupy zu faschistischen, bzw. mystisch-esoterisch-faschistoiden Strömungen in ihren Reihen.

Jutta Dittfurth in der Podiumsdiskussion auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2012: „Und es ist kein Wunder, dass ‚Occupy’ Frankfurt inzwischen wirklich, und das ist nachweisbar bis ins Detail, durchdrungen ist von Zeitgeist, Anthroposophen und von rechten Gruppen, wie zum Beispiel den rassistischen, rechtspopulistischen Frankfurter Freien Wählern sowie den Anhängern der antisemitischen Wirtschaftstheorie Silvio Gesells. Das heißt man hat nur die falsche Politik der Banken im Visier, nicht Ausbeutung, nicht Mehrwertproduktion, nicht Naturvernichtung.“ [9]

Einige Occupy-AktivistInnen tragen bei Aktionen eine Guy Fawkes Maske. Die Web-Seite von Occupy Deutschland ist mit der Gruppe Anonymous verlinkt, deren AktivistInnen immer mit dieser grinsenden Maske auf Aktionen erscheinen.

Anonymous hat keinen ausgesprochen linken Anspruch. Ihre AktivistInnen sind IndividualistInnen. Sie beschäftigen sich vor allem damit, ihre Wut durch Hacken von verschiedenen Internet-Seiten auszuleben. Nachdem der ‚brillante’ Hacker Sabu, wichtiges Mitglied der Anonymousgruppe Lutzsec, verhaftet wurde, arbeitet er seit August letzten Jahres mit dem FBI zusammen. Sechs weitere Hacker hat er ans „Messer geliefert“, um seine eigne Haut zu retten. Da nimmt er sich wahrscheinlich Guy Fawkes als Vorbild! Teile des Anonymous–Kollektivs haben sogar Verständnis für das Verhalten ‚ihres Verräters’. Obwohl die Verhaftungswelle anhält. In Europa, Lateinamerika und USA werden Mitglieder weiter enttarnt und festgenommen.

Fazit:
Wenn in Israel, in den USA, in Portugal, in Italien, in Spanien... die werktätigen Massen auf die Straße gehen und gegen soziale Ungleichheit, gegen Arbeitslosigkeit, gegen Wohnungsnot, für Brot und Demokratie protestieren, ist das Ausdruck von Gärung und Wut auf die bestehenden Verhältnisse. Wenn sich die unterschiedlichen Bewegungen, so wie die Indignados, M15 und Occupy aufeinander beziehen, ist das eine internationale Vernetzung! Die Bewegung stört die Stille, die den Kapitalismus heute umgibt und beinhaltet Potentiale im Kampf gegen das System, die sich noch herausbilden können. Das Bewusstsein kann in diesen Bewegungen entstehen, dass es eine Alternative gibt. Diese Möglichkeit ist realistisch. Wenn, ja wenn wir revolutionären, kommunistischen Gruppen, Organisationen und Parteien, die für ein sozialistisches System kämpfen, die Zusammenhänge und Funktionsweisen des Imperialismus in dieser Bewegung aufzeigen. Wenn wir das politische Bewusstsein schärfen und entwickeln, durch unsere politischen Analysen. Für viele revolutionäre Gruppierungen, die jahrelang versucht haben revolutionäre Kämpfen anzuschieben und kaum Ergebnisse ihrer Arbeit gesehen haben, und dadurch auch demoralisiert sind, für sie alle zeigen die Entwicklungen „Es kann gehen!“.

Aber:
Es ist notwendig, dass wir unseren revolutionären Optimismus behalten. Unsere Aufgabe als revolutionäre KommunistInnen, ist es Klassenbewusstsein in die Bewegung zu tragen und den Kampf für eine revolutionäre Politik und für den Sozialismus voranzutreiben.

Konkrete Schritte:
Aktuell die ArbeiterInnen für den 1. Mai mobilisieren. Es geht darum, die verschiedenen Kampfformen zusammen zu bringen. Ende April läuft die Friedenspflicht für die IGM aus. Wir müssen z.B. in die Occupy-Bewegung, die Forderung hineintragen die Kämpfe der ArbeiterInnen zu unterstützen. Wir müssen den Kampf dahin tragen, wo der Reichtum dieser Gesellschaft geschaffen wird, wo dieses System am Laufen gehalten wird: in den Betrieben.

Dabei dürfen wir aber nicht haltmachen: Es geht darum, diesen Kampf zu einem bewussten Kampf um die politische Macht zu machen. Es geht darum, die Herrschaft der Ausbeuterklasse zu brechen!

Für proletarischen Internationalismus!

Für den Kommunismus!

März 2012

Wer war Guy Fawkes – der Typ mit der grinsenden Maske?

Guy Fawkes war ein katholischer Offizier. Er konvertierte im Alter von 16 Jahren zum Katholizismus. 1605 versuchte er das englische Parlament in London in die Luft zu sprengen. Grund dafür war die Verfolgung von Angehörigen der katholischen Kirche. Unter Folter verriet Fawkes sein geplantes Attentat und seine Genossen.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Guy_Fawkes)



[1]     Gespräch mit Jörg Aufderheide über das Occupy-Camp ... und das Wohlwollen der Behörden, Junge Welt 31.12.2011, S. 2

[2]     Es braucht gute Nerven, Junge Welt, 27.12.2011 Schwerpunkt, S. 3

[3]     http://www.occupygermany.org/index.php/ueber-occupy-germany

[4]     Was ist die Occupy Bewegung?, occupydeutschland.de

[5]     occupydeutschland.de/Aktionen

[6]     Alle Zitate sind aus der Schrift: Empört euch!, Ullstein, Berlin 2011. Originaltitel: Indignez-vous!, übersetzt von Michael Kogon, ISBN 978-3-550-08883-4.) Bis Februar 2011 wurden mehr als eine Million Exemplare der 14-seitigen Schrift verkauft.

[7]     Zeit online 20.10.2011

[8]     Dagegen gibt es kaum Abwehrreflexe, Junge Welt, 27.01.2012, S. 8

[9]     R-L Konferenz, Die Broschüre, junge Welt, S. 35