Occupy – Campen gegen Banker
Vom 17. bis 19. Mai
2012 wird es zentrale Aktionstage in der Bankenmetropole Frankfurt geben.
Geplant sind Besetzungen von Plätzen vor verschiedenen Banken sowie Blockaden
der EZB (Europäischen Zentralbank) am Freitag. Für Samstag wird zu einer
bundesweiten Großdemonstration aufgerufen. (www.european-resistance.org).
Organisiert wird das Ganze von den verbliebenen Anti-Krisen-Bündnissen,
Erwerbslosen-Initiativen, Attac und Campact, Die LINKE, Interventionistische
Linke (IL), Occupy (Besetzen) und anderen. Die Occupy-Bewegung ist eine neue
Kraft innerhalb der „Sozial-Bündnisse“. Wenn wir, als revolutionäre
KommunistInnen, uns an den Aktionen beteiligen, ist es wichtig zu wissen: Wer
ist Occupy? Was will Occupy? Wo kommt sie her und wo will sie hin?
Entstehung
Vorbild für die
Occupy-Bewegungen sind der arabische Frühling, die Revolten in Nordafrika und
die damit verbundene Besetzung von öffentlichen Plätzen, wie dem Tahir-Platz in
Kairo/Ägypten. Die Besetzung eines Platzes ist Symbol für den gemeinsamen
Widerstand.
15M (15. Mai) in
Spanien
In Spanien liegt
die offizielle Arbeitslosigkeit bei 21%. Unter den Jugendlichen sind es 40%.
Tausende Menschen sind in Spanien aus ihren Wohnungen vertrieben worden. Die
Juventud sin futuro (Jugend ohne Zukunft) und die Bewegung Democracia Real Ya
(Wirkliche Demokratie, jetzt) organisierten am 15. Mai letzten Jahres eine
Kundgebung in Madrid. Im Anschluss wurde die Plaza del Sol (zentraler Platz in
Madrid) mit Zelten besetzt. Daraus entstanden die Indignados (die Empörten),
die auch als Bewegung 15M bekannt wurden.
In erster Linie
wollen sie organisiert ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen. Ihr
gemeinsamer Nenner ist: „Alle sind von der Krise betroffen“.
Die Bewegung ist
offen für alle, nach links und auch nach rechts. Sie ist
bürgerlich-reformistisch. Aufgrund der massiven Polizeirepression haben die
Jugendlichen, die mehrheitlich diese Bewegung tragen, allerdings einen wirklich
starken Widerstand geleistet.
Die große Empörung: Occupy
Am 17. September
2011 wurde in New York die Wall Street besetzt. Von dieser Aktion beeinflusst,
entstand weitgehend spontan die Occupy Bewegung. Sie schwappte im Oktober auch
nach Europa und sogar nach Deutschland über.
Am 15. Oktober 2011
demonstrierten weltweit Hunderttausende am internationalen Protesttag gegen die
Macht der Banken und Finanzmärkte. Den Startschuss für den weltweiten
Aktionstag hatte 15M aus Spanien gegeben. Die Mobilisierung lief auch über
Internet und facebook. Laut Attac fanden in 82 Staaten und über 900 Städten
Proteste und Kundgebungen statt. In Deutschland waren etwa 40 000
DemonstrantInnen in über 50 Städten auf den Straßen. Die größten Proteste
fanden in Berlin und Frankfurt/Main statt. In beiden Städten waren etwa
10 000 Menschen unterwegs. In Frankfurt wurde die Europäische Zentralbank
blockiert.
Diese Aktion führte
zu riesiger medialer Aufmerksamkeit: Occupy-AktivistInnen wurden in Talkshows
eingeladen. Fast alle Tageszeitungen haben über den Protest berichtet und
Interviews geführt.
Es ist ganz
offensichtlich, dass sich die verschiedenen Aktionen und Proteste gegenseitig
beeinflussen. Daher gibt es zwar Gemeinsamkeiten unter den verschiedenen
Gruppen, Bewegungen und Bündnissen. Aber auch wichtige Unterschiede, die wir in
jedem Land konkret anschauen sollten.
Gemeinsamkeiten:
Grundlegende
Gemeinsamkeit besteht in der Frage nach der Gesellschaft in der wir leben. Es
gibt eine politische und wirtschaftliche Unzufriedenheit. Nach der Krise 2008
wurde die Last auf die Schultern der Werktätigen abgewälzt. Das Resultat:
wachsende Arbeitslosigkeit und wachsende Armut. Gegen die anwachsende Armut
oder für Bildung und Kultur ist kein Geld vorhanden. Aber 8 Billionen Euro
werden für die Rettung der Banken hinausgeschleudert. Zudem werden die
demokratischen Rechte massiv beschnitten. Jetzt schweigen die Massen nicht mehr
und zeigen ihre Empörung durch zivilen Ungehorsam. Es wird mehr Demokratie,
mehr Brot, mehr Freiheit gefordert!
Unterschiede:
Grundlegender
Unterschied: Die Länder des arabischen Frühlings sind Länder, in denen es keine
bürgerliche Demokratie gab. Dort herrschten teilweise faschistische Diktaturen
und Despoten. In Tunesien, in Ägypten, in Libyen und in Syrien gibt es immer
noch halbfeudale Strukturen. In Europa und auch in den USA gibt es eine
bürgerliche Demokratie, in der allerdings die innere Faschisierung
voranschreitet und weiter vorangetrieben wird.
In Tunesien und in
Ägypten hat der Widerstand direkt zur Entmachtung der Diktatoren geführt. In
Europa gibt es keine Forderungen für einen Macht- bzw. Regimewechsel. Die
sozialen Bewegungen/Bündnisse geben sich friedlich und verbleiben innerhalb des
Systems. In der Bewegung agieren natürlich einzelne revolutionäre
Gruppierungen, aber der Reformismus der meinungs-machenden Gruppierungen drückt
der Bewegung seinen Stempel auf.
Occupy-Bankfurt:
Bisher ist in
Deutschland die Occupy-Bewegung nicht zur Stimme der Empörten geworden. So wie
etwa in Spanien oder in den USA. Heute gibt es in Berlin, in Frankfurt und in
Hamburg meist kleinere Occupy-Gruppen. In den Aktionen von Occupy (BRD) sind
Fahnen und Transparente sowie die Beteiligung von Gewerkschaften und
politischen Organisationen verpönt. Das ist anders, als z.B. in den USA. Dort
riefen Gewerkschaften zusammen mit Occupy zu Streiks auf. In den USA gab es die
bedeutendsten Occupy-Gruppen und Zusammenhänge. Auch in Italien bildeten sich
große Gruppen. Hier liefen auch die brutalsten Angriffe von Seite der
Staatsmacht. Die Polizei hat diese friedlichen Bewegungen geradezu zur Militanz
gezwungen.
Hier bei uns hat
sich die Occupy-Bewegung hingegen mit den Behörden ziemlich gut gestellt. „...wir
haben die Erfahrung gemacht, dass wir mit den Behörden zusammenarbeiten können.
Wir müssen für Sicherheit und Gewaltfreiheit sorgen, auf diese Weise können wir
gut mit dem Polizeipräsidium und der Stadt Frankfurt zusammenarbeiten... Im
Occupy-Camp kommt sie (die Polizei TA) morgens vorbei, klopft uns auf
die Schulter und fragt, ob wir eine ruhige Nacht gehabt haben“. [1] „Vom guten Kontakt zum
Frankfurter Ordnungsamt... ist man im Camp angetan. ‚Es ist nicht zu leugnen,
dass wir hier legal sind‘.“ [2]
Was vertritt Occupy Deutschland?
Es gibt zwei
Internet Seiten, die Occupy in der BRD repräsentieren. Auf „occupygermany.org“
steht als erster Satz: „Die zielstrebige Zerstörung von Bildungsbürgertum,
Staatsbürgerwesen und nationaler Solidarität haben die Demokratie in
Deutschland an einen Abgrund geführt.“ [3]
Das ist bezeichnend
für diese Bewegung, dass sie das Bildungsbürgertum und die angeblich
früher existierende, nationale Solidarität und das
Staatsbürgerwesen hervorhebt. Alles „bürgerliche Tugenden“ des
aufsteigenden Kapitalismus des 19. Jahrhunderts. Diese haben zwar im Laufe der
Zeit ihre Form gewechselt, aber es sind immer noch dieselben Inhalte, die sie
transportieren. Das positiv hervorgehobene Bildungsbürgertum ist die
bürgerliche Elite mit ihrem Elitarismus, der sich für etwas ganz besonderes
hält. Das Staatsbürgerwesen war und ist solange gut; solange der/die
Staatsbürger/in sich als das begreift, was er/sie sein soll: Der/Die
Untertan/in des Staatswesens. Die „nationale Solidarität“ war entweder das
deutsch/chauvinistische, gegen andere Völker gerichtete
Herrenrasse-Menschentum. Oder sie war ein, erfolgreiches revanchistisches
Projekt. Oder aber die „nationale Solidarität“ war eine große Lüge in der
Klassengesellschaft. Diese hat der Nazi-Faschismus zur barbarischen
Volksgemeinschaftsideologie, entwickelt.
Es gab und gibt die
„Solidarität“ der herrschenden deutschen bürgerlichen Klasse, des Finanzkapitals
und der Großbourgeoisie in der gemeinsamen Ausbeutung und Unterdrückung der
Werktätigen in der BRD und weltweit. Und es gab und gibt die Solidarität der
Unterdrückten gegen ihre Peiniger. Und die war und ist nicht national, sondern
international. Arbeiter aller Länder vereinigt Euch! Das war schon der
Schlachtruf des erwachenden Proletariats im 19. Jahrhundert gegen die
„nationalen“ Unterdrücker!
Wieso wird von
einer sozialen Bewegung nicht die internationale Solidarität hervorgehoben? Da
fragen wir uns schon, ob „international“ vielleicht zu kommunistisch klingt und
daher abgelehnt wird. Oder denkt Occupy tatsächlich in nationalen Kategorien?
Es sieht ganz danach aus, als könnte beides zutreffen!
„Amis“ sind an
allem schuld?
Weiter heißt es bei
Occupy: „Deutschland befindet sich inmitten einer Systemkrise... Ausgehend
von den USA hat sich die Mode durchgesetzt, Betrug und Untreue als smartes
Geschäftsgebaren umzudeklarieren. Die Abschaffung der Verantwortlichkeit in den
Chefetagen hat dann folgerichtig auch europäische Firmenlenker auf die Idee
gebracht, sich ebenfalls selbst zu bedienen.“ Und weiter: „Das korrupte
amerikanische Finanzsystem ist ein Krebsgeschwür, das die gesamte westliche
Welt befällt“.
Was für ein
primitiver Antiamerikanismus innerhalb dieser Bewegung! An allem sind „die
Amis“ Schuld! Die „dummen EuropäerInnen“ ahmen die Amis nach. Damit werden die
europäischen Großmächte zu Hilfskräften des US-Imperialismus degradiert und vor
allem der „eigene“, deutsche Imperialismus völlig aus der Schusslinie genommen.
Zudem werden die Methoden von Betrug, Untreue etc. nicht als Mechanismus des
Systems, sondern als „Krebsgeschwür“ angeprangert! Wie populistisch und
unsinnig! Alles wird auf das internationale, sprich, amerikanische „Finanzsystem“
geschoben und das kapitalistische System insgesamt wird rein gewaschen! Was für
eine Illusion in die Reformierbarkeit der bestehenden Verhältnisse.
Staatskontrolle –
Alles paletti?
Als Ziel wird
proklamiert: „Die Banken müssen unschädlich gemacht werden. Egal wie. Die Zentralbanken müssen unter unabhängige
staatliche Kontrolle gestellt werden. Wer glaubt, das
wäre bereits der Fall, unterliegt leider einem Irrtum. Jeder
privatwirtschaftliche Einfluss auf Zentralbanken muss ausgeschlossen
werden.“
Na toll! Wie sieht
die Lösung aus? Die Banken sollen in wessen Hände? In die Hände des
kapitalistischen Staates? Dem „ideellen Gesamtkapitalisten“, (Karl Marx)? Als
ob staatliches Eigentum irgendwie sozialer oder besser wäre als privates.
Herausragendes Beispiel für das völlige „Staatsversagen“ ist die Hypo Real
Estate. Unter Staatsaufsicht wurden die Milliardengräber der Hypo Real weiter
geschaufelt. Der deutsche Staat pumpte Milliarden in die HRE und gewährte für
sage und schreibe 145 Mrd. Euro Staatsbürgschaften. Weitere Beispiele sind
Deutsche Bank oder die Pleite gegangenen Landesbanken!
Zum politischen
Spektrum finden wir bei Occupy folgendes Selbstverständnis: „Einige von uns
bezeichnen sich als fortschrittlich, andere als konservativ. Manche von uns
sind gläubig, andere wiederum nicht. Einige von uns folgen klar definierten
Ideologien, manche unter uns sind unpolitisch.“ [4] [5]Also weder
revolutionär noch nicht mal links-reformistisch bewerten sich die Aktivisten
selbst. Ja ok, einige sind fortschrittlich. Aber was bedeutet denn konservativ?
An dem Bestehenden festhalten bzw. gegen Globalisierung und Finanzkapital
nationalen Kapitalismus setzen! Und weiter: „Wir brauchen eine ethische
Revolution.“ Eine ethische Revolution steht jetzt auf der
Tagesordnung und dann auch noch mit konservativem Weltbild? Na prima! „3 Regeln und 3 Schritte“, die zu
Veränderungen führen sollen:
Die 3 Regel-‚Revolution’:
„1. Keine
Partei bei Occupy!
Occupy ist keine
politische Organisation. Politische Abzeichen oder Partei-Werbung bitte zu
Hause lassen...“. 5
Occupy stellt sich
hier als eine Ansammlung von IndividualistInnen vor, die ganz schön viel
erreichen könnten, ohne, mit oder in einer Organisation zusammen zu
arbeiten. Gegen Partei und Organisierung ist das Hauptmotto: „Echte
Demokratie – Jetzt“.
Es ist eine
Illusion, eine „echte Demokratie“ im Kapitalismus zu fordern. Denn das ist, wie
bei allen anderen Fragen des Kampfes gegen das Finanzkapital eine Frage der
Macht. Echte Demokratie, also Demokratie für die Mehrheit der Bevölkerung kann
es erst im Sozialismus geben. Und um die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen,
müssen sich die Unterdrückten und Ausgebeuteten zu einer eigenen politischen
Kraft zusammenschließen. Nur so kann wirklich ein organisierter,
zielgerichteter und aussichtsreicher Kampf um diese Ziele geführt werden. Dafür
ist eine Umwälzung aller Verhältnisse, eine Revolution notwendig und dazu muss
der Staat zerschlagen werden. Und dafür braucht es eine starke, schlagkräftige
Organisation, die mit den breiten Massen sich der geballten Macht des
Kapitalismus entgegenstellt und ihn über Bord wirft.
„2. Occupy ist
LEGAL!
Keine illegalen
Aktionen! Wir sind gewaltfrei. Und wir machen auch nichts kaputt,
brechen nirgendwo ein, und stehlen nichts. Wir besetzen nur, was uns gehört.
Unsere Stadt...“ Und weiter: „Die „Occupy-Bewegung“ ist eine zivile
und friedliche Protestbewegung...“.
Der „gewaltfreie“
Widerstand der Bewegungen in den afrikanischen Ländern wird hervorgehoben. Und
das ist auch ein Fehler der Occupy-Bewegung. In Ägypten und Tunis war Occupy
(die damals noch nicht Occupy waren) nur ein Teil der gesamten Bewegung.
Unzählige fortschrittlichere, organisierte ArbeiterInnen, innerhalb und
außerhalb der Gewerkschaften, Basisbewegungen, StudentInnen, haben in den
Widerstandsbewegungen durchaus nicht den gewaltfreien Widerstand propagiert.
Gewaltfreien Widerstand an sich zu propagieren, ist schon ein Problem. Wer
glaubt, der Staat und seine Machtorgane, wie Polizei und Militär, würden ohne
revolutionäre Gewalt, quasi – einfach so – ihre Macht abgeben, der unterschätzt
den Gegner ganz gewaltig. Aber der Staat, das kapitalistische System ist nicht
der Feind von Occupy. Sie sagen: „Es gibt eine echte Demokratie, aber jetzt, in
der Krise, ist diese Demokratie schlecht“. Diese Einschätzung ist in mehrfacher
Hinsicht falsch. Abgesehen davon, dass es eine Illusion ist, es gäbe volle
Demokratie für die Werktätigen im Kapitalismus, werden unter dem Vorwand der
direkten Demokratie Parteien und organisierte Strukturen abgelehnt.
„3. Occupy Together!
Wir spalten
nicht... Wir sollten überhaupt dankbar sein, wenn wir Pseudo-Individualisten
mit unseren gravierten iPods es mal schaffen, uns an zu freunden, uns kennen zu
lernen, und obwohl wir grundverschieden sind gemeinsam für ein Ziel
einzutreten.“
Hier wird deutlich,
welche Menschen sich überwiegend bei Occupy zusammen finden. iPod-BesitzerInnen
und IndividualistInnen. Das ist die städtische Kleinbürgerschicht, gebildete
Jugendliche, die keinen Job finden, trotz abgeschlossenem Studium oder bester
Bildung. Sie fühlen sich um ihre sicher geglaubte Zukunft betrogen. Sie sind nicht
die, die noch nie eine Zukunftschance hatten. Das sind nicht die
Arbeiter- und MigrantInnenjugendlichen, deren Perspektive Hartz IV ist.
Die 3 Schritte-‚Revolution’:
„1. Menschliches
Mikro: einer spricht, was er sagt wird dann von immer mehr Leuten
von innen nach außen hin wiederholt...“. („Praktisches“, Wallstreet PR Group,
www.occupydeutschland.de)
Ok, das ist eine
interessante Megaphon-Ersatz-Methode. Sie schafft Aufmerksamkeit, weil das was
Neues ist. Davon können wir alle lernen.
„2. ….Findet
verschiedene Redner! Geht z.B. an die Unis und holt nicht nur die
Studenten, sondern auch Lehrende ins Boot...“. („Praktisches“,
Wallstreet PR Group)
Occupy möchte also
das Bürgertum, Dozenten und Professoren aus den Unis rekrutieren um die
Bewegung zu verbreitern. Gutbezahlte und kleinbürgerliche Schichten werden hier
angesprochen! Die Botschaft kann auch so gelesen werden: holt bloß nicht
ArbeiterInnen aus den Fabriken, nicht Angestellte aus den Büros, nicht
arbeitende Jugend aus ihren Ausbildungsbetrieben.
„3. Streitschrift
‚Empört euch’ von Stéphane Hessel.... kopieren.“ („Praktisches“,
Wallstreet PR Group)
Die Schrift „Empört
euch!“ [6] ist ein Ausgangspunkt für
die Occupy-Bewegung. Der Verfasser, Stéphane Hessel ist französischer
Résistance-Kämpfer und Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald. Er
drückt in der Schrift seine Empörung über die politischen Zustände, die
Korruption und die Bereicherung der Politikercliquen aus. Er bezieht sich auf
die Résistance und beschwört „ihre Treue zum Kämpfenden Frankreich und
dessen Führer General de Gaulle.“ Wie kann man sich 2012 positiv auf De
Gaulle beziehen? Er war der Schlächter
des algerischen Volkes, das gegen den französischen Imperialismus seinen
Unabhängigkeitskampf führte. Hessel beklagt: „Das gesamte Fundament der
sozialen Errungenschaften der Résistance steht heute auf dem Spiel.“ Er
kritisiert den Finanzkapitalismus, die Behandlung von Minderheiten, wie Roma
und Sinti oder sogenannten „illegalen Einwanderern“. In dieser Schrift liegen
schon grundlegende Fehleinschätzungen von Occupy begründet. Hessel knüpft an
die Werte der Résistance an und setzt sich für ihre Wiederbelebung ein. In dieser
‚Tradition’ plädiert Hessel aber „für Gewaltlosigkeit“ und „für einen
friedlichen Aufstand“. Er schreibt: „Wir müssen begreifen, dass die
Gewalt der Hoffnung den Rücken kehrt. Wir müssen der Hoffnung auf
Gewaltlosigkeit den Vorzug vor der Gewalt geben. Bei Unterdrückern wie
Unterdrückten müssen wir zu Verhandlungen gelangen, um der Unterdrückung ein
Ende zu setzen. Dann wird es möglich sein, ohne terroristische Gewalt
auszukommen.“ Dieser Vorschlag steht definitiv im völligen Gegensatz zum
Vermächtnis der Résistance. Zwischen Unterdrückern und Unterdrückten
verhandeln? Nein, nur mit revolutionärer Gewalt konnte der Nazi-Faschismus
besiegt werden. Und heute? Wie sollen die Menschen im Irak, in Afghanistan sich
gegen die Besatzer-Kriege wehren? Wie sollen sich die in neokolonialen Kriegen
in Afrika geschundenen Völker befreien?
Und worin liegt
Hessels Enttäuschung: „Ich bedauere es sehr, dass weder Obama noch die
Europäische Union bislang deutlich gemacht haben, worin ihr Beitrag zu einer
konstruktiven, auf den Grundwerten basierenden Phase bestehen wird.“ Damit
ist eigentlich alles gesagt. Hessel stellt sich mit viel Pathos gegen einige
Auswüchse des Imperialismus, aber verteidigt insgesamt das System und seine
Akteure.
Unsere Meinung zu Occupy
Es ist erstmal
natürlich positiv, dass so viele Menschen, vor allem Jugendliche, ihre Wut über
die herrschenden Zustände und ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen und auf
die Straße tragen. Den Widerspruch ins Bewusstsein zu rufen, dass die Banken
die Politik bestimmen, und dass diese nicht unsere Interessen repräsentieren,
ist richtig. Forderungen nach einem besserem Leben und nach direkter
Demokratie, gegen Banken und Politiker zu stellen, sowie ihnen entgegen
zuhalten: „Wir sind keine Ware“, das ist alles völlig berechtigt. Aber,
wie schon gesagt, die berechtigte Empörung wird mit falschen Konzepten und
Zielen, in eine falsche Richtung gelenkt.
So z.B. die Losung:
„Wir sind die 99%“. (Occupy) Sie soll aufrütteln und benennen: Wir sind
die große Mehrheit, die 99%. Die Regierungen handeln nicht in unserem
Interesse, sondern in dem der 1% . Diese 1% der ganzen Menschheit besitzen den
ganzen gesellschaftlichen Reichtum. Richtig an der Parole ist, dass weltweit
eine kleine Gruppe von Finanzmagnaten und Großbourgeois fasst den ganzen
Reichtum in den Händen hält. Aber das ist eine breitere Schicht. Sie sind auf
jeden Fall viel mehr als nur ein Prozent. Schätzungen gehen von bis zu 20% aus.
Aber bleiben wir bei der Parole von Occupy, und fragen wer sind 99%? Die 99%,
die nicht den ganzen Reichtum besitzen, sind keine homogene Klasse oder Gruppe.
Darunter sind verschiedene Klassen und auch Ausbeuter, Bourgeoisie, Großbauern
und Kleinbürger. Occupy versteht unter den 99%, alle die keine Milliardäre
sind, und in unterschiedlichem Maße, dem Diktat des Großkapitals unterliegen.
Wir sagen, die Ausbeuterklassen, die Occupy auch mit zu den 99% zählt, sind die
„Stützen der kapitalistischen Gesellschaft“. Klar, eine kleine, untere Schicht
von ihnen, wird bei jeder Krise in den Bankrott getrieben und ins Proletariat
„sinken“. Insgesamt sind die Interessen dieser Klasse aber vollkommen andere
als die der überwältigenden Mehrheit der Ausgebeuteten und Unterdrückten.
Die Occupy-Bewegung
vertritt keinen Klassenstandpunkt. Sie gibt sich ein, über den Klassen
stehendes Profil. Damit wird sie keine, sich auf einer grundlegenden Strategie
und Zielsetzung entwickelnde, Massenbewegung herausbilden können.
Wenn die
Werktätigen sich international aus dem bürgerlichen Ideologienebel befreien
können, werden sie beginnen sich zu organisieren und ihren Klassenstandpunkt zu
vertreten. Dann werden sie, die die Mehrheit der Gesellschaft bilden, die die
80% sind, eine Gesellschaft erkämpfen, die die Unterdrückung des Menschen durch
den Menschen abschafft. Und damit wird nicht weniger als die Menschheit von
Ausbeutung und Unterdrückung befreit. Dann kann keine bürgerliche Macht mehr
existieren und dann haben auch die bürgerlichen Medien ausgelacht.
Einige bürgerliche
Medien machen sich über den Occupy Slogan „Wir sind die 99%“ lustig. Z.B.
titelt Der Spiegel seinen Artikel über die Demonstrationen: „99 Prozent
blieben zu Hause“. (Nr. 47, 15.10.2011) Das ist billige Polemik! Andere
Medien treffen aber durchaus die Widersprüche der Bewegung, so „Die Zeit“: „Seid
umarmt Protestler! – Auf der Straße überschaubar, in der Öffentlichkeit riesig:
Medien und Politik feiern in skurriler Einhelligkeit die Occupy-Bewegung. Wie
kann das sein?“ [7]
Die Occupy Bewegung
wird von CDU bis Die Linke umarmt. Selbst Merkel-Mutti hat „großes
Verständnis“ für deren Aktionen bekundet. Warum? Weil Occupy gut zum „Dampf
ablassen“ nutzt. Da findet der berechtigte Zorn und die angestaute Wut ein
überschaubares Ventil. Tut keinem der Oberen weh, beweist wie ‚pluralistisch’
sie sind und lässt sie in Ruhe weiter die Krise auf die Werktätigen abwälzen.
Weitere Kritiken
Occupy hat kein
verbindliches Programm. Sie stellen eigentlich nur Forderungen. Es ist zwar
richtig, Aktionen gegen Banken und Finanzzentren zu machen, aber es sind eben
nicht (nur) die Banker oder Manager, die die Krise verursacht haben. Krisen
gehören zum Kapitalismus wie das Amen in der Kirche. Occupy bekämpft nur die
übelsten Auswüchse des Kapitalismus und damit bleibt die Kritik begrenzt. Das
System als Ganzes wird nicht in Frage gestellt. Was ist die Alternative? Gibt
es ein anderes Gesellschaftssystem? Diese Fragen stellt Occupy sich nicht und
kann somit auch keine Antworten geben. Occupy ist zu einem weiteren
Auffangbecken für den sozialen Protest und Widerstand geworden. Daher
beschäftigen sich jetzt viele Gruppen mit Occupy und setzen große Hoffnung
hinein.
Allerdings ist
Occupy so beliebig und plural, dass sich verschiedene Kräfte breitmachen,
teilweise gibt es eine „offene Flanke nach rechts“. Occupy
Germany hat Hans-Olaf Henkel auf facebook als Vorbild gewürdigt. Henkel sitzt
in Aufsichtsräten wie der Bayer AG und Daimler Luft- und Raumfahrt AG. Er berät
die Bank of Amerika als Senior Advisor und er ist Gastautor der
Krawattenfaschisten-Zeitung, Junge Freiheit. „Demzufolge gibt es weder einen
klaren Grundkonsens noch eine politische Verortung. Das führt dazu, dass
rechtspopulistische Positionen dort teilweise von einigen tatsächlich kritiklos
aufgenommen werden.“ [8] Es gibt bisher keine klare
Stellungnahme von Occupy zu faschistischen, bzw.
mystisch-esoterisch-faschistoiden Strömungen in ihren Reihen.
Jutta Dittfurth in
der Podiumsdiskussion auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2012: „Und es ist
kein Wunder, dass ‚Occupy’ Frankfurt inzwischen wirklich, und das ist
nachweisbar bis ins Detail, durchdrungen ist von Zeitgeist, Anthroposophen und
von rechten Gruppen, wie zum Beispiel den rassistischen, rechtspopulistischen
Frankfurter Freien Wählern sowie den Anhängern der antisemitischen
Wirtschaftstheorie Silvio Gesells. Das heißt man hat nur die falsche Politik
der Banken im Visier, nicht Ausbeutung, nicht Mehrwertproduktion, nicht
Naturvernichtung.“ [9]
Einige
Occupy-AktivistInnen tragen bei Aktionen eine Guy Fawkes Maske. Die Web-Seite
von Occupy Deutschland ist mit der Gruppe Anonymous verlinkt, deren
AktivistInnen immer mit dieser grinsenden Maske auf Aktionen erscheinen.
Anonymous hat
keinen ausgesprochen linken Anspruch. Ihre AktivistInnen sind
IndividualistInnen. Sie beschäftigen sich vor allem damit, ihre Wut durch
Hacken von verschiedenen Internet-Seiten auszuleben. Nachdem der ‚brillante’
Hacker Sabu, wichtiges Mitglied der Anonymousgruppe Lutzsec, verhaftet wurde,
arbeitet er seit August letzten Jahres mit dem FBI zusammen. Sechs weitere
Hacker hat er ans „Messer geliefert“, um seine eigne Haut zu retten. Da nimmt
er sich wahrscheinlich Guy Fawkes als Vorbild! Teile des Anonymous–Kollektivs
haben sogar Verständnis für das Verhalten ‚ihres Verräters’. Obwohl die
Verhaftungswelle anhält. In Europa, Lateinamerika und USA werden Mitglieder
weiter enttarnt und festgenommen.
Fazit:
Wenn in Israel, in
den USA, in Portugal, in Italien, in Spanien... die werktätigen Massen auf die
Straße gehen und gegen soziale Ungleichheit, gegen Arbeitslosigkeit, gegen
Wohnungsnot, für Brot und Demokratie protestieren, ist das Ausdruck von Gärung
und Wut auf die bestehenden Verhältnisse. Wenn sich die unterschiedlichen
Bewegungen, so wie die Indignados, M15 und Occupy aufeinander beziehen, ist das
eine internationale Vernetzung! Die Bewegung stört die Stille, die den
Kapitalismus heute umgibt und beinhaltet Potentiale im Kampf gegen das System,
die sich noch herausbilden können. Das Bewusstsein kann in diesen Bewegungen
entstehen, dass es eine Alternative gibt. Diese Möglichkeit ist realistisch. Wenn,
ja wenn wir revolutionären, kommunistischen Gruppen, Organisationen und
Parteien, die für ein sozialistisches System kämpfen, die Zusammenhänge und
Funktionsweisen des Imperialismus in dieser Bewegung aufzeigen. Wenn wir das
politische Bewusstsein schärfen und entwickeln, durch unsere politischen
Analysen. Für viele revolutionäre Gruppierungen, die jahrelang versucht haben
revolutionäre Kämpfen anzuschieben und kaum Ergebnisse ihrer Arbeit gesehen
haben, und dadurch auch demoralisiert sind, für sie alle zeigen die
Entwicklungen „Es kann gehen!“.
Aber:
Es ist notwendig,
dass wir unseren revolutionären Optimismus behalten. Unsere Aufgabe als
revolutionäre KommunistInnen, ist es Klassenbewusstsein in die Bewegung zu
tragen und den Kampf für eine revolutionäre Politik und für den Sozialismus
voranzutreiben.
Konkrete Schritte:
Aktuell die
ArbeiterInnen für den 1. Mai mobilisieren. Es geht darum, die verschiedenen
Kampfformen zusammen zu bringen. Ende April läuft die Friedenspflicht für die
IGM aus. Wir müssen z.B. in die Occupy-Bewegung, die Forderung hineintragen die
Kämpfe der ArbeiterInnen zu unterstützen. Wir müssen den Kampf dahin tragen, wo
der Reichtum dieser Gesellschaft geschaffen wird, wo dieses System am Laufen
gehalten wird: in den Betrieben.
Dabei dürfen wir
aber nicht haltmachen: Es geht darum, diesen Kampf zu einem bewussten Kampf um
die politische Macht zu machen. Es geht darum, die Herrschaft der
Ausbeuterklasse zu brechen!
Für proletarischen
Internationalismus!
Für den
Kommunismus!
März 2012
Wer war Guy Fawkes – der Typ mit der grinsenden Maske?
Guy Fawkes war ein katholischer Offizier. Er
konvertierte im Alter von 16 Jahren zum Katholizismus. 1605 versuchte er das
englische Parlament in London in die Luft zu sprengen. Grund dafür war die
Verfolgung von Angehörigen der katholischen Kirche. Unter Folter verriet Fawkes
sein geplantes Attentat und seine Genossen.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Guy_Fawkes)
[1] Gespräch mit Jörg Aufderheide über das Occupy-Camp ... und das Wohlwollen der Behörden, Junge Welt 31.12.2011, S. 2
[2] Es braucht gute Nerven, Junge Welt, 27.12.2011 Schwerpunkt, S. 3
[3] http://www.occupygermany.org/index.php/ueber-occupy-germany
[4] Was ist die Occupy Bewegung?, occupydeutschland.de
[5] occupydeutschland.de/Aktionen
[6] Alle Zitate sind aus der Schrift: Empört euch!, Ullstein, Berlin 2011. Originaltitel: Indignez-vous!, übersetzt von Michael Kogon, ISBN 978-3-550-08883-4.) Bis Februar 2011 wurden mehr als eine Million Exemplare der 14-seitigen Schrift verkauft.
[7] Zeit online 20.10.2011
[8] Dagegen gibt es kaum Abwehrreflexe, Junge Welt, 27.01.2012, S. 8
[9] R-L Konferenz, Die Broschüre, junge Welt, S. 35