Vergessene Westsahara: Nicht endende Besatzung! Sahrauische Volk im Widerstand!
In den linken politischen und sozialen Bewegungen wird
eifrig diskutiert, wer sind sie, die Piraten? Und was wollen sie? Wir,
KommunistInnen von Trotz alledem! stellen mit diesem Artikel unsere
Einschätzung des politischen Profils der Piraten zur Debatte und versuchen
damit die Auseinandersetzung mit unseren Argumenten voranzubringen.
Erste Piratenwelle
Die erste Piratenpartei wurde Anfang 2006 in Schweden
gegründet („Piratpartiet“). Die deutsche Piratenpartei am 10. September 2006 in
Berlin. Der Name bezieht sich nicht auf die sogenannten Freibeuter und
Abenteurer auf den Meeren. Der Name und diese Parteien sind entstanden aus Protest
gegen die Kriminalisierung von „Internet-Piraterie“. Also dem „illegalen
downloaden“ von Musik, Spielen, Filmen, Dokumenten, ohne dafür zu bezahlen. Die
Piraten verstehen sich als Partei der „neuen Informationsgesellschaft“. Sie
tritt für freien und unkontrollierten Zugang zu Daten- und Informationsfluss
ein.
Bei den Bundestagswahlen 2009 trat sie zum ersten Mal an und
holte aus dem Stand 2% der Zweitstimmen. In Deutschland verzehnfachte sich die
Mitgliederzahl der Piratenpartei Anfang 2009 aufgrund der Auseinandersetzung um
das Internet-„Zugangserschwerungsgesetz“. Die damalige Familienministerin, von
der Leyen wollte Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten verbieten.
Die Piratenpartei sagte der Zensur im Internet den Kampf an. Die Initiative von
der Leyens stieß auf massive Kritik und wurde als „Zensursula-Debatte“
(Zensur+Ursula=Zensursula) bekannt. KritikerInnen sehen in dem Gesetz eine
gegen Kinderpornografie unwirksame Maßnahme, die Tätern eher nützt als schadet,
aber gleichzeitig massiv Grundrechte einschränkt. Die zur Sperrung von
Internetseiten errichtete Infrastruktur kann problemlos für weitere
Zensur-Maßnahmen verwendet werden, da sie eine Kontrolle unliebsamer Inhalte
ermöglicht und die „Echtzeitüberwachung“ umsetzt. Eine Gegen-Initiative im
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gegen die Einführung einer
Sperrinfrastruktur wurde von mehr als 130 000 Menschen unterzeichnet, mehr
als bei jeder anderen E-Petition (elektronische Petition) zuvor.
Die Piratenpartei hat in dieser Kampagne eine Vorreiterrolle
eingenommen. „Netzsperren sind zur Bekämpfung von Kinderpornografie
ungeeignet und unverhältnismäßig. Die Inhalte verschwinden nicht aus dem Netz
und schaffen im schlimmsten Fall neue Begehrlichkeiten. Stattdessen wird eine
Infrastruktur zur flächendeckenden Zensur etabliert, die rechtsstaatliche
Prinzipien aushebelt“, so Sebastian Nerz, stellvertretender
Bundesvorsitzender. [1]
Mit Bezug auf Berichte des Bundeskriminalamtes (!!!) fordert
die Piratenpartei, dass Inhalte, in Absprache mit den Anbietern, gelöscht
werden sollen, aber nicht zensiert. Dabei bedürfe es einer verbesserten
internationalen Zusammenarbeit der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden.
Nerz führt aus: „Wenn Geld für die Bekämpfung sexuellen Missbrauchs in die
Hand genommen wird, so sollte es besser in Personal und Ausstattung der
Ermittlungsbehörden investiert werden“. [2]
Das ist wirklich eine prima Alternative: lieber löschen als
zensieren und die Polizei aufrüsten! Hier zeigt sich schon, wo der Kurs der Piratenpartei
hinführt. Wir KommunistInnen wenden uns gegen politisch-bürgerliche Zensur im
Netz, die gegen fortschrittliche, revolutionäre und kommunistische Inhalte
gerichtet ist. Gleichzeitig prangern wir den ganzen Müll der bürgerlichen
Propaganda und Kulturwelt von Kinderpornos bis hin zu Kriegshetze an und lehnen
sie grundsätzlich ab. Im demokratischen Kampf fordern wir auch Verbote von
menschenverachtender, pornografischer, faschistischer Propaganda. Aber wir
geben uns nicht der Illusion hin, dass damit die Wurzeln dieser Ideologie
gekappt werden. Das kann nur durch einen wirklichen Systemwechsel und durch
radikale Veränderung in der Geisteshaltung passieren.
In der ersten Piratenwelle kam es zu einem rasanten
Mitgliederzuwachs in der Partei. April 2010 hatte sie ca 12 000
Mitglieder. Innerhalb von vier Monaten nach der Wahl zum Berliner
Abgeordnetenhauses 2011 stieg die Zahl auf 20 000 an. Am 12. April 2012
vermeldeten die Piraten stolz ihr 25 000. Mitglied. Am 2. Juli 2012 waren
es bereits 33 060 Mitglieder.
Beim Altersdurchschnitt der Piratenpartei folgte auf die
erste Welle sehr schnell die Flaute. 2009 war das Durchschnittsalter noch bei
30 Jahren und damit lag sie auf Platz 1 vor allen anderen Parteien. Noch im
Dezember 2011 bejubelte sie sich auf ihrem 2. Bundeskongress selbst: „Im
Parteienvergleich ist die Piratenpartei tatsächlich eine sehr junge Partei.“ [3], [4]
Aber bereits im April 2012 wird das Durchschnittsalter der Parteimitglieder mit 40 Jahren angegeben. [5] Die Piraten haben damit bereits einen grundlegenden Wandel vollzogen. Sie sind jetzt keine Jugendpartei mehr. Ihr Altersdurchschnitt liegt zwar immer noch unter dem der anderen bürgerlichen Parteien, aber nähert sich diesen doch rasch an. Bei den GRÜNEN liegt der Altersdurchschnitt derzeit bei 42 Jahren. Der Anstieg des Altersdurchschnitts bei den Piraten liegt sicherlich auch daran, dass, bedingt durch die immensen Wahlerfolge, nun die ältere Generation von Aufsteigertypen die Partei entert. Eine gute abgesicherte Karriere will sich doch keine(r) entgehen lassen.
Frauen auf hoher See?
Da diese Frage in den Medien stark thematisiert wird, rücken
die Piraten nach und nach doch ein wenig Zahlenmaterial heraus. In der
Pressemappe zum 2. Bundesparteitag wird informiert: „Frauen im Vorstand:
Derzeit sind insgesamt 13 Frauen in Landes- beziehungsweise im Bundesvorstand
(11 in LVs und 2 im Bund). Ansonsten sind Frauen in allen Positionen vertreten.
Mandate: ... Hinzu kommen 161 kommunale Mandate, wovon 16 Mandate von Frauen
ausgeübt werden.“ (Pressemappe, S. 11) So kann Mann ein Problem auch
zukleistern. Die Aussage: „Ansonsten sind Frauen in allen Positionen
vertreten“ ist schlichtweg falsch. Im Bundesvorstand (2012/13) sitzen zwar
unter sieben Männern zwei Frauen, aber die Vorsitzenden, (der Vorsitzende und
zwei Stellvertreter) sind Männer. Alle Bundesvorsitzenden der Piratenpartei
seit 2006, fünf an der Zahl, sind Männer.
Im Abgeordnetenhaus von Berlin ist unter den 15
Piraten-Abgeordneten nur eine einzige Frau. Von den 16 Landesvorständen
der Piratenpartei ist in fünf nicht eine Frau vertreten. Auf der Landesliste
für die NRW-Wahl taucht die erste Frau auf dem fünften Platz auf und in der für
Schleswig-Holstein auf Platz sechs.
Zur Frauenquote findet sich im „Kleinen Piraten Glossar“
folgender flockig-lockere Spruch: „Frauenquote ist eine Sache, die wir
Piraten sehr kontrovers diskutieren. Das reinste Minenfeld“. (Pressemappe,
S. 19) Die genderneutrale „Sache“ Frauenquote ist für Männer natürlich
militärisches Sperrgebiet: ein Minenfeld! So kann Mann ein zentrales
gesellschaftliches Problem auch entsorgen.
Die bürgerlichen Medien machen die Technikaffinität der
Partei für den „Frauenmangel“ verantwortlich, da Männer angeblich besser mit
Computern umgehen können. Die Denunziationsmethode von „Shitstorms“ [7], Auszug aus dem „Kleinen
Piraten Glossar: „Verbales oder schriftliches Hereinprasseln von meist
unschön formulierten Uneinverständniserklärungen über eine bzw. wenige Personen
mit anderer Ansicht.“ (Pressemappe, S. 20) schrecke Frauen ebenfalls mehr
ab als Männer. Ebenso das sogenannte „Kandidatengrillen“, bei dem Anwärter für
Posten vom Parteitag ins brutale Kreuzverhör genommen werden.
Die Piratenpartei lehnt die eindeutige Festlegung auf zwei
Geschlechter als veraltet ab. Die Piraten wollen über den Geschlechtern
schweben und „post-gender“ sein. Sie fordern zwar richtig die
Gleichberechtigung aller Lebensstile und geschlechtlichen Orientierungen, und
wenden sich gegen ausbeuterische Strukturen im Zusammenleben. Aber die
gesellschaftlichen, kapitalistischen patriarchalen Unterdrückungsmechanismen
zwischen Männern und Frauen werden mit allgemeinem ‚post-gender’-Gequatsche
bewusst ausgeklammert. Damit wird sowohl die weltweite gesellschaftliche
Realität von Frauen, die auf allen Ebenen diskriminiert werden, geleugnet, als
auch der männlich dominierte Makrokosmos der Piratenpartei politisch
gerechtfertigt. Ohne Kampf gegen die Unterdrückung von Frauen (die Hälfte der
Menschheit) wird es niemals Gleichberechtigung geben. Dies kann Mann nicht
dadurch abstellen, dass einfach keine Geschlechter mehr anerkannt werden. So
ist das ganze post-gender-Getue überhaupt nicht fortschrittlich, da die
bestehenden Verhältnisse nicht einmal angekratzt werden.
Die Piratenpartei war bislang an keiner Landesregierung
beteiligt. Auf kommunaler Ebene bestehen mehrere Fraktionsgemeinschaften mit
den unterschiedlichsten Parteien: Mit den LINKEN in Wiesbaden und Laatzen bei
Hannover, sowie der LINKEN und der Rentnerinnen- und Rentner-Partei in
Bremerhaven. Mit der FDP in Hamburg-Bergedorf. Mit den Freien Wählern im
Kreistag Darmstadt-Dieburg. Eine Zusammenarbeit mit ÖkoLinX und Europaliste für
Frankfurt (ELF) in Frankfurt wurde nach einem knappen halben Jahr beendet und
wird nun als neue Fraktion ELF-Piraten ohne ÖkoLinx fortgeführt. [8] „Die beiden Vertreter der
Piraten und der Vertreter der Europaliste haben den Fraktionsvertrag der Bunten
Fraktion gebrochen, indem sie am 30.8.2011 plötzlich und anlasslos – via e‐Mail (!) von der
ÖkoLinX‐Stadtverordneten Ditfurth verlangt haben, sich ihnen zu
unterwerfen, sie sollte keine eigene, von der Fraktion abweichende Meinung mehr
haben dürfen...“ obwohl im Fraktionsvertrag der Bunten Fraktion vom 12.
April 2011 einvernehmlich beschlossen wurde: “Wir sind basisdemokratischen
Prinzipien verpflichtet. Deshalb gibt es keinen Fraktionszwang...“. [9]
Schon hier zeigt sich ganz klar, dass die Piratenpartei sich
nicht mal mehr an ihre eigenen Abmachungen hält, sobald es hart auf hart kommt
und wie sie mit abweichenden Meinungen umgeht. Die Basisdemokratie, die von der
Piratenpartei so hoch gehalten wird, wird hier mal kurz über Bord geworfen.
Das Phänomen der Piratenpartei ist nicht auf ein Land
beschränkt. Die immense Bedeutung des Internets – das weltweite Netz – liegt ja
gerade in der Internationalisierung der Kommunikation. Dem entspricht auch die
Struktur der Piratenparteien, die seine Propheten sind. In der PPI (Pirate
Parties International) sind 28 Piratenparteien international organisiert. [10] Auch die Piratenpartei
Deutschland ist Mitglied. Die PPI unterstützt bereits existierende
Piratenparteien und solche die im Aufbau sind, in 66 Ländern.
(www.pp-international.net) So in vielen Ländern Lateinamerikas wie Argentinien,
Brasilien, Kolumbien, Chile, Venezuela, in Ländern in Asien wie China, Indien,
Nepal, in wenigen Ländern Afrikas wie Marokko, Südafrika, Tunesien, in
Russland, in zahlreichen ost-europäischen Ländern wie Ungarn, Bulgarien,
Kroatien, im Mittleren Osten in Ländern wie Israel und der Türkei. In Europa
gibt es in etlichen Ländern Piratenparteien. In Schweden, dem Gründerland der
Piratenparteien, hat die ‚Piratpartiet‘
ihren Höhenflug bereits hinter sich. Im Juni 2009 zog sie noch mit 7%
der Wählerstimmen ins Europaparlament. Bei der anschließenden Reichstagswahl
floppte sie. Die Mitgliederzahl sank von 50 000 auf 8 500. Bei
Umfragen läuft die ‚Piratpartiet‘ mittlerweile unter ferner liefen. In Tschechien
hat die Piratenpartei nur ca. 200 Mitglieder und liegt nach Umfragen bei
1% der Wählerstimmen. Die griechischen Piraten haben sich im Februar 2012 als
Partei registrieren lassen. Bisher haben sie etwa 800 Mitglieder. Wirklich
politische Bedeutung haben die Piraten in Europa nur in Deutschland und in
Österreich. Ein Grund dafür ist die Existenz von etablierten Protestparteien in
beinahe allen anderen europäischen Ländern. Bei der europäischen Piratentagung
in Prag, Mitte April 2012, wurde die deutsche Piratenpartei mit ihren Erfolgen
als Vorzeigeprojekt gefeiert.
Piraten bieten Transparenz und frischen Wind?
Von 0,3% Wählerstimmen bei der Landtagswahl in Hessen 2008
auf 8,9% in Berlin 2011, wie lässt sich das erklären? Natürlich machen sich
auch die bürgerlichen Medien Gedanken, woher der Aufstieg der Piratenpartei
kommt. Sie wird als Protestpartei hingestellt, die Transparenz und frischen
Wind verspricht. Sie ist ein Sammelbecken für Unzufriedene. Piraten bieten
etwas Neues. Sie sprechen eine andere Sprache. Sie sind nicht einfach eine neue
Partei. Sie stehen für einen neuen Politikstil. Sie erreichen die Facebook- und
Twitter-Generation.
Fakt ist: Die Piraten werden vor allem von der jungen
Generation und – wie Umfragen zeigen – männlichen Erstwählern und Studenten
gewählt. Mit ihrer basisdemokratischen Entscheidungsfindung erreichen sie viele
Menschen und sprechen sie an. Hier kann jede/r mitreden, mitbestimmen und mit
abstimmen. Jede/r kann Anträge stellen, vorausgesetzt er/sie besitzt einen
Computer und verbringt viel Zeit im Netz, um all die Twittermeldungen, Seiten,
Anträge... durchzulesen und zu verstehen.
Allerdings, die Basisdemokratie ist nicht in den Statuten
der Piratenpartei verankert. Und wie lange die Piratenpartei diese
pseudo-basisdemokratische Entscheidungsfindung noch durchhält ist fraglich.
Schon jetzt gibt es Probleme: Auf der Suche nach Spitzenkandidaten in
Niedersachsen scheiterten die Piraten, weil mindestens ein Pirat mitgestimmt
hatte, der als Bürger eines anderen EU-Landes offenbar nicht wahlberechtigt
war. Beim zweiten Wahlgang wählten zwei Jugendliche unter 18 Jahren mit, die
nicht teilnehmen hätten dürfen. Ergebnis: Die Wahl wurde für ungültig erklärt.
Das verstehen also die Piraten unter Basisdemokratie. Wir fragen, warum sollen BürgerInnen
eines anderen EU-Landes nicht mitwählen dürfen, was ist daran
basisdemokratisch, dass nur Deutsche wählen dürfen? Was ist daran
basisdemokratisch, wenn Jugendliche kein Mitspracherecht haben? Und wie wir
bereits beim Bündnis mit ÖkoLinX gezeigt haben, was ist daran
basisdemokratisch, wenn es einen Fraktionszwang gibt?
Anders aber als ihr Name und ihr Politikstil verspricht, ist
das Programm der Piratenpartei genauso bürgerlich, konservativ und langweilig wie
das der GRÜNEN, der FDP und der LINKEN. Mit den durchgeknallten Piratentypen à
la Jack Sparrow haben die Piraten wirklich nichts zu tun. Die Berliner Piraten
charakterisieren sich selbst als „sozial-liberal-progressiv“ [11] und die Kölner Piraten
folgendermaßen „Wir – …sind engagierte Menschen aus vielen Bereichen der
Gesellschaft und stehen auf dem Boden unseres Grundgesetzes. – …sind nicht
links oder rechts, wir sind vorne.“ [12]
Was es bedeutet weder links noch rechts zu sein, ist klar,
es ist die wabernde Mitte. Auf dem Boden „UNSERES Grundgesetzes“ zu
stehen heißt, die Piraten verstehen sich weder als Antikapitalisten noch als
„Erneuerer“. In dieser Verfassung ist das Recht auf Privateigentum verankert,
und das System des Kapitalismus festgeschrieben. Daran wollen sie nicht rütteln
und sind so keine wirkliche Alternative zu den herrschenden Zuständen.
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit....
Für die Piraten hat der Begriff Freiheit dieselbe Bedeutung
wie ein Freibrief. Ihre Freiheit ist die imperialistische Freiheit im Internet.
Gewaltexzesse, Kriegshetze, Faschismuspropaganda, Folterverherrlichung,
Männerchauvinismus, Abstumpfung, Kinderpornografie, Sexismus, Verblödung und
Verdummung der werktätigen Massen – alles was imperialistische Kultur ausmacht,
das soll unbegrenzt und weltweit im bürgerlichen Internet erlaubt sein. Das
Internet ist aber genauso wenig „klassenneutral“ wie die bürgerlichen Medien
und Kultur insgesamt. Das Netz ist Spiegel dieser Gesellschaft, und daher ist
die „Freiheit im Internet“, die Freiheit im Zeitalter des Imperialismus. Die
Piraten-Freiheits-Vision ist bürgerlich-individuell. Sie sind das
W-LAN-Bürgertum! 44-mal taucht in ihrem Grundsatzprogramm der Begriff „Freiheit“
auf. Achtmal „Individualität“ und einmal „Solidarität“. [13]
Wir KommunistInnen lehnen das Internet natürlich nicht ab.
Es ist eine gigantische technische Entwicklung die alle KlassenkämpferInnen,
und politisch-revolutionären Bewegungen viel stärker ver„netzt“. Wir nutzen das
Internet für den internationalen Austausch, für die Organisierung und
Koordinierung gemeinsamer Kämpfe über alle Kontinente hinweg.
Die Piraten haben sich in der Krise gegen den
Euro-Rettungsschirm positioniert. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)
sei „intransparent“, „voreingenommen“ sowie unter „Einbeziehung der
Finanzlobby“ entstanden und verstoße zudem gegen den Parlamentsvorbehalt.
Einen wirklichen Lösungsansatz zur Krise haben sie
allerdings nicht. „Das Wichtigste ist die Schuldenbremse“, so Andreas
Augustin, Piraten-Spitzenkandidat im Saarland. Matthias Schrade demonstriert
als „Finanzexperte“ der Piratenpartei die Nähe zur FDP: „Ich persönlich bin
der Ansicht, dass wir um einen Schuldenschnitt nicht herumkommen. Wir sind
längst über die kritische Grenze hinweg, wenn man die hohe Zinsbelastung
Griechenlands berücksichtigt bei einer gleichzeitig schrumpfenden Wirtschaft.
Eine Firma mit solchen katastrophalen Kennzahlen wäre längst pleite. Es macht
daher wenig Sinn, noch mehr Geld zu verpulvern... “ und auf die Frage, ob
Griechenland aus dem Euro raus müsste, antwortet er „Nicht nur Griechenland“.
(Die Piratenpartei, Schilbach, S. 32ff)
Als so genannter Finanzexperte sollte er eigentlich wissen,
dass Deutschlands Finanzwelt Unsummen Profit damit macht, Griechenlands Banken
(und nicht den Werktätigen) Geld zu leihen. Aktuell wird immer wieder von den
Herrschenden die Diskussion angeschoben, die krisengeschüttelten
südeuropäischen Länder aus der EU-Zone hinauszubefördern. Das deutsche Kapital,
Stichwortgeber der bürgerlichen Politik, ist sich mit den politischen Parteien
noch nicht wirklich einig, wohin die Reise gehen soll. Die einen favorisieren
die Lösung, alle schwächelnden Staaten auszuschließen, vorneweg PIRATEN und
FDP. Die anderen wollen ihren „europäischen Machtbereich“ nicht so schnell
aufgeben, und setzen weiter auf ein von Deutschland dominiertes Gesamteuropa.
Alle wollen sie nur eins: Deutschlands Größe wahren, und den Reichtum mehren
auf Kosten der Unterdrückung und Aussaugung der kleineren und ökonomisch
schwächeren Länder.
„PIRATEN sind friedlich. Wir verzichten auf Gewalt und
haben Achtung vor dem Leben. Todesstrafe, Tötung von Tieren aus Spaß und die
Zerstörung von Natur und Umwelt, Krieg und Tyrannei lehnen wir daher ab.“ [14] Das ist die Position des
bürgerlichen Pazifismus. Das ist eine eurozentristische und imperialistische
Position. Der imperialistische Frieden ist nur eine Atempause zwischen den
Kriegen (Lenin). Für die abhängig gehalten Länder des Südens und Ostens bedeutet
imperialistischer Frieden Ausbeutung, Hunger und Elend. Eine Milliarde Menschen
haben kein sauberes Trinkwasser. Jährlich sterben Millionen Kinder an
Unterernährung. Imperialistische Stellvertreterkriege um Märkte und Rohstoffe
führen zur Vertreibung von Millionen Menschen wie im Irak und Afghanistan, und
zur Ermordung von Hunderttausenden wie in Ruanda und Sri Lanka. Gerechte
Kriege, in denen es um Befreiung und Selbstbestimmung geht, kennen die
„friedlichen“ Piraten offensichtlich nicht, bzw. sie lehnen sie ab. Aber zum
Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan haben sie bisher keine Position. Warum?
Entweder führt die Bundeswehr laut Piratenpartei gar keinen Krieg dort. Oder
ist das ein Tabuthema, da der Vorsitzende der Piratenpartei, Bernd Schlömer, im
Rang eines Regierungsdirektors, Referent im Führungsstab des
Verteidigungsministeriums ist? Näher kann man zur Bundeswehr und zur NATO und
damit zur Kriegsstrategie nicht stehen.
Man könnte sich über diese Naivität der Piratenmitglieder,
die Bernd Schlömer mit Mehrheit zum Vorsitzenden gewählt haben, so richtig auf
dem Boden kugeln – wenn, ja wenn es sich um den Vorsitz in einem
Kaninchenzüchterverein handeln würde. Aber nicht, wenn dieser Typ zum
Vorsitzenden einer angeblich „friedlichen“ Partei gewählt wird. Vielleicht ist
die Piratenbasis dem Proletlook von Schlömer erlegen, der gerne die
Proletenmütze trägt. Die Wahl eines Bundeswehroffiziers zum Vorsitzenden der
Piratenpartei, (womöglich vom MAD als Maulwurf geschickt) zeigt doch, dass
diese Partei und die Bundeswehr, als Unterdrückungsorgan nach innen und
Kriegsmaschinerie nach außen, ziemlich beste Freunde sind.
Die Piraten werden von den WählerInnen vielfach nicht über
ihr Programm und ihre Ziele wahrgenommen, sondern über ihre Methode der
Mitbestimmung. „Eine andere Politik ist möglich! Deshalb machen sich die
PIRATEN für einen neuen Politikstil stark. Dieser ist geprägt durch Teilhabe
und Mitbestimmung, maximale Transparenz, Basisdemokratie, orientierte Suche
nach funktionierenden Lösungen auch jenseits ideologisch vorgefasster Pfade.“
und weiter: „Ein Weg besteht darin, mehr direktdemokratische
Einflussmöglichkeiten auf die Politik durch den Bürger zu schaffen.“
(Pressemappe, S. 8)
Basisdemokratie über Internet, warum eigentlich nicht?
Unsere Position dazu ist: Im Sozialismus hätte jede/r Bürger einen Laptop und
die Möglichkeit an Abstimmungen teilzunehmen. Für eine wirkliche
Basisdemokratie für alle Menschen, müssten die Voraussetzungen geschaffen
werden. Denn Politik und Abstimmungen brauchen Zeit, Diskussion und
Information. Würde heute in der BRD, z.B. eine Abstimmung über den Umgang mit
Flüchtlingen durchgeführt, würde die Mehrheit der Deutschen
höchstwahrscheinlich für Abschiebung stimmen. Das ist Basisdemokratie im Kapitalismus!
Durch rassistische und faschistische Propaganda werden die Menschen total
beeinflusst und im Sinne der Bourgeoisie indoktriniert.
Ein anderes Problem der Basisdemokratie der Piraten ist,
dass im Kapitalismus nicht alle Menschen einen Laptop und die nötige Zeit für
Basisdemokratie haben. Die Werktätigen haben weder Zeit noch
Diskussionsmöglichkeiten. Dafür Zeit und „Muße“ haben allerdings die
Parlamentarier und die Berufspolitiker mit fetten Bezügen und Gehältern. Das
ist auch bei den Piraten nicht anders. Ihre Berufspolitiker und Abgeordneten
betreiben Politik, so wie alle anderen als Protest- bzw.
Alternativorganisationen angetretenen Parteien, von den Werktätigen und ihren
Problemen losgelöst. Erwerbslose und Hobbyhartzvierer unter den Piraten haben
solange Zeit, solange die Arbeitsagentur ihnen nicht Ein-Euro-Jobs vermittelt
und das Jobcenter den Geldhahn abdreht. Das ist ein Systemproblem und wird im
Kapitalismus immer so funktionieren.
Zu Beginn waren die GRÜNEN alternativ, bis die Berufspolitiker
und Abgeordneten im Parlamentarismus Karriere gemacht und Gefallen an den
Privilegien gefunden haben. Von den Basisbewegungen (Antiatom, Umwelt,
Pazifismus) haben sie sich schon längst entfernt. Heute werden die GRÜNEN von
diesen Bewegungen teils rausgeworfen. Trotzdem schaffen es die Grünen immer
wieder, in Massenkämpfen mitzuschwimmen und sich die Stimmen vom Volk zu
erschwindeln. Zum Beispiel beim Widerstand gegen Stuttgart 21. Das wird bei den
Piraten genauso sein. Basisdemokratie funktioniert nicht im bürgerlichen
Politbetrieb. Da geht es nur noch um Macht, Pfründe, Posten und Karriere.
Mit dem Politikstil der Piraten sollen Jugendliche
angesprochen und auch herangezogen werden, die im Internet individualistisch
rumhängen (können). Kollektives Bewusstsein ist nicht gefragt und wird auch gar
nicht erst gefördert. Es geht eigentlich doch nur darum, hip und ein Nerd zu
sein.
Die Methode für die Umsetzung ihrer Ziele ist für die
Piraten ein Softwaretool, genannt „Liquid Feedback“. Das ist ein
Abstimmungstool, um Meinungsbilder einzuholen. Jeder und Jede kann da
seine/ihre Meinung per Knopfdruck kundtun. Aber Liquid Feedback bringt nicht
den Erfolg, den sich die Piraten erhofft hatten. Es wird bereits darüber
diskutiert, das Tool abzuschaffen. Zunächst gab es technische Probleme. Nur
jedes dritte Neumitglied bekam überhaupt einen Zugang zu dem Tool aufgrund von
Problemen bei der Mitgliederverwaltung. Dann kam der Konflikt zwischen den
beiden Piraten-Idealen Transparenz und Datenschutz auf. Muss ein Klarname
angegeben werden oder darf jede/r unter frei wählbaren Nicknames (Spitzname)
abstimmen? Können im Liquid Feedback überhaupt anonym Beschlüsse gefasst
werden? 15
Die Ergebnisse der Abstimmung sind aber sowieso nicht
bindend. Vielleicht erklärt das, warum viele, die Zugang haben, bei den
Abstimmungen gar nicht mitmachen. Von den 30 000 Parteimitgliedern haben
nur knapp 3 600 überhaupt einmal bei Liquid Feedback abgestimmt. Jedes
Mitglied darf einen Antrag einbringen. Nur 650 haben das bislang getan, das
sind 2,2%. Allerdings ist Liquid Feedback natürlich nur für die möglich, die
über einen Computer verfügen und für die, die sich permanent in der virtuellen
Welt herumtreiben. Für all diejenigen, die arbeiten müssen und keine Zeit
haben, sämtliche Papiere und Twittermeldungen durchzulesen, und damit der
Diskussion nicht folgen können, für die ist Liquid Feedback nicht gedacht. Die
Piraten wollen den Menschen eigentlich nicht Transparenz und Basisdemokratie
nahe bringen, sondern ein neues Softwaresystem!
Oberste Priorität hat für die Piraten die Wahrung der
Privatsphäre, der Datenschutz, die „informelle Selbstbestimmung“ und die
„Teilhabe am digitalen Leben“. Sie sind gegen Überwachung, Bewegungsprofilerstellung,
staatliche Übergriffe, Rasterfahndungen, Vorratsdatenspeicherung und
Lauschangriffe. [16] Transparenz des
Staatswesens ist ein weiteres Ziel. Sie fordern dafür eine bessere Kontrolle
von Amtsträgern: „Jeder Bürger soll das Recht haben, sich bei der Verwaltung
über deren Tätigkeit informieren zu können“. Auch Open Access (Freier
Zugang zu Ergebnissen von Forschung und Entwicklung, Zugang zu kostenlosen
Informationen, Recht auf Privatkopien, keine Kriminalisierung von
Tauschbörsennutzern, Freier Zugang zu Wissen für alle) wird als Grundforderung
festgelegt. [17]
Von der Piratenpartei geht der „Charme der Unbekümmertheit“
aus. Dazu gehört auch das Eingeständnis, nicht zu allem und jedem eine Meinung
haben zu müssen. Das brachte den Piraten Stimmen und Sympathie ein. Sie geben
das offen zu, was andere bürgerliche Parteien schon immer in der Realität
umsetzen, nämlich keine Ahnung von den wirklichen Problemen zu haben. In ihrem
Wiki zur Bundestagswahl [18] sind daher ihre Positionen
auch in alle Richtungen offen oder sie vertreten keine klaren Positionen, wie
bei der Forderung nach Mindestlohn oder bei dem Problem der Leiharbeit. Das
Wahlprogramm umfasst nur 5 Punkte:
1. Urheberrecht, 2. Freier
Zugang zu öffentlichen Inhalten, 3. Bedingungsloses Grundeinkommen
und Mindestlohn, 4. Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV, 5. Begrenzung
der Leiharbeit.
Ein Beispiel für ihre schwachen Positionen ist die Frage der
Leiharbeit. Hier bleiben sie sogar noch weit hinter den Forderungen der
DGB-Gewerkschaften zurück: „Wir werden dazu eine maximal erlaubte
Überlassungsdauer von sechs Monaten für Leiharbeitnehmer festlegen. Die
Piratenpartei wird das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) entsprechend
anpassen.“ Die IG Metall z.B. drängt wenigstens auf gleiche Bezahlung
von Leih- und Stammarbeitern – und sie will ein Veto-Recht der Betriebsräte
gegen den Einsatz von Zeitarbeitern.
Zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) und zum
Mindestlohn hat die Piratenpartei keine handfeste und ausgereifte Position. Sie
stellt nur fest „Wir fordern deshalb einen Systemwechsel hin zu einem
bedingungslosen Grundeinkommen (BGE).“ Allerdings hat sie noch nicht einmal
einen Euro-Betrag festgelegt. Sie will eine Enquetekommission des Bundestages
einsetzen, um verschiedene Modelle zu prüfen, und danach dazu eine
Volksabstimmung durchführen. Das ist erst mal keine fortschrittliche Position.
Ein BGE wird auch von Teilen der FDP gefordert oder von bürgerlichen
Unternehmern, wie dem Chef des DM-Marktes, der damit den Binnenmarkt wieder ankurbeln
will. Ein BGE, das unter 1 000€/netto liegt, ist nicht nur nicht
fortschrittlich, sondern reaktionär. Auch beim Mindestlohn legt die
Piratenpartei keine Zahlen vor. Soll der Mindestlohn bei mehr als 10€/netto
Stundenlohn, also mehr als die Gewerkschaften oder die LINKE fordern, liegen
oder plädieren sie für einen Mindestlohn unter 7€? Das lassen sie komplett
offen. Sie beweisen damit nur, dass die tatsächlichen Interessen der
Werktätigen nicht ihr Politikfeld sind. Denn zum Überleben ist die Höhe des Grundeinkommens
nicht unwichtig, sondern eine elementare Lebensfrage für Millionen. [19]
Mal links, mal grün, mal liberal…
Die Piraten öffnen das bürgerliche Parteienspektrum ein
wenig. Das findet die Bourgeoisie nicht einmal schlecht. Auch um die NichtwählerInnen
wieder zu den Wahlen zu bewegen und damit die bürgerlichen Wahlen stärker zu
legitimieren. Mit ihrem neuen Transparenzwind und ihrem (noch) Beharren auf
Basisdemokratie und Mitbestimmung heben sie sich ein wenig von den anderen
bürgerlichen Parteien ab. Auch beim Thema Migration und Integration: „Migration
bereichert die Gesellschaften... Die Ausgrenzung von Arbeitsmigranten über
Generationen hinweg ist menschenunwürdig... Europa braucht wirtschaftliche
Migration, Zuflucht vor Verfolgung und Krieg...Gemeinsam gegen
Rassismus“. [20]
Die Piratenpartei hat Anträge mit folgenden Forderungen verfasst: Erleichterter
Ehegattennachzug, großzügigereBleiberechtsregelung, sofortige Arbeitserlaubnis
für Flüchtlinge statt jahrelanger Arbeitsverbote, Abschaffung der Drittstaatenregelungen
für Asylsuchende und Gleichstellung bei den Sozialleistungen. [21]
Allerdings: Auch wenn ihre Anträge zu Migration teilweise
fortschrittlicher sind, als bei den anderen bürgerlichen Parteien, schlägt sich
das nicht in ihrem Parteileben, der Mitgliedergewinnung und praktischen Politik
nieder. Mit ihren sehr speziellen Zentralthemen Netzfreiheit,
Hyperindividualismus und Transparenz/Demokratie per Internet, hat die
Piratenpartei keine Anziehungskraft für MigrantInnen. Eine eigenständige Parteiarbeit
für und mit MigrantInnen findet nicht statt.
Zum Thema Umwelt (Nachhaltigkeit, umweltschonende
Energie-Infrastruktur mit einer transparenten dezentralisierten
Erzeugerstruktur, Freie Fahrt, d.h. kostenlose Nutzung im öffentlichen
Nahverkehr) vertreten sie zwar einige richtige Positionen. Sie verbleiben aber
im GRÜNEN-Kapitalismus und heben sich nicht von diesen ab.
Die Piratenpartei fordert einige freiheitliche und
demokratische Rechte ein, wie Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung und der
Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen. Aber auch hier sprengt sie in keinem
Fall den vorgegebenen bürgerlichen Rahmen.
...und auch mal rechts und auch offen für
faschistisches...
Die Piratenpartei ist eine bürgerliche Partei! In ihrem zusammen
gewürfelten Programm bringt sie sich mal in die Nähe der LINKEN oder der FDP
oder auch der GRÜNEN. Sie verbleibt aber im bürgerlichen Parlamentarismus. Sie
ist bisher weder auf der Straße noch im Parlament durch eine kämpferische
Politik aufgefallen. Schlimmer noch: Generell ist sich die Partei nicht einmal
einig, wie man mit faschistischen Tendenzen in den eigenen Reihen umgehen soll.
Das Mitglied der Piratenpartei, Bodo Thiesen verteidigte 2004 den
Holocaust-Leugner Germar Rudolf und wies 2008 auf einer Mailingliste, Polen
indirekt die Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu, „durch die
Generalmobilmachung (Polens)… hatte Deutschland jede Legitimation Polen
anzugreifen“. [22]
Sein Ausschlussverfahren wurde aus formalen Gründen vom
Bundesschiedsgericht der Piraten abgelehnt. 2009 gab der stellvertretende
Bundesvorsitzende Popp der Jungen Freiheit ein Interview. Ein Kreisvorsitzender
der Partei aus Baden-Württemberg twitterte „den Juden an sich unsympathisch“
zu finden. Ein Direktkandidat aus Niedersachsen wollte die Holocaust-Leugnung
entkriminalisieren, andere hatten ihre frühere NPD-Mitgliedschaft verschwiegen.
Dazu kam der NSDAP-Vergleich vom ehemaligen
parlamentarischen Geschäftsführer im Berliner Abgeordnetenhaus Martin Delius,
im Spiegel Online Interview: „Der Aufstieg der Piratenpartei verläuft so
rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933...“. (22. April 2012) Am
20. April hatte der Berliner Landesverband zwar eine Erklärung abgegeben,
in der es hieß: „Wir erkennen an, dass das Problem von Rassismus und Diskriminierung
in der Gesellschaft und in der Piratenpartei existiert – von Einzelfällen zu
sprechen, ist falsch.“ Ebenso stellte der Bundesparteitag der Piraten in
Neumünster am 28. April 2012 fast einstimmig fest, dass jede Leugnung oder
Relativierung des Holocaust unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit den
Grundsätzen der Partei widerspricht. [23]
Aber das hebt nicht die Tatsache auf, dass es faschistische,
geschichtsrevisionistische und rassistische Äußerungen von Piratenmitgliedern
gibt. Diesen steht keine politisch antifaschistische Grundsatzposition der
Gesamt-Piratenpartei gegenüber. Im Namen von Pluralismus, Individualismus und
Meinungsfreiheit („auch wenn diese Meinung eklig ist“, Blogger der
Piratenpartei) werden solche Positionen geduldet und keine organisatorischen
Konsequenzen gezogen. Im Gegenteil. Auf dem Parteitag in Neumünster April 2012
wurde Julia Schramm, als eine von zwei Frauen, in den Piratenparteivorstand als
Beisitzerin gewählt. Obwohl sie im Januar 2011 in einem Blog eine klare antisemitische
Haltung äußerte: „Der Holocaust wird auch wirtschaftlich ausgeschlachtet,
und Schuld gibt es nicht, in meinen Augen“.
Piraten-Bashing (Piraten-Jagen)
Die Reaktion der „Alt-“Parteien und der Medien auf das neue
Phänomen „Piratenpartei“ ist armselig. Die anderen bürgerlichen Parteien (auch
DIE LINKE) suchen weniger nach Gründen für den Wahlerfolg der Piratenpartei.
Sie verurteilen die „Schmuddelkinder“, nicht weil einige aussehen wie
Schmuddelkinder, sondern weil sie den GRÜNEN, der SPD und vor allem der LINKEN
ihre WählerInnen abziehen. Daher zeigt sich die CDU beim regelrechten
Piraten-Bashing (bashing ist das neue Wort für jemanden angreifen, oder auf ihm
herumhacken) eher zurückhaltend.
Einstimmig werfen die Vertreter der etablierten Parteien den
Piraten mangelnde Regierungsfähigkeit vor. „Nicht genug für Frauen zu tun“
und „Frauen kämen bei den Piraten kaum vor“, kritisiert ausgerechnet die
SPD. Sie steht mit ihrem Alt-Herrenführungs-Partei-Trio wirklich nicht gerade
für Frauenbefreiung. Auf den bereits genannten Vergleich von Delius: „Der
Aufstieg der Piratenpartei verläuft so rasant wie der der NSDAP...“ war das
Protestgeschrei bei den anderen Parteien groß. Aufgrund dessen trat Delius
zurück. Als der grüne Außenminister Joschka Fischer im Jahr 1999 deutsche
Tornado-Bomber mit dem Bezug auf Auschwitz in einen Angriffskrieg gegen
Jugoslawien schickte, war das Geschrei nicht so groß.
Die LINKE in Schleswig-Holstein hielt die Gunst der Stunde
für gekommen, sich als Protestpartei gegen die neue Protestpartei aufzuspielen.
Sie zog mit einem Plakat in den Wahlkampf, auf dem neben der Flagge der
Piratenpartei der Slogan zu lesen war: „Keine Stimme den Nazis. Egal unter
welcher Flagge sie segeln!“ Diese Parole ist inhaltlich richtig, aber neben
der Flagge der Piratenpartei ist sie fehl am Platz. Die Piratenpartei ist keine
faschistische Partei. Sie ist offen für faschistische Positionen, genauso wie
alle anderen bürgerlichen Parteien auch, wie die SPD mit Sarrazin, wie die CDU
mit Hohmann, wie die FDP mit Möllemann und die CSU sowieso. DIE LINKE hat damit
nur ihre Heuchelei und Machtversessenheit bewiesen. Ihr geht es darum, ihre
Mitglieder zu halten und nicht an die Piraten zu verlieren. Denn sie leidet,
dass sie kaum noch als Protestpartei wahrgenommen wird. Das ist aber ihrem
eigenen Versagen und ihrer opportunistischen Politik, ihrer DDR-Verklärung und
ihren unsäglichen Führungs-(Macht)debatten geschuldet.
Es gibt keinen Grund die Piraten zu wählen, genauso wie es
keinen Grund gibt, irgendeine andere bürgerliche Partei zu wählen.
Ein andere Welt ist möglich: JA! Aber dazu muss die
klassenlose Gesellschaft als Ziel definiert werden. Erst im Sozialismus wird es
eine richtige Demokratie geben, nämlich die der Mehrheit (der heute
Unterdrückten) über die Minderheit (der heute Herrschenden). Und dann werden
die technischen Errungenschaften auch dazu benutzt, um den Menschen die Arbeit
zu vereinfachen. Auch das Internet mit seinen Möglichkeiten der schnellen
Kommunikation im internationalen Maßstab kann ein Werkzeug dazu sein. Aber nur
ein Werkzeug und kein Ziel!
Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten!
Die Piraten sollen genauso kentern, wie alle anderen
bürgerlichen Parteien!
Juli 2012
[1] Bis April 2012 Bundesvorsitzender der Piratenpartei und ehemaliges CDU-Mitglied.
[2] http://www.piratenpartei.de/2012/06/11/piraten-keine-zensur-des-internets-auf-eu-ebene/
[3] Pressemappe zum 2. Bundesparteitag 2011 der Piratenpartei Deutschland, Dezember 2011, S. 11 – Pressemappe
[4] Die Piratenpartei hat bisher 9 Bundesparteitage abgehalten. Allerdings machen sie eine doppelte Zählung ihrer Parteitage. Einmal die Bundesparteitage insgesamt und einmal die pro Jahr. So kommt zu der etwas verwirrenden Darstellung, dass sie vom 2. Bundesparteitag 2011 sprechen. Diese Nummerierung bezieht sich auf das Kalenderjahr 2011 – also zweiter Parteitag in 2011 und nicht auf die fortlaufende Zählung aller Parteitage.
[5] http://wiki.piratenpartei.de/Mitglieder#Grafiken_zu_Mitgliederzahlen
[6] https://wiki.piratenpartei.de/Bundessatzung
[7] Neues Szenewort für Empörungswelle.
[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Piratenpartei_Deutschland
[9] Pressemitteilung: ÖkoLinX‐Antirassistische Liste im Römer ist wieder da, das Projekt Bunte Fraktion ist gescheitert, Frankfurt/Main, 6.9.2011
[10] wiki.pp-international.net/Members_of_the_PPI,
eingesehen 14.08.2012
[11] http://www.bpb.de/politik/wahlen/wer-steht-zur-wahl/berlin-2011/45939/piraten
[12] http://www.piratenpartei-koeln.de/politik/unser-selbstverstaendnis
[13] Die Piratenpartei, Hrg. Friederike Schilbach, Bloomsbury Verlag, November 2011, S. 182
[14] http://www.piratenpartei-koeln.de/politik/unser-selbstverstaendnis
[15] http://wiki.piratenpartei.de/Liquid_Democracy
[16] In diesem Punkt stellen sich die Piraten also gegen das Grundgesetz! Anfang 1998 wurde der §13 des GG um die Absätze 3-6 erweitert, die die Grundlage für den Großen Lauschangriff bieten
[17] http://wiki.piratenpartei.de/Ziele
[18] http://wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2013/Wahlprogramm
[19] http://www.piratenpartei.de/politik/gesellschaftliche-teilhabe/arbeit-und-soziales/
[20] http://www.piratenpartei.de/politik/gesellschaftliche-teilhabe/migration-und integration/#Migration_bereichert_die_Gesellschaft
[21] wiki.piratenpartei.de/LSA:Landesverband/Organisation/Mitgliederversammlung/2012.1/Antragsfabrik/ Flüchtlinge_und_Migranten_innen_–_Asylpolitik
[22] de.wikipedia.org/wiki/Causa_Bodo_thiesen
[23] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-04/piratenpartei-neumuenster-vorstand in: zeit.de vom 28. April 2012