Vergessene Westsahara: Nicht endende Besatzung! Sahrauische Volk im Widerstand!

Als am 18. September 2011 die Ergebnisse für die Wahl ins Berliner Abgeordnetenhaus feststanden, veränderte sich auf einen Schlag die bundesdeutsche Parteienlandschaft. Die Piratenpartei zog mit 8,9% in den Berliner Senat ein. Jetzt sind es sechs Parteien, mit denen auf der politischen Bühne und bei den nächsten Bundestagswahlen 2013 zu rechnen ist. Die Piratenpartei ist mit einem Paukenschlag zur viertstärksten politischen Kraft nach den GRÜNEN, vor der LINKEN und der FDP aufgestiegen. Was zuletzt die GRÜNEN in den 1980ern mit dem Umweltthema geschafft haben, versucht die Piratenpartei heute mit ihrer Internetpolitik. Ihr „Siegeszug“ setzte sich in den folgenden Landtagswahlen 2012 fort. Im Saarland wurde sie mit 7,4%, in Schleswig-Holstein mit 8,2% und in NRW mit 7,8% in die Landesparlamente gewählt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Piratenpartei im nächsten Bundestag vertreten sein.

 

In den linken politischen und sozialen Bewegungen wird eifrig diskutiert, wer sind sie, die Piraten? Und was wollen sie? Wir, KommunistInnen von Trotz alledem! stellen mit diesem Artikel unsere Einschätzung des politischen Profils der Piraten zur Debatte und versuchen damit die Auseinandersetzung mit unseren Argumenten voranzubringen.

 
Erste Piratenwelle

Die erste Piratenpartei wurde Anfang 2006 in Schweden gegründet („Piratpartiet“). Die deutsche Piratenpartei am 10. September 2006 in Berlin. Der Name bezieht sich nicht auf die sogenannten Freibeuter und Abenteurer auf den Meeren. Der Name und diese Parteien sind entstanden aus Protest gegen die Kriminalisierung von „Internet-Piraterie“. Also dem „illegalen downloaden“ von Musik, Spielen, Filmen, Dokumenten, ohne dafür zu bezahlen. Die Piraten verstehen sich als Partei der „neuen Informationsgesellschaft“. Sie tritt für freien und unkontrollierten Zugang zu Daten- und Informationsfluss ein.

Bei den Bundestagswahlen 2009 trat sie zum ersten Mal an und holte aus dem Stand 2% der Zweitstimmen. In Deutschland verzehnfachte sich die Mitgliederzahl der Piratenpartei Anfang 2009 aufgrund der Auseinandersetzung um das Internet-„Zugangserschwerungsgesetz“. Die damalige Familienministerin, von der Leyen wollte Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten verbieten. Die Piratenpartei sagte der Zensur im Internet den Kampf an. Die Initiative von der Leyens stieß auf massive Kritik und wurde als „Zensursula-Debatte“ (Zensur+Ursula=Zensursula) bekannt. KritikerInnen sehen in dem Gesetz eine gegen Kinderpornografie unwirksame Maßnahme, die Tätern eher nützt als schadet, aber gleichzeitig massiv Grundrechte einschränkt. Die zur Sperrung von Internetseiten errichtete Infrastruktur kann problemlos für weitere Zensur-Maßnahmen verwendet werden, da sie eine Kontrolle unliebsamer Inhalte ermöglicht und die „Echtzeitüberwachung“ umsetzt. Eine Gegen-Initiative im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gegen die Einführung einer Sperrinfrastruktur wurde von mehr als 130 000 Menschen unterzeichnet, mehr als bei jeder anderen E-Petition (elektronische Petition) zuvor.

Die Piratenpartei hat in dieser Kampagne eine Vorreiterrolle eingenommen. „Netzsperren sind zur Bekämpfung von Kinderpornografie ungeeignet und unverhältnismäßig. Die Inhalte verschwinden nicht aus dem Netz und schaffen im schlimmsten Fall neue Begehrlichkeiten. Stattdessen wird eine Infrastruktur zur flächendeckenden Zensur etabliert, die rechtsstaatliche Prinzipien aushebelt“, so Sebastian Nerz, stellvertretender Bundesvorsitzender. [1]

Mit Bezug auf Berichte des Bundeskriminalamtes (!!!) fordert die Piratenpartei, dass Inhalte, in Absprache mit den Anbietern, gelöscht werden sollen, aber nicht zensiert. Dabei bedürfe es einer verbesserten internationalen Zusammenarbeit der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden. Nerz führt aus: „Wenn Geld für die Bekämpfung sexuellen Missbrauchs in die Hand genommen wird, so sollte es besser in Personal und Ausstattung der Ermittlungsbehörden investiert werden“. [2]

Das ist wirklich eine prima Alternative: lieber löschen als zensieren und die Polizei aufrüsten! Hier zeigt sich schon, wo der Kurs der Piratenpartei hinführt. Wir KommunistInnen wenden uns gegen politisch-bürgerliche Zensur im Netz, die gegen fortschrittliche, revolutionäre und kommunistische Inhalte gerichtet ist. Gleichzeitig prangern wir den ganzen Müll der bürgerlichen Propaganda und Kulturwelt von Kinderpornos bis hin zu Kriegshetze an und lehnen sie grundsätzlich ab. Im demokratischen Kampf fordern wir auch Verbote von menschenverachtender, pornografischer, faschistischer Propaganda. Aber wir geben uns nicht der Illusion hin, dass damit die Wurzeln dieser Ideologie gekappt werden. Das kann nur durch einen wirklichen Systemwechsel und durch radikale Veränderung in der Geisteshaltung passieren.

In der ersten Piratenwelle kam es zu einem rasanten Mitgliederzuwachs in der Partei. April 2010 hatte sie ca 12 000 Mitglieder. Innerhalb von vier Monaten nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhauses 2011 stieg die Zahl auf 20 000 an. Am 12. April 2012 vermeldeten die Piraten stolz ihr 25 000. Mitglied. Am 2. Juli 2012 waren es bereits 33 060 Mitglieder.

Beim Altersdurchschnitt der Piratenpartei folgte auf die erste Welle sehr schnell die Flaute. 2009 war das Durchschnittsalter noch bei 30 Jahren und damit lag sie auf Platz 1 vor allen anderen Parteien. Noch im Dezember 2011 bejubelte sie sich auf ihrem 2. Bundeskongress selbst: „Im Parteienvergleich ist die Piratenpartei tatsächlich eine sehr junge Partei.“ [3], [4] 

Aber bereits im April 2012 wird das Durchschnittsalter der Parteimitglieder mit 40 Jahren angegeben. [5] Die Piraten haben damit bereits einen grundlegenden Wandel vollzogen. Sie sind jetzt keine Jugendpartei mehr. Ihr Altersdurchschnitt liegt zwar immer noch unter dem der anderen bürgerlichen Parteien, aber nähert sich diesen doch rasch an. Bei den GRÜNEN liegt der Altersdurchschnitt derzeit bei 42 Jahren. Der Anstieg des Altersdurchschnitts bei den Piraten liegt sicherlich auch daran, dass, bedingt durch die immensen Wahlerfolge, nun die ältere Generation von Aufsteigertypen die Partei entert. Eine gute abgesicherte Karriere will sich doch keine(r) entgehen lassen.

Frauen auf hoher See?

Niemand weiß, wie hoch der Mitgliederanteil von Frauen in der Piratenpartei ist. Der Frauenanteil wird von den Piraten nicht erfasst und veröffentlicht. Die Partei verzichtet bewusst auf eine Erhebung nach Geschlechterkriterien. In der Satzung heißt es: „(5) Die in der Piratenpartei Deutschland organisierten Mitglieder werden geschlechtsneutral als Piraten bezeichnet.“  [6] Laut focus sollen 90% der Mitglieder der Piratenpartei männlich sein. Er führt diese Zahlen aber ohne Nachweise an.

Da diese Frage in den Medien stark thematisiert wird, rücken die Piraten nach und nach doch ein wenig Zahlenmaterial heraus. In der Pressemappe zum 2. Bundesparteitag wird informiert: „Frauen im Vorstand: Derzeit sind insgesamt 13 Frauen in Landes- beziehungsweise im Bundesvorstand (11 in LVs und 2 im Bund). Ansonsten sind Frauen in allen Positionen vertreten. Mandate: ... Hinzu kommen 161 kommunale Mandate, wovon 16 Mandate von Frauen ausgeübt werden.“ (Pressemappe, S. 11) So kann Mann ein Problem auch zukleistern. Die Aussage: „Ansonsten sind Frauen in allen Positionen vertreten“ ist schlichtweg falsch. Im Bundesvorstand (2012/13) sitzen zwar unter sieben Männern zwei Frauen, aber die Vorsitzenden, (der Vorsitzende und zwei Stellvertreter) sind Männer. Alle Bundesvorsitzenden der Piratenpartei seit 2006, fünf an der Zahl, sind Männer.

Im Abgeordnetenhaus von Berlin ist unter den 15  Piraten-Abgeordneten nur eine einzige Frau. Von den 16 Landesvorständen der Piratenpartei ist in fünf nicht eine Frau vertreten. Auf der Landesliste für die NRW-Wahl taucht die erste Frau auf dem fünften Platz auf und in der für Schleswig-Holstein auf Platz sechs.

Zur Frauenquote findet sich im „Kleinen Piraten Glossar“ folgender flockig-lockere Spruch: „Frauenquote ist eine Sache, die wir Piraten sehr kontrovers diskutieren. Das reinste Minenfeld“. (Pressemappe, S. 19) Die genderneutrale „Sache“ Frauenquote ist für Männer natürlich militärisches Sperrgebiet: ein Minenfeld! So kann Mann ein zentrales gesellschaftliches Problem auch entsorgen.

Die bürgerlichen Medien machen die Technikaffinität der Partei für den „Frauenmangel“ verantwortlich, da Männer angeblich besser mit Computern umgehen können. Die Denunziationsmethode von „Shitstorms“ [7], Auszug aus dem „Kleinen Piraten Glossar: „Verbales oder schriftliches Hereinprasseln von meist unschön formulierten Uneinverständniserklärungen über eine bzw. wenige Personen mit anderer Ansicht.“ (Pressemappe, S. 20) schrecke Frauen ebenfalls mehr ab als Männer. Ebenso das sogenannte „Kandidatengrillen“, bei dem Anwärter für Posten vom Parteitag ins brutale Kreuzverhör genommen werden.

Die Piratenpartei lehnt die eindeutige Festlegung auf zwei Geschlechter als veraltet ab. Die Piraten wollen über den Geschlechtern schweben und „post-gender“ sein. Sie fordern zwar richtig die Gleichberechtigung aller Lebensstile und geschlechtlichen Orientierungen, und wenden sich gegen ausbeuterische Strukturen im Zusammenleben. Aber die gesellschaftlichen, kapitalistischen patriarchalen Unterdrückungsmechanismen zwischen Männern und Frauen werden mit allgemeinem ‚post-gender’-Gequatsche bewusst ausgeklammert. Damit wird sowohl die weltweite gesellschaftliche Realität von Frauen, die auf allen Ebenen diskriminiert werden, geleugnet, als auch der männlich dominierte Makrokosmos der Piratenpartei politisch gerechtfertigt. Ohne Kampf gegen die Unterdrückung von Frauen (die Hälfte der Menschheit) wird es niemals Gleichberechtigung geben. Dies kann Mann nicht dadurch abstellen, dass einfach keine Geschlechter mehr anerkannt werden. So ist das ganze post-gender-Getue überhaupt nicht fortschrittlich, da die bestehenden Verhältnisse nicht einmal angekratzt werden.

 Flotte an Land

Die Piratenpartei war bislang an keiner Landesregierung beteiligt. Auf kommunaler Ebene bestehen mehrere Fraktionsgemeinschaften mit den unterschiedlichsten Parteien: Mit den LINKEN in Wiesbaden und Laatzen bei Hannover, sowie der LINKEN und der Rentnerinnen- und Rentner-Partei in Bremerhaven. Mit der FDP in Hamburg-Bergedorf. Mit den Freien Wählern im Kreistag Darmstadt-Dieburg. Eine Zusammenarbeit mit ÖkoLinX und Europaliste für Frankfurt (ELF) in Frankfurt wurde nach einem knappen halben Jahr beendet und wird nun als neue Fraktion ELF-Piraten ohne ÖkoLinx fortgeführt. [8]Die beiden Vertreter der Piraten und der Vertreter der Europaliste haben den Fraktionsvertrag der Bunten Fraktion gebrochen, indem sie am 30.8.2011 plötzlich und anlasslos – via eMail (!) von der ÖkoLinXStadtverordneten Ditfurth verlangt haben, sich ihnen zu unterwerfen, sie sollte keine eigene, von der Fraktion abweichende Meinung mehr haben dürfen...“ obwohl im Fraktionsvertrag der Bunten Fraktion vom 12. April 2011 einvernehmlich beschlossen wurde: “Wir sind basisdemokratischen Prinzipien verpflichtet. Deshalb gibt es keinen Fraktionszwang...“. [9]

Schon hier zeigt sich ganz klar, dass die Piratenpartei sich nicht mal mehr an ihre eigenen Abmachungen hält, sobald es hart auf hart kommt und wie sie mit abweichenden Meinungen umgeht. Die Basisdemokratie, die von der Piratenpartei so hoch gehalten wird, wird hier mal kurz über Bord geworfen.

 Internationale Crew

Das Phänomen der Piratenpartei ist nicht auf ein Land beschränkt. Die immense Bedeutung des Internets – das weltweite Netz – liegt ja gerade in der Internationalisierung der Kommunikation. Dem entspricht auch die Struktur der Piratenparteien, die seine Propheten sind. In der PPI (Pirate Parties International) sind 28 Piratenparteien international organisiert. [10] Auch die Piratenpartei Deutschland ist Mitglied. Die PPI unterstützt bereits existierende Piratenparteien und solche die im Aufbau sind, in 66 Ländern. (www.pp-international.net) So in vielen Ländern Lateinamerikas wie Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Chile, Venezuela, in Ländern in Asien wie China, Indien, Nepal, in wenigen Ländern Afrikas wie Marokko, Südafrika, Tunesien, in Russland, in zahlreichen ost-europäischen Ländern wie Ungarn, Bulgarien, Kroatien, im Mittleren Osten in Ländern wie Israel und der Türkei. In Europa gibt es in etlichen Ländern Piratenparteien. In Schweden, dem Gründerland der Piratenparteien, hat die ‚Piratpartiet‘  ihren Höhenflug bereits hinter sich. Im Juni 2009 zog sie noch mit 7% der Wählerstimmen ins Europaparlament. Bei der anschließenden Reichstagswahl floppte sie. Die Mitgliederzahl sank von 50 000 auf 8 500. Bei Umfragen läuft die ‚Piratpartiet‘ mittlerweile unter ferner liefen. In Tschechien hat die Piratenpartei nur ca. 200 Mitglieder und liegt nach Umfragen bei 1% der Wählerstimmen. Die griechischen Piraten haben sich im Februar 2012 als Partei registrieren lassen. Bisher haben sie etwa 800 Mitglieder. Wirklich politische Bedeutung haben die Piraten in Europa nur in Deutschland und in Österreich. Ein Grund dafür ist die Existenz von etablierten Protestparteien in beinahe allen anderen europäischen Ländern. Bei der europäischen Piratentagung in Prag, Mitte April 2012, wurde die deutsche Piratenpartei mit ihren Erfolgen als Vorzeigeprojekt gefeiert.

Piraten bieten Transparenz und frischen Wind?

Von 0,3% Wählerstimmen bei der Landtagswahl in Hessen 2008 auf 8,9% in Berlin 2011, wie lässt sich das erklären? Natürlich machen sich auch die bürgerlichen Medien Gedanken, woher der Aufstieg der Piratenpartei kommt. Sie wird als Protestpartei hingestellt, die Transparenz und frischen Wind verspricht. Sie ist ein Sammelbecken für Unzufriedene. Piraten bieten etwas Neues. Sie sprechen eine andere Sprache. Sie sind nicht einfach eine neue Partei. Sie stehen für einen neuen Politikstil. Sie erreichen die Facebook- und Twitter-Generation.

Fakt ist: Die Piraten werden vor allem von der jungen Generation und – wie Umfragen zeigen – männlichen Erstwählern und Studenten gewählt. Mit ihrer basisdemokratischen Entscheidungsfindung erreichen sie viele Menschen und sprechen sie an. Hier kann jede/r mitreden, mitbestimmen und mit abstimmen. Jede/r kann Anträge stellen, vorausgesetzt er/sie besitzt einen Computer und verbringt viel Zeit im Netz, um all die Twittermeldungen, Seiten, Anträge... durchzulesen und zu verstehen.

Allerdings, die Basisdemokratie ist nicht in den Statuten der Piratenpartei verankert. Und wie lange die Piratenpartei diese pseudo-basisdemokratische Entscheidungsfindung noch durchhält ist fraglich. Schon jetzt gibt es Probleme: Auf der Suche nach Spitzenkandidaten in Niedersachsen scheiterten die Piraten, weil mindestens ein Pirat mitgestimmt hatte, der als Bürger eines anderen EU-Landes offenbar nicht wahlberechtigt war. Beim zweiten Wahlgang wählten zwei Jugendliche unter 18 Jahren mit, die nicht teilnehmen hätten dürfen. Ergebnis: Die Wahl wurde für ungültig erklärt. Das verstehen also die Piraten unter Basisdemokratie. Wir fragen, warum sollen BürgerInnen eines anderen EU-Landes nicht mitwählen dürfen, was ist daran basisdemokratisch, dass nur Deutsche wählen dürfen? Was ist daran basisdemokratisch, wenn Jugendliche kein Mitspracherecht haben? Und wie wir bereits beim Bündnis mit ÖkoLinX gezeigt haben, was ist daran basisdemokratisch, wenn es einen Fraktionszwang gibt?

Piraten: demokratisch oder elektronisch?

Anders aber als ihr Name und ihr Politikstil verspricht, ist das Programm der Piratenpartei genauso bürgerlich, konservativ und langweilig wie das der GRÜNEN, der FDP und der LINKEN. Mit den durchgeknallten Piratentypen à la Jack Sparrow haben die Piraten wirklich nichts zu tun. Die Berliner Piraten charakterisieren sich selbst als „sozial-liberal-progressiv“ [11] und die Kölner Piraten folgendermaßen „Wir – …sind engagierte Menschen aus vielen Bereichen der Gesellschaft und stehen auf dem Boden unseres Grundgesetzes. – …sind nicht links oder rechts, wir sind vorne.“ [12]

Was es bedeutet weder links noch rechts zu sein, ist klar, es ist die wabernde Mitte. Auf dem Boden „UNSERES Grundgesetzes“ zu stehen heißt, die Piraten verstehen sich weder als Antikapitalisten noch als „Erneuerer“. In dieser Verfassung ist das Recht auf Privateigentum verankert, und das System des Kapitalismus festgeschrieben. Daran wollen sie nicht rütteln und sind so keine wirkliche Alternative zu den herrschenden Zuständen.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit....

Für die Piraten hat der Begriff Freiheit dieselbe Bedeutung wie ein Freibrief. Ihre Freiheit ist die imperialistische Freiheit im Internet. Gewaltexzesse, Kriegshetze, Faschismuspropaganda, Folterverherrlichung, Männerchauvinismus, Abstumpfung, Kinderpornografie, Sexismus, Verblödung und Verdummung der werktätigen Massen – alles was imperialistische Kultur ausmacht, das soll unbegrenzt und weltweit im bürgerlichen Internet erlaubt sein. Das Internet ist aber genauso wenig „klassenneutral“ wie die bürgerlichen Medien und Kultur insgesamt. Das Netz ist Spiegel dieser Gesellschaft, und daher ist die „Freiheit im Internet“, die Freiheit im Zeitalter des Imperialismus. Die Piraten-Freiheits-Vision ist bürgerlich-individuell. Sie sind das W-LAN-Bürgertum! 44-mal taucht in ihrem Grundsatzprogramm der Begriff „Freiheit“ auf. Achtmal „Individualität“ und einmal „Solidarität“. [13]

Wir KommunistInnen lehnen das Internet natürlich nicht ab. Es ist eine gigantische technische Entwicklung die alle KlassenkämpferInnen, und politisch-revolutionären Bewegungen viel stärker ver„netzt“. Wir nutzen das Internet für den internationalen Austausch, für die Organisierung und Koordinierung gemeinsamer Kämpfe über alle Kontinente hinweg.

Piraten… und Krisenpolitik

Die Piraten haben sich in der Krise gegen den Euro-Rettungsschirm positioniert. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) sei „intransparent“, „voreingenommen“ sowie unter „Einbeziehung der Finanzlobby“ entstanden und verstoße zudem gegen den Parlamentsvorbehalt.

Einen wirklichen Lösungsansatz zur Krise haben sie allerdings nicht. „Das Wichtigste ist die Schuldenbremse“, so Andreas Augustin, Piraten-Spitzenkandidat im Saarland. Matthias Schrade demonstriert als „Finanzexperte“ der Piratenpartei die Nähe zur FDP: „Ich persönlich bin der Ansicht, dass wir um einen Schuldenschnitt nicht herumkommen. Wir sind längst über die kritische Grenze hinweg, wenn man die hohe Zinsbelastung Griechenlands berücksichtigt bei einer gleichzeitig schrumpfenden Wirtschaft. Eine Firma mit solchen katastrophalen Kennzahlen wäre längst pleite. Es macht daher wenig Sinn, noch mehr Geld zu verpulvern... “ und auf die Frage, ob Griechenland aus dem Euro raus müsste, antwortet er „Nicht nur Griechenland“. (Die Piratenpartei, Schilbach, S. 32ff)

Als so genannter Finanzexperte sollte er eigentlich wissen, dass Deutschlands Finanzwelt Unsummen Profit damit macht, Griechenlands Banken (und nicht den Werktätigen) Geld zu leihen. Aktuell wird immer wieder von den Herrschenden die Diskussion angeschoben, die krisengeschüttelten südeuropäischen Länder aus der EU-Zone hinauszubefördern. Das deutsche Kapital, Stichwortgeber der bürgerlichen Politik, ist sich mit den politischen Parteien noch nicht wirklich einig, wohin die Reise gehen soll. Die einen favorisieren die Lösung, alle schwächelnden Staaten auszuschließen, vorneweg PIRATEN und FDP. Die anderen wollen ihren „europäischen Machtbereich“ nicht so schnell aufgeben, und setzen weiter auf ein von Deutschland dominiertes Gesamteuropa. Alle wollen sie nur eins: Deutschlands Größe wahren, und den Reichtum mehren auf Kosten der Unterdrückung und Aussaugung der kleineren und ökonomisch schwächeren Länder.

Krieg oder Frieden….

PIRATEN sind friedlich. Wir verzichten auf Gewalt und haben Achtung vor dem Leben. Todesstrafe, Tötung von Tieren aus Spaß und die Zerstörung von Natur und Umwelt, Krieg und Tyrannei lehnen wir daher ab.“ [14] Das ist die Position des bürgerlichen Pazifismus. Das ist eine eurozentristische und imperialistische Position. Der imperialistische Frieden ist nur eine Atempause zwischen den Kriegen (Lenin). Für die abhängig gehalten Länder des Südens und Ostens bedeutet imperialistischer Frieden Ausbeutung, Hunger und Elend. Eine Milliarde Menschen haben kein sauberes Trinkwasser. Jährlich sterben Millionen Kinder an Unterernährung. Imperialistische Stellvertreterkriege um Märkte und Rohstoffe führen zur Vertreibung von Millionen Menschen wie im Irak und Afghanistan, und zur Ermordung von Hunderttausenden wie in Ruanda und Sri Lanka. Gerechte Kriege, in denen es um Befreiung und Selbstbestimmung geht, kennen die „friedlichen“ Piraten offensichtlich nicht, bzw. sie lehnen sie ab. Aber zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan haben sie bisher keine Position. Warum? Entweder führt die Bundeswehr laut Piratenpartei gar keinen Krieg dort. Oder ist das ein Tabuthema, da der Vorsitzende der Piratenpartei, Bernd Schlömer, im Rang eines Regierungsdirektors, Referent im Führungsstab des Verteidigungsministeriums ist? Näher kann man zur Bundeswehr und zur NATO und damit zur Kriegsstrategie nicht stehen.

Man könnte sich über diese Naivität der Piratenmitglieder, die Bernd Schlömer mit Mehrheit zum Vorsitzenden gewählt haben, so richtig auf dem Boden kugeln – wenn, ja wenn es sich um den Vorsitz in einem Kaninchenzüchterverein handeln würde. Aber nicht, wenn dieser Typ zum Vorsitzenden einer angeblich „friedlichen“ Partei gewählt wird. Vielleicht ist die Piratenbasis dem Proletlook von Schlömer erlegen, der gerne die Proletenmütze trägt. Die Wahl eines Bundeswehroffiziers zum Vorsitzenden der Piratenpartei, (womöglich vom MAD als Maulwurf geschickt) zeigt doch, dass diese Partei und die Bundeswehr, als Unterdrückungsorgan nach innen und Kriegsmaschinerie nach außen, ziemlich beste Freunde sind.

Andere Politik im Internet

Die Piraten werden von den WählerInnen vielfach nicht über ihr Programm und ihre Ziele wahrgenommen, sondern über ihre Methode der Mitbestimmung. Eine andere Politik ist möglich! Deshalb machen sich die PIRATEN für einen neuen Politikstil stark. Dieser ist geprägt durch Teilhabe und Mitbestimmung, maximale Transparenz, Basisdemokratie, orientierte Suche nach funktionierenden Lösungen auch jenseits ideologisch vorgefasster Pfade.“ und weiter: „Ein Weg besteht darin, mehr direktdemokratische Einflussmöglichkeiten auf die Politik durch den Bürger zu schaffen.“ (Pressemappe, S. 8)

Basisdemokratie über Internet, warum eigentlich nicht? Unsere Position dazu ist: Im Sozialismus hätte jede/r Bürger einen Laptop und die Möglichkeit an Abstimmungen teilzunehmen. Für eine wirkliche Basisdemokratie für alle Menschen, müssten die Voraussetzungen geschaffen werden. Denn Politik und Abstimmungen brauchen Zeit, Diskussion und Information. Würde heute in der BRD, z.B. eine Abstimmung über den Umgang mit Flüchtlingen durchgeführt, würde die Mehrheit der Deutschen höchstwahrscheinlich für Abschiebung stimmen. Das ist Basisdemokratie im Kapitalismus! Durch rassistische und faschistische Propaganda werden die Menschen total beeinflusst und im Sinne der Bourgeoisie indoktriniert.

Ein anderes Problem der Basisdemokratie der Piraten ist, dass im Kapitalismus nicht alle Menschen einen Laptop und die nötige Zeit für Basisdemokratie haben. Die Werktätigen haben weder Zeit noch Diskussionsmöglichkeiten. Dafür Zeit und „Muße“ haben allerdings die Parlamentarier und die Berufspolitiker mit fetten Bezügen und Gehältern. Das ist auch bei den Piraten nicht anders. Ihre Berufspolitiker und Abgeordneten betreiben Politik, so wie alle anderen als Protest- bzw. Alternativorganisationen angetretenen Parteien, von den Werktätigen und ihren Problemen losgelöst. Erwerbslose und Hobbyhartzvierer unter den Piraten haben solange Zeit, solange die Arbeitsagentur ihnen nicht Ein-Euro-Jobs vermittelt und das Jobcenter den Geldhahn abdreht. Das ist ein Systemproblem und wird im Kapitalismus immer so funktionieren.

Zu Beginn waren die GRÜNEN alternativ, bis die Berufspolitiker und Abgeordneten im Parlamentarismus Karriere gemacht und Gefallen an den Privilegien gefunden haben. Von den Basisbewegungen (Anti­atom, Umwelt, Pazifismus) haben sie sich schon längst entfernt. Heute werden die GRÜNEN von diesen Bewegungen teils rausgeworfen. Trotzdem schaffen es die Grünen immer wieder, in Massenkämpfen mitzuschwimmen und sich die Stimmen vom Volk zu erschwindeln. Zum Beispiel beim Widerstand gegen Stuttgart 21. Das wird bei den Piraten genauso sein. Basisdemokratie funktioniert nicht im bürgerlichen Politbetrieb. Da geht es nur noch um Macht, Pfründe, Posten und Karriere.

Mit dem Politikstil der Piraten sollen Jugendliche angesprochen und auch herangezogen werden, die im Internet individualistisch rumhängen (können). Kollektives Bewusstsein ist nicht gefragt und wird auch gar nicht erst gefördert. Es geht eigentlich doch nur darum, hip und ein Nerd zu sein.

Karikatur von Demokratie –Liquid Feedback

Die Methode für die Umsetzung ihrer Ziele ist für die Piraten ein Softwaretool, genannt „Liquid Feedback“. Das ist ein Abstimmungstool, um Meinungsbilder einzuholen. Jeder und Jede kann da seine/ihre Meinung per Knopfdruck kundtun. Aber Liquid Feedback bringt nicht den Erfolg, den sich die Piraten erhofft hatten. Es wird bereits darüber diskutiert, das Tool abzuschaffen. Zunächst gab es technische Probleme. Nur jedes dritte Neumitglied bekam überhaupt einen Zugang zu dem Tool aufgrund von Problemen bei der Mitgliederverwaltung. Dann kam der Konflikt zwischen den beiden Piraten-Idealen Transparenz und Datenschutz auf. Muss ein Klarname angegeben werden oder darf jede/r unter frei wählbaren Nicknames (Spitzname) abstimmen? Können im Liquid Feedback überhaupt anonym Beschlüsse gefasst werden? 15

Die Ergebnisse der Abstimmung sind aber sowieso nicht bindend. Vielleicht erklärt das, warum viele, die Zugang haben, bei den Abstimmungen gar nicht mitmachen. Von den 30 000 Parteimitgliedern haben nur knapp 3 600 überhaupt einmal bei Liquid Feedback abgestimmt. Jedes Mitglied darf einen Antrag einbringen. Nur 650 haben das bislang getan, das sind 2,2%. Allerdings ist Liquid Feedback natürlich nur für die möglich, die über einen Computer verfügen und für die, die sich permanent in der virtuellen Welt herumtreiben. Für all diejenigen, die arbeiten müssen und keine Zeit haben, sämtliche Papiere und Twittermeldungen durchzulesen, und damit der Diskussion nicht folgen können, für die ist Liquid Feedback nicht gedacht. Die Piraten wollen den Menschen eigentlich nicht Transparenz und Basisdemokratie nahe bringen, sondern ein neues Softwaresystem!
Ziele und Programm…
[15]

Oberste Priorität hat für die Piraten die Wahrung der Privatsphäre, der Datenschutz, die „informelle Selbstbestimmung“ und die „Teilhabe am digitalen Leben“. Sie sind gegen Überwachung, Bewegungsprofilerstellung, staatliche Übergriffe, Rasterfahndungen, Vorratsdatenspeicherung und Lauschangriffe. [16] Transparenz des Staatswesens ist ein weiteres Ziel. Sie fordern dafür eine bessere Kontrolle von Amtsträgern: „Jeder Bürger soll das Recht haben, sich bei der Verwaltung über deren Tätigkeit informieren zu können“. Auch Open Access (Freier Zugang zu Ergebnissen von Forschung und Entwicklung, Zugang zu kostenlosen Informationen, Recht auf Privatkopien, keine Kriminalisierung von Tauschbörsennutzern, Freier Zugang zu Wissen für alle) wird als Grundforderung festgelegt. [17]

Von der Piratenpartei geht der „Charme der Unbekümmertheit“ aus. Dazu gehört auch das Eingeständnis, nicht zu allem und jedem eine Meinung haben zu müssen. Das brachte den Piraten Stimmen und Sympathie ein. Sie geben das offen zu, was andere bürgerliche Parteien schon immer in der Realität umsetzen, nämlich keine Ahnung von den wirklichen Problemen zu haben. In ihrem Wiki zur Bundestagswahl [18] sind daher ihre Positionen auch in alle Richtungen offen oder sie vertreten keine klaren Positionen, wie bei der Forderung nach Mindestlohn oder bei dem Problem der Leiharbeit. Das Wahlprogramm umfasst nur 5 Punkte:

1. Urheberrecht, 2. Freier Zugang zu öffentlichen Inhalten, 3.  Bedingungsloses Grundeinkommen und Mindestlohn, 4. Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV, 5. Begrenzung der Leiharbeit.

Ein Beispiel für ihre schwachen Positionen ist die Frage der Leiharbeit. Hier bleiben sie sogar noch weit hinter den Forderungen der DGB-Gewerkschaften zurück: „Wir werden dazu eine maximal erlaubte Überlassungsdauer von sechs Monaten für Leiharbeitnehmer festlegen. Die Piratenpartei wird das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) entsprechend anpassen.“ Die IG Metall z.B. drängt wenigstens auf gleiche Bezahlung von Leih- und Stammarbeitern – und sie will ein Veto-Recht der Betriebsräte gegen den Einsatz von Zeitarbeitern.

Zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) und zum Mindestlohn hat die Piratenpartei keine handfeste und ausgereifte Position. Sie stellt nur fest „Wir fordern deshalb einen Systemwechsel hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE).“ Allerdings hat sie noch nicht einmal einen Euro-Betrag festgelegt. Sie will eine Enquetekommission des Bundestages einsetzen, um verschiedene Modelle zu prüfen, und danach dazu eine Volksabstimmung durchführen. Das ist erst mal keine fortschrittliche Position. Ein BGE wird auch von Teilen der FDP gefordert oder von bürgerlichen Unternehmern, wie dem Chef des DM-Marktes, der damit den Binnenmarkt wieder ankurbeln will. Ein BGE, das unter 1 000€/netto liegt, ist nicht nur nicht fortschrittlich, sondern reaktionär. Auch beim Mindestlohn legt die Piratenpartei keine Zahlen vor. Soll der Mindestlohn bei mehr als 10€/netto Stundenlohn, also mehr als die Gewerkschaften oder die LINKE fordern, liegen oder plädieren sie für einen Mindestlohn unter 7€? Das lassen sie komplett offen. Sie beweisen damit nur, dass die tatsächlichen Interessen der Werktätigen nicht ihr Politikfeld sind. Denn zum Überleben ist die Höhe des Grundeinkommens nicht unwichtig, sondern eine elementare Lebensfrage für Millionen. [19]

 
Mal links, mal grün, mal liberal…

Die Piraten öffnen das bürgerliche Parteienspektrum ein wenig. Das findet die Bourgeoisie nicht einmal schlecht. Auch um die NichtwählerInnen wieder zu den Wahlen zu bewegen und damit die bürgerlichen Wahlen stärker zu legitimieren. Mit ihrem neuen Transparenzwind und ihrem (noch) Beharren auf Basisdemokratie und Mitbestimmung heben sie sich ein wenig von den anderen bürgerlichen Parteien ab. Auch beim Thema Migration und Integration: „Migration bereichert die Gesellschaften... Die Ausgrenzung von Arbeitsmigranten über Generationen hinweg ist menschenunwürdig... Europa braucht wirtschaftliche Migration, Zuflucht vor Verfolgung und Krieg...Gemeinsam gegen Rassismus“. [20] Die Piratenpartei hat Anträge mit folgenden Forderungen verfasst: Erleichterter Ehegattennachzug, großzügigereBleiberechtsregelung, sofortige Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge statt jahrelanger Arbeitsverbote, Abschaffung der Drittstaatenregelungen für Asylsuchende und Gleichstellung bei den Sozialleistungen. [21]

Allerdings: Auch wenn ihre Anträge zu Migration teilweise fortschrittlicher sind, als bei den anderen bürgerlichen Parteien, schlägt sich das nicht in ihrem Parteileben, der Mitgliedergewinnung und praktischen Politik nieder. Mit ihren sehr speziellen Zentralthemen Netzfreiheit, Hyperindividualismus und Transparenz/Demokratie per Internet, hat die Piratenpartei keine Anziehungskraft für MigrantInnen. Eine eigenständige Parteiarbeit für und mit MigrantInnen findet nicht statt.

Zum Thema Umwelt (Nachhaltigkeit, umweltschonende Energie-Infrastruktur mit einer transparenten dezentralisierten Erzeugerstruktur, Freie Fahrt, d.h. kostenlose Nutzung im öffentlichen Nahverkehr) vertreten sie zwar einige richtige Positionen. Sie verbleiben aber im GRÜNEN-Kapitalismus und heben sich nicht von diesen ab.

Die Piratenpartei fordert einige freiheitliche und demokratische Rechte ein, wie Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung und der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen. Aber auch hier sprengt sie in keinem Fall den vorgegebenen bürgerlichen Rahmen.

...und auch mal rechts und auch offen für faschistisches...

Die Piratenpartei ist eine bürgerliche Partei! In ihrem zusammen gewürfelten Programm bringt sie sich mal in die Nähe der LINKEN oder der FDP oder auch der GRÜNEN. Sie verbleibt aber im bürgerlichen Parlamentarismus. Sie ist bisher weder auf der Straße noch im Parlament durch eine kämpferische Politik aufgefallen. Schlimmer noch: Generell ist sich die Partei nicht einmal einig, wie man mit faschistischen Tendenzen in den eigenen Reihen umgehen soll. Das Mitglied der Piratenpartei, Bodo Thiesen verteidigte 2004 den Holocaust-Leugner Germar Rudolf und wies 2008 auf einer Mailingliste, Polen indirekt die Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu, „durch die Generalmobilmachung (Polens)… hatte Deutschland jede Legitimation Polen anzugreifen“. [22] Sein Ausschlussverfahren wurde aus formalen Gründen vom Bundesschiedsgericht der Piraten abgelehnt. 2009 gab der stellvertretende Bundesvorsitzende Popp der Jungen Freiheit ein Interview. Ein Kreisvorsitzender der Partei aus Baden-Württemberg twitterte „den Juden an sich unsympathisch“ zu finden. Ein Direktkandidat aus Niedersachsen wollte die Holocaust-Leugnung entkriminalisieren, andere hatten ihre frühere NPD-Mitgliedschaft verschwiegen.

Dazu kam der NSDAP-Vergleich vom ehemaligen parlamentarischen Geschäftsführer im Berliner Abgeordnetenhaus Martin Delius, im Spiegel Online Interview: „Der Aufstieg der Piratenpartei verläuft so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933...“. (22. April 2012) Am 20. April hatte der Berliner Landesverband zwar eine Erklärung abgegeben, in der es hieß: „Wir erkennen an, dass das Problem von Rassismus und Diskriminierung in der Gesellschaft und in der Piratenpartei existiert – von Einzelfällen zu sprechen, ist falsch.“ Ebenso stellte der Bundesparteitag der Piraten in Neumünster am 28. April 2012 fast einstimmig fest, dass jede Leugnung oder Relativierung des Holocaust unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit den Grundsätzen der Partei widerspricht. [23]

Aber das hebt nicht die Tatsache auf, dass es faschistische, geschichtsrevisionistische und rassistische Äußerungen von Piratenmitgliedern gibt. Diesen steht keine politisch antifaschistische Grundsatzposition der Gesamt-Piratenpartei gegenüber. Im Namen von Pluralismus, Individualismus und Meinungsfreiheit („auch wenn diese Meinung eklig ist“, Blogger der Piratenpartei) werden solche Positionen geduldet und keine organisatorischen Konsequenzen gezogen. Im Gegenteil. Auf dem Parteitag in Neumünster April 2012 wurde Julia Schramm, als eine von zwei Frauen, in den Piratenparteivorstand als Beisitzerin gewählt. Obwohl sie im Januar 2011 in einem Blog eine klare antisemitische Haltung äußerte: „Der Holocaust wird auch wirtschaftlich ausgeschlachtet, und Schuld gibt es nicht, in meinen Augen“.

Piraten-Bashing (Piraten-Jagen)

Die Reaktion der „Alt-“Parteien und der Medien auf das neue Phänomen „Piratenpartei“ ist armselig. Die anderen bürgerlichen Parteien (auch DIE LINKE) suchen weniger nach Gründen für den Wahlerfolg der Piratenpartei. Sie verurteilen die „Schmuddelkinder“, nicht weil einige aussehen wie Schmuddelkinder, sondern weil sie den GRÜNEN, der SPD und vor allem der LINKEN ihre WählerInnen abziehen. Daher zeigt sich die CDU beim regelrechten Piraten-Bashing (bashing ist das neue Wort für jemanden angreifen, oder auf ihm herumhacken) eher zurückhaltend.

Einstimmig werfen die Vertreter der etablierten Parteien den Piraten mangelnde Regierungsfähigkeit vor. „Nicht genug für Frauen zu tun“ und „Frauen kämen bei den Piraten kaum vor“, kritisiert ausgerechnet die SPD. Sie steht mit ihrem Alt-Herrenführungs-Partei-Trio wirklich nicht gerade für Frauenbefreiung. Auf den bereits genannten Vergleich von Delius: „Der Aufstieg der Piratenpartei verläuft so rasant wie der der NSDAP...“ war das Protestgeschrei bei den anderen Parteien groß. Aufgrund dessen trat Delius zurück. Als der grüne Außenminister Joschka Fischer im Jahr 1999 deutsche Tornado-Bomber mit dem Bezug auf Auschwitz in einen Angriffskrieg gegen Jugoslawien schickte, war das Geschrei nicht so groß.

Die LINKE in Schleswig-Holstein hielt die Gunst der Stunde für gekommen, sich als Protestpartei gegen die neue Protestpartei aufzuspielen. Sie zog mit einem Plakat in den Wahlkampf, auf dem neben der Flagge der Piratenpartei der Slogan zu lesen war: „Keine Stimme den Nazis. Egal unter welcher Flagge sie segeln!“ Diese Parole ist inhaltlich richtig, aber neben der Flagge der Piratenpartei ist sie fehl am Platz. Die Piratenpartei ist keine faschistische Partei. Sie ist offen für faschistische Positionen, genauso wie alle anderen bürgerlichen Parteien auch, wie die SPD mit Sarrazin, wie die CDU mit Hohmann, wie die FDP mit Möllemann und die CSU sowieso. DIE LINKE hat damit nur ihre Heuchelei und Machtversessenheit bewiesen. Ihr geht es darum, ihre Mitglieder zu halten und nicht an die Piraten zu verlieren. Denn sie leidet, dass sie kaum noch als Protestpartei wahrgenommen wird. Das ist aber ihrem eigenen Versagen und ihrer opportunistischen Politik, ihrer DDR-Verklärung und ihren unsäglichen Führungs-(Macht)debatten geschuldet.

Entern oder Kentern?

Es gibt keinen Grund die Piraten zu wählen, genauso wie es keinen Grund gibt, irgendeine andere bürgerliche Partei zu wählen.

Ein andere Welt ist möglich: JA! Aber dazu muss die klassenlose Gesellschaft als Ziel definiert werden. Erst im Sozialismus wird es eine richtige Demokratie geben, nämlich die der Mehrheit (der heute Unterdrückten) über die Minderheit (der heute Herrschenden). Und dann werden die technischen Errungenschaften auch dazu benutzt, um den Menschen die Arbeit zu vereinfachen. Auch das Internet mit seinen Möglichkeiten der schnellen Kommunikation im internationalen Maßstab kann ein Werkzeug dazu sein. Aber nur ein Werkzeug und kein Ziel!

Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten!

Die Piraten sollen genauso kentern, wie alle anderen bürgerlichen Parteien!

 

Juli 2012



[1]     Bis April 2012 Bundesvorsitzender der Piratenpartei und ehemaliges CDU-Mitglied.

 

[2]     http://www.piratenpartei.de/2012/06/11/piraten-keine-zensur-des-internets-auf-eu-ebene/

[3]     Pressemappe zum 2. Bundesparteitag 2011 der Piratenpartei Deutschland, Dezember 2011, S. 11 – Pressemappe

[4]     Die Piratenpartei hat bisher 9 Bundesparteitage abgehalten. Allerdings machen sie eine doppelte Zählung ihrer Parteitage. Einmal die Bundesparteitage insgesamt und einmal die pro Jahr. So kommt zu der etwas verwirrenden Darstellung, dass sie vom 2. Bundesparteitag 2011 sprechen. Diese Nummerierung bezieht sich auf das Kalenderjahr 2011 – also zweiter Parteitag in 2011 und nicht auf die fortlaufende Zählung aller Parteitage.

[5]     http://wiki.piratenpartei.de/Mitglieder#Grafiken_zu_Mitgliederzahlen

[6]     https://wiki.piratenpartei.de/Bundessatzung

[7]     Neues Szenewort für Empörungswelle.

[8]     http://de.wikipedia.org/wiki/Piratenpartei_Deutschland

[9]     Pressemitteilung: ÖkoLinX‐Antirassistische Liste im Römer ist wieder da, das Projekt Bunte Fraktion ist gescheitert, Frankfurt/Main, 6.9.2011

[10]    wiki.pp-international.net/Members_of_the_PPI, eingesehen 14.08.2012

 
[11]    http://www.bpb.de/politik/wahlen/wer-steht-zur-wahl/berlin-2011/45939/piraten

[12]    http://www.piratenpartei-koeln.de/politik/unser-selbstverstaendnis

[13]    Die Piratenpartei, Hrg. Friederike Schilbach, Bloomsbury Verlag, November 2011, S. 182

[14]    http://www.piratenpartei-koeln.de/politik/unser-selbstverstaendnis

[15]    http://wiki.piratenpartei.de/Liquid_Democracy

[16]    In diesem Punkt stellen sich die Piraten also gegen das Grundgesetz! Anfang 1998 wurde der §13 des GG um die Absätze 3-6 erweitert, die die Grundlage für den Großen Lauschangriff bieten

[17]    http://wiki.piratenpartei.de/Ziele

[18]    http://wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2013/Wahlprogramm

[19]    http://www.piratenpartei.de/politik/gesellschaftliche-teilhabe/arbeit-und-soziales/

[20]    http://www.piratenpartei.de/politik/gesellschaftliche-teilhabe/migration-und integration/#Migration_bereichert_die_Gesellschaft

[21]    wiki.piratenpartei.de/LSA:Landesverband/Organisation/Mitgliederversammlung/2012.1/Antragsfabrik/ Flüchtlinge_und_Migranten_innen_–_Asylpolitik

[22]    de.wikipedia.org/wiki/Causa_Bodo_thiesen

[23]    http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-04/piratenpartei-neumuenster-vorstand in: zeit.de vom 28. April 2012