Südafrikas Krieg gegen die Armen

ArbeiterInnen Südafrikas –Im Aufbruch!

Die Abschaffung des rassistischen Apartheidsystems durch den jahrzehntelangen Befreiungskampf der schwarzen Werktätigen gegen die weiße Herrschaft, brachte Südafrika demokratische Rechte. Das war ein historischer Schnitt. Die schwarze Bevölkerung wurde zu BürgerInnen in ihrem eigenen Land und hatte sich die Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben hart gegen ein brutales Rassistenregime erkämpft. 1994 fanden die ersten Wahlen unter Beteiligung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit statt. 85% der in Südafrika lebenden Menschen haben zum ersten Mal ihre Stimme abgegeben. Dabei gewann erwartungsgemäß der ANC (African National Congress) mit 62,6% der Stimmen.

Allerdings, die Apartheid wurde nur abgeschafft, und mehr nicht. Der Staats- und Wirtschaftsapparat des Apartheid-Regimes wurde nicht zerschlagen. Die ArbeiterInnen erhielten zwar das Recht, sich gewerkschaftlich zu betätigen, aber die wichtigsten Wirtschaftszweige und Konzerne, die Schalthebel der Macht blieben jedoch in den Händen der weißen Bourgeoisie. Seit die Apartheid, die Rassenunter­drückung abgeschafft wurde, kam die Klassenfrage auf die Tagesordnung.

Die schwarzen Werktätigen, die jubelten als die Apartheid fiel, sind zutiefst enttäuscht von den ANC-Regierungen. Die soziale Frage, die Eigentumsverhältnisse und die Verelendung der breiten werktätigen Massen, wurden nicht angepackt. Viel wurde versprochen und fast nichts umgesetzt! Die „umwälzende Agrarreform“ fand nicht statt. Seit 1994 wurden lediglich 6,8 Millionen Hektar Land an die schwarze Bevölkerung zurückgegeben. Das sind nur 27% des vom ANC vorgesehenen Plans. Über 80% des nutzbaren Bodens sind weiterhin in den Händen von weißen Großgrundbesitzern, die nicht einmal 9% der Gesamtbevölkerung ausmachen.

Ebenso wenig wurde und wird die Losung des ANC „bis 2014 wird kein Südafrikaner mehr in einer Elendshütte hausen“ verwirklicht werden.

Auch die Einkommen klaffen nach wie vor extrem weit auseinander. Weiße SüdafrikanerInnen verdienen durchschnittlich achtmal mehr als Schwarze. Schritt für Schritt entwickelte sich eine neue schwarze Bourgeoisie. Heute sitzen jede Menge korrupte Politiker und Bürokraten in der Einheitsregierung aus COSATU (Congress of South African Trade Unions), dem ANC und der revisionistischen Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP-South African Communist Party).

Südafrika Heute

Die tatsächliche Arbeitslosigkeit liegt bei rund 30-40%, von der die schwarze Bevölkerung besonders betroffen ist. Mehr als die Hälfte der 50 Millionen EinwohnerInnen leben unter der Armutsgrenze. Mehr als die Hälfte der 15- bis 24-jährigen sind ohne Job. (WOZ Nr. 40, 04.10.2012). Gleich nach Brasilien gehören die Einkommensunterschiede in Südafrika zu den höchsten der Welt.

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in bitterer Armut. [1] 2002 verfügen laut Statistik das reichste Fünftel der Haushalte über 65% des Gesamteinkommens aller Haushalte, 40% der Haushalte wenig mehr als 6% des gesamten Haushaltseinkommens und das ärmste Fünftel der Haushalte 1,6%. [2]

Das durchschnittliche Monatseinkommen eines Arbeiters in Südafrika lag im Jahr 2005/06 bei 1 515 Rand. Das durchschnittliche monatliche Einkommen eines schwarzen Arbeiters lag hingegen bei 775 Rand, also bei nur 51,15% des durchschnittlichen Einkommens. Weiße verdienten 504,68% mehr als der Durchschnitt. [3]

Das Land ist sehr reich an Bodenschätzen, Gold, Diamanten, Kohle, Platin, Chrom, Eisenerz und Palladium (ähnlich wie Platin). Südafrikas Platinvorkommen sind die größten der Welt. Seine Fördermengen machen mehr als 88% der Weltmarktproduktion aus. Platin wird vor allem in der Industrie zur Herstellung von Auto-Katalysatoren und Laborgeräten benötigt. Die ANC-Regierung hat die Minenindustrie als zentral für ihre neue Entwicklungsstrategie auf dem Weg zu einer Großmacht (sprich imperialistischen Macht) definiert. [4] Gleichzeitig tätigen südafrikanische Konzerne, unterstützt von der ANC Regierung enorme direkte Auslandsinvestitionen in afrikanischen Ländern. Lag der Anteil an Direktinvestitionen von Südafrika in andere afrikanische Länder 2005 nur bei 8% sind sie 2011 bereits auf 22% angestiegen.

Die Rohstofflieferungen gehen vor allem nach Europa und in die USA. 2013 wird Südafrika erstmals das Jahrestreffen der BRICS-Länder, Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika ausrichten.

Aufstand der Armen

Seit 2004 haben sich die Kämpfe für soziale Gerechtigkeit, gegen Preiserhöhungen, für Sicherheit am Arbeitsplatz, für Strom, für Wasser, für menschliche Lebensbedingungen, etc. auf der Strasse und in den Betrieben radikalisiert. Nach dem Regierungsantritt des ANC haben viele ArbeiterInnen und Werktätige darauf vertraut, dass sich – wenn auch nicht von heute auf morgen, aber nach und nach – die Verhältnisse bessern werden. Im Laufe der Jahre haben sie erlebt, dass sich zwar vieles für die neue schwarze Mittelschicht und Bourgeoisie, für die neuen Herrscher rasant zum positiven verändert hat, aber kaum bzw. fast gar nichts für sie selbst.

Heute richten sich die aufflammenden Klassenkämpfe gleichermaßen gegen die schwarze und weiße Bourgeoisie, als auch besonders heftig gegen die klassenversöhnlerischen Gewerkschaften. Laut South African Police Service gab es 2004/2005 622 gewaltsame Auseinandersetzungen. August 2011/2012 waren es bereits 1091. (Spiegel online, 22.08.2012)

Massaker beim Minenkampf

Zwischen 1984 und 2005 starben in Südafrika über 11 100 Minenarbeiter bei Unfällen aufgrund der schlechten Arbeitsschutzbedingungen. [5]

Am 20. Januar 2012 begannen etwa 150 ArbeiterInnen im Rustenburg-Bergwerk, in der Nähe von Johannesburg, dem wichtigsten Bergwerk von Impala Platinum (Implats) in ihrer Schicht mit einem Streik. Sie weigerten sich, die Minen zu verlassen und riefen zur Besetzung auf. Ihre Forderungen waren schlicht und einfach: die Auszahlungen der Überstunden. Die Besitzer Implats, der zweitgrößte Platinförderer der Welt mit Sitz in Südafrika, versuchten die Kumpel einzuschüchtern und erwirkten Gerichtsbeschlüsse, um die Arbeiter zum Aufgeben zu zwingen. Die Arbeiter ignorierten jedoch die Gerichtsbeschlüsse und führten die Besetzungen fort.

Im Februar 2012 kam es zu einem wochenlangen Streik bei Implats. Dabei sind zwei Bergarbeiter durch Gummigeschosse ermordet worden. Nachdem der Konzern während des Ausstands 17 200 Arbeiter gekündigt hatte, musste er 15 000 von ihnen wieder einstellen. Die Arbeiter hatten eine Lohnerhöhung von 4 000 auf 9 000 Rand (ca. 900 Euro) gefordert und erhielten im Ergebnis des Kampfes mehr als 8 000 Rand. Bevor der Streik von der NUM (National Union of Mineworkers/Nationale Union der Minenarbeiter) wieder in „legale“ Bahnen gelenkt wurde, war das ein wilder, eigenständiger Streik und wurde für „illegal“ erklärt.

Aber die Kumpel haben sich hier bereits in ihren Kämpfen gegen die Gewerkschaftsbürokraten erprobt und gelernt, sich nur auf sich selber zu verlassen. Der Implats-Konzern beschäftigt in Südafrika rund 50 000 Arbeiter.

Die Lonmin-Mine bei Marikana hat die weltweit größte Kapazität. Der Lonmin-Konzern ist drittgrößter Platinproduzent der Welt. Die in London ansässige Ge­­schäfts­führung des Eigentümers der Mine, bilanziert Gewinne von 1,9 Milliarden Dollar im Jahr 2011 und einen Anstieg um 25,7%, wovon der Großteil aus den Schächten von Marikana stammt. Nahezu ein Drittel der ArbeiterInnen bei Lonmin sind LeiharbeiterInnen.

Selbstständiger Streik

Ein Arbeiter von Marikana erhält lediglich 4 000 Rand (ca. 400 Euro) monatlich. Die Kumpel dieser reichen Platin-Mine leben in Slum-Siedlungen aus selbst errichteten Baracken, ohne Strom, ohne Straßen, ohne Sanitäranlagen und ohne jegliche Infrastruktur. Die Siedlungen sind illegal und ständig von Räumung bedroht. Am 10. August 2012 treten 3 000 Arbeiter der Marikana-Mine in einen Streik. Ihre Forderung: 300% Lohnerhöhung, auf einen Monatslohn von 12 500 Rand. Durch einen Gerichtsbeschluss vom 11. August wird der Streik für illegal erklärt. Daraufhin kommt es zu Auseinandersetzungen und 10 Menschen sterben (6 Kumpel, 2 Polizisten, 2 Security-Typen).

Zuerst taucht der Präsident der NUM, Senzeni Zokwana in einem gepanzerten Polizeitransporter auf und fordert die Kumpel auf, den Streik zu beenden. Anschließend erscheint der Präsident der AMCU (Association of Mineworkers and Construction Union), Joseph Mathunjwa und versucht zu beschwichtigen. Aber der Streik geht weiter! Dieser Streik wird von den Minenarbeitern selbst geführt. Sie treffen ihre Entscheidungen in ihren Versammlungen, aber ohne die Gewerkschaften. Und sie beschließen, dass sie keineswegs an die Arbeit gehen werden, bevor ihre Forderung nicht erfüllt wird.

Krieg gegen die Armen!

3 000 Polizisten kommen nach Marikana, darunter Aufstandsbekämpfungspolizei, Spezialeinheiten mit Hubschraubern, gepanzerten Fahrzeugen und Wasserwerfern. Sie riegeln den Hügel, auf dem die Kumpel sich versammeln mit NATO-Drahtverhauen ab und schießen in die Menge. 34 Arbeiter werden umgebracht, 78 verletzt und insgesamt 270 festgenommen. Die Polizei begründet das Massaker mit „reiner” Notwehr. Die Wahrheit sieht anders aus: Die Polizeikräfte eröffneten ohne Vorwarnung das Feuer auf die größtenteils unbewaffnete Menge. Seit dem Ende der Apartheid ist das der blutigste Streik. Später berichteten Augenzeugen, sie hätten gehört, das sei Rache für den Tod der zwei Polizisten in den vorangegangenen Auseinandersetzungen.

Kampf geht weiter..

Am nächsten Tag versammeln sich die Frauen der Bergarbeiter und demonstrieren gegen die Repression. Die streikenden Arbeiter fordern nun neben der Lohnerhöhung, die Freilassung der verhafteten Kollegen. 270 Kumpels wurde ein Verfahren angehängt, das sie beschuldigt, verantwortlich an dem Tod der von der Polizei ermordeten Kumpels zu sein. Die Justiz berief sich dabei auf ein Gesetz aus der Zeit der Apartheid. Aufgrund von Massenprotesten musste die Staatsanwaltschaft die meisten Arbeiter wieder freilassen. Nach über fünf Wochen Streik musste der Konzern einer Lohnerhöhung von 11% bis 22% einwilligen. (3 000 Schwerstarbeiter bekommen 22%), also 11 000 Rand (ca. 1 000 €). Das liegt zwar unter der Forderung von 12 500 Rand, ist aber dennoch ein immenser Erfolg.

Mitte September weitete sich der wilde Streik auf die Bergwerke von Anglo American Platinum, Impala Platinum und einer Mine von Gold Fields bei Johannesburg aus. In dieser Goldmine streikten alleine 15 000 Arbeiter. Beim weltgrößten Platinproduzenten, Anglo American Platinum erschien nur jeder fünfte Arbeiter zur Arbeit. Im Bergbausektor haben mehr als 80 000 Kumpels gestreikt. Das entspricht jedem sechsten Arbeiter dieses Sektors. Hinzu kam ein landesweiter Streik im Transportsektor und im öffentlichen Dienst. Bei Anglo American Platinum haben Anfang Oktober von 35 000 Arbeitern 28 000 gestreikt, d.h. 80% der Belegschaft. 12 000 Streikende wurden teilweise per sms und Email entlassen. Da sie gegen das Arbeitsrecht verstoßen hätten und nicht zu dem angesetzten Disziplinarverfahren erschienen seien.

Bis Ende Oktober befanden sich fast 100 000 ArbeiterInnen im Streik. Während dieser Kämpfe wurden bis zum 10. Oktober über 50 Arbeiter umgebracht. Mitte Oktober wurde ein selbständiger Streik von 600 Kumpels der Kloof-Goldmine, etwa 45 Kilometer westlich von Johannesburg, gewaltsam von der Polizei aufgelöst. Die Arbeiter kämpften für eine Lohnerhöhung sowie für die Freilassung von 13 Minenarbeitern, die am gleichen Tag verhaftet wurden.

Die Produktion im Werk Toyota South Africa Motors (TSAM) in Durban musste gestoppt werden. Begründet wurde der Produktionsstopp mit einem Streik bei dem Zulieferer Toyota Boshoku. Es war bereits der zweite Streik innerhalb eines Monats, der die Produktion lahm legte.

Aufstand gegen Gelbe Gewerkschaften

Es gelang der NUMSA (National Union of Metalworkers of South Afrika), Mitglied im Gewerkschaftsdachverband COSATU, den wilden Streik bei Toyota Boshoku in legale Bahnen zu lenken. Die Kampfbereitschaft hielt jedoch an. Die Streikenden forderten ebenfalls 22% Lohnerhöhung. Arbeitgeber, Regierung und NUM-Gewerkschaft haben unisono den Lonmin-Konzern für die Lohnerhöhung um 22% scharf angegangen. Dieser sei Schuld an der Ausweitung der Streiks und den maßlosen Forderungen aller Streikenden für „zu viel“ Lohn.

NUM

Die NUM wurde in den 1980er Jahren im Kampf gegen den Apartheidstaat gegründet. Sie ist eine der wichtigsten Gewerkschaften des Dachverbandes COSATU und hat 300 000 Mitglieder. Mit dem Ende des Apartheidregimes entwickelte sich die NUM zur sozialpartnerschaftlichen, auf Klassenzusammenarbeit ausgerichteten Gewerkschaft. Immer mehr ArbeiterInnen verlassen diese Gewerkschaft, deren Chef Frans Baleni heute mit 105 000 Rand (10 215 Euro!) monatlich nach Hause geht. Er hat sich gerade selbst eine 40%ige Gehaltserhöhung zugestanden. Parallel dazu beschuldigt er zynischerweise die Kumpels mit ihren „hohen Forderungen“ gefährden sie den Fortbestand der Bergbauindustrie in Südafrika.

Laut junge Welt verlor die NUM die Hälfte ihrer Mitglieder während und nach den Streiks. (Nr. 30/31, 10.2012, S. 15). Die NUM vertritt heute vor allem die Interessen besser gestellter Angestellter.

Ihr Recht auf Kollektivvertragsverhandlungen hat sie bei Lonmin bereits verloren. Denn Voraussetzung dafür ist die Organisierung von mindestens 50% der ArbeiterInnen. Dieses Abkommen wurde 2007 zwischen NUM und Implats geschlossen. Der Deal kam der NUM zugute, denn so konnten Minderheitsgewerkschaften keine Verträge schließen. Nun dreht sich der Spieß um: In einigen Minen hat NUM bereits so viele Mitglieder verloren, dass sie nun selber keine Kollektivvertragsverhandlungen mehr führen kann.

Als die Bergarbeiter in den Streik traten, hat die NUM alles versucht, um den von ihr unabhängigen Streik unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie hatte mit Lonmin ein zweijähriges Abkommen über jährliche Lohnerhöhungen von 8–10% geschlossen!

Es gibt zwei NUM Zweigstellen, eine bei Implats Nord und eine bei Implats Süd. Die Vorsitzenden der jeweiligen Zweigstellen erhalten 18% Bonuszahlungen. Cyril Ramaphosa, ehemaliger Gründungsgeneralsekretär der NUM 1982, ist heute Industrieller, mit einem weitverzweigten Firmenimperium und Aktionär von Lonmin. Er ist Mitglied des Nationalen Exekutivkomitees des ANC und wurde auf dem ANC-Kongress Dezember 2012 zum stellv. Vorsitzenden gewählt.

Die NUM ist die historische Keimzelle des 1980 gegründeten Gewerkschaftsdachverbandes COSATU und noch immer dessen stärkste Einzelgewerkschaft. In COSATU sind etwa 1,8 Millionen ArbeiterInnen organisiert. Heute sind die großen Mitgliedsgewerkschaften von COSATU folgende: Angestellte im öffentlichen. Dienst (SA), die Democratic Teachers‘ Union (SADTU, Lehrer), die National Education, Health and Allied Workers‘ Union (NEHAWU, Erziehungs- und Gesundheitssektor) und die Gewerkschaften der Angestellten in den halbstaatlichen Unternehmen – die Telkom and Communication Workers‘ Union (CWU), Transnet und SATAWU.

Der Anteil der prekär beschäftigten ArbeiterInnen unter den Mitgliedern sinkt permanent. Einer Befragung zufolge verfügen 92% aller Mitglieder in den COSATU-Gewerkschaften über einen unbefristeten Arbeitsvertrag. [6]

Der 11. Cosatu-Kongress im September verurteilte die wilden Streiks und stärkte der NUM den Rücken. All das zeigt, das sind gelbe Gewerkschaften und Bürokraten, die nicht nur ihre Mitglieder im Stich lassen, sondern auch noch aktiv gegen sie arbeiten. Frans Baleni, Chef der NUM, geht sogar so weit, die mordende Polizei zu verteidigen, „sie habe alles in ihrer Macht stehende getan“. (Klar, sie sind ja auch an der Regierung!)

AMCU

Wegen der sozialpartnerschaftlichen Politik der NUM hat sich 1998 die AMCU (Association of Mineworkers and Construction Union) gegründet.

AMCU hat etwa 50 000 Mitglieder und gewinnt weiter an Boden, da sie im Gegensatz zur NUM wichtige Interessen der Arbeiterklasse vertritt. Die AMCU bezeichnet sich als ‚antikommunistisch und regierungsunabhängig‘. Beides ist nachvollziehbar, bei einer Einheitsregierung von Gewerkschaftsbürokraten, neuer Bourgeoisie und KP, die die Kämpfe der ArbeiterInnen zusammenschießen lässt. Wenn unter Kommunismus die SACP, die Südafrikanische Kommunistische Partei verstanden wird, die die Verhaftung der AMCU-Führerlnnen gefordert hat, und gleichzeitig einige ihrer sogenannten Chefs das Massaker an den ArbeiterInnen verteidigen, ist das verständlich. Der Generalsekretär der SACP, Blade Nzimande, verleumdet die AMCU als Pseudogewerkschaft, die von dem weltgrößten Minenkonglomerat BHP Billington finanziert werde, um die Macht der NUM zu brechen. Die SACP ist nur ihrem Namen nach eine Kommunistische Partei. Sie hat schon lange keine Basis mehr, es geht ihr nur um Macht und Posten.

Präsident Jacob Zuma (ANC) und die Kabinettsmitglieder des African National Congress verdienen nicht weniger als 2 Millionen Rand im Jahr. Und an dieser Spitze grassiert die Korruption. Die PolitikerInnen sind Teil der Elite. Der ANC-Präsident hat sich vor kurzem auf seinem Anwesen eine Villa für etwa 200 Millionen Rand bauen lassen. Auf Kosten der Arbeiterklasse natürlich! Der ANC setzt die Interessen der Monopole durch. Innerhalb des ANC werden sich gnadenlose Machtkämpfe um die wichtigsten Posten geliefert. Beim ANC-Kongress im Dezember wurde Präsident Zuma wiedergewählt. Die SACP ist Zumas beste Unterstützungsorganisation. Die Regierung, die bei den Streiks nur Zuschauer war, machte den Lonmin Minenkonzern verantwortlich für die Eskalation von Gewalt bei den Streiks. Sie warf dem Konzern vor, die Lohnerhöhung sei zu hoch und schade der Wirtschaft Südafrikas. Bereits Mitte September erklärte Zuma, dass der südafrikanischen Wirtschaft durch die Streiks 548 Millionen US-Dollar Schaden zugefügt wurden. Nun wird die herrschende Klasse von Panik gepackt angesichts der offensiven Kämpfe der Arbeiterklasse. Vor allem fürchtet sie das Anwachsen der AMCU und deren Macht, die Produktion lahm zu legen. Die Hälfte der 1,2 Millionen ANC-Mitglieder gehören dem Gewerkschafts­dachverband COSATU an.

Verluste

Bereits nach sechs Tagen Streik bejammerte die Geschäftsführung von Lonmin einen Förderverlust von 15 000 Unzen Platin (17 Mio Euro). Amplats (Anglo American Platinum) betrauerte den Verlust von 67 000 Unzen in der Platinproduktion, was etwa 1,1 Milliarden Rand (60 Millionen Euro) entspricht. Der sechs-wöchige Streik in der Impala Platinum Mine im Januar dieses Jahres kostete Impala 225, 5 Mio Euro und verhinderte nahezu die Hälfte des nationalen Platinproduktions-Ausstoßes.

Die Produktion fiel so weit ab und die Verluste stiegen so massiv an, dass Lonmin handeln musste. Nur darum haben sie der Lohnerhöhung von bis zu 22% zugestimmt.

Deutschlands Regierung schweigt, wie schon beim Konflikt um die Westsahara: „Menschenrechte interessieren die deutsche Außenpolitik nur da, wo sie dem deutschen Kapital nutzen, also wenn diese funktionalisiert werden können, um ungeliebte Regime (notfalls auch) militärisch aus dem Weg zu räumen.“

Und was tun Deutschlands Gewerkschaften, wenn Klassenbrüder ermordet werden? Nichts! Ist ja auch klar, schließlich sind Berthold Huber, IG Metall Chef und Chef der neuen globalen Megagewerkschaft IndustriALL und Senzeni Sokwana, Vorsitzender der NUM und stellvertretender Vorsitzender von IndustriALL auch Klassenbrüder. Aber ihrer Klasse, der Klasse der Arbeiteraristokraten.

Schlimmer noch die revisionistische Deutsche Kommunistische Partei (DKP), Schwester der revisionistischen SACP in Südafrika. In ihrem Zentralorgan, der UZ (Unsere Zeit) wird Südafrikas Verteidigungsministerin Nosiviwe Mapisa-Nqakula zitiert: „Denn das (hier ist gemeint, dass Mitglieder der AMCU gegen die NUM aufgewiegelt werden, TA) geschah auch in Marikane und es geschah in der Bergwerkindustrie unter den Arbeitern. ... Das ist nicht hinnehmbar, es ist falsch, es ist unkorrekt und es wird niemals richtig sein. Meine Sicht ist, dass sie alle Verräter sind ... Dies sind alles Anzeichen dafür, dass es sich um eine Konterrevolution handelt, leider.“ 7

Und weiter stößt sie ins gleiche Horn, wie ihr Bruder von der SACP: „Der Generalsekretär der Südafrikanischen Kommunistischen Partei, Blade Nzimande, nutzte seine Grußansprache auf dem COSATU-Kongreß, um einige generelle Anmerkungen zur aktuellen Situation in Südafrika zu machen, die auch zu den Hintergründen des Marikana-Konflikts gehörten. Er hob hervor, dass die Arbeiterklasse und die Gewerkschaften im Zeichen der globalen Krise des Kapitalismus auch in Südafrika mit einer ‚antigewerkschaftlichen Offensive’ konfrontiert seien.[7] Dazu gehöre auch der ‚Flirt’ der bürgerlichen Oppositionsparteien wie der Demokratischen Allianz (DA) mit anarchistischen Elementen, die mit Hilfe der bürgerlichen Medien nicht nur die Gewerkschaften attackieren, sondern auch versuchten, die ANC-geführte Dreierallianz und die Regierung unter Zuma generell in Misskredit zu bringen und auseinander zu dividieren.“ [8]

Hier sieht man ganz klar, dass die DKP schon längst den Weg des Klassenkampfes verlassen hat.

Auf den Streik der Minenarbeiter folgte der Streik der FarmarbeiterInnen in der südafrikanischen Provinz Western Cape. Ein weißer Farmbesitzer stellte fassungslos fest: „Wir dachten, dass jetzt die Revolution beginnt, die wir eigentlich 20 Jahre vorher erwartet hatten. Nie hätte ich eine solche Zerstörungsorgie erwartet.“ Die LandarbeiterInnen schuften de fakto unter sklavenähnlichen Bedingungen. Doch der Streik konnte ausgeblutet werden. Den FarmarbeiterInnen fehlte schlicht das Brot um weiter zu streiken. Ihr Lohn wurde von knapp 70 Rand/Tag (etwa 6 Euro) auf 80 Rand erhöht, also auf etwa einen Euro mehr.

Auch beim weltgrößten Platinproduzenten Anglo American Platinum konnten die Streiks mit einer Einmalzahlung von etwa 400 Euro beendet werden.

Aber die Kämpfe sind nicht wirklich beendet. In der südafrikanischen ArbeiterInnenklasse brodelt es. Die ArbeiterInnen haben ihre eigene Kampfkraft gespürt. Und sie haben ihre Kämpfe selber organisiert und nicht den Gelben Gewerkschaften vertraut.

Unsere Solidarität gehört den Arbeiterinnen und Arbeitern weltweit und nicht den gelben Gewerkschaften!

Gegen die Politik der Klassenzusammenarbeit –

Für den Klassenkampf!

Hoch die Internationale Solidarität!

Dezember 2012

 

Leiharbeit – moderne Sklavenarbeit!

Die Zahl der beschäftigten LeiharbeiterInnen in Südafrika hat sich seit dem Ende der Apartheid auf knapp eine Million erhöht. Das entspricht 7,5% aller SüdafrikanerInnen, die Arbeit haben. Etwa 30% aller SüdafrikanerInnen sind prekär beschäftigt. Um die Kosten zu drücken und die Profite zu steigern, werden zunehmend ganze Bereiche ausgelagert und an Leiharbeitsfirmen vergeben. Feste Verträge werden in Zeitarbeitsverträge umgewandelt. Billige und gewerkschaftlich nicht organisierte ArbeiterInnen werden über Leiharbeitsagenturen rekrutiert. Lokalpolitiker des ANC verdienen über diese Leiharbeitsfirmen am Elend der ArbeiterInnen prächtig mit. (Christian Selz, Gewalt am Kap, junge Welt, 16.11.2012)

Die schwere Arbeit in den Minen wird nun überwiegend von Leiharbeitern erledigt.

Die Führung der COSATU sah sich zu einem landesweiten Aktionstag gegen Leiharbeit im März 2012 gezwungen. Sie will unabhängige Streiks und unkontrollierte Kämpfe verhindern und organisierte einen der größten Streiks seit dem Ende der Apartheid mit 200 000 ArbeiterInnen. COSATU fordert ein generelles Verbot von Leiharbeitsagenturen, wie in Namibia. Der ANC schlägt einen Kompromiss zur Leiharbeit vor: „Wir fordern, daß alle Unternehmen, die große Aufträge für Infrastrukturprojekte von der Regierung bekommen, keine Leiharbeitsagenturen benutzen dürfen und sich der Aus- und Weiterbildung von Arbeitern verpflichten müssen.“ (junge Welt, 07.06.2012, S. 7)

Von einem generellen Verbot, wie von COSATU gefordert, keine Rede. Der ANC will Leiharbeit auf 6 Monate zeitlich begrenzen. Zudem sollen Firmen mit weniger als 10 ArbeiterInnen und Firmen, die seit 2 Jahren bestehen und weniger als 50 ArbeiterInnen haben, von der Regelung ausgenommen werden. Das ist ein unheimlich fauler Kompromiss. COSATU wird mit seiner Forderung sowieso am Widerstand im ANC scheitern, wenn er so zahnlos agiert wie bisher. Wovon natürlich auszugehen ist, da er seine Pfründe gesichert hat und weiter sichern will.

Mit der geballten Macht der kämpferischen südafrikanischen ArbeiterInnenklasse könnte allerdings im Prinzip jede Forderung durchgesetzt werden!


[1]     www.kapstadt.de/suedafrika/gesellschaft/sozialstruktur-suedafrika/arm-und-reich/

[2]     Statistics South Africa 2002, Earning and Spending in South Africa, www.statssa.gov.za/.../publicationlist.asp

[3]     Urbanisierung und rapides urbanes Wachstum im Western Cape (Südafrika), 2010, S. 256.

[4]     http://www.socialistworker.co.uk/art.php?id=29386

[5]     http://www.num.org.za/News/A%20SILENT%20CRIME%20IN%20THE%20MINES%20BY%20FRANS%20BALENI.html

[6]     http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Standpunkte/Standpunkte_international/Standpunkte_int_09-2012.pdf

[7]     UZ, Erhebungen der Arbeiter Südafrikas und der ANC September 2012, http://www.kommunisten.de/index.php?option =com_content&view=article&id=3601:anc&catid=104:meinungen&Itemid=249

[8]     http://www.kommunisten.de/index.php?option=com_content&view=article&id=3619&Itemid=92