Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion
Vorbemerkung Wir führen seit längerer Zeit eine intensive Auseinandersetzung mit Bolşevik Partizan über die Ursachen der Restauration des Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern. Im Rahmen einer ersten intensiven Schulung haben wir gemeinsam den Abschnitt „Die sozialistische Produktionsweise“ des Lehrbuchs „Politische Ökonomie“ debattiert. Wir veröffentlichen hier die Ergebnisse. Ein/e GenossIn referierte anhand des jeweiligen Kapitels des Lehrbuches, die in den bisherigen Diskussionen in unseren Organisationen festgestellten Probleme, Kritiken und Fragestellungen. Zu diesen Vorträgen wurden weitergehende Fragen aufgeworfen und Diskussionsbeiträge gemacht.Im folgenden Text beziehen sich die Jahresangaben zu den unterschiedlichen Ausgaben des Lehrbuchs der Politischen Ökonomie auf das russische Original.
Was tun im Sozialismus? I. „Lehrbuch der Politischen
Ökonomie“ Methode der Untersuchung
Unser grundlegendes Hauptthema ist der Zusammenbruch in den
ehemals sozialistischen Ländern und die Kehrtwende, zurück in die
kapitalistischen Verhältnisse. In dieser Frage haben wir bisher eine ganz klare
Haltung. Dieser Prozess in den ehemals sozialistischen Ländern ist darin
begründet, dass die politische Herrschaft ihre Farbe verändert hat. Aus einer
kommunistischen politischen Herrschaft wurde eine revisionistische, d.h. eine
bürgerliche Herrschaft. Und das brachte mit sich, dass auch alle Erfolge des
Sozialismus in der Ökonomie, in der Politik, in der Kultur, ja in der ganzen
Gesellschaft nach und nach abgebaut wurden.
Diese Hauptthese ist die These der Marxisten-Leninisten in
der ganzen Welt gewesen. In dem ganzen Zeitabschnitt des Kampfes gegen den
modernen Revisionismus Chrustschowscher Prägung haben das die KP China, die Partei der Arbeit Albanien vertreten sowie
alle, die sich der neu entstehenden marxistisch-leninistische Bewegung
angeschlossen haben: Die politische Revision bringt auch die ökonomische
Revision mit sich. Diese Hauptthese ist unseres Erachtens nach wie vor richtig.
Das Problem ist allerdings, dass in der Beantwortung der Frage, wie es dazu
gekommen ist, ob es irgendwelche – auch ökonomische – Gründe dafür gegeben hat,
bisher keine ausreichenden Analysen gemacht wurden. Wie hat die Ökonomie
ausgesehen, bevor es dazu kam, dass die Revisionisten die Macht übernommen
haben? Diese Fragen sind zwar andiskutiert, aber nicht richtig, grundlegend und
tiefgehend untersucht und beantwortet worden.
Wir haben dann in unserer Arbeit gesagt, wir müssen diese
Fragen anpacken und haben diskutiert, wie gehen wir dabei vor? Wie fangen wir
damit an? Die Antwort darauf war im Prinzip ziemliche einfach und logisch. Wir
haben uns gefragt, gibt es irgendein Dokument, das die Kommunistische Partei,
die die Führung innehatte, über die Ökonomie des Sozialismus verfasst hat und
in dem die Leitlinien ihrer Politik in der Ökonomie begründet werden. Es gibt
dieses Dokument: „Das Lehrbuch der Politischen Ökonomie“.
Das Lehrbuch ist geschrieben worden auf der Grundlage einer
breit angelegten, öffentlichen Diskussion, die ziemlich lange angedauert hat.
Am Ende dieser Diskussion stand eine verbindliche, gemeinsam verfasste Version
der Theorie und Praxis des ökonomischen Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR.
Nicht nur in der UdSSR, sondern auch in den Volksdemokratischen Ländern
Osteuropas und in China.
Insofern ist dieses Dokument das Hauptdokument, auf
dessen Grundlage wir nachvollziehen können, wie die KPdSU die ökonomische
Theorie des Sozialismus entwickelt und sich vorgestellt hat. Und vor allen
Dingen wie diese in die Tat und die gesellschaftliche Praxis umgesetzt wurde.
Lehrbuch im Wandel der Politik
Die Geschichte der Herausgabe dieses Lehrbuches ist sehr
interessant für die Diskussion. Dieses Buch wurde zum ersten Mal 1954 in Moskau
veröffentlicht. Bereits nur ein (!) Jahr nach der Herausgabe der ersten Ausgabe
wurde 1955 eine zweite veränderte Ausgabe verfasst. Begründung im Vorwort vom
Dietz Verlag zur deutschen Ausgabe 1956 hierfür ist: „Wie schon das
Erscheinungsdatum vermuten lässt, entspricht diese Ausgabe dem Forschungs- und
Wissensstand, der in der marxistischen politischen Ökonomie vor dem XX. Parteitag der Sowjetunion erreicht war.“ (2. Ausgabe, S. V)
Wesentliche Veränderungen auf der Welt sollen vor sich
gegangen sein, die eine Erweiterung der Grundpositionen über den Aufbau
Sozialismus notwendig machten. Dann fand im April 1956 der 20. Parteitag der KPdSU statt. Auf diesem
Parteitag wird das Lehrbuch als eine tolle theoretische Arbeit „gewürdigt“: „Man
muß darauf hinweisen, wie beachtlich der Erfolg eines Kollektivs unserer
Wirtschaftswissenschaftler – die Herausgabe eines Lehrbuchs der politischen
Ökonomie und später auch der zweiten, ergänzten Ausgabe dieses Lehrbuches –
ist.“
Aber auch diese reiche heute nicht mehr aus und die Tür zur
weiteren Revision des Marxismus-Leninismus wird weit geöffnet. „Aber es wäre
falsch, zu verschweigen, dass die Abschnitte des Lehrbuchs über die
gegenwärtige Entwicklungsetappe des Kapitalismus, darunter die Frage des
Charakters und der Periodizität der zyklischen Krisen sowie die fragen der
politischen Ökonomie des Sozialismus eines weiteren gründlichen Studiums und
einer Überarbeitung bedürfen“. [1]
Wir wissen, welche zentrale Bedeutung der 20. Parteitag hat und was die Erkenntnisse des 20. Parteitags der KPdSU sind. Das ist politisch die
völlige Durchsetzung der revisionistischen Linie. Das sind die neuen
Erkenntnisse. Auf dieser Grundlage musste das Lehrbuch per Parteitagsbeschluss
um- bzw. neu geschrieben und aufgelegt werden. Die dritte Ausgabe erschien
1958/1959. Das reichte aber noch nicht aus. 1961, nach dem 22. Parteitag, wird eine vierte Ausgabe aufgelegt.
Wir können anhand der Vergleiche dieser verschiedenen
Ausgaben klar nachvollziehen, in welchen Punkten die Theorie der Ökonomie des
Sozialismus verändert und grundlegend revidiert wird.
Die Hauptrichtung hat ein klares Schema: die Eigentumsformen
werden beständig von höheren zu niedrigeren gesellschaftlichen Eigentumsformen
verändert und gehen auch in Richtung der Zulassung und Erweiterung des
Privateigentums an Produktionsmitteln. Das sind also die „Verbesserungen“,
„Erweiterungen“ der Theorie der Ökonomie des Sozialismus in diesen Ausgaben.
Entstehungsgeschichte:
Angefangen hat die Diskussion über die Notwendigkeit eines
Lehrbuches über die politische Ökonomie schon Ende der 1930er Jahre. Das sollte
praktisch „das Lehrbuch“ sein und alle bisherigen Bücher über die
politische Ökonomie ersetzen.
Zunächst aber wurde 1938 die „Geschichte der KPdSU (B) – Kurzer Lehrgang“ herausgegeben. Bis
dahin lagen viele unterschiedliche Bücher von verschiedenen Autoren mit teils
sich sehr widersprechenden Versionen zur Geschichte der KPdSU (B) vor. Um unter den breiten Massen der
Parteimitglieder und vor allem aber auch der unorganisierten ArbeiterInnen und
Bauern sowie für die internationale ArbeiterInnenbewegung die Geschichte der
Partei bekannt und populär zu machen, wurde dieses sozusagen „offizielle
Geschichtsbuch“ der Partei verfasst. Dieses Lehrbuch hatte die Partei umfassend
diskutiert und kollektiv verabschiedet.
Ähnlich verlief die Debatte über die Notwendigkeit eines Lehrbuchs
der politischen Ökonomie. Auch hier lagen sehr viele Bücher vor, aber fast
jedes vertrat eine andere Meinung und Sichtweise. Die Grundlagen des
Sozialismus und/oder Kommunismus wurden völlig unterschiedlich dargelegt. Die
LeserInnen wussten nicht, was ist jetzt sozialistisch, was ist jetzt
kommunistisch. N. Bucharin stellt in
seiner Schrift „Ökonomik der Transformationsperiode“, 1920, fest: das
und das ist sozialistisch, jenes kommunistisch. E. Preobrazenskij hingegen in seinem Werk „Die neue Ökonomik“,
1926, legte ganz anderes als sozialistisch oder kommunistisch fest. Das gleiche
gilt für L. Segals Buch „Lehrbuch
der Politischen Ökonomie“, 1934. Zudem lagen auch die Bücher etlicher
internationaler revolutionärer, marxistischer Autoren vor, wie von Rosa
Luxemburg oder von den linken Oppositionellen in Holland und Deutschland, aber
auch opportunistischer wie Kautsky, über die Ökonomie des Sozialismus.
Deshalb wurde beschlossen, eine Parteidiskussion zu
initiieren und eine offizielle Version der politischen Ökonomie des Sozialismus
herauszugeben.
Aber nicht nur des Sozialismus. Das Buch besteht aus drei
Abschnitten: „Die vorkapitalistische Produktionsweise“, „Die
kapitalistische Produktionsweise“ und „Die sozialistische
Produktionsweise“.
Die ersten beiden Abschnitte enthalten alle
ökonomischen Formationen der Geschichte bis zum Sozialismus. Der dritte
Abschnitt umfasst den Aufbau des Sozialismus, vor allem in der Sowjetunion. Da
sie auf dem Weg der Errichtung des Sozialismus am weitesten fortgeschritten
war. Allen ArbeiterInnen und Werktätigen auf der ganzen Welt, also in den
sozialistischen und volksdemokratischen, wie in den imperialistischen und
kolonialen/halbkolonialen Ländern sollte die Möglichkeit gegeben werden, aus
diesem Lehrbuch zu lernen, wie die Sowjets es geschafft haben. Das war der Sinn
der Herausgabe dieses Lehrbuches.
1938 startet die Diskussion und 1941 – also Mitten in der
Vorbereitung und im Krieg – gibt es die ersten Diskussionen zwischen
verschiedenen Parteiführern wie Stalin, Molotow, teilweise auch Kaganowitsch,
und sowjetischen Ökonomiegelehrten, sowie mit Mitgliedern der Akademie der
sowjetischen Wissenschaften, die sich mit der Ökonomie befassten. Im Februar
1950 erfolgt ein weiteres Gespräch von verschiedenen Ökonomen mit Stalin und es
schließen sich noch drei weitere an. (Siehe Anmerkung 1 zu Gesprächen)
Themen sind Konzeption des Lehrbuchs, die Probleme des
Aufbaus des Sozialismus, die Ökonomie usw.
Im November 1951 fasst das ZK der KPdSU einen Beschluss über
„die Parteidiskussion über die politische Ökonomie“. Zu der Zeit liegt
bereits ein erster Entwurf vor. Dieser ist uns nicht in deutscher Sprache
bekannt. Wir haben versucht diesen Entwurf aus Archiven in russisch zu finden,
sind damit aber noch nicht erfolgreich gewesen.
Dieser Entwurf wird in der Parteipresse veröffentlicht, ist
allen zugänglich und wird umfassend diskutiert.
Auch Stalin beteiligt sich an diesen Debatten. Er verfasst
einen Artikel mit dem Titel „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der
UdSSR“. In dieser Schrift unterstreicht er die zentrale Bedeutung des
Lehrbuches. In Punkt 9 „Über die
internationale Bedeutung eines marxistischen Lehrbuchs der Politischen
Ökonomie“ schreibt er: „Ich denke, daß die Genossen die ganze Bedeutung
eines marxistischen Lehrbuchs der politischen Ökonomie nicht erfassen. Das
Lehrbuch braucht nicht nur unsere Sowjetjugend. Besonders brauchen es die
Kommunisten aller Länder und die mit den Kommunisten sympathisierenden
Menschen. Unsere ausländischen Genossen wollen wissen, wie wir uns von der
kapitalistischen Knechtschaft befreit haben, wie wir die Ökonomie des Landes im
Geiste des Sozialismus umgestaltet haben, wie wir die Freundschaft mit der
Bauernschaft erlangt haben, wie wir es erreicht haben, dass sich unser unlängst
noch armes und schwaches Land in ein reiches mächtiges Land verwandelt hat, was
die Kollektivwirtschaften darstellen, warum wir trotz der Vergesellschaftung
der Produktionsmittel die Warenproduktion, das Geld, den Handel nicht
abschaffen. Sie wollen all dies und vieles andere nicht nur aus bloßer Neugier
wissen, sondern um bei uns zu lernen, um unsere Erfahrungen für ihr Land
auszunutzen.“ [2]
Die Fragen, die Stalin in seiner Schrift „Ökonomische
Probleme“ andiskutiert, wie zum Beispiel die Funktion des Geldes, der
Warenproduktion, etc. und finden sich teilweise in der Ausgabe von 1954
überhaupt nicht wieder.
Stalin wird als eine Koryphäe behandelt, der auch am Ende
des Lehrbuches hochgelobt wird. Auf einer wissenschaftliche Konferenz, Januar
1953, an der mehr als tausend sowjetische Wissenschaftler teilgenommen haben,
auf der insbesondere über die Beiträge von Stalin diskutiert wurde, wird immer
wieder betont, seine Beiträge seien der Gipfel der Wissenschaft. Etwas Besseres
habe es bisher nicht gegeben. Das sei praktisch der Genius Stalin. Er habe
jetzt endlich alle Probleme gelöst etc. Also eine unheimliche Lobhudelei. Aber,
und hier zeigt sich die Funktion dieser Lobhudelei, was da als „Geniestreich“
dargestellt wird, finden wir teilweise schon in dem Buch 1954, in der ersten
Fassung, nicht wieder. Das ist die Geschichte der Entstehung und schrittweisen
Revision des Lehrbuches.
In dem Lehrbuch sollen also die sowjetischen Erfahrungen
allen Interessierten vermittelt werden: So haben wir es gemacht und daraus
könnt ihr auch lernen. Insofern ist dieses Lehrbuch, wenn wir über die Ökonomie
des Sozialismus uns Wissen aneignen und debattieren wollen, ein
Grunddokument. Auf dessen Basis können wir verstehen, wie die
Kommunistische Partei der Sowjetunion sich den Sozialismus in der Ökonomie
vorgestellt und versucht hat zu verwirklichen. Wir können sowohl im Positiven
als auch im Negativen aus diesem Buch lernen.
Es gibt praktisch kein anderes Dokument in der
kommunistischen Bewegung in dem die Ökonomie des Sozialismus, in solch
umfassender Form darlegt und diskutiert wird.
Eines der für uns wichtigen Probleme ist, dass in dieser
Diskussion die anderen kommunistischen Parteien fast keine Rolle spielen.
Obwohl sie dieses Dokument in der Hand hatten, existieren soweit wir wissen,
keine Dokumente darüber, ob, und wenn ja, wie sie sich in diese Diskussion
eingeschaltet haben. An der 1958er Version – also bei der revisionistischen
Version des Lehrbuches – liegt eine Kritik vor, die Mao Zedong zugeschrieben
wird, „Das machen wir anders als Moskau, Kritik an der sowjetischen
Politökonomie“ [3] . Alle Zitate, auf
die sich Mao beruft in diesem Buch, sind Zitate aus der revisionistischen
Fassung und nicht aus der Version von 1954, die nachweislich anders ist als die
von 1958. [4]
Wenn wir dieses Lehrbuch kritisch analysieren, müssen wir
auch diese Beiträge von Stalin mit der ersten Ausgabe des Buches vergleichen
und die Frage stellen, wie weit wurde „dieser Geniestreich“ aufgenommen. Wir
lassen natürlich beiseite, ob es ein Geniestreich war oder nicht, das ist eine
andere Diskussion.
Über die Ökonomie des Sozialismus haben in den 1970er Jahren
in der westlichen marxistischen Bewegung eine Menge Leute, wie Charles
Bettelheim, „Die Klassenkämpfe in der UdSSR“, 1974, als auch die Trotzkisten
Einschätzungen verfasst. In Deutschland legte Willi Dickhut (Gründer der MLPD)
im Revolutionären Weg 1971/1972 die Einschätzung „Die Restauration des
Kapitalismus in der Sowjetunion“ vor. Unter dem gleichnamigen Titel
veröffentlicht in England William Bland (Gründer der Marxistisch-Leninistischen
Organisation Britannien, MLOB) 1984 seine Analyse. In der Türkei sind in 2011
zwei Bücher zu diesem Thema erschienen: Hasan Ozan, „Die Restauration des
Kapitalismus in der UdSSR – Die historischen Lehren der Fragen des Sozialismus“,
und İbrahim Okçuoğlu, „Der Sieg des Sozialismus in der UdSSR und die Fragen
der Wiedererrichtung des Kapitalismus“, beide im Akademie Verlag. Die
Analyse von Willi Dickhut bewegt sich im Rahmen der Kritik von Mao Zedong an
der Sowjetunion und schließt sich den Kritiken Mao Zedongs uneingeschränkt an.
Während Bland, Ozan und Okçuoğlu, etc. in dieser Frage auf der Linie der Partei
der Arbeit Albanien argumentieren.
Diesen Rahmen der Diskussion müssen wir heute 2014 sprengen. Die Partei der
Arbeit Albanien wie auch Mao Zedong und die KP China haben – trotz Ansätzen berechtigter Kritik an
Fehlern im Lehrbuch – auch vieles was richtig im Lehrbuch ist, als falsch
kritisiert. Also müssen wir unseren eigenen Kopf anstrengen und unsere eigene
Meinung dazu entwickeln.
Gleichzeitig ist es wichtig über die Fragen des Aufbaus des
Sozialismus eine internationale Debatte zu entfalten. Die Probleme sind
gigantisch, und nur zu lösen in der kollektiven Auseinandersetzung aller
Kommunistischen Kräfte.
Das Studium dieses Lehrbuches soll dazu dienen. Seine
Entstehungsgeschichte muss bei der Diskussion von vorne herein im Bewusstsein
sein, damit wir auch einordnen können, was 1954 in dem Lehrbuch ausgeführt
wird.
Bei jedem einzelnen Punkt in dem Lehrbuch müssen wir auch
nachhaken, wenn es, unserer Meinung nach, irgendwelche Fehler gibt. Wir müssen
kritisch prüfen, ob sich diese z.B. auch mit Stalins Meinung decken, bzw. in
seinen Positionen angelegt sind. Denn natürlich sind die Marxisten-Leninisten, auch
Stalin, die an dem Lehrbuch gearbeitet haben, nicht unfehlbar. Insbesondere
wenn wir heute sehen, wie sich bestimmte, damals nicht so gravierende Fehler,
die noch keine offene Revision waren, indem sie weiterentwickelt wurden, zum
Einfallstor des modernen Revisionismus wurden.
Alle Ausgaben des Lehrbuches zur politischen Ökonomie etc.
wurden in Deutsch von der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands)
übersetzt und herausgegeben. Sie hat dieses Buch als ihr eigenes Buch
angesehen, was ja auch so gewollt war.
Die Erstausgabe ist 1954 in Moskau erschienen, und wurde
1955 ins Deutsche übersetzt. Die erste Auflage in Deutsch ist von 1955. Als sie
veröffentlicht wurde, war bereits schon die zweite Version in Russisch
erschienen. [5]
Diese zweite Version hat in dem ersten Teil des
Lehrbuches nur einige Veränderungen. Das ökonomische Grundgesetz des
Feudalismus sowie des Kapitalismus wurden 1955 verändert und umgeschrieben. Das
müssen wir uns klar machen. Die Verfasser des Lehrbuches haben 1954 festgestellt,
das sind die ökonomischen Grundgesetze. Aber dann ergaben sich innerhalb eines
einzigen Jahres, angeblich solche zentralen Entwicklungen, dass eine neue
Ausgabe verfasst werden musste.
Der Dietz Verlag veröffentlichte nicht die komplette 2. Ausgabe, sondern nur ausgewählte Teile in Deutsch:
„Der vorliegende Band enthält die Kapitel ‚Die allgemeine Krise des
Kapitalismus’, und ‚Die Vertiefung der allgemeinen Krise des Kapitalismus nach
dem zweiten Weltkrieg’ sowie den gesamten dritten Abschnitt’ Die sozialistische
Produktionsweise’ aus der zweiten, ergänzten Ausgabe des Lehrbuches
‚Politische Ökonomie’, die im Jahre 1955 in Moskau erschienen ist.“ [6]
Der Verlag stellt eine 8-seitige Schrift voran, wo
wesentliche Veränderungen in dem nicht übersetzen russischen Teil knapp im
deutschen zusammengefasst werden. Diese betreffen interessanter Weise die
Produktionsweise der Urgemeinschaft, deren ökonomisches Grundgesetz und auch
die der Sklaverei. Sie werden neu formuliert.
Diskussion:
Frage: Zur ersten Ausgabe der Politischen Ökonomie. Ein
Grundprinzip des Marxismus-Leninismus ist die Kritik und Selbstkritik.
Ich habe in diesem Buch keine einzige Stelle gelesen, wo steht, das haben wir
falsch gemacht, daraus folgten diese und jene Fehler und das haben wir, oder sollten
wir verändern. Das ist eine merkwürdige Methode.
Denn vor allem in einem marxistischen Lehrbuch über einen so
entscheidenden geschichtlichen Abschnitt, das für die ArbeiterInnen, für die
die Schulen und Universitäten verfasst wird, ist das zentral wichtig, um
kritisches Denken anzustoßen. Neben den Erfolgen müssen zwingend auch die
Fehler, die Irrtümer und Mängel benannt und daraus Erfahrungen gezogen werden.
Und was zeigt uns diese Haltung?
Position: Dickhut diskutiert die Frage der
Restauration im Spannungsfeld: ist die Sowjetunion sozialimperialistisch
oder sozialistisch. In diesem Konzept geht es Dickhut vor allem darum zu
beweisen, das ist ein sozialimperialistisches Land.
Die Erstausgabe des Lehrbuches ist im Großen und Ganzen ein
marxistisch-leninistisches Werk, aber doch mit einigen, auch wichtigen
Fehlern darin. Wir müssen uns fragen, wann und wo war dann der Bruch, da wo wir
sagen müssen, das ist nicht mehr marxistisch-leninistisch. Es gibt Ansätze, die
richtig sind, es wurde in der Zeit Lenins und Stalins gegen Bürokratismus
gekämpft. Aber das war nicht ausreichend wie die Geschichte bewiesen hat. Die
zweite Ausgabe ist schon am Hinübergleiten in den Revisionismus. Die türkischen Bücher etc. haben sich nicht mit den
Ursachen beschäftigt, um einen prinzipiellen Ausgangspunkt in der Diskussion zu
schaffen. Die politische Ökonomie zum Sozialismus wurde bislang essentiell
nicht in der linken, revolutionären Bewegung in Nord/Kurdistan/Türkei
debattiert. Zum ersten Mal machen das die beiden Bücher. Aber sie befassen sich
vor allem mit der SU nach 1956 und nachdem Chrustschow an die Macht kam, diese
usurpierte und den Lauf der Geschichte umdrehte.
Frage: Wie können die ganze Partei und die gesamte
Bevölkerung diese grundlegenden Änderungen nicht gesehen haben?
Frage: Gab es keine Leute, die gesehen haben, dass das
Revisionismus ist?
Position: Einige GenossInnen zum Beispiel haben sich
schon selber gefragt, warum wird in dem Lehrbuch so auf kleinbürgerliches
Eigentum und Besitz abgehoben. Wir haben das Lehrbuch im Urlaub in
Venezuela 1994 gelesen. Da hat sich viel nicht mit meinem Bild und meinen
Vorstellungen vom Sozialismus gedeckt. Aber wir haben das nicht weiter
hinterfragt. Als wir dann aber gesehen haben, wie das von anderen benutzt
wurde, haben wir uns hinterfragt.
Position: Den Bürokratismus sollten wir später
diskutieren. Zentral ist das Lehrbuch, die Theorie als den zentralen
Ausgangspunkt zu verstehen und zu nehmen. Und hierbei Fehler, die in der
Theorie angelegt sind, kritisch zu werten. Der zweite Schritt ist die Anwendung
der Theorie in der Praxis zu überprüfen. Die konkreten gesellschaftlichen
Widersprüche und die vielfältige Praxis zu studieren, in der auch erkannt
wurde, vieles funktioniert nicht so, wie es geplant wurde. Dieser Prozess der
Erkenntnis ist fundamental: ausgehend von der Theorie, diese in der Praxis
anwendend, Erfahrungen machen und damit wieder die Theorie befruchten, und wenn
nötig eben auch verändern. Das ist marxistische Dialektik. Das müssen
KommunistInnen offen machen, nur so können wir aus eigenen Fehlern lernen.
Beispiel die Frauenfrage, die Ehescheidung etc. in der Sowjetunion. Da wurde
erstmal radikal mit dem bürgerlichen Sumpf gebrochen. Das war richtig so. Dann
verlief die Entwicklung allerdings in die genau gegenteilige Richtung. Anstatt,
dass die Frauen sich befreien konnten, nutzten in vielen Fragen die Männer die
errungene Freiheit für sich und verschafften sich neue Privilegien. Da musste
gegengesteuert werden, und da wurde teilweise dann wieder in andere Extreme
verfallen.
Antworten ReferentIn:
Zur Methode
Ein abschließendes Urteil sollten wir erst dann
vornehmen, wenn wir das ganze Buch durchdebattiert haben. An einigen, sehr
wenigen Stellen werden Mängel und Fehler angesprochen. Das werden wir anhand
der Diskussion klären. Fakt ist, was Stalin auch teilweise in den
Vorbereitungsdiskussionen – 1941 bis 1952 – gesagt hat: Das ist ein Lehrbuch
und kein Propagandamaterial. Mit dem Lehrbuch wollen die KommunistInnen allen
interessierten Menschen etwas vermitteln über die Gesetzmäßigkeiten,
Erfahrungen und Schwierigkeiten des Aufbaus des Sozialismus. Das ist also seine
Herangehensweise. Leider ist diese Methode in diesem Lehrbuch nicht umgesetzt
worden. Das werden wir in der Diskussion sehen.
Lobhudeleien und Kult um Stalin
Es gibt schon Positionen von Stalin selbst, dass dieser Kult
ihn stört, und die Menschen, die das übertreiben doppelzüngig sind und so. Das
hat aber nicht ausgereicht. Fakt ist, trotz dieser Haltung von Stalin, wurde
eine irre Lobhudelei weiterbetrieben, die er teilweise selbst ekelhaft fand.
Trotzdem gab es das. Das hat auch teilweise eine sehr negative Rolle gespielt
in der ganzen Geschichte des Prozesses der Restauration des Kapitalismus in der
Sowjetunion. Und interessant ist, dass diejenigen, die am meisten gelobhudelt
haben, diejenigen waren, die später gegen den sogenannten Personenkult in der
vordersten Reihe gekämpft haben.
Bis zu Stalins Tod, wurde er zu einem Halbgott stilisiert,
der alles richtig und perfekt gemacht hat. Nach seinem Tod, wurde er für alles
was negativ und falsch gelaufen ist, allein verantwortlich gemacht. Daraus
müssen wir auch lernen. Hundert Prozentig kann man
diese Überhöhungen und Übertreibungen nicht verhindern. Es wird immer
irgendwelche Lobhudeleien und Lobhudler geben. Die Frage ist, wie die
Kommunistische Partei dagegen ankämpft und die Volksmassen davon überzeugt,
dass sie die wahren Helden der Geschichte sind.
Interessant ist, dass alle diese vier Ausgaben des
Buches von der derselben Redaktion herausgegeben worden sind. Hauptredakteur
ist bei all diesen Ausgaben Ostrowitjanow. Das war der verantwortliche
Politökonom. Da stellt sich die Frage, was ist mit den anderen führenden
Ökonomen. Bis praktisch in die 1940er Jahre war Eugen Varga, ungarischer
Marxist, Chefökonom der Komintern. Er hat alle Entwicklungen der Ökonomie in
der Weltwirtschaft verfolgt und analysiert. Er war zentral verantwortlich in
dem Institut für Weltwirtschaft der Komintern und hat Viertel-Jahresberichte
über die aktuellen Wirtschaftsentwicklungen herausgegeben, die die Grundlage
der ganzen Ökonomie marxistisch ausgewertet haben. Varga ist nicht unter den
Herausgebern des Lehrbuches aufgeführt und spielt in der Diskussion keine
Rolle. Bis auf Schepilow [7] sind alle anderen
aufgeführten Wissenschaftler auch bei allen weiteren Ausgaben in der Redaktion.
Offenbar sind das „Wissenschaftler“, deren Wissenschaft
darin besteht, das was die politische herrschende Linie momentan vorgibt, in
Form der Wissenschaft wiederzugeben. Das sind Opportunisten, die mit der
Macht zusammengehen. Anders können wir uns das nicht erklären. Denn, wenn es
sich tatsächlich um die marxistische Wissenschaft handelt, dann kann sich diese
nicht von einem Jahr auf das andere – was z.B. die grundlegenden Gesetze der
Ökonomie betrifft – komplett ins Gegenteil verändern. Besonders, wenn es darum
geht z.B. die Ökonomie des Feudalismus einzuordnen.
Der Feudalismus war schon auf dem völlig absteigenden Ast.
Da wurden die Gesetze der Ökonomie des Feudalismus neu geschrieben. Was ist
denn das für eine Wissenschaft?! Und was sind das für Wissenschaftler?!
Man kann natürlich sagen, es gibt neue Erkenntnisse.
Zwischen 1954 und 1955 gab es aber keine neuen Erkenntnisse, die wir kennen,
die z.B. das bisherige Wissen über die Urgesellschaft irgendwie in Frage
gestellt haben.
In den Sozialwissenschaften gibt es keine Wissenschaft, die objektiv,
unabhängig von Klasseninteressen ist. Da ist es ganz einfach im Namen der
Wissenschaft die Klasseninteressen zu vertreten, die momentan herrschen. Die
sozusagen der Brötchengeber der Wissenschaftler sind.
Gab es Widerstand?
Es gab keinen Widerstand. Vor der Veröffentlichung des
Lehrbuches entbrannte eine sehr heftige Diskussion in der Frage, was ist die
Grundlage der sozialistischen Ökonomie. Konkret ging es darum: Ist die Vorrangigkeit
der Schwerindustrie in den Grundfesten der sozialistischen Ökonomie ein
zeitweiliges oder aber ein allgemeingültiges Gesetz. Wollen wir den Sozialismus
entwickeln, muss dann immer die Grundlage die Schwerindustrie sein. In dieser
kontroversen Diskussion vertreten Ostrowitjanow und Stalin die gleiche
Position.
Die Schwerindustrie ist keine vorübergehende Grundlage, sie
muss immer diese sein. Aus der ganz einfachen ökonomischen gesetzlichen
Tatsache: wollen wir die Ökonomie überhaupt entwickeln, müssen wir vor allem
die Grundlage dafür entwickeln. Die wichtigsten Investitionen müssen wir vor
allem in diese Sparte stecken. Da ist Ostrowitjanow mit ganzem Herzen dabei. In
der Lehrbuchversion von 1955 steht allerdings etwas ganz anderes, als
1954 – also kurz vor dem Tode Stalins – von Ostrowitjanow vertreten wurde. So
sieht es also mit einigen Sowjetwissenschaftlern damals aus.
Interessant ist also bei dieser 1 000-köpfigen Wissenschaftlertagung, dass es keine
Diskussionsveranstaltung ist, sondern eine „Applausveranstaltung“. 16 Vorträge wurden gehalten und abgeklatscht, fertig aus.
Das ist also die wissenschaftliche Tagung. Und das ist abschreckend, nicht
dialektisch und nicht materialistisch gewesen.
Hat niemand den Revisionismus gesehen?
Das werden wir auch im Laufe des Buches, jetzt beim Studium,
immer wieder nachfragen. Wichtig ist, Stalin hat in diese Diskussion direkt
eingegriffen mit der Schrift „Ökonomische Probleme des Sozialismus“.
Darin sieht man, dass er praktisch in manchen Fragen ganz klar die Entwicklung
hin zum Revisionismus sieht und benennt. Das Lehrbuch erscheint ein Jahr nach
seinem Tod und da ist im Prinzip alles schon gelaufen.
Es gab natürlich Marxisten-Leninisten, Stalin war nicht der
einzige in der KPdSU. Aber sie waren in der Minderheit. Das ist das was anhand
der Dokumente klar nachgewiesen werden kann. Und Stalin spielt eine sehr große
Rolle. Er ist quasi die Bremse vor der Entwicklung des offenen Revisionismus.
Sein Tod hinterließ eine große Lücke. Das ist Fakt. Ob das gut ist, wieso es
dazugekommen ist, ist die Frage, die wir beantworten müssen. Denn wenn ein
einzelner Mensch eine so große Rolle in der kommunistischen Partei spielt, ist
es ganz schlecht, birgt das in vielerlei Hinsicht eine riesige Gefahr in sich.
Mit diesen Fragen werden wir im Laufe des Studiums dieses Buches immer wieder
konfrontiert und wir müssen diese Fragen beantworten.
Unserer Meinung nach gibt es in diesem Buch schon Antworten
darauf oder wir können unsere Antworten daraus entwickeln. Natürlich reicht auf
keinen Fall aus, was in dem Lehrbuch steht. Wir müssen im nächsten Schritt das
Lehrbuch mit der realen gesellschaftlichen Entwicklung in Verbindung bringen.
Die gesellschaftliche Praxis, die soziale Wirklichkeit, die Klassenlage etc.
alles muss mit einbezogen werden.
Da ist natürlich auch eine konkrete Diskussion über die Verfassung
der UdSSR ein wichtiger Baustein: Was wurde warum und wie in dieser
Verfassung festgeschrieben.
Wenn wir die Diskussion um das Lehrbuch also hinter uns
haben und für uns Schlüsse ziehen, ist diese Frage also nicht vollständig
geklärt. Es ist nur ein Anfang, dessen müssen wir uns bewusst sein. Aber diesen
Anfang müssen wir machen.
Es ist nicht ausreichend, was bisher in dieser Frage
diskutiert worden ist. Wir müssen darüber hinausgehen. Aber auch das wird nur
ein Beginn sein und nicht mehr und nicht weniger.
Was hat sich konkret zwischen der 1954er und 1955er Ausgabe
des Lehrbuches verändert?
In der 1955er Ausgabe (deutsche Ausgabe 1956) wurde der
ganze zweite Hauptteil des Buches, „Dritter Abschnitt. Die sozialistische
Produktionsweise“, den wir heute studieren, neu verfasst. Da wir beide
Ausgaben vorliegen haben, können wir diese vergleichen.
Im Vorwort des Dietz Verlages zur zweiten Ausgabe heißt es: „Für
unsere Propagandisten, die Lehrer und Leiter der Zirkel, Seminare und
Arbeitsgemeinschaften über Probleme der politischen Ökonomie wird diese Ausgabe
ohne Zweifel eine Hilfe sein.“ (2. Ausgabe, S. V) In diesem Vorwort werden die, für den Dietz Verlag „wesentlichen
Veränderungen in dem nicht übersetzten Teil der zweiten Auflage des Lehrbuches“
(2. Ausgabe, S. V) aufgeführt. Interessant ist, welche angeblich
wesentlichen Veränderungen zwischen 1954 und 1955 das sind: – die Definition
der Produktionsverhältnisse; – das ökonomische Gesetz der Urgemeinschaft; – das
ökonomische Gesetz der auf Sklaverei beruhenden Produktionsweise; – das
ökonomische Grundgesetz des Feudalismus; – die Warenproduktion, Ware und Geld.
Hier wurden Umstellungen und Einfügungen vorgenommen, die die Darlegung
angeblich präzisieren, ergänzen und vervollständigen. Der Inflationsbegriff
wird verändert. Die Periodisierung des Kapitalismus wird dahingehend
abgewandelt, dass die Maschinenperiode des Kapitalismus weggelassen ist.
Das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus und die
Definition des Reallohns werden umformuliert. Zu der Frage Produktionskosten,
Profit und Profitrate werden ergänzende Erklärungen angefügt. Bei Leihkapital,
Zins, Geldzirkulation, werden über Zins- und Unternehmergewinne Ergänzungen
vorgenommen, etc.
Das heißt also, es sind wirklich wesentliche Veränderungen
zwischen 1954 und 1955 vorgenommen worden, die aber durch nichts, keinerlei
neue Fakten im Prinzip erklärt werden können.
Was hat sich zwischen 1954 und 1955 bitteschön ereignet, was
bewirkt, dass das ökonomische Grundgesetz der kommunalen Produktionsweise sich
verändert hat? Oder an der feudalen Produktionsweise oder der kapitalistischen
Produktionsweise? Nichts!
Es hat sich nur eines verändert und zwar in der politischen
Herrschaft in der Sowjetunion. Die Revisionisten haben sich mehr und mehr
ausgebreitet. Nicht mehr und nicht weniger.
Und interessant ist, diesen Veränderungen fällt zum Beispiel
der Parasitismus des Kapitalismus, das Parasitäre am Feudalismus, das
Parasitentum in allen Ausbeutungsgesellschaften einfach zum Opfer.
Gestrichen!
In der ersten Fassung 1954 heißt es: „Die Hauptzüge des
ökonomischen Grundgesetzes des Feudalismus bestehen etwa in folgendem: Aneignung
des Mehrprodukts durch die Feudalherren für ihre parasitäre Konsumtion
durch Ausbeutung der abhängigen Bauern auf der Grundlage des Eigentums des
Feudalherren an Grund und Boden und des beschränkten Eigentums des Feudalherrn
an den Produzenten, den Leibeignen.“ (1. Ausgabe, 1. Band, S. 76)
In der 2. korrigierten
Ausgabe wird neu formuliert: „Das ökonomische Grundgesetz des Feudalismus
lautet in neuer Formulierung: Schaffung eines Mehrprodukts zur Befriedigung
der Bedürfnisse der Feudalherren durch Ausbeutung der abhängigen Bauern auf
der Grundlage des Eigentums der Feudalherren an Grund und Boden und ihres
beschränkten Eigentums an den Produzenten, den Leibeigenen.“ (2. Ausgabe, S. VIII)
In der ersten Version wird gesagt im Feudalismus wird
produziert auch für den Luxus der Feudalherren. Das ist gestrichen worden.
In der 2. Ausgabe wird nur
von der Notwendigkeit der Befriedigung der Bedürfnisse der Feudalherren
geredet. Genauso ist es im Kapitalismus. Und warum? Weil die Revisionisten eine
andere Politik einschlagen wollen. Weil die Interessen bestimmter Schichten in
der Sowjetunion tatsächlich also diesen Parasitismus in der Produktion und
Konsumtion schon verdecken.
Fakt ist aber – das nennen sie auch „das Wesen betreffende
Veränderung“ zwischen 1954 und 1955 – diese Veränderung ist im Prinzip völlig
unmöglich. Fakt ist, dass die Revisionisten mit dieser Methode durchgekommen
sind in der Sowjetunion, in der DDR und in allen volksdemokratischen Ländern,
wo die kommunistischen Parteien mit an der Macht bzw. führend waren.
Die ganze kommunistische Bewegung hat diese politischen
Manöver mitgemacht.
Warum wurden die Probleme nicht gesehen?
Auch wir, sowohl BP als auch TA haben das Lehrbuch über
einen längeren Zeitraum sehr intensiv studiert und diskutiert. An etlichen
Punkten, wie Fragen der Vergesellschaftung der Hausarbeit und Kindererziehung,
wie sozialistischer Wettbewerb in der Arbeiterklasse, wie kollektive
Betriebsführung oder Einzelführung, wie nachlässiger Kampf gegen den Bürokratismus,
wie Kult um Personen, wurden ernsthafte und weit reichende Kritiken geäußert.
Aber es erfolgte lange Zeit keine umfassende, systematische Kritik. Da
haben wir uns auf den Weg gemacht und die Diskussionen vertieft und versucht
umfassend in einen Rahmen zu stellen.
Das ist auch gleichzeitig eine Frage der Selbstkritik, warum
haben wir das nicht gesehen und was sind die Ursachen. Aber manche
Widersprüche, falschen Einschätzungen erkannten wir nicht oder konnten wir
nicht erkennen, weil der Marxismus-Leninismus eine Wissenschaft ist, die wir
uns aneignen müssen. Und da ist es eine Frage, wieweit wir das geschafft haben.
Ja, wir haben dieses Lehrbuch so angenommen, das hat Stalin mitgeschrieben, das
ist sowieso marxistisch-leninistisch und ein Dokument der KPdSU unter der
Führung Stalins, darum haben wir es nicht genügend hinterfragt.
Das sind die Fragen und Aufgaben, die wir stellen und
beantworten müssen, wenn wir es besser machen wollen.
In der nächsten Ausgabe folgt der Abschnitt „Die Grundzüge der
„Die fünf Gespräche von Stalin mit Sowjetischen Ökonomen“
liegen leider nur in englischer und türkischer Sprache vor. (J. V. Stalin, „Five Conversations with Soviet
Economists1941-1952 “)
Das erste Gespräch „Über Fragen der Politischen
Ökonomie“ auf Tonträger aufgenommen, 29.01.1941.
Das zweite Gespräch wurde zusammengestellt aufgrund
der Notizen von verschiedenen Teilnehmern, 22.02.1950.
Drittes Gespräch: Notizen der Diskussion, 24.02.1950.
Viertes Gespräch: Notizen der Diskussion, 30.05.1950.
[1]
„Bericht
des ZKs der KPdSU an den XX. Parteitag, Referat von N.S. Chrustschow,“ Die
Presse der Sowjetunion, 1956, Nr. 21/22, S. 558, Herausg. Presseamt beim
Ministerium der Regierung der DDR.
[2]
Stalin,
„Ökonomische Probleme des Sozialismus“, 1952, Werke, Bd. 15, S. 336, –
„Ökonomische Probleme“.
[3]
Mao
Tse-tung, „Das machen wir anders als Moskau, Kritik an der sowjetischen
Politökonomie“, Herausgegeben von Helmut Martin, rororo, 1975, Titel der
Schrift Mao: „Notizen nach der Lektüre des Lehrbuchs ’Politische Ökonomie’.“
1960.
[4]
Die
GenossInnen von komak-ml haben dazu Schulungsnotizen verfasst.
[5]
1955 in
Moskau – immer ein Jahr später wurden die Übersetzungen veröffentlicht
[6]
Vorbemerkung
zu der zweiten deutschen Ausgabe 1956, S. V
[7]
D.T.
Schepilow wurde im Juli 1957 mit einem ZK Beschluss wegen „parteifeindlicher
Tätigkeit in der partefeindlichen Gruppe G.M. Malenkow, L.M . Kaganowitsch und
W.M. Molotow“ von seinen Aufgaben als Sekretär des ZK und ZK Mitglied
ausgeschlossen. „Die KP der SU in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Konferenzen
und Plenen des ZK, Bd. XIII, S. 32