Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion

Vorbemerkung Wir führen seit längerer Zeit eine intensive Auseinandersetzung mit Bolşevik Partizan über die Ursachen der Restauration des Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern. Im Rahmen einer ersten intensiven Schulung haben wir gemeinsam den Abschnitt „Die sozialistische Produktionsweise“ des Lehrbuchs „Politische Ökonomie“ debattiert. Wir veröffentlichen hier die Ergebnisse. Ein/e GenossIn referierte anhand des jeweiligen Kapitels des Lehrbuches, die in den bisherigen Diskussionen in unseren Organisationen festgestellten Probleme, Kritiken und Fragestellungen. Zu diesen Vorträgen wurden weitergehende Fragen aufgeworfen und Diskussionsbeiträge gemacht.Im folgenden Text beziehen sich die Jahresangaben zu den unterschiedlichen Ausgaben des Lehrbuchs der Politischen Ökonomie auf das russische Original.

Was tun im Sozialismus? I. „Lehrbuch der Politischen Ökonomie“ Methode der Untersuchung

Teil II Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion:

Lehrbuch: Dritter Abschnitt

Die sozialistische Produktionsweise

A.Die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus

Kapitel XXII Die Grundzüge der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus

Referat

Grundlegende Festlegungen über die Ökonomie und die Politik für die Übergangsgesellschaft vom Kapitalismus zum Sozialismus

Im Lehrbuch gibt es zur Frage des Übergangs folgendes grundlegendes Problem:

Unter dem Übergang verstehen Marx und Engels vor allem den Übergang vom Kapitalismus, praktisch die am höchsten entwickelte Form der Ausbeutergesellschaft, zum Kommunismus, einer Gesellschaft in der jede Form der Ausbeutung aufgehoben ist, in der jede/r nach seinen Fähigkeiten für die Gesellschaft arbeitet, obwohl es keinen Zwang gibt zu arbeiten, und jede/r von der Gesellschaft nach seinen/ihren Bedürfnissen nimmt.

Das ist also diese kommunistische Gesellschaft. Sie ist eine völlig andere Gesellschaft als alle bisherigen, und eine die wir uns auch nur sehr schwer vorstellen können. Sie setzt Menschen voraus, die wirklich nur darum arbeiten, weil Arbeit ihnen Spaß macht und sie sich darin für sich und für die Gesellschaft verwirklichen. Weil die Menschen dieser Gesellschaft jede Arbeit verrichten können und wollen. Die Möglichkeit der Erziehung/Ausbildung zu Berufen ist für jeden Menschen gegeben. Wenn du also eine Arbeit aussuchst, suchst du diese Arbeit aus, weil dir diese Arbeit Spaß macht. Und weil du der Meinung bist, diese Gesellschaft ist meine Gesellschaft und ich mache das Beste für diese Gesellschaft, weil es auch das Beste für mich ist.

Dann ist alles da im Überfluss und von dieser Gesellschaft nehmen die Menschen nur nach den Bedürfnissen, von denen sie selber sagen, das sind unsere Bedürfnisse. Es ist also mit den Menschen von heute fast unmöglich sich das auszudenken.

Zu einer solchen Gesellschaft zu kommen, dafür braucht es eine Übergangsgesellschaft. Und diese ist, wie Marx und Engels gesagt haben, der Sozialismus. Das ist eine Übergangsgesellschaft in der das Proletariat herrschen muss, damit die Menschheit zu der anderen Gesellschaft gelangen kann. Die Diktatur des Proletariats ist für die Übergangsgesellschaft zum Kommunismus die notwendige Form der politischen Herrschaft. Das ist die Theorie von Marx und Engels. Über den Kommunismus selbst haben sie nicht wirklich viel konkret ausgesagt. Darüber lässt sich konkret auch nicht viel darüber sagen, weil das erstmal eine Zielsetzung ist. Wie diese Gesellschaft genau aussehen wird etc. darüber zu spekulieren bringt nicht viel.

Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will – während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.

Marx/Engels, „Die deutsche Ideologie“, Werke, Bd. 3, S. 33


Um zu dieser Gesellschaft zu gelangen, müssen die Bedingungen geschaffen werden. Die Bedingungen, sind vor allem ökonomisch gesehen ein Überfluss an Produktions- und Konsumtionsmitteln. Die höchste entwickelte Form der Technik, die für die Interessen der gesamten Menschheit verwendet wird. Wo der Unterschied zwischen Kopf- und Handarbeit völlig aus der Welt geschaffen ist. Wo die Arbeit von einer Last zu einer Lust geworden ist etc.

Was wir einigermaßen konkreter diskutieren können ist also diese Übergangsgesellschaft zum Kommunismus. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass sie sich über eine sehr lange Periode erstrecken wird. Man kann nicht zu einer Gesellschaft, die kommunistisch ist, mit den Menschen kommen, die im Kapitalismus aufgewachsen sind und die praktisch die Ideologie und die Gedanken des Kapitalismus mit sich und in sich tragen. Die ökonomischen Grundlagen müssen geschaffen werden, wo diese neuen Menschen nach und nach sich entwickeln werden.

Was ist die Grundlage der Gesellschaft des neuen Menschen ökonomisch gesehen?

Ökonomisch gesehen ist die Grundlage praktisch: Ein Überfluss an Mitteln, die die Menschen für das Leben brauchen. Ein Reichtum aller Produkte.

Um das zu schaffen wiederum, muss das Privateigentum an Produktionsmitteln, dessen Grundlage das persönliche Eigentum der Besitzer der Produktionsmittel ist, einfach abgeschafft werden. Die Produk–tionsmittel müssen gemeinschaftliches Eigentum sein. Das ist die ökonomische Grundlage. Diese ökonomische Grundlage, das Gemeineigentum oder Allgemeineigentum an Produktionsmitteln ist sowohl die Grundlage dieser Übergangsgesellschaft, die man Sozialismus nennt, als auch die Grundlage der kommunistischen Gesellschaft.

Privateigentum und Kommunismus gehen absolut nicht zusammen. Privateigentum und Sozialismus gehen eine Zeit lang parallel nebeneinander. Also solange Privateigentum noch irgendwie zugelassen werden muss, damit überhaupt ein Reichtum an Produktionsmitteln geschaffen werden kann, und es zugelassen wird, weil die Produktion nicht vorankommt, solange wird das Privateigentum an Produktionsmitteln im Sozialismus eine Zeit lang zugelassen. Wenn von der Übergangszeit des Sozialismus zum Kommunismus übergegangen werden soll, muss die Entwicklung des Eigentums an Produktionsmitteln dahingehen, dass Gemeineigentum, Allgemeineigentum oder Volkseigentum in der höchsten Form die Zielsetzung ist und sich die ganze Eigentumsfrage dahin entwickelt.

Wenn die Eigentumsfrage sich anders entwickelt, ist das nicht ein Gang vom Sozialismus zum Kommunismus, sondern ein Rückgang vom Sozialismus zum Kapitalismus.

Das sind die Grundlagen bei der Diskussion zu dieser Übergangsgesellschaft.

Eine weitere Frage ist, ob zwischen der kommunistischen und der sozialistischen Gesellschaft ein qualitativer Unterschied besteht? Unserer Meinung nach unbedingt. Sozialismus und Kommunismus sind im Prinzip nicht ein und dasselbe. Es handelt sich nicht um einen geringen quantitativen Unterschied, nach dem Motto, irgendwann entwickelt sich die Gesellschaft automatisch vom Sozialismus zum Kommunismus. Natürlich, wenn der Sozialismus durch eine richtige Politik vorangetrieben wird, kann nach und nach zum Kommunismus übergegangen werden. Aber es ist tatsächlich ein qualitativer Unterschied.

Und diesen qualitativen Unterschied hat Marx in den „Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei“ (auch „Kritik des Gothaer Programms“ genannt) analysiert. Seine Schlussfolgerung ist, der Kommunismus ist eine grundlegend andere Gesellschaft, in der die Verteilung der Arbeit völlig anders funktioniert, in der die Verteilung der Güter ganz anders läuft etc. Im Sozialismus ist die Grundlage „Jede/r nach seinen/ihren Fähigkeiten, jede/r nach seiner/ihrer Leistung.“ Im Kommunismus: „Jede/r nach seinen/ihren Fähigkeiten, jede/r nach seiner/ihrer Bedürfnissen“.

Das sind qualitative Unterschiede. In dem Lehrbuch der Politischen Ökonomie wird dieser qualitative Unterschied nicht betont.

In einer Hinsicht müssen wir die Einheit zwischen dem Sozialismus und Kommunismus auch benennen, aber gleichzeitig dialektisch den qualitativen Unterschied herausstellen. Falsch ist es von der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus zu sprechen und damit den Kommunismus zu meinen. Sozialismus und Kommunismus sind nicht ein und dasselbe. Diesen qualitativen Unterschied im Lehrbuch nicht hervorzuheben, das ist theoretisch ein großer Mangel des Lehrbuches. Das hat den modernen Revisionisten der Kommunistische Partei der Sowjetunion KPdSU(B) sehr gut gepasst, weil sie 1961 verkündet haben: „Wir sind schon im Kommunismus.“ Allerdings haben die KPdSU und Stalin 1938 bereits die Entwicklung so eingeschätzt, dass vom

„Sozialismus allmählich zum Kommunismus“[1]

übergegangen wird. Das ist unserer Meinung nach völlig falsch gewesen.

Die theoretische Grundlage der Bewertung, Kommunismus und Sozialismus seien ein und dasselbe liegt darin, die Übergangsperiode zwischen Kapitalismus und Kommunismus, die Sozialismus genannt wird, mit dem Kommunismus gleichzusetzen. Dieser prinzipielle theoretische Fehler hat dann später zu schweren politischen Fehlern geführt. Das ist das Hauptproblem in diesem ganzen Kapitel.

In dem Kapitel sind noch wichtige Positionen vertreten, die sehr problematisch sind und zu denen wir nur kurz Stellung nehmen.

Unvermeidlichkeit der Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus?

Im Lehrbuch wird ausgeführt:

„Der gesamte Entwicklungsgang der kapitalistischen Produktionsweise und Klassenkampfes in der bürgerlichen Gesellschaft führt unvermeidlich zur revolutionären Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus.“ [2]

Wenn festgestellt wird, die objektiven Grundlagen sind vorhanden, um vom Kapitalismus zum Sozialismus überzugehen, dann ist das richtig. Denn was sind die Grundlagen? Die kapitalistische Ökonomie und ihre antagonistischen Widersprüche. Wenn das gesagt wird, dann ist das Hundertprozent richtig.

Wenn aber wie hier im Lehrbuch festgestellt wird, die gesamte gesellschaftliche Entwicklung führt unvermeidlich zum Sozialismus und damit ein Automatismus ins Spiel gebracht wird, dann ist das eine ganz falsche Herangehensweise. Damit entziehen sich die KommunistInnen der Verantwortung revolutionär arbeiten zu müssen, damit der Sozialismus etabliert wird. Denn nach dieser Vorstellung entsteht er nach einer Weile automatisch und ganz von selbst. Das ist unmarxistisch und nicht materialistisch, sondern idealistisch. Ohne die bewusste Aktion der Unterdrückten, der ausgebeuteten Klassen, wird kein Sozialismus erreicht.

Das zweite ist: Alles kann auch ganz anders kommen. Die kapitalistische Entwicklung könnte die ganze Welt ohne Sozialismus in den Untergang treiben. Diese theoretische Möglichkeit haben Marx und Engels – nicht im Hinblick auf den Kapitalismus, aber bei den vorhergehenden Gesellschaftsformen – ganz klar gesehen und gesagt:

„… kurz Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.“[3]

So ist es zum Beispiel bei dem „Barbaren“überfall auf das Römische Reich gewesen. Das Römische Reich ist mit den „Barbaren“ untergegangen.

Eine mechanische Zwangsläufigkeit zu konstruieren, dass das Proletariat und der Sozialismus im Klassenkampf auf jeden Fall siegen werden und dann alles ok ist, das wäre ganz fatal.

Denn die Option eines gemeinsamen Untergangs aller Klassen ist durchaus auch realistisch. Es kann dazu kommen. Bereits heute existiert die Möglichkeit, dass die Kapitalisten durch ihre Machenschaften die Welt wirklich unlebbar machen, bevor der Sieg des Sozialismus sich im Weltmaßstab durchsetzt. Das haben die deutschen KommunistInnen und vor allem Rosa Luxemburg mit der Losung „Sozialismus oder Untergang in der Barbarei“ im Hinblick auf den 1. Weltkrieg thematisiert. Sie wollten damit der ArbeiterInnenklasse ins Bewusstsein rufen: „Entweder siegen wir oder es folgt Barbarei.“ Und mit der Barbarei war die grausame Barbarei des Krieges gemeint.

Heutzutage ist diese Möglichkeit nicht nur in Form eines Krieges, sondern auch in Form der Umweltzerstörung und Vernichtung der Lebensgrundlagen der Menschen auf der Welt überhaupt durchaus gegeben. Der Untergang in der Barbarei ist eine Option.

Diese Möglichkeit wird theoretisch im Lehrbuch überhaupt nicht in Betracht gezogen. Manche würden jetzt vielleicht einwenden: „1955 war die Weltlage durch die Niederlage des Hitlerfaschismus und dem Sieg über ihn, das Ende des 2. Weltkriegs gekennzeichnet und ein Drittel der Welt war befreit. Weltweit waren die ArbeiterInnen und unterdrückten Völker enthusiastisch und im Aufbruch etc. In einer solchen Situation ist eine Einschätzung, die vom unvermeidlichen Sieg des Sozialismus ausging, doch verständlich.“ Klar, aber dieses Buch ist ein Lehrbuch und kein Propaganda- und Agitations-Material. Und in einem Lehrbuch hat solch eine Unvermeidlichkeitstheorie des Sozialismus nichts zu suchen.

 Friedliches Hineinwachsen in den Sozialismus möglich?

Sehr gut ist, dass in der ersten Ausgabe von 1954 noch ausdrücklich festgestellt wird:

„Angesichts des Gegensatzes, zwischen den Grundlagen der kapitalistischen und denen der sozialistischen Gesellschaft, des Antagonismus der Interessen von Arbeit und Kapital ist ein friedliches ‚Hineinwachsen’ des Kapitalismus in den Sozialismus, wie es die Opportunisten predigen, unmöglich. Der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus kann nur mittels der proletarischen Revolution und der Diktatur des Proletariats verwirklicht werden.“ [4]

Das ist 100 Prozent richtig. Ein Jahr später wird in der nächsten Ausgabe des Lehrbuches in diesem Satz nur ein scheinbar unwichtiger Begriff ausgetauscht:

 „… ist ein friedliches Hineinwachsen des Kapitalismus in den Sozialismus, wie es die Reformisten predigen unmöglich. …“. [5]

Der Begriff Opportunisten wird mit Reformisten ersetzt. Warum? Was steckt dahinter? Plötzlich wird 1955 so getan als sei es nicht mehr eine Strömung des Opportunismus innerhalb der marxistisch-leninistischen Bewegung, die die Position vertritt ein „friedliches Hineinwachsen in den Sozialismus“ sei möglich. Was den Tatsachen entsprechen würde, da der Revisionismus und Opportunismus innerhalb der marxistisch-leninistischen Bewegung solche Theorien vertreten hat. Nein, im Gegenteil, es wird suggeriert, diejenigen die diesen Weg verteidigen sind Reformisten, Sozialdemokraten und so weiter.

Es handele sich nicht um eine ideologische Gefahr innerhalb der marxistisch-leninistischen Bewegung. Die Opportunisten sind also ein Jahr später verschwunden. Es sind nur noch die Reformisten, die solche Ansichten vertreten.

Zwei Jahre später, 1958, ist in der nächsten Version der „Politischen Ökonomie“ diesmal ein friedlicher Übergang durchaus möglich. Es wird offen propagiert:

„Heute, da ein mächtiges sozialistisches Lager besteht, da sich die allgemeine Krise des Kapitalismus weiter verschärft und sich der Zerfall des Kolonialsystems beschleunigt, in einer Zeit, in der die Ideen des Sozialismus der Demokratie des Friedens größte Anziehungskraft auf die gesamte werktätige Menschheit ausüben, besteht in diesem oder jenen kapitalistischen Land oder ehemals kolonialen Ländern die reale Möglichkeit, dass die Arbeiterklasse auf friedlichem Wege durch das Parlament an die Macht gelangt.“ [6]

Sinngemäß wird weiter ausgeführt, unter diesen Bedingungen kann das Proletariat im Parlament eine sichere Mehrheit erlangen und es aus einem bürgerlichen Machtorgan in ein Organ der Volksmacht umwandeln, d.h. in ein Organ der Arbeitermacht, in ein Instrument der Demokratie für die Werktätigen. Dieser Absatz ist komplett ausgetauscht worden.

Das sind sozusagen die neuen Erkenntnisse aus der Zuspitzung der Widersprüche zwischen dem sozialistischen Lager, den Kämpfen der Arbeiterklasse und unterdrückten Völker und dem Imperialismus: Wir brauchen keine Revolutionen mehr, wir spazieren friedlich mit unserem Stimmzettel in den Sozialismus.

„Ein solches echtes Volksparlament, das sich auf die revolutionäre Bewegung des Proletariats der werktätigen Massen stützt vermag die grundlegenden Aufgaben der sozialistischen Revolution erfolgreich zu lösen darunter auch die Aufgabe, die wichtigsten Produktionsmittel in Volkseigentum überzuführen.“[7]

Die Unmöglichkeit des friedlichen Übergangs zum Sozialismus ist mit einem Handstreich abgeschafft worden. Der parlamentarische Weg zum Sozialismus wird zu einer strategischen Option. Das Manöver dazu ist einfach: Aus den Opportunisten werden beim ersten Schritt Reformisten, die den friedlichen Übergang verteidigen, dann wird diese Position übernommen, weil man zu dem Zeitpunkt so stark ist. So entsteht und entwickelt sich der Revisionismus.

 Diktatur des Proletariats = Volksdemokratie?

Die Theorie der Diktatur des Proletariats wird ‚phantasievoll’ bereichert, in dem sie auch in Form der Volksdemokratie angepriesen wird. Einerseits wird praktisch in diesem Kapitel 22 gefordert, wir brauchen die Diktatur des Proletariats um den Sozialismus zu verwirklichen.

„Der proletarische Staat kann verschiedene Formen haben. ‚Der Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus muss natürlich eine ungeheure Fülle und Mannigfaltigkeit der politischen Formen hervorbringen, aber das Wesentliche wird dabei unbedingt das eine sein: Die Diktatur des Proletariats‘.“ [8]

Das sagen Lenin, Marx und Engels. Im anschließenden Satz wird im Lehrbuch vertreten:

„Diese grundlegende These des Marxismus-Leninismus wurde vollauf bestätigt sowohl durch die historischen Erfahrungen durch die UdSSR, wo sich die von Lenin entdeckte Form der Diktatur des Proletariats – die Sowjetmacht – gefestigt hat, als auch späterhin durch die historischen Erfahrungen der Länder, in denen die Diktatur des Proletariats in Form der Volksdemokratie besteht.“[9]

So wird also mit Lenin, Marx und Engels umgegangen. Sie sagen ganz klar und eindeutig die Form ist gleichgültig, aber das Proletariat braucht auf jeden Fall die Diktatur.

Wenn die Klassiker über die Form der Diktatur des Proletariats debattieren, dann geht es nur darum, ob der Parlamentarismus oder aber die direkte Demokratie das bessere Instrument ist. Die Form kann sich also wandeln oder ganz unterschiedlich sein, der Inhalt muss aber die Diktatur des Proletariats sein.

Was wird stattdessen in dem Lehrbuch diskutiert? Die Diktatur der Volksdemokratie sei eine Form der Diktatur des Proletariats. Das ist vollständig falsch. Und das sagen aber nicht nur die Revisionisten, sondern das ist auch die marxistisch-leninistische Position von 1949 und in dem Lehrbuch 1954.

Dazu werden wir später noch konkreter kommen. Aber schon in der Darlegung der Grundzüge der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus wird diese Revision theoretisch vorgenommen.

Klassenkampf im Sozialismus – verschärft oder abgeschwächt?

In der ersten Ausgabe des Lehrbuchs wird prinzipiell festgestellt:

„Der Grundwiderspruch der Wirtschaft der Übergangsperiode ist der Widerspruch zwischen dem gerade entstandenen, jedoch in der ersten Zeit noch schwachen Sozialismus, dem die Zukunft gehört und dem gestürzten, doch zunächst noch starken Kapitalismus (…) Für die Übergangsperiode ist eine gesetzmäßige Erscheinung die Verschärfung des Klassenkampfes des Proletariats, der werktätigen Massen gegen die Bourgeoisie.“[10]

Je näher die Gesellschaft dem Sozialismus kommt, desto mehr verschärft sich der Klassenkampf. Das ist die richtige, marxistisch-leninistische Herangehensweise. Die Bourgeoisie wird nicht ihren Widerstand aufgeben, wenn sie als Klasse aus der Welt geschaffen sein wird. Im Gegenteil. Sie wird mit allen Mitteln kämpfen und versuchen sich wieder aufzurichten. Die Formen des Klassenkampfes können sich verändern, aber der Klassenkampf verschärft sich.

Wenn diese Tatsache außer Acht gelassen wird und nicht Richtschnur der kommunistischen Politik ist, kann sich die Bourgeoisie irgendwann wieder in ihre alten Machtpositionen hieven. Möglicherweise in einer neuen Form, aber sie wird kommen.

Diese Grunderkenntnis, die Verschärfung des Klassenkampfes wird in den Ausgaben des Lehrbuchs von 1955 und 1958 völlig aus der Welt geschaffen.

Im Weiteren werden die Wirtschaftsformen der Klassen in der Übergangsperiode dargelegt. Das ist auch eine sehr wichtige Einschätzung, die hier getroffen wird, weil sich klar zeigt, dass nach der Machtübernahme im Prinzip, neben dem sozialistischen Sektor, noch sehr viel vom Kapitalismus übrig geblieben ist.

Auch der sozialistische Sektor, das werden wir später sehen, trägt in sich noch gewisse kapitalistische Elemente.

Das heißt, wenn wir diesen Abschnitt richtig lesen, sehen wir, wie absolut falsch es ist, bereits vom Übergang zum Kommunismus etc. zu sprechen.

Und hier ist auch noch ein anderer Punkt wichtig für die politische Ökonomie des Sozialismus: Jedes Land, wo das Proletariat die Macht übernimmt, wird in der politischen Ökonomie den Kapitalismus eine Zeitlang zulassen müssen.

Zwar in unterschiedlichem Maße, aber es funktioniert natürlich nicht so, dass von einem Tag auf den anderen aller Besitz an Produktionsmitteln und an Grund und Boden auf einmal vergesellschaftet werden kann. Das geht nicht, weil das die Mehrheit der Bevölkerung auf keinen Fall dulden wird.

Allerdings ist es auch so, je mehr der Kapitalismus in einem Land entwickelt ist, desto mehr sind die Möglichkeiten der Vergesellschaftung der Produktionsmittel gegeben. Je unentwickelter, desto länger dauert dann diese Phase.

Das heißt die so genannte NÖP (Neue Ökonomische Politik), wie diese Phase in Russland genannt worden ist, ist ein Prinzip eines jeden sozialistischen Staates in der Ökonomie der Anfangsphase.

Gefahr der Restauration des Kapitalismus in einem sozialistischen Land

In diesem Kapitel wird auch diese Problematik angesprochen. Im Lehrbuch von 1954 wird als Ausgangspunkt genommen, der Sieg des Sozialismus in einem Lande ist möglich. Dann wird ausgeführt, selbst in einem Lande, wie Russland, das zwar ökonomisch nicht sehr entwickelt ist, aber ein Sechstel der Erde umfasst, ist es durchaus möglich den Sozialismus aufzubauen, aber die Gefahr der Restauration ist gegeben.

Wodurch? Dadurch, dass das Land von imperialistischen und kapitalistischen Staaten eingekreist ist. Die Imperialisten können das Land militärisch angreifen und die Imperialisten können sich auch mit der Bourgeoisie und den Konterrevolutionären, die noch da sind, verbünden und die Macht der Diktatur des Proletariats zerschlagen.

Diese Möglichkeit, die Zerschlagung der Diktatur des Proletariats durch bewaffnete Intervention und Aggression der Imperialisten wird gesehen. Aber das ist die einzige Möglichkeit, die im Lehrbuch aufgezeigt wird. Dass auch ohne militärische Aggression, durch die innere Entartung, eine Restauration des Kapitalismus möglich ist, wird nicht angeführt, nicht problematisiert und nicht diskutiert. Würden wir heute ein solches Lehrbuch verfassen, wäre es gerade diese Möglichkeit, die wir in den Vordergrund rücken. Aber natürlich auch deswegen, weil wir die Erfahrungen der Restauration in den ehemals sozialistischen Ländern (Sowjetunion, Albanien, China) erlebt haben. Denn nicht etwa durch die militärische Intervention der Imperialisten, sondern durch die bürgerlichen Kräfte, die sich im Inneren zu einer neuen kapitalistischen Klasse entwickelt haben, ist die Restauration gelungen.

Diese Gefahr wird aber in dem 1954er Lehrbuch, also in der 1. Ausgabe, die noch marxistisch-leninistisch ist, aber schwere Fehler enthält, nicht gesehen.

Kollektive oder individuelle Leitung der Produktion?

Ein weiteres diskussionswürdiges Problem sind die „Sozialistischen Prinzipien der Produktionsleitung“. Da wird gesagt:

„Allmählich entwickelten sich sozialistische Prinzipien der Produktionsleitung, die die Einzelleitung mit der schöpferischen Aktivität der Massen verbinden.“[11]

Das heißt also das sozialistische Prinzip der Produktionsleitung ist die Einzelleitung, die zwar die schöpferische Aktivität der Massen mit einbezieht und sich mit ihnen verbindet, aber es ist die Einzelleitung. Das ist unserer Meinung nach auch grundfalsch. Die Einzelleitung kann nie und nimmer als sozialistisches Prinzip der Produktionsleitung, in einer Gesellschaft, die zum Kommunismus übergeht etc. funktionieren. Das Problem ist, dazu werden wir später kommen, aufgrund verschiedener negativer Erfahrungen und eines objektiven massiven Druckes des Klassenfeindes im Inneren und im Äußeren waren die KPdSU gezwungen, dieses Prinzip anzuwenden. Also die Einzelleitung war die einzige Möglichkeit, damit sie die Produktion in Zeiten der Intervention und des Bürgerkriegs, sowie in der Aufbauphase aufrechterhalten und entwickeln konnten. Weil die Werktätigen eben Menschen waren, die im Kapitalismus sozialisiert wurden. Aber dann müsste die Kommunistische Partei diesen Umstand ins Bewusstsein rufen und sagen: Das ist kein sozialistisches Prinzip, sondern wir sind vorübergehend dazu gezwungen so zu handeln, aber unser Ziel ist die kollektive Leitung und wir werden dieses nicht aus den Augen verlieren.

Diskussionen + Fragen + Antworten

Frage:

Was ist gemeint mit „Überfluss an Produkten“?

Was heißt denn Überfluss an Produkten, wird da nicht einem grenzenlosen Wachstum, immer mehr produzieren, konsumieren und wegwerfen, das Wort geredet? Ist das nicht falsch, wenn mehr da ist als man braucht?

Diese Frage ist eng verbunden mit dem Bewusstseinsstand der Werktätigen, der Gesellschaft etc. In unseren Augen leben viele Menschen in der BRD im Überfluss. Aber was haben die Menschen in der SU gedacht, wenn wir genug zum Essen haben, leben wir schon im Überfluss?

Und wie sehen wir das heute mit unserem Bewusstsein gegenüber der Umwelt? Brauchen wir alles das, was produziert wird?

Antwort:

Wir müssen zunächst definieren, was Überfluss bedeutet. Das Verteilungsprinzip des Kommunismus lautet im Gegensatz zum Verteilungsprinzips des Sozialismus: „Jeder/m nach ihren/seinen Bedürfnissen.“

Wer bestimmt denn was die Bedürfnisse sind? Wenn also das Prinzip jede/r nach ihren/seinen Bedürfnissen ist, bestimmt jede/r einzelne, was sie/er von der Gesellschaft nimmt. Das ist Kommunismus.

Vielleicht stellen wir uns mal vor: In Berlin steht das KaDeWe, das Luxus Kaufhaus des Westens. Da gibt es alles. Würde man den Werktätigen heute sagen: Leute, ihr könnt nehmen was ihr wollt. Was passiert dann? Die Leute zertrampeln sich gegenseitig, um die fettesten Stücke zu ergattern. In einer Stunde ist alles weg.

Mit den Menschen von heute ist es nicht denkbar, dass jeder nur so viel nimmt wie sein Bedürfnis ist.

Beitrag:

Das sieht man auch gut, wenn man in einem sogenannten All-Inclusive-Hotel im Urlaub ist. Zuerst werden am Buffet die Teller mit Essen überhäuft. Und die Hälfte bleibt auf den Tellern liegen und wandert in den Müll. Warum ist das heute so? Warum ist der Mensch darauf gepolt zu Hamstern, Hamstern, Hamstern, Hamstern, selbst vieles was er überhaupt nicht benötigt. Weil er denkt, z.B. morgen gibt’s das nicht mehr? Oder, wenn ich das nicht nehme, nimmt es ein anderer? Oder warum soll ich an die anderen denken, machen sie doch auch nicht? Das ist der heutige Mensch.

Antwort:

So konditioniert die kapitalistische Gesellschaft die Menschen. Aber wenn der Mensch praktisch über mehrere Generationen hinweg in einer Gesellschaft lebt, wo sich das Problem: Was passiert morgen? Kann es sein, dass ich arbeitslos werde? Kann es sein, dass wenn ich krank werde, mir keine Versorgung zusteht? Kann es sein, dass ich nichts zu essen habe? Etc.

Wenn diese ganz banalen Fragen mit nein, nein, nein beantwortet werden können: Nein, ich kann nicht arbeitslos werde. Nein, ich werde übermorgen nicht ohne Essen sein;  und das über mehrere Generationen hinweg. Vielleicht 20 oder 30, wie viele wissen wir nicht.

Auf jeden Fall ist das die sozialistische Gesellschaft, die praktisch jedem seiner Mitglieder Arbeit, Gesundheitsversorgung, etc. garantieren kann. Die für jedes kranke und nicht arbeitsfähige Mitglied gleichberechtigte Lebensbedingungen schafft. Die allen Mitgliedern lebenswerte Wohnverhältnisse bietet und eine regenerierte Umwelt. Eine Gesellschaft in der Reichtum an Kultur, an Bildung etc. im Übermaß im Alltag für alle Werktätigen verankert wird. Menschen, die in solchen Gesellschaften leben, werden anders reagieren.

Dafür muss die Gesellschaft aber auch einen solchen Reichtum durch die Produktion schaffen, dass jeder Mensch nach seinen Bedürfnissen leben kann. Ist das machbar? Es ist machbar. Auch mit den heutigen technischen Möglichkeiten und Produktionskapazitäten ist ein solcher Reichtum zu schaffen.

Es ist machbar, dass jeder Mensch sich das nimmt, was er wirklich braucht. Beispielsweise hat in der kapitalistischen Gesellschaft ein einzelner Mensch, ein Bourgeois zum persönlichen Verbrauch 100 000 000 US- Dollar im Monat zur persönlichen Verfügung. Ein einzelner Mensch. Braucht der das? Könnte das sein Bedürfnis sein? Hier stellt sich die Frage, was ist das Bedürfnis eines einzelnen Menschen?

Das sind also Fragen, die einfach mit den heutigen Menschen sehr schwer zu diskutieren und zu lösen sind. Denn die bürgerliche Ideologie predigt jeden Tag, wir brauchen mehr, mehr und mehr ... und wir sollen so viele materielle Besitztümer anhäufen, wie nur möglich.

Aber wenn man vernünftig denkt, ist Kommunismus im Prinzip das einfachste was zu machen ist, wie Brecht sagt. Er ist machbar, aber nicht mit den heutigen Menschen. Zusätzlich müssen aber auch die Rahmenbedingungen vorher geändert werden. Es reicht nicht aus den Menschen zu ändern. Die Rahmenbedingungen müssen sich ändern. Und das ist der Sozialismus, was der Sozialismus schaffen kann und muss, wenn es richtig gemacht wird. Dann ist es auch kein Überfluss.

Dann wird tatsächlich, das produziert, was die Menschen wirklich zum menschlichen Leben brauchen. Jetzt nehmen wir die heutige Gesellschaft: Brauchen wir tausend verschiedene, ständige wechselnde Schuhe, Haarwaschmitteln, Autos, Klamotten, Möbel… Müssen wir alles beständig entsorgen und neu kaufen. Brauchen wir wertlose Lebensmittel, die krank machen, aber „angesagt“ sind … (Fastfood etc.) reichen nicht auch weniger, aber qualitätsvolle und nachhaltige Dinge. Denn alles andere ist nur völlig unnötige Verschwendung der Ressourcen.

 

Beitrag:

Das ist ja aber auch keine geschlossene Gesellschaft. Es gibt eine kapitalistische Gesellschaft um die sozialistischen Länder herum, und die Menschen im Sozialismus wollen doch besser leben als im Kapitalismus.

Antwort:

Das ist eine andere Debatte. Kommunismus ist in einem Land sowieso nicht machbar, in einer Umgebung in der der Imperialismus herrscht. Den Kommunismus können wir uns nur international denken. Sozialismus, Diktatur des Proletariats können die ArbeiterInnen auch in einem Lande aufbauen. Aber der Kommunismus ist eine Gesellschaft ohne Staat und ohne jeglichen Gewaltapparat. Schon daher ist der Kommunismus in einem Land unmöglich.

Wenn ein sozialistisches Land existiert, und es umringt ist von Feinden, die es vernichten wollen, dann muss der Staat aufrechterhalten bleiben; ja sogar teilweise verstärkt werden. Es muss eine Armee haben etc. das ist das Problem. Kommunismus ist nicht machbar in einem Staat.

Stalin diskutiert auch, können wir den Kommunismus in einem Staat aufbauen oder nicht. Diese Diskussion lief in der KPdSU(B) und in der sowjetischen Gesellschaft, aber auch in der Komintern. Die KPdSU(B) hat festgestellt, ja, auf der einen Seite gehen wir also zum Kommunismus über, aber andererseits müssen wir den Staat verstärken. Das ist ein grundlegender Widerspruch, weil Marx und Engels gesagt haben, der Staat stirbt ab. Und diese Position ist richtig. Wenn wir zum Kommunismus übergehen, dann muss der Staat langsam absterben und nicht verstärkt werden. Daraufhin antwortet Stalin „sehr dialektisch“: Na, ja Leute, damit wir ihn abschaffen, müssen wir ihn erstmal stärken, weil schon allein die Gefahr eines Angriffes durch den Imperialismus erfordert den Staat auszubauen.

Das sind Fragen, die von uns bisher nicht sehr tiefgehend diskutiert worden sind, aber das müssen wir jetzt machen.

Ein Überfluss an Produkten heißt, einen solchen Reichtum zu erreichen, wo die Gesellschaft jedem ihrer Mitglieder das Bedürfnis erfüllt, das es selbst bestimmt. Das ist ganz grob umschrieben die Antwort auf die Frage nach den Bedürfnissen. Heute zu diskutieren, wie das konkret aussehen wird ist reine Spekulation. Mehr können wir dazu nicht sagen.

Das Problem mit den Bedürfnissen ist komplex, schauen wir uns selbst in unseren Organisationen und Parteien an. Alleine da sehen wir, wie unterschiedlich wir sind. Aber im Verhältnis zu der Mehrheit der ArbeiterInnen, wenn sie nicht in Hartz 4 sind, leben wir sehr bescheiden. Die Mehrheit der ArbeiterInnen in den Metropolen lebt anders: Urlaub, Haus, bestimmter Luxus etc.

Die Bedürfnisse können nicht auf alle Menschen gleich übergestülpt werden. Wir müssen das für die jeweiligen Gesellschaften diskutieren.

Auch manche Schichten der Bourgeoisie haben die Einsicht, etwas muss geändert werden. Es gibt Kapitalisten, die setzen sich für die Umwelt ein. Aber dieser Kreislauf: Wir produzieren um zu konsumieren, um zu vernichten, der muss durchbrochen werden und da muss eine andere Wertigkeit der Bedürfnisse geschaffen werden. Und das ist die Schwierigkeit. Da muss ein Bewusstsein geschaffen werden.

In der Sowjetunion wurde immer schneller, immer mehr produziert, weil sie aus der Armut kamen und sie haben sich nicht gefragt „Wo sind die Grenzen von Besitz, Wachstum und Bedürfnissen?“.

 

Stalin: Übergang zum Kommunismus und Absterben des Staates

Oder auch: ‚Die Ausbeuterklassen sind bei uns bereits aufgehoben, der Sozialismus ist im wesentlichen errichtet, wir marschieren zum Kommunismus, die marxistische Lehre vom Staat aber besagt, dass es unter dem Kommunismus keinerlei Staat geben soll – warum tragen wir nicht zum Absterben unseres sozialistischen Staates bei, ist es nicht an der Zeit, den Staat in ein Museum für Altertümer abzuschieben?‘

Diese Fragen zeugen davon, dass die Fragesteller einzelne Sätze der Lehre von Marx und Engels vom Staat gewissenhaft auswendig gelernt haben. Sie zeugen aber auch davon, dass diese Genossen das Wesen dieser Lehre nicht begriffen haben, dass sie nicht darüber Bescheid wissen, unter welchen geschichtlichen Bedingungen die einzelnen Sätze dieser Lehre ausgearbeitet wurden und dass sie insbesondere die gegenwärtige internationale Situation nicht verstanden haben, dass sie die Tatsache, dass eine kapitalistische Umwelt besteht, und die sich daraus ergebenden Gefahren für das Land des Sozialismus übersehen haben. In diesen Fragen kommt nicht nur die Unterschätzung des Bestehens der kapitalistischen Umwelt zum Ausdruck. In ihnen offenbart sich ebenso wohl die Unterschätzung der Rolle und Bedeutung der bürgerlichen Staaten und ihrer Organe, die in unser Land Spione, Mörder und Schädlinge entsenden und nur auf den Moment lauern, um einen militärischen Überfall auf unser Land zu unternehmen; ebenso offenbart sich in ihnen die Unterschätzung der Rolle und Bedeutung unseres sozialistischen Staates und seiner Militär-, Straf- und Abwehrdienstorgane, die zum Schutze des Landes des Sozialismus gegen Überfälle von außen notwendig sind. Man muss feststellen, dass sich nicht nur die eben erwähnten Genossen diese Unterschätzung zuschulden kommen lassen.

...

Wie ihr seht, haben wir jetzt einen völlig neuen, sozialistischen Staat, wie ihn die Geschichte noch nicht gekannt hat, der sich in seiner Form und in seinen Funktionen vom so­zialistischen Staat der ersten Phase bedeutend unterscheidet.

Doch kann die Entwicklung dabei nicht stehen bleiben. Wir schreiten weiter, vorwärts, zum Kommunismus. Wird bei uns der Staat auch in der Periode des Kommunismus erhalten bleiben?

Ja, er wird erhalten bleiben, wenn die kapitalistische Umkreisung nicht beseitigt, wenn die Gefahr kriegerischer Überfälle von außen nicht überwunden wird; dabei ist es klar, dass sich die Formen unseres Staates neuerlich verändern werden, entsprechend den Veränderungen der inneren und äußeren Situation.

Nein, er wird nicht erhalten bleiben, sondern absterben, wenn die kapitalistische Umkreisung beseitigt, wenn sie durch eine sozialistische Umwelt abgelöst wird.

Stalin, „Rechenschaftsbericht an den XVIII. Parteitag,“ 1939, Werke Bd. 14, S. 222/229


Zur Frage der Neuen Ökonomischen Politik 

 

Beitrag:

Die NÖP ist in jedem Land das den Sozialismus aufbauen will, eine notwendig Phase. Das Proletariat kann nicht sofort alle enteignen. Wenn wir die Großbourgeoisie enteignen, heißt das doch noch nicht, dass wir auch gleich die Kleinbourgeoisie abschaffen?

Beitrag:

2002 wurde in der komak-ml der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus diskutiert, wie können wir das in Österreich konkret machen. Wir haben gesagt „Wir enteignen alle sofort“. Das stand in unseren Thesen. Wir haben deshalb auch Leute verloren und haben uns die Köpfe heiß diskutiert über diese Frage. Aber dann haben wir die Thesen verändert.

Beitrag:

Der Referent hat vertreten, dass eine neue ökonomische Politik, wo der Kapitalismus teilweise kontrolliert zugelassen wird, in jedem Land des Sozialismus umgesetzt wurde und werden muss. Muss das sein? Kann man in Deutschland nicht darauf verzichten? 

Antwort:

Deutschland ist eines der entwickeltesten imperialistischen Länder der Welt, neben USA, Japan, England etc. etc. Angenommen wir kommen morgen an die Macht und errichten die Diktatur des Proletariats. Was machen wir? Wir können folgendes machen, praktisch das Großkapital enteignen. Ein Teil des Kapitals ist sowieso in der Hand des Staates. Die wichtigsten Produktionsmittel sind von heute auf morgen zu vergesellschaften und in Staatseigentum zu verwandeln. Das ist machbar. Und das ist das Hauptproblem. Wenn wir das geschafft haben, haben wir im Prinzip die Kommandohöhen der ganzen Industrie, Wirtschaft etc. in der Hand.

Beitrag:

Was machen wir mit den Kleinhändler-Läden? Mit dem Friseur, dem Zeitungsgeschäft? Man kann sie nicht sofort enteignen. Früher oder später wird praktisch alles enteignet der Handel, die Produktion etc. Aber noch gibt es unheimlich viele Kleinhändler, viele Handwerker etc. Auf sie ist der Staat angewiesen, dass die Wirtschaft funktioniert. Das sind also Leute, die wir brauchen, um existieren zu können. Also, die kannst du nicht von heute auf morgen enteignen. Wenn wir das machen, dann sind wir wahrscheinlich übermorgen nicht mehr an der Macht. Wenn wir tatsächlich die Mehrheit der Bevölkerung als Grundlage unserer Macht haben wollen. Nehmen wir die ArbeiterInnen. Schauen wir uns ganz konkret die Schwierigkeiten an. Viele ArbeiterInnen sind Wohnungs- oder HausbesitzerInnen. Was machen wir mit ihrem Eigentum?

Beitrag:

Aber es heißt doch in dem Lehrbuch ausdrücklich, dass der Privatbesitz nicht angegriffen wird. Es geht nur um den Besitz an Produktionsmitteln. 

Antwort:

Genau, genau. Aber auch dieser Privatbesitz, Wohnungsbesitz ist zugleich Bodenbesitz. Es ist doch so, dass das Haus auf einem Boden steht. Boden ist eines der wichtigsten Produktionsmittel überhaupt. Ohne Boden kannst du gar nichts produzieren. Aber ein Teil der Menschheit sitzt auf diesem Boden. Ein anderer Teil hat keinen Boden. Was machen wir denn dann? Das heißt langfristig müssen wir auch den Bodenbesitz enteignen, wenn wir zum Kommunismus übergehen wollen. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Wenn du sagst ab morgen ist alles was Bodenbesitz ist – d.h. auch Wohnungs- / Hausbesitz – abgeschafft, diejenigen, die in der Wohnung wohnen bleiben darin wohnen, ohne Miete zu zahlen etc. Das ist alles jetzt vergesellschaftet. Wenn die ehemaligen Besitzer sterben, gehört das dann dem Staat. Wie viele werden das akzeptieren?

Beitrag:

Man kann das doch entschädigen. 

Antwort:

Was passiert mit der Entschädigung? Wir wollen nur die Schwierigkeiten aufzeigen. Es ist nicht so einfach, mit den Menschen, die Eigentum über alles schätzen – den heutigen Menschen also – den Sozialismus aufzubauen. Es ist nicht einfach. Deswegen müssen die KommunistInnen Schritt für Schritt vorgehen. Und bei jedem Schritt denken, kann ich diesen Schritt tun? Wenn ich diesen Schritt tue, habe ich dann noch die Mehrheit oder nicht? Und bei jedem Schritt musst du auch überlegen, ob du das schon Sozialismus nennen kannst.

Man kann natürlich bei jedem dieser Schritte sagen das ist Sozialismus. So wie es in dem Lehrbuch gemacht wird.

Oder du kannst sagen diese und jene Maßnahmen, Gesetze etc. die wir haben, sind leider noch nicht sozialistisch. Wir würden es gerne sozialistisch nennen, aber das ist es noch nicht. Und das ist das Hauptproblem bei dieser ganzen Debatte hier. Nicht das was sie gemacht haben ist falsch; anders hätten sie es gar nicht machen können.

Wir werden an jeder einzelnen Maßnahme, jedem Gesetz bzw. jeder Richtlinie in dem Lehrbuch das diskutieren. Ich bin sehr sicher, sie haben das meiste rausgeholt, was rauszuholen war. Sie haben aber zu allem gesagt das ist Sozialismus. Und das war falsch. Denn das ist noch nicht Sozialismus gewesen.

Privatbesitz ist nicht sozialistisch, egal ob unter der Diktatur des Proletariats oder unter der Diktatur der Bourgeoisie.

Privatbesitz ist Privatbesitz an Produktionsmitteln und das ist, auch wenn du an der Macht bist, ein Gift für den Sozialismus und den Kommunismus. Aber das wird es noch lange geben.

Die NÖP in dem Sinne, kapitalistische Elemente in der Wirtschaft noch zuzulassen, wird es heute in jedem Land geben, wenn das Proletariat an die Macht kommt. Anders kannst du nicht vorgehen. Also die Idee, alles sofort zu vergesellschaften, wenn wir an der Macht sind, hört sich gut an, ist aber nicht machbar. Oder wir ziehen es durch, dann sind wir aber am nächsten Tag weg vom Fenster.

Unterscheidung zwischen Sozialismus und Kommunismus

Beitrag:

In unserer Agitation und Propaganda stellen wir auch zu wenig den Unterschied zwischen Kommunismus und Sozialismus dar. Da machen wir Fehler und sind ungenau.  

Antwort:

Das stimmt so nicht. Unter unseren Flugblättern steht: Für den Kommunismus! Das ist eine langfristige Forderung, da wollen wir hin. Da schreiben wir ja auch nicht, „das machen wir übermorgen“. Sozialismus ist nicht das Ziel sondern der Weg. Wir wissen ja auch nicht wie lange die Periode des Sozialismus dauert. Das steht auch nirgends. Wir sagen für den Sozialismus / Kommunismus.

Wir machen immer den Unterschied zwischen der Diktatur des Proletariats und dem Kommunismus. Da machen wir keine Fehler. Aber die Details haben wir nicht ausgeführt.

Was sind die Voraussetzungen für den Kommunismus? Sind es die Aufhebung des Unterschieds zwischen Land und Stadt und zwischen Hand- und Kopfarbeit etc. Das sind die Voraussetzungen für eine höhere Stufe und diese Verdeutlichung haben wir nicht in aller Klarheit dargelegt.

Wir haben zwar nicht bewusst gemacht, wie wir das heute bewusst machen, und sagen Kommunismus ist qualitativ anders als Sozialismus. Das haben wir also nicht so ganz klar unterstrichen. Aber wir haben nicht den Kommunismus und Sozialismus in dem Sinne – wie es im Lehrbuch gemacht wird – durcheinander geworfen.

Die technische Basis des Sozialismus ist die fortgeschrittenste Technik. Wenn ein Land behauptet, es sei sozialistisch und in diesem Land herrscht nicht die fortschrittlichste Technik, dann funktioniert das nicht. Es geht nicht ohne diese Technik. Das sagt auch dieses Lehrbuch.

Aber in der Agitation und Propaganda ist das sehr in den Hintergrund gedrängt worden. Wir haben das auch gemacht. Wir haben behauptet, je rückständiger ein Land, desto besser für den Kommunismus und Sozialismus. Das nannten wir die Dialektik der Unterentwicklung. Das war aber einfach falsch.

Wir haben auch die Kritik, dass in dem Buch nichts über die Problematik der technischen Entwicklung im Sozialismus steht.

Die Bodenschätze werden knapp, und der sozialistische Staat wird von einem Tag auf den anderen nicht mehr die abhängigen Länder um ihrer Rohstoffe berauben. Wie können wir Rohstoffe anders nutzen und uns technisch entwickeln?

Zum Thema Übergang

Wir haben immer gedacht, alles geht in Richtung Aufbau: Eine neue Produktionsweise, die neue Volksbildung, gemeinschaftliche Einrichtungen, kollektives Arbeiten etc. Aber die Geschichte des 2. Weltkrieges zeigt, alles ist eine Frage des lang anhaltenden Klassenkampfes. Es ging auch ums bloße Überleben und sich zu behaupten und zu verteidigen.

An der Problematik dieser falschen Einschätzungen ist auch die Einschätzung Stalins Mitschuld, der feststellte:

„Wir schreiten jetzt weiter, vorwärts zum Kommunismus“. [12]

Die Unterschiede bei den Löhnen von den Arbeitern zu den Parteifunktionären, da hat sich schon gezeigt, dass sie einen falschen Weg gehen. Damit haben sie verhindert, dass es kollektiver hätte werden können.

Welche Rolle haben die ArbeiterInnen im revolutionären Aufbau gespielt?

Die Mehrheit der KPdSU(B)-Mitglieder waren ArbeiterInnen und teilweise auch ArbeiterInnen, die in die sozialistische Sowjetunion hineingeboren wurden. Arbeitersein allein reicht für den Sozialismus und Kommunismus nicht aus. Arbeitersein bedeutet nicht per se Kommunist und Sozialist zu sein. ArbeiterIn ist ArbeiterIn. Wenn du aber eine/n ArbeiterIn für den Kommunismus wirklich gewinnst, ist die objektive Möglichkeit, dass er/sie dabei bleibt, viel größer, als bei einem Kleinbürger oder Bourgeois.

Kommunismus ist was der Marxismus von ihm sagt, eine Wissenschaft. Diese muss man sich aneignen. Ohne dass du dir diese Wissenschaft aneignest, nicht in Worten, sondern theoretisch, ideologisch und praktisch, wirst du kein Kommunist sein. Sie wird ein Teil von dir. Das bist du.

Kommunismus ist eine Lebensweise. Das müssen wir verstehen. Natürlich ist es sehr wichtig, wie die klassenmäßige Zusammensetzung der Kommunistischen Partei ist, ob sie mehrheitlich aus Arbeitern, oder mehrheitlich aus Kleinbürgern oder Bauern besteht. Weil eine der grundlegenden marxistischen Prämissen ist: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Das ist die Grundlage von allem. Die Materie bestimmt. Das Sein bestimmt. Und das Sein der ArbeiterInnen ist dem Kommunismus objektiv sehr viel näher als das Sein eines Kleinbürgers. Insofern ist es sehr wichtig, dass die Mehrheit in der Kommunistischen Partei klassenmäßig ArbeiterInnen sind.

Aber Arbeiter sein heißt eben per se nicht automatisch kommunistisch. Chruschtschow war ein Vorzeige-Arbeiter, er kam aus der Arbeiterklasse. Er wuchs praktisch auch teilweise in die sozialistische Gesellschaft hinein. Aber er wurde der Chef des Revisionismus.

Die materiellen Bedingungen ändern ist einfacher als die Köpfe, aber ohne veränderte Köpfe ist kein Sozialismus möglich.

In der nächsten Ausgabe folgen die Abschnitte

„Die sozialistische Industrialisierung“, „Die Kollektivierung der Landwirtschaft“ und „Der Sieg des Sozialismus in der UdSSR.



[1]
          [1]       Lehrbuch, 1.Ausgabe, 1954, S.627

[2]
          [2]       Lehrbuch, 1.Ausgabe, 1954, S.363

[3]
          [3]       Marx/Engels, „Manifest der Kommunistischen Partei“, 1848, Werke4, S.462

[4]
          [4]       Lehrbuch, 1.Ausgabe, 1954, Hervorh. TA, S.363

[5]
          [5]       Lehrbuch, 2.Ausgabe. 1955, S.43, Hervorh. TA

[6]
          [6]       Lehrbuch, 3.Ausgabe, 1958, S.380, Hervorh. TA

[7]
          [7]       ebenda, S.380

[8]
          [8]       Lehrbuch, 1.Ausgabe, 1954, S.367, Zitat Lenin, „Staat und Revolution“, Bd.25, S.425)

[9]
          [9]       Lehrbuch, 1.Ausgabe, 1954, S.367

[10]
          [10]       ebenda, S. 374

[11]
          [11]       ebenda, S.371

[12]
          [12]       Stalin, „Rechenschaftsbericht an den XVIII. Parteitag,“ 1939, Werke Bd. 14, S.229