Ukraine: Imperialistische Rivalitäten und Krieg
Auch die Ereignisse in der Ukraine beweisen, dass die
aktuelle Weltlage durch außerordentliche Zuspitzungen der
innerimperialistischen Widersprüche geprägt ist. Die durch den Zusammenbruch
des Ostblocks geschwächte Großmacht Russland, hat sich erholt und kehrte
zu alter Macht und Größe zurück. Putin spielt wieder voll auf internationalem
Parkett mit. Russland will seinen Einflussbereich nicht nur verteidigen,
sondern am liebsten wieder erweitern. Offen propagiert Putin sein Ziel, die
Grenzen seines Herrschaftsbereiches zu erweitern.
Um die Hintergründe des ausgebrochenen Konfliktes und
Krieges zu verstehen, gehen wir kurz auf die frühere Situation in der Ukraine
ein.
Nach 1956 als die modernen Revisionisten die sozialistische
Macht in der Sowjetunion und den anderen Ostblockländern offen usurpierten,
errichteten sie nach innen in ihren Ländern sozialfaschistische
Herrschaftsstrukturen. Auch die Ukraine, eine Republik im Staatenverbund
der UdSSR, durchlief diesen Prozess. In den 1990er Jahren wurde von der
staatskapitalistischen Form des Kapitalismus zur offenen kapitalistischen, die
auch das Privateigentum an Produktionsmitteln legalisierte, übergegangen. Neue
Oligarchen entstanden. 1991 erklärte die Ukraine ihre staatliche
Unabhängigkeit. Die faschistischen Strukturen der Herrschaft existierten in
anderer Form weiter. Eine gewöhnliche bürgerliche Demokratie konnte durch die
Machtkämpfe der Oligarchen kaum entstehen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit
der Ukraine gegenüber Russland wurde nicht automatisch nach der
Unabhängigkeitserklärung abgeschafft.
Alle ukrainischen Präsidenten, auch die, die offen
„westlich“ orientiert waren, behielten die Beziehungen zu Russland bei und
entwickelten parallel welche mit den „westlichen“ Staaten. Bis heute steht
Russland in den bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen für die Ukraine an
erster Stelle. 2012 war Deutschland drittwichtigster Handelspartner der Ukraine,
nach Russland und China. Die EU als Block hat mit Russland fast gleichgezogen.
Während der Regierung Juschtschenko (2005-2010) war die EU vor Russland,
während der unter Janukowitsch (2010-2014) war wieder Russland auf Platz 1.
Ende 2012 hat sich die EU wieder vorgeschoben. Laut UN-Angaben wickelt die
Ukraine mit der EU und Russland 63% seiner Importe und 50% seine Exporte ab.
Von Protesten zum Krieg
Die Janukowitsch-Regierung erklärte überraschend am
21. November 2013, dass die Zeit für die Unterzeichnung der Assoziierungsabkommen
mit der EU nicht reif sei und setzte die Unterzeichnung aus. Das war der
Auslöser für die Massenproteste in Kiew auf dem Maidan. Viele
berechtigte Forderungen wurden laut: Gegen Korruption, Oligarchie und
faschistische Diktatur, für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Die
Bewegung war nicht nur pro-imperialistisch, westlich oder russisch, gesteuert.
Viele Menschen, die an den Demonstrationen teilnahmen, hatten die Hoffnung das
Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU würde mehr demokratische
Rechte, bessere Lebensbedingungen für sie bringen.
Als Janukowitsch am 28. und 29. November auf dem
Osteuropa-Gipfel in Vilnius den Vertrag nicht unterzeichnete, wandten sich die
Forderungen gegen ihn. Er sollte abdanken! Innerhalb kürzester Zeit enterten faschistische
Kräfte des „Rechten Sektor“ die Protestbewegung und dominierten sie. Die
politischen, antifaschistischen und sozialistischen Basisorganisationen,
die für demokratische Rechte kämpften, wurden gewaltsam zurückgedrängt.
Die westlichen imperialistischen Mächte, vor allem
auch Deutschland, haben über ihre Zöglinge, wie die Klitschko-Truppe, den
Aufruhr gegen Janukowitsch geschürt. Eine vollständig einseitige, verlogene
westliche Medienberichterstattung lief auf Hochtouren, wie immer, gepaart mit
einer anti-russischen und anti-kommunistischen Hetze.
Russland nutzte seinerseits seine Wirtschaftsmacht um auf die
Ukraine Druck auszuüben, und wollte um jeden Preis die Unterzeichnung des
Assoziierungsabkommens verhindern. Janukowitsch schlug ein Kreditangebot des
IWF, das mit strengen Auflagen verbunden war, aus und unterzeichnete mit
Russland am 17. Dezember 2013 einen Kreditvertrag über 15 Mrd.
US-Dollar zu günstigeren Bedingungen, inklusive einen Rabatt von ca. 33% pro
Tausend Kubikmeter Gas. Nun tauchten plötzlich ununterbrochen EU-Vertreter,
Außenminister, vor allem Steinmeier und Vertreter der USA auf dem „Maidan“ auf.
Arm in Arm mit allen Oppositionellen, unter anderem auch den offen
faschistischen Kräften wie Svoboda. Alles wurde als diplomatische Bemühung um
die „Lösung“ des Konfliktes verkauft!
Ergebnis der Verhandlungen war ein am 21. Februar
zwischen Janukowitsch und der Opposition (drei Parteien: Timoschenko,
Klitschko, Tyagnibok – faschistische Svoboda) ein Abkommen zustande.
Aber welche Überraschung einen Tag später! Ohne Rücktritt
war Janukowitsch verschwunden! Mit einem Beschluss im Parlament wurde er
weggeputscht.
Als Antwort auf die Versuche der Einverleibung der
Ukraine durch die EU und der Eingliederung in die NATO, hat Russland
die Halbinsel Krim mit einer militärischen Okkupation von der
Ukraine getrennt und einverleibt. Die Situation eskalierte bis an den Rand
eines Krieges zwischen Russland und dem Westen.
Alle Seiten haben ihre Macht getestet, um auszuloten, wie weit sie gehen
können.
Noch sind Deutschland, EU und die USA nicht bereit einen
offenen, direkt militärischen Schlagabtausch mit Russland zu führen. Daher
versuchen sie mit relativ harmlosen Sanktionen Russland zu schwächen. Der
laufende Krieg der Zentralregierung Kiews gegen die pro-russische Bewegung in
der Ost-Südost Ukraine unter dem Etikett „pro-russische Separatisten“,
„Terroristen“ etc., wird von den westlichen Mächten aktiv unterstützt und
gefördert. Seit Mitte April herrscht Krieg.
Ob die Ukraine auseinanderfällt, bzw. gerissen wird, ob sie
im Bürgerkrieg versinkt, ist fraglich! Offensichtlich ist die Ukraine eine
neokoloniale Beute vieler Räuber und seiner eigenen Oligarchen geworden.
Solange die Räuber sich um die Beute streiten, wird es keine Lösung geben. Die
Möglichkeit eines Krieges zwischen Russland und den USA, der EU um die Ukraine,
der sich sehr schnell ausweiten kann, ist bis heute weiterhin real gegeben.
Unsere Aufgabe ist in erster Linie gegen den deutschen
Imperialismus hier zu kämpfen und wir haben eine besondere Verantwortung. Der deutsche
Hitlerfaschismus hat in der Ukraine während des 2. Weltkrieges barbarisch
gewütet. Über sieben Millionen Menschen hat er hingemordet und das Land
verwüstet. Jetzt streckt der deutsche Imperialismus wieder seine Krallen nach
der Ukraine aus.
Die Linke, DKP und andere zur Ukraine
Gegen einseitige Berichterstattung und die Manipulationen
des Mainstreams verfallen linke Medien wie die junge Welt in andere Fehler. Ein
Teil der Linken lobpreist die „ukrainische demokratische Massen-Bewegung“ auf
dem Maidan, ohne die Entwicklung der Maidan-Bewegung, wo ukrainische Faschisten
letztendlich führend mitgemacht haben, zu hinterfragen. Manche Linke
stilisieren wiederum Putin zum quasi-Antiimperialisten. Der Kampf von
pro-russischen Kräften wird teils sogar zum „Befreiungskrieg“
hochgejubelt. Sie berichten einseitig nur über die ukrainischen Faschisten und
propagieren praktisch einen „antifaschistischen Kampf“ Russlands gegen
diese. Selbst Janukowitsch wird manchmal als antifaschistisch verkauft.
Die DKP, die KP der Ukraine (KPU) und gleich gesinnte
revisionistische Parteien stehen felsenfest hinter Putin und Russland. Die DKP
erklärte am 4. Mai 2014 worum es in Ukraine gehe: „In der Ukraine geht
es jetzt um antifaschistischen Widerstand gegen ein Regime, an deren Spitze
Faschisten und Nationalisten stehen.“ (news.dkp.de)
Ein wirklich antifaschistischer Kampf in der Ukraine ist
richtig und legitim.
Aber mit Janukowitsch, der als Präsident den faschistischen
Führer der Nazi-Kollaborateure Bandera als „Nationalen Held“ ehrte, und in der
Ukraine eine faschistische Diktatur der Oligarchie ausübte; oder mit Putin, der
in Russland faschistisch herrscht, kann kein antifaschistischer Kampf geführt
werden. So eine Politik vernebelt das Bewusstsein der Werktätigen und führt auf
eine total falsche Bahn!
In einer Erklärung des Parteivorstandes der DKP am
20. Mai 2014 wird die Einschätzung getroffen:
„Es ist notwendig, zwischen Aggressoren und Bedrohten zu
unterscheiden, denn ein allgemeiner Verweis auf ‚die Interessen Russlands’
führt zu einer Untätigkeit, die die weltweite Friedensbewegung schon bei den
Angriffen auf Länder wie den Irak, Afghanistan oder Libyen in eine fatale
Zuschauerrolle gebracht hat. Russland hat ein Interesse, das Vorrücken der NATO
zu verhindern. Dieses Interesse deckt sich mit dem friedliebender Menschen.“ (news.dkp.de)
Es ist Fakt, dass Russland als imperialistische Großmacht
ein Interesse gegen das Vorrücken der NATO hat. Aber das als im „Interesse der
friedliebenden Menschen“ zu verkaufen ist dreist. Die imperialistischen
Interessen Putins Großmacht, die natürlich keine NATO, sondern die eigene
Vorherrschaft ökonomisch, militärisch und politisch zementieren will, werden
zum Interesse aller friedliebenden Menschen! Diese „friedliebenden“
Menschen, die die DKP meint, dürfen nur keine DemokratInnen, aufmüpfigen
Frauen, Homosexuelle, Transgender, TschetschenInnen, kritische JournalistInnen,
mündige BürgerInnen, kämpferische GewerkschafterInnen, streikende ArbeiterInnen
in Russland sein! Sie stehen alle auf Platz eins der Verfolgungsliste Putins.
Am 9. Juni 2014 rief die KP der Russischen Föderation
(KPRF) Putin gegen die „Untätigkeit“ offen zur Intervention auf: „Im
Falle einer weiteren Ausweitung der Strafaktion gegen das Volk der Lugansker
und Donezker Volksrepubliken muss die Forderung an den Präsidenten der
Russischen Föderation gerichtet werden, das ihm vom Föderationsrat erteilte
Recht zum Einsatz bewaffneter Kräfte für den Schutz des Lebens und der Freiheit
der friedlichen Bevölkerung wahrzunehmen.“ (ebenda)
Die DKP unterstützt die KP Ukraine. Aktuell forciert die
ukrainische Regierung deren Verbot. Wir sind gegen ein solches undemokratisches
Verbot. Wir verurteilen jegliche Repression und Aggression gegen die
Opposition. Wir sind konsequente Gegner des Antikommunismus, auch wenn wir die
KPU nicht als Kommunistische Partei einschätzen. Aber wir unterstützen keine
Partei, die selbst als sie an der Macht war, eine sozialfaschistische Herrschaftsform
ausübte.
Der Gipfel der revisionistischen Politik zeigt sich bei der
KP der italienischen Schweiz: „Die Theorie der rivalisierenden
Imperialismen, wie sie eine gewisse dogmatische extreme Linke zu
verbreiten versucht, steht nicht nur im Gegensatz zu dem, was die
revolutionären Kräfte in der Ukraine und Russland sagen, sondern vor allem
verfehlt diese Theorie die Komplexität der internationalen Politik und
widersetzt sich jeder Einbindung in einen ernsthaften geoökonomischen Diskurs,
der die Chancen wahrnehmen muss, welche sich für die Emanzipationsbestrebungen
der Völker auftun, wenn Russland (und die BRICS ganz allgemein) dem
atlantischen Expansionismus einen Bremsklotz in den Weg legen. Wenn man von
einem inter-imperialistischen Konflikt sprechen will, so ist es gewiss nicht
Russland, das in die Untersuchung genommen werden muss.“ (redglobe.de,
17. April 2014) Diese Partei begrüßt auch die russische Einverleibung der
Krim als „Ergebnis eines demokratischen und partizipativen Prozesses“.
Viele solcher Beispiele könnten noch angeführt werden. Aber
diese sind genug um zu zeigen, wie tief die revisionistischen Parteien gesunken
sind.
In der Ukraine wirken antifaschistische, revolutionäre und
sich auf den Marxismus-Leninismus berufende Parteien und Organisationen. Mit
ihnen im politischen Austausch zu stehen und da, wo wir das kräftemäßig können,
sie zu unterstützen, sehen wir als eine dringende Aufgabe an.
15. August 2014