Ukraine: Imperialistische Rivalitäten und Krieg

Seit November 2013 steht die Ukraine als einer der wichtigsten Konflikte auf der Agenda der internationalen Politik. In scharfer Rivalität stehen sich die westlichen Mächte – vorneweg USA und EU – sowie die imperialistische Großmacht Russland, gegenüber. In der EU spielt der deutsche Imperialismus eine bestimmende Rolle. USA und EU haben einen gemeinsamen Nenner: Den Konkurrenten Russland schwächen! Natürlich haben sie auch untereinander Widersprüche, welche Politik gegenüber der Ukraine betrieben werden soll. Die USA wollen die Ukraine in die NATO eingliedern. Deutschland hingegen hat das bisher verhindert, da es die Ukraine in EU-Militärstrukturen einbinden will. Widersprüche existieren auch innerhalb der EU-Länder, zum Beispiel zwischen Deutschland und Frankreich. Während Deutschland für die Aufnahme der Ukraine in die EU wirbt, war Frankreich bisher dagegen.

Auch die Ereignisse in der Ukraine beweisen, dass die aktuelle Weltlage durch außerordentliche Zuspitzungen der innerimperialistischen Widersprüche geprägt ist. Die durch den Zusammenbruch des Ostblocks geschwächte Großmacht Russland, hat sich erholt und kehrte zu alter Macht und Größe zurück. Putin spielt wieder voll auf internationalem Parkett mit. Russland will seinen Einflussbereich nicht nur verteidigen, sondern am liebsten wieder erweitern. Offen propagiert Putin sein Ziel, die Grenzen seines Herrschaftsbereiches zu erweitern.

Um die Hintergründe des ausgebrochenen Konfliktes und Krieges zu verstehen, gehen wir kurz auf die frühere Situation in der Ukraine ein.

Nach 1956 als die modernen Revisionisten die sozialistische Macht in der Sowjetunion und den anderen Ostblockländern offen usurpierten, errichteten sie nach innen in ihren Ländern sozialfaschistische Herrschaftsstrukturen. Auch die Ukraine, eine Republik im Staatenverbund der UdSSR, durchlief diesen Prozess. In den 1990er Jahren wurde von der staatskapitalistischen Form des Kapitalismus zur offenen kapitalistischen, die auch das Privateigentum an Produktionsmitteln legalisierte, übergegangen. Neue Oligarchen entstanden. 1991 erklärte die Ukraine ihre staatliche Unabhängigkeit. Die faschistischen Strukturen der Herrschaft existierten in anderer Form weiter. Eine gewöhnliche bürgerliche Demokratie konnte durch die Machtkämpfe der Oligarchen kaum entstehen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit der Ukraine gegenüber Russland wurde nicht automatisch nach der Unabhängigkeitserklärung abgeschafft.

Alle ukrainischen Präsidenten, auch die, die offen „westlich“ orientiert waren, behielten die Beziehungen zu Russland bei und entwickelten parallel welche mit den „westlichen“ Staaten. Bis heute steht Russland in den bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen für die Ukraine an erster Stelle. 2012 war Deutschland drittwichtigster Handelspartner der Ukraine, nach Russland und China. Die EU als Block hat mit Russland fast gleichgezogen. Während der Regierung Juschtschenko (2005-2010) war die EU vor Russland, während der unter Janukowitsch (2010-2014) war wieder Russland auf Platz 1. Ende 2012 hat sich die EU wieder vorgeschoben. Laut UN-Angaben wickelt die Ukraine mit der EU und Russland 63% seiner Importe und 50% seine Exporte ab.

Von Protesten zum Krieg

Die Janukowitsch-Regierung erklärte überraschend am 21. November 2013, dass die Zeit für die Unterzeichnung der Assoziierungsabkommen mit der EU nicht reif sei und setzte die Unterzeichnung aus. Das war der Auslöser für die Massenproteste in Kiew auf dem Maidan. Viele berechtigte Forderungen wurden laut: Gegen Korruption, Oligarchie und faschistische Diktatur, für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Bewegung war nicht nur pro-imperialistisch, westlich oder russisch, gesteuert. Viele Menschen, die an den Demonstrationen teilnahmen, hatten die Hoffnung das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU würde mehr demokratische Rechte, bessere Lebensbedingungen für sie bringen.

Als Janukowitsch am 28. und 29. November auf dem Osteuropa-Gipfel in Vilnius den Vertrag nicht unterzeichnete, wandten sich die Forderungen gegen ihn. Er sollte abdanken! Innerhalb kürzester Zeit enterten faschistische Kräfte des „Rechten Sektor“ die Protestbewegung und dominierten sie. Die politischen, antifaschistischen und sozialistischen Basisorganisationen, die für demokratische Rechte kämpften, wurden gewaltsam zurückgedrängt.

Die westlichen imperialistischen Mächte, vor allem auch Deutschland, haben über ihre Zöglinge, wie die Klitschko-Truppe, den Aufruhr gegen Janukowitsch geschürt. Eine vollständig einseitige, verlogene westliche Medienberichterstattung lief auf Hochtouren, wie immer, gepaart mit einer anti-russischen und anti-kommunistischen Hetze.

Russland nutzte seinerseits seine Wirtschaftsmacht um auf die Ukraine Druck auszuüben, und wollte um jeden Preis die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens verhindern. Janukowitsch schlug ein Kreditangebot des IWF, das mit strengen Auflagen verbunden war, aus und unterzeichnete mit Russland am 17. Dezember 2013 einen Kreditvertrag über 15 Mrd. US-Dollar zu günstigeren Bedingungen, inklusive einen Rabatt von ca. 33% pro Tausend Kubikmeter Gas. Nun tauchten plötzlich ununterbrochen EU-Vertreter, Außenminister, vor allem Steinmeier und Vertreter der USA auf dem „Maidan“ auf. Arm in Arm mit allen Oppositionellen, unter anderem auch den offen faschistischen Kräften wie Svoboda. Alles wurde als diplomatische Bemühung um die „Lösung“ des Konfliktes verkauft!

Ergebnis der Verhandlungen war ein am 21. Februar zwischen Janukowitsch und der Opposition (drei Parteien: Timoschenko, Klitschko, Tyagnibok – faschistische Svoboda) ein Abkommen zustande.

Aber welche Überraschung einen Tag später! Ohne Rücktritt war Janukowitsch verschwunden! Mit einem Beschluss im Parlament wurde er weggeputscht.

Als Antwort auf die Versuche der Einverleibung der Ukraine durch die EU und der Eingliederung in die NATO, hat Russland die Halbinsel Krim mit einer militärischen Okkupation von der Ukraine getrennt und einverleibt. Die Situation eskalierte bis an den Rand eines Krieges zwischen Russland und dem Westen.  Alle Seiten haben ihre Macht getestet, um auszuloten, wie weit sie gehen können.

Noch sind Deutschland, EU und die USA nicht bereit einen offenen, direkt militärischen Schlagabtausch mit Russland zu führen. Daher versuchen sie mit relativ harmlosen Sanktionen Russland zu schwächen. Der laufende Krieg der Zentralregierung Kiews gegen die pro-russische Bewegung in der Ost-Südost Ukraine unter dem Etikett „pro-russische Separatisten“, „Terroristen“ etc., wird von den westlichen Mächten aktiv unterstützt und gefördert. Seit Mitte April herrscht Krieg.

Ob die Ukraine auseinanderfällt, bzw. gerissen wird, ob sie im Bürgerkrieg versinkt, ist fraglich! Offensichtlich ist die Ukraine eine neokoloniale Beute vieler Räuber und seiner eigenen Oligarchen geworden. Solange die Räuber sich um die Beute streiten, wird es keine Lösung geben. Die Möglichkeit eines Krieges zwischen Russland und den USA, der EU um die Ukraine, der sich sehr schnell ausweiten kann, ist bis heute weiterhin real gegeben.

Unsere Aufgabe ist in erster Linie gegen den deutschen Imperialismus hier zu kämpfen und wir haben eine besondere Verantwortung. Der deutsche Hitlerfaschismus hat in der Ukraine während des 2. Weltkrieges barbarisch gewütet. Über sieben Millionen Menschen hat er hingemordet und das Land verwüstet. Jetzt streckt der deutsche Imperialismus wieder seine Krallen nach der Ukraine aus.

Die Linke, DKP und andere zur Ukraine

Gegen einseitige Berichterstattung und die Manipulationen des Mainstreams verfallen linke Medien wie die junge Welt in andere Fehler. Ein Teil der Linken lobpreist die „ukrainische demokratische Massen-Bewegung“ auf dem Maidan, ohne die Entwicklung der Maidan-Bewegung, wo ukrainische Faschisten letztendlich führend mitgemacht haben, zu hinterfragen. Manche Linke stilisieren wiederum Putin zum quasi-Antiimperialisten. Der Kampf von pro-russischen Kräften wird teils sogar zum „Befreiungskrieg“ hochgejubelt. Sie berichten einseitig nur über die ukrainischen Faschisten und propagieren praktisch einen „antifaschistischen Kampf“ Russlands gegen diese. Selbst Janukowitsch wird manchmal als antifaschistisch verkauft.

Die DKP, die KP der Ukraine (KPU) und gleich gesinnte revisionistische Parteien stehen felsenfest hinter Putin und Russland. Die DKP erklärte am 4. Mai 2014 worum es in Ukraine gehe: „In der Ukraine geht es jetzt um antifaschistischen Widerstand gegen ein Regime, an deren Spitze Faschisten und Nationalisten stehen.“ (news.dkp.de)

Ein wirklich antifaschis­tischer Kampf in der Ukraine ist richtig und legitim.

Aber mit Janukowitsch, der als Präsident den faschistischen Führer der Nazi-Kollaborateure Bandera als „Nationalen Held“ ehrte, und in der Ukraine eine faschistische Diktatur der Oligarchie ausübte; oder mit Putin, der in Russland faschistisch herrscht, kann kein antifaschistischer Kampf geführt werden. So eine Politik vernebelt das Bewusstsein der Werktätigen und führt auf eine total falsche Bahn!

In einer Erklärung des Parteivorstandes der DKP am 20. Mai 2014 wird die Einschätzung getroffen:

„Es ist notwendig, zwischen Aggres­soren und Bedrohten zu unterscheiden, denn ein allgemeiner Verweis auf ‚die Interessen Russlands’ führt zu einer Untätigkeit, die die weltweite Friedensbewegung schon bei den Angriffen auf Länder wie den Irak, Afghanistan oder Libyen in eine fatale Zuschauerrolle gebracht hat. Russland hat ein Interesse, das Vorrücken der NATO zu verhindern. Dieses Interesse deckt sich mit dem friedliebender Menschen.“ (news.dkp.de)

Es ist Fakt, dass Russland als imperialistische Großmacht ein Interesse gegen das Vorrücken der NATO hat. Aber das als im „Interesse der friedliebenden Menschen“ zu verkaufen ist dreist. Die imperialistischen Interessen Putins Großmacht, die natürlich keine NATO, sondern die eigene Vorherrschaft ökonomisch, militärisch und politisch zementieren will, werden zum Interesse aller friedliebenden Menschen! Diese „friedliebenden“ Menschen, die die DKP meint, dürfen nur keine DemokratInnen, aufmüpfigen Frauen, Homosexuelle, Transgender, TschetschenInnen, kritische JournalistInnen, mündige BürgerInnen, kämpferische GewerkschafterInnen, streikende ArbeiterInnen in Russland sein! Sie stehen alle auf Platz eins der Verfolgungsliste Putins.

Am 9. Juni 2014 rief die KP der Russischen Föderation (KPRF) Putin gegen die „Untätigkeit“ offen zur Intervention auf: „Im Falle einer weiteren Ausweitung der Strafaktion gegen das Volk der Lugansker und Donezker Volksrepubliken muss die Forderung an den Präsidenten der Russischen Föderation gerichtet werden, das ihm vom Föderationsrat erteilte Recht zum Einsatz bewaffneter Kräfte für den Schutz des Lebens und der Freiheit der friedlichen Bevölkerung wahrzunehmen.“ (ebenda)

Die DKP unterstützt die KP Ukraine. Aktuell forciert die ukrainische Regierung deren Verbot. Wir sind gegen ein solches undemokratisches Verbot. Wir verurteilen jegliche Repression und Aggression gegen die Opposition. Wir sind konsequente Gegner des Antikommunismus, auch wenn wir die KPU nicht als Kommunistische Partei einschätzen. Aber wir unterstützen keine Partei, die selbst als sie an der Macht war, eine sozialfaschistische Herrschaftsform ausübte.

Der Gipfel der revisionistischen Politik zeigt sich bei der KP der italienischen Schweiz: „Die Theorie der rivalisierenden Imperialismen, wie sie eine gewisse dogmatische extreme Linke zu verbreiten versucht, steht nicht nur im Gegensatz zu dem, was die revolutionären Kräfte in der Ukraine und Russland sagen, sondern vor allem verfehlt diese Theorie die Komplexität der internationalen Politik und widersetzt sich jeder Einbindung in einen ernsthaften geoökonomischen Diskurs, der die Chancen wahrnehmen muss, welche sich für die Emanzipationsbestrebungen der Völker auftun, wenn Russland (und die BRICS ganz allgemein) dem atlantischen Expansionismus einen Bremsklotz in den Weg legen. Wenn man von einem inter-imperialistischen Konflikt sprechen will, so ist es gewiss nicht Russland, das in die Untersuchung genommen werden muss.“ (redglobe.de, 17. April 2014) Diese Partei begrüßt auch die russische Einverleibung der Krim als „Ergebnis eines demokratischen und partizipativen Prozesses“.

Viele solcher Beispiele könnten noch angeführt werden. Aber diese sind genug um zu zeigen, wie tief die revisionistischen Parteien gesunken sind.

In der Ukraine wirken antifaschistische, revolutionäre und sich auf den Marxismus-Leninismus berufende Parteien und Organisationen. Mit ihnen im politischen Austausch zu stehen und da, wo wir das kräftemäßig können, sie zu unterstützen, sehen wir als eine dringende Aufgabe an.

 

15. August 2014