Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion
Vorbemerkung Wir führen seit längerer Zeit eine intensive Auseinandersetzung mit Bolşevik Partizan über die Ursachen der Restauration des Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern. Im Rahmen einer ersten intensiven Schulung haben wir gemeinsam den Abschnitt „Die sozialistische Produktionsweise“ des Lehrbuchs „Politische Ökonomie“ debattiert. Wir veröffentlichen hier die Ergebnisse. Ein/e GenossIn referierte anhand des jeweiligen Kapitels des Lehrbuches, die in den bisherigen Diskussionen in unseren Organisationen festgestellten Probleme, Kritiken und Fragestellungen. Zu diesen Vorträgen wurden weitergehende Fragen aufgeworfen und Diskussionsbeiträge gemacht.Im folgenden Text beziehen sich die Jahresangaben zu den unterschiedlichen Ausgaben des Lehrbuchs der Politischen Ökonomie auf das russische Original.
Teil
V Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen
Sowjetunion Was
tun im Sozialismus? Lehrbuch:
Dritter Abschnitt: Die sozialistische Produktionsweise
Kapitel XXIX Das Gesetz der planmäßigen (proportionalen) Entwicklung der Volkswirtschaft und Kapitel XXX Die gesellschaftliche Arbeit im Sozialismus und Kapitel XXX Die gesellschaftliche Arbeit im Sozialismus
Lehrbuch:
Teil V Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion
Was tun im Sozialismus? Lehrbuch: Dritter Abschnitt Die sozialistische Produktionsweise
Kapitel XXIX Das Gesetz der planmäßigen (proportionalen) Entwicklung der Volkswirtschaft und Kapitel XXX Die gesellschaftliche Arbeit im Sozialismus
Teil V Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion
Was
tun im Sozialismus? Lehrbuch:
Dritter Abschnitt Die sozialistische Produktionsweise
Kapitel XXIX – Das Gesetz der planmäßigen (proportionalen) Entwicklung der Volkswirtschaft
Die Frage nach der Notwenigkeit der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft im Sozialismus. Was den Sozialismus von der kapitalistischen Wirtschaft unterscheidet ist die Frage „Plan oder Marktchaos“. Sozialismus ist Planwirtschaft. Es gibt natürlich auch Pläne im Kapitalismus. Es gibt aber keinen gesamtgesellschaftlichen Plan. Die Produktion im Kapitalismus läuft so, dass jeder Kapitalist, jede kapitalistische Monopolgruppe Pläne entwirft, auf der Grundlage dessen, wie erzielen wir in kürzester Zeit am meisten Mehrwert, am meisten Profit. Jeder für sich. Ob diese Pläne wirklich in die Tat umgesetzt werden können, wird auf dem Markt durch die Marktgesetze bestimmt und reguliert. Der Markt reguliert dann zum Beispiel das Untergehen eines Teils der Kapitalisten vom Markt, während ein anderer Teil größer und mächtiger wird etc. Im Prozess dieser „Regulierung“ werden sehr viele Produktivkräfte zerstört. Dieses Chaos, das zwar durch den Markt geregelt wird, hat die Vergeudung immenser Ressourcen zur Folge. Das kann auch nicht anders sein. Verhindert kann dies nur dadurch werden, wenn gesamtgesellschaftliche Pläne entwickelt, aufgestellt und die Produktion aufeinander abgestimmt wird. Das ist die Organisation der Ökonomie im Sozialismus, weil es keine Kapitalisten mehr gibt. Denn die Produktion erfolgt nicht mehr auf der Grundlage, wie wird in kürzester Zeit jeweils am meisten Profit herausgeschlagen. Sondern Zielvorgabe ist, wie können wir die gesamtgesellschaftliche Entwicklung vorantreiben. Das ist die Grundlage. Wenn so Produktionspläne erstellt werden und wenn diese wirklich auf der Grundlage richtiger Kennziffern, tatsächlicher Gegebenheiten und Bedürfnisse beruhen, dann ist die erfolgreiche Entwicklung garantiert.
Die Vergeudung der Quellen, der Produktivkräfte, der natürlichen Ressourcen etc. wird aus der Welt geschafft durch die Planwirtschaft. Das ist die Theorie. Dazu sagt Lenin „die Umwandlung des ganzen staatlichen Wirtschaftsmechanismus in eine einzige große Maschine, in einen Wirtschaftsorganismus, der so arbeitet, daß sich Hunderte Millionen Menschen von einem einzigen Plan leiten lassen.“ 1 Ist dies machbar? Theoretisch ist es machbar und sehr einleuchtend. Wenn man weiß, über welche Quellen verfügen wir, was ist, wenn wir diese zentral verwalten, wie können wir lokalisieren, wo was gemacht wird, wie viel gemacht wird etc. Dann können wirklich tolle Ergebnisse erzielt und das beständige Wachstum – was im ökonomischen Gesetz des Sozialismus Voraussetzung ist – durchaus erreicht werden.
Das Gesetz heißt nicht „Gesetz der planmäßigen Entwicklung“ sondern „der planmäßigen, proportionalen Entwicklung“. Proportional bedeutet die Abstimmung der verschiedenen Bereiche der Produktion aufeinander. Bereiche sind zum Beispiel die Industrie- und Landwirtschaft, innerhalb des Industriesektors gibt es Schwer- und Leichtindustrie etc. Wie funktioniert die Koordination aller Sektoren, damit ständiges Wachstum garantiert wird? Bei allen Proportionen ist das Wichtigste die Schwerindustrie, d.h. die Produktionsmittel produzierende Industrie zur Grundlage zu nehmen. Nur dadurch ist die Entwicklung der anderen Sparten auch garantiert. Für die Förderung der Landwirtschaft werden mit der höchstentwickelten Technik, Maschinen produziert, Traktoren, Mähdrescher etc. Ebenso in der Leichtindustrie. Hier werden Maschinen entwickelt, die zum Beispiel Waschmaschinen etc., produzieren können. Deshalb ist die Schwerindustrie auch proportional immer an die erste Stelle zu stellen, wenn die sozialistische Gesellschaft das Ziel hat, die Arbeitszeit immer mehr zu verkürzen. Je ausgetüftelter und technologisch ausgereifter die Schwerindustrie ist, desto höher ist die Arbeitsproduktivität. Desto weniger brauchen die ArbeiterInnen zu arbeiten und können doch mehr produzieren. Das ist keine zeitweilige Geschichte.
Wenn wir vom Sozialismus zum Kommunismus übergehen wollen, dann müssen wir diese Proportion immer aufrechterhalten. Das ist eines der Entwicklungsgesetze, das die Revisionisten umgeschmissen haben und aus dieser Proportionalität eine vorübergehende Phase gemacht haben. Sie haben z.B. festgelegt, wir haben jetzt genug Schwerindustrie und brauchen jetzt mehr Konsumtionsmittel, also werden wir unsere Produktionsfonds vor allem für die Leichtindustrie oder für die Landwirtschaft verwenden. Damit wurde aber die Entwicklung gestoppt. Wenn die Landwirtschaft zum Hauptfaktor wird, müssen jetzt alle Produktionsfonds in ihre Entwicklung gesteckt werden. Das ist kurzfristig gut. Gut aber für wen? Vor allem für die in der Landwirtschaft tätigen. Wer ist das? Das sind vor allem die Gruppeneigentümer.
Bei der Proportionalität ist die Schwerindustrie die Hauptsache. Die Produktionsfonds müssen vor allem in diese Sparte eingebracht werden. Alle anderen Dinge sind zeitweilig.
Was ist mit den Ländern, die keine Schwerindustrie entwickeln können, weil ihnen die Möglichkeiten fehlen? Wenn sie zu klein sind und ihnen die natürlichen Ressourcen fehlen? Das heißt, sie können den Sozialismus alleine überhaupt nicht aufbauen. Das geht einfach nicht. Das heißt, sie brauchen tatsächlich ein sozialistisches Umfeld, damit sie zum Sozialismus kommen können. Also größere Staaten, die den Sozialismus aufbauen, müssen diesen kleineren Staaten helfen. Das ist auch in ihrem eigenen Interesse.
Wenn wir ausgehend vom Marxismus-Leninismus tatsächlich den Sozialismus und Kommunismus nicht als eine nationale Aufgabe, sondern als eine internationale Aufgabe begreifen, muss es für einen größeren sozialistischen Staat selbstverständlich sein, Staaten, die selber nicht diese Möglichkeiten haben, zu unterstützen, auch beim Aufbau. Zum Beispiel Kuba: Sie konnten alleine keinen Sozialismus aufbauen, da sie keine Schwerindustrie hatten – bzw. entwickeln konnten. Was konnte Kuba z.B. machen? Sie konnten im Prinzip nur das machen, was sie auch gemacht haben – mehr konnten sie nicht tun.
Hinsichtlich unserer bereits geführten Diskussion über die direkte und öffentliche Beteiligung der Arbeiterklasse am Plan. Ein zentraler Plan ist eine der wichtigsten Sachen in einer sozialistischen Gesellschaft.
In der Sowjetunion war die Planbehörde die größte und umfangreichste Behörde überhaupt im Staat. Das ist auch normal, weil das das wichtigste im Staat ist. Wie werden die Pläne erstellt? Dazu wird im Lehrbuch folgendes gesagt: „Die Kommunistische Partei und der sozialistische Staat verwirklichen die Erfordernisse des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft mit Hilfe von Plänen, die die schöpferische Tätigkeit der werktätigen Massen organisieren und lenken.“ (Lehrbuch, 1. Ausgabe, 1954, S. 477)
Das heißt, der sozialistische Staat und die Partei machen Pläne. Was ist bei diesen Plänen zu beachten? Die schöpferische Tätigkeit der Massen soll organisiert und gelenkt werden. Hier wird noch keine Ansage gemacht, wie sich bei der Planung auf die Massen gestützt wird. Es wird nur angesprochen die schöpferische Tätigkeit der Massen wird organisiert und gelenkt. „Die sozialistische Planung beruht auf streng wissenschaftlicher Grundlage. Die Volkswirtschaft planmäßig führen heißt voraussehen. Die wissenschaftliche Voraussicht beruht auf der Erkenntnis der objektiven ökonomischen Gesetze und geht von den herangereiften Entwicklungsbedürfnissen des materiellen Lebens der Gesellschaft aus.“ (S. 477)
Was ist die Rolle der Werktätigen? Bis hierher ist alles noch von oben aus geplant. Irgendwelche Leute sitzen in Planungskommissionen und gehen von den Lebensbedürfnissen der Massen aus. Aber wie sieht die aktive Rolle der Werktätigen aus? Das Lehrbuch bestimmt ihre Aufgabe darin, den Plan in die Tat umzusetzen. Einen Plan von dem die ArbeiterInnen nicht viel Kenntnis haben. Es wird bekannt gegeben, dieses Kombinat hat so und so hohe Produktionsvorgaben und die ArbeiterInnen sollen dementsprechend produzieren. Das ist dann die schöpferische Anwendung des Planes?
Das heißt, wenn wir heute ein Lehrbuch verfassen über die politische Ökonomie über die Planwirtschaft im Sozialismus, würden wir schreiben: Der Plan muss schon bei der Planungsphase auf dem Gesamtwissen und der Diskussion der ArbeiterInnenklasse und Werktätigen beruhen. Sie müssen der ausschlaggebende Faktor in der Planung sein. Das umzusetzen ist eine ganz einfache Sache der Leitung.
Eine richtige kommunistische Leitung beteiligt praktisch alle Werktätigen, die etwas in die Tat umsetzen, an der Planung und entscheiden gemeinsam. Nur dann ist gewährleistet, dass sie auch für diesen Plan bewusst arbeiten.
So gehen heute sogar teilweise die Kapitalisten vor. In der Produktion gehen sie mehr und mehr zur Gruppenarbeit über und machen die ArbeiterInnen für das Produkt, welches sie produzieren, verantwortlich. Natürlich geben die Kapitalisten Vorgaben, aber sie versuchen den ArbeiterInnen das Gefühl zu vermitteln, du bist mit dabei, du hast ja mitentschieden etc. Im Sozialismus sind aber die ArbeiterInnen die entscheidende Kraft in der Gesellschaft, und da geht es darum, dass sie auch in der Tat, in der gesellschaftlichen Praxis diese Rolle tatsächlich einnehmen und ausüben. Von solchen Prozessen für die ganze Planungstheorie findet sich in dem ganzen Buch überhaupt nichts.
Von einem zentralbürokratischen Plan-Apparat, der natürlich die Kennziffern ermittelt etc. und beschließt, wird dann der Plan „in die Praxis“ gegeben und d.h. die ArbeiterInnen müssen ihn umsetzen. Da ist die Rolle der Arbeiterklasse im Lehrbuch, die angeblich die führende Kraft im Staate ist, die einer Aushilfskraft. Das ist grundlegend falsch.
Dann wird im Lehrbuch eingestanden: „In der Praxis werden die Pläne den Erfordernissen des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft nicht immer ganz gerecht.“ [Wenn irgendwelche Leute da sitzen und irgendwelche Pläne machen, die vielleicht mit der Realität nicht viel zu tun haben, dann ist es ganz normal, dass die Pläne dem Gesetz der planmäßigen Entwicklung auch nicht „ganz gerecht“ werden.] „Wird gegen diese Erfordernisse verstoßen, macht sich das Gesetz der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft dadurch bemerkbar, daß in einzelnen Abschnitten der Volkswirtschaft Disproportionen entstehen und der normale Produktions- und Zirkulationsprozeß gestört wird.“ [Das ist öfters passiert in der Sowjetunion.] „Wird beispielsweise der Bau einer bestimmten Anzahl von Kraftwagen, nicht aber die dazu notwendige Menge Stahlblech geplant, [Die Planung legt also die Produktion von 100 000 Autos/Lastwagen fest, aber es wird nicht gesagt, wir brauchen dazu so und so viel Blech. Dieses muss aus der Stahlproduktion kommen etc. Es wird sich nicht abgestimmt. Jede/r Arbeiter/in, der/die in der Produktion ist, würde sagen: Also gut, wir produzieren Autos, aber wo kommt denn das Blech her.] so kann das dazu führen, daß der Plan der Kraftwagenproduktion nicht erfüllt wird. Ein Plan für die Roheisenerzeugung, der nicht durch eine entsprechende Koksproduktion gesichert ist, wird sich als irreal erweisen.“ (S. 478)
In den internationalen Diskussionen in den 1970er Jahren über das Wesen des russischen Sozialimperialismus wurden viele Beispiele dieser falschen Produktionsvorgaben und Disproportionalität in der Planung genannt. Beschlossen wird die Produktion von 100.000 Hemden in Größe 50– das kann zwar produziert werden – aber sie wird in dieser Größe gar nicht benötigt.
In dem Buch werden ab und zu Probleme in der Planung angesprochen, aber sehr selten.
Natürlich ist bei der Planung folgendes wichtig. Eine Gesamtplanung muss das gesamtgesellschaftliche Wachstum und die Entwicklungstendenz als Ausgangspunkt nehmen. Die Vorgaben des Zentralplanes sind für die Verteilung der Reichtümer ausschlaggebend, z.B. wird gesagt, alle Betriebe, die die Planerfüllung übertreffen, erhalten von dem Gesamtreichtum mehr. Das führte teilweise dazu, die Kennziffern und die Planziele niedriger anzusetzen als es notwendig und möglich war. Dann wurden die Pläne natürlich übererfüllt und diese Betriebe und Kolchosen etc. erhielten viel mehr Geld als wenn die Planzahlen höher festgelegt worden wären. Bei der Verteilung spielen die Planziele eine sehr große Rolle.
Gesetzt der Fall, die Planungskommission ist ein Teil eines nicht kommunistischen, aber im Namen des Kommunismus handelnden Kollektivs, das die Interessen einer bestimmten Schicht der Gesellschaft – und zwar der leitenden Schicht – im Blick hat, dann wird sie immer die Planzahlen niedriger angeben, als es möglich ist. Dadurch erhöht sie praktisch den Anteil der leitenden Schicht, den diese am Gesamtreichtum erhält. Die Schicht der Bürokraten und Technokraten wird dann immer reicher und reicher.
Das Hauptproblem in dem Planungskonzept des Lehrbuches ist, dass nur die Planungsermittlung „von oben nach unten“ vorgesehen wird und für die Bevölkerung bleibt nur die Aufgabe der Planerfüllung, nicht mehr und nicht weniger.
Kapitel
XXX – Die gesellschaftliche Arbeit im Sozialismus
In diesem Kapitel wird ausgeführt: „Die Befreiung von der Ausbeutung und die Veränderung der gesellschaftlichen Stellung des Menschen führen einen Wandel in den Ansichten der Menschen über die Arbeit, eine neue Einstellung zur Arbeit herbei. Während die Ausbeuterordnung im Laufe der Jahrhunderte bei zahlreichen Generationen der Werktätigen eine Abneigung gegen die Arbeit als schwere und schimpfliche Last auslöste, verwandelt der Sozialismus die Arbeit in eine Sache der Ehre, des Ruhms und des Heldentums und verleiht ihr in zunehmendem Maße schöpferischen Charakter. In der sozialistischen Gesellschaft genießt der werktätige Mensch, wenn er gut arbeitet und Initiative zur Verbesserung der Produktion zeigt, Ruhm und Achtung. [Das wäre schön, das war aber nicht so. Es ist nicht nur eine Sache von Ruhm und Achtung und die ganze Gesellschaft sagt jetzt, oh, das ist Sozialismus etc. Erst wird gesagt im Sozialismus ist es so, gleich im nächsten Satz wird aber gesagt:] Indessen ist die Arbeit im Sozialismus noch nicht zum ersten Lebensbedürfnis der Mitglieder der Gesellschaft, noch nicht zur Gewohnheit geworden, für das Gemeinwohl zu arbeiten. Im Stadium des Sozialismus sind die Überbleibsel des Kapitalismus im Bewußtsein der Menschen noch nicht restlos überwunden. [Also sie sind schon fast überwunden, es gibt nur noch Reste.]
Neben der großen Masse der Werktätigen, die ihre Pflicht der Gesellschaft gegenüber ehrlich erfüllten und schöpferische Initiative in der Arbeit entwickeln, gibt es Menschen, die ihren Pflichten nicht gewissenhaft nachkommen und gegen die Arbeitsdisziplin verstoßen. Solche Menschen sind bestrebt, der sozialistischen Gesellschaft sowenig wie möglich zu geben und aus ihr so viel wie möglich herauszuholen. [Also, die übergroße Mehrheit der Werktätigen ist schon sozialistisch. Sie sieht die Arbeit als gesellschaftliche Ehre etc.an. Es gibt aber noch einige wenige Egoisten.]
Im Sozialismus erhalten sich noch beträchtliche Überreste der alten Arbeitsteilung: so die wesentlichen Unterschiede zwischen der geistigen und körperlichen Arbeit, zwischen der des Arbeiters und des Bauern, zwischen der qualifizierten und der einfachen Arbeit. Diese Überreste der alten Arbeitsteilung werden erst allmählich, mit zunehmender Entwicklung der Produktivkräfte des Sozialismus und mit der Schaffung der materiellen Produktionsbasis des Kommunismus überwunden. [Dann gibt es also noch diesen von der Arbeitsteilung herrührenden Überreste.]
Aus all dem folgt, daß im Sozialismus das Prinzip der materiellen Interessiertheit des Werktätigen an den Ergebnissen seiner Arbeit, an der Entwicklung der Produktion von größter Bedeutung ist. Diese Interessiertheit wird dadurch gewährleistet, daß die Stellung der Werktätigen in der Gesellschaft von den Arbeitsergebnissen, von den Ergebnissen seiner Produktionstätigkeit abhängig gemacht wird.“ (S. 487/488)
Das heißt, auf der einen Seite geht das Lehrbuch davon aus, die große Masse der Werktätigen sieht die Arbeit als eine Sache der Ehre. Es ist eine Minderheit, die das nicht so sieht. Trotzdem wird das Prinzip der materiellen Interessiertheit festgelegt? Wegen einer Minderheit? Das widerspricht sich. Wenn es sich wirklich nur um eine Minderheit handeln würde, dann bräuchte nicht die materielle Interessiertheit der Werktätigen zum Haupthebel der Produktionsentwicklung gemacht werden. Das ist der undialektische und falsche Spagat dieses Buches. Auf der einen Seite wird die Lage unheimlich euphorisch und positiv geschildert und Probleme werden als möglichst geringfügig bewertet. Andererseits wird aber eine Politik im Prinzip des Kapitalismus festgelegt.
Die materielle Interessiertheit des Werktätigen zum Haupthebel der Produktionstätigkeit zu machen, ist ein Prinzip des Kapitalismus und nicht des Sozialismus.
Das Prinzip des Sozialismus sind die Interessen der Gesamtheit der Gesellschaft und nicht die des Einzelnen. Wie man es auch dreht oder wendet, kommt am Ende die materielle Interessiertheit des Einzelnen heraus. Wenn aber die materielle Interessiertheit der Haupthebel ist, werden die KommunistInnen und Werktätigen nimmer zu einer Gesellschaft, in der die Leute wirklich gleichgestellt sind, übergehen können. Es gibt keine hundertprozentige Gleichheit, weil die Menschen unterschiedlich sind, aber nur in dem Sinne, dass jeder nach seinen Fähigkeiten arbeitet und nach seinen Bedürfnissen nimmt. Das ist das Problem mit dem Charakter der Arbeit im Sozialismus.
Um die materielle Interessiertheit zum Ausgangsprinzip zu nehmen wird auch Lenin zitiert und sich darauf berufen. Das sind alles Taschenspieler-Tricks.
Lenin spricht in der Periode der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP), als die Kommunistische Partei die NÖP begründete davon: „Wir können nicht anders.“ Wir können die große Produktion heutzutage nicht anders in die Wege leiten, als auf der Grundlage der materiellen Interessiertheit der Massen. Anders geht es nicht. Er argumentiert nicht, das ist das auschlaggebende sozialistische Prinzip oder so.
Lenin sagt, wir sind wie Bergsteiger. Wir wollen zum Gipfel und haben gesehen, es gibt keinen Weg, dann müssen wir zurückgehen und einen anderen Weg suchen. Das ist die NÖP. Er sagt nicht, die NÖP ist Sozialismus. Er sagt, NÖP ist nicht Kapitalismus aber sie ist auch nicht Sozialismus. Das ist, was der moderne Revisionismus daraus macht, wenn er sich auf Lenins Ausführung in dieser Frage beruft, wo er tatsächlich gesagt hat, wir müssen die materielle Interessiertheit der Werktätigen verwenden. Das ist eine ganz andere Geschichte als zu sagen, die materielle Interessiertheit der Werktätigen ist das sozialistische Prinzip um weiter zu kommen.
Dann gibt es weiter die Frage der Einzelleitung – die ist so etwas von scharf formuliert, wie es revisionistischer kaum nicht mehr geht. „Die sozialistische Kooperation verlangt strikte und unentwegte Durchführung des Prinzips der Einzelleitung in allen Abschnitten des Produktions- und Verwaltungsapparats. Unter Einzelleitung versteht man eine Verwaltung der staatlichen, sozialistischen Betriebe, die darauf beruht, daß die Massen sich dem Willen eines einzelnen unterordnen, der den Arbeitsprozeß leitet. Sie verbindet sich mit der breiten schöpferischen Initiative der Massen im Produktionsprozeß.“ (S. 493)
Wenn das Sozialismus ist, dann gute Nacht. „eine Verwaltung der staatlichen sozialistischen Betriebe beruht darauf, daß die Massen sich dem Willen eines einzelnen unterordnen“. Das ist der Abgesang auf die Kollektivität, auf die Leitungsfähigkeit der ArbeiterInnenklasse, auf die gesellschaftliche gemeinschaftliche Arbeitsteilung, aus alles was den Sozialismus im Gegensatz zum Kapitalismus ausmachen sollte….
Es ist eine andere Sache zu sagen, Leute wir können heute die Leitung nicht anders bewältigen als durch eine Einzelleitung, aber das ist noch ein kapitalistisches Prinzip, als zu sagen, das ist die sozialistische Arbeit.
Wir befreien doch nicht die ArbeiterInnen von der Ausbeutung deshalb, damit jetzt die Bürokraten anstelle des Kapitalismus kommen und über die Köpfe der Massen hinweg bestimmen. Das sind dann die neuen Kapitalisten letztendlich.
Wir wollen unter uns keine Sklaven sehen und über uns keine Herren!
Diskussionen + Fragen + Antworten
Beitrag:
Warum konnten diese Bürokraten nicht aufgehalten werden?! Wenn ich bestimmte Personen/Gruppen zur Entwicklung des Sozialismus brauche bzw. diese unbedingt mitnehmen muss zum Beispiel Spezialisten etc., gerade dann ist doch der Dreh- und Angelpunkt die ArbeiterInnen als Kontrolle in die Leitung und Ausführung miteinzubeziehen. Nur so kann eine Überprüfung von Praxis und Theorie stattfinden. Der Aufbau von unten nach oben wird nicht gemacht. Wie kann man erfahren, ob es nicht doch Kritiken an diesen Ausführungen in diesem Lehrbuch gibt?
Beitrag:
Die Umsetzung der Planwirtschaft, dies hat m.E. nichts in so einem Buch zu suchen. Wichtig ist, dass Planwirtschaft im Gegensatz zur kapitalistischen Produktionsweise steht. Der Teil über die Planwirtschaft geht m.E. viel zu sehr ins Detail. Die Pläne müssen da gemacht werden, wo die Ressourcen auch sind. Der ökonomische Aufbau beruht auf Entwicklung der Schwerindustrie. Wenn andere Länder diese Möglichkeit nicht haben und die Länder dann unterstützt werden, eine Schwerindustrie aufzubauen, ist das dann nicht eine neue Form des Kolonialismus?
Hier in der BRD existiert eine hochentwickelte Schwerindustrie, inwieweit muss diese dann noch ausgebaut werden? Inwieweit sind die Menschen, die im Dienstleistungsbereich arbeiten, beim Aufbau des Sozialismus mit einbezogen, wenn es nur um die Schwerindustrie geht?
Beitrag:
Wenn wir über den Sozialismus reden, dann geht es ja um Ruhm und Ehre, aber in welcher Hinsicht? Wir arbeiten im Sozialismus ja, damit wir Reichtum für die gesamte Bevölkerung und Gesellschaft schaffen. Du kämpfst für die Gerechtigkeit für die gesamte Gesellschaft etc.
Da es noch Überreste gibt, ist die materielle Interessiertheit noch notwendig. Damals war die Situation anders, sie haben sich in die Tasche gelogen. Wichtig ist aber, ob diese ausgebaut oder zunehmend zurückgedrängt und minimiert wird.
Beitrag:
Im Lehrbuch wird ein Grundsatzprinzip des Marxismus-Leninismus gebrochen. Die Massen werden der Einzelleitung untergeordnet. Dieser Grundsatz wird auch auf alle anderen Teile der Produktion, Dienstleistung und den Staat übernommen (Verwaltung, Staatsapparat, etc.). Stalin fordert aber doch dagegen immer wieder, die Kader sind den Massen untergeordnet.
Planwirtschaft: Die Kapitalisten haben in einer Hinsicht ebenfalls eine Planwirtschaft. Der wesentliche Unterschied ist, dass unabhängig von der Gesellschaft geplant wird.
Beitrag:
Die Arbeiterkontrolle war institutionalisiert. Wenn kritisiert wird, diese sei nur formal oder unzureichend gewesen, dann muss dies ganz konkret gemacht werden. Dazu ist notwendig aufzuzeigen, wie wurde die Arbeiterkontrolle organisiert und konkret ausgeführt. Dann können wir konkret nachweisen, die KPdSU hat hier einen Fehler gemacht etc.
Beitrag:
Ein großes Fragezeichen ist, wie kommt diese Theorie in dieses Buch? Das ist ja nicht einfach so runtergeschrieben, sondern hunderte mal und rauf und runter diskutiert worden. Warum stieß das nicht auf Widerspruch und Widerstand. Waren die ArbeiterInnen politisch noch nicht so weit entwickelt um das genügend zu durchschauen, einwirken und kritisieren zu können?
Beitrag:
In der Vorgehensweise sollte das Buch insgesamt anders kritisiert werden. Nicht anhand jedes einzelnen Kapitels, da sich die Positionen überschneiden und öfters wiederholt werden. Die vorgetragene Kritik ist teilweise sehr detailliert, teilweise sehr umfassend. Dies macht sie manchmal schwer verständlich. Wenn man kritisiert, muss man die wesentlichen Fehler der einzelnen Kapitel und dann eine umfassende Kritik machen. Da sich die einzelnen Fehler wiederholen.
1930 haben sie begonnen dieses Lehrbuch zu verfassen, zu diskutieren und dann ist es 20 Jahre später herausgekommen. In den 190ern waren sie m.E. viel weiter. Es wurde öffentlich viel und heftig diskutiert über die richtigen Fronten und Linien. In den 1940ern kamen dann Lobeshymnen und Abfeiern auf die Tagesordnung. Im Kriegskommunismus gab es keine „Einzelleitungen“. Kollektive und Arbeiterräte übernahmen das Kommando in den Fabriken.
In der NÖP musste hier ein Schritt zurück gemacht werden, aufgrund der fehlenden Fachkräfte und vorübergehend hatten die alten Technokraten nochmal viel Einfluss. Aber, warum ist dann nicht wieder, als die Grundlagen des Sozialismus in der Ökonomie gelegt waren, zu den sozialistischen kollektiven Leistungsprinzipien zurückgekehrt worden? Was ist da passiert?
Beitrag:
Ich verstehe manchmal, dass die ArbeiterInnen nicht so weit sind, z.B. die Planwirtschaft durchzuführen. Aber wenn die ArbeiterInnen nicht so weit sind, dann haben die Arbeiterinnen doch auch noch nicht die Macht. Wenn die ArbeiterInnen nicht so weit sind, dann ist das vorallem ein Problem der Partei.
Beitrag:
Die Polemik gegen die Gleichmacherei finde ich in dieser Form völlig falsch und teils auch zynisch. „Die Kommunistische Partei und der Sowjetstaat verwirklichen das ökonomische Gesetz der Verteilung nach Arbeitsleistung in entschiedenem Kampf gegen die Tendenzen des Raffertums rückständiger Elemente wie auch gegen die kleinbürgerliche Gleichmacherei, das heißt gegen eine nivellierende Entlohnung der Arbeit unabhängig von ihrer Quantität und Qualität, von der Qualifikation der Werktätigen und von der Arbeitsproduktivität. Die Gleichmacherei ist ein Ausdruck der kleinbürgerlichen Auffassung vom Sozialismus im Sinne einer allgemeinen Gleichsetzung des Verbrauchs, der Lebensbedingungen, des Geschmacks und der Bedürfnisse. Sie fügt der Produktion großen Schaden zu und zieht Fluktuation der Arbeitskräfte, Rückgang der Arbeitsproduktivität und Nichterfüllung der Pläne nach sich.“ (S. 492)
Einigen wird ein „besserer Geschmack“ als anderen zugestanden? Der Lohn-Unterschied zwischen qualifizierten und unqualifizierten Arbeiter ist viel zu hoch.
Beitrag:
Im Verhältnis zwischen ökonomisch nicht entwickelten Ländern wie Kuba und der Sowjetunion, DDR etc. herrschten neokoloniale Zustände, da sie nicht den Aufbau der Schwerindustrie unterstützt haben, bzw. andere Alternativindustrien. Sie haben die Abhängigkeit gefestigt.
Antworten
Zum „sozialistischen Kolonialismus“:
Um den Sozialismus aus eigener Kraft aufzubauen ohne jede Hilfe, dazu sind eine gestählte kommunistische Partei und die breiten Massen, die dafür bereit sind zu kämpfen, notwendig. Das reicht aber nicht aus. Auch eine kommunistische Partei, die vorbildlich ist und sich auf die Massen stützt etc. kann den Sozialismus – auf die eigene Kraft vertrauend – nicht aufbauen, wenn die ökonomischen Voraussetzungen dafür fehlen.
Das heißt, wenn z.B. in einem Land die Grundlagen für den Aufbau einer eigenen Schwerindustrie mit den eigenen Kräften fehlen, können sie das nicht schaffen. Ohne Schwerindustrie kann sich die ganze Gesellschaft aber nicht ständig weiterentwickeln. In dem Sinne, können die immer weiter wachsenden Bedürfnisse, die materiellen und kulturellen Bedürfnisse des Volkes, nicht befriedigt werden. Das ist aber der Sozialismus.
Deswegen wurde in der Komintern in den 1920er Jahren diskutiert, was ist denn mit den Ländern, die aufgrund ihrer eigenen geografischen Voraussetzungen, Größe, Lage etc. das nicht bewerkstelligen können. Was ist mit diesen Ländern? Können sie überhaupt, ohne dass sie eine kapitalistische Phase, wo der Kapitalismus sich entwickelt etc. zum Sozialismus kommen?
Sie haben gesagt ja. Nur unter der einen Bedingung, wenn andere sozialistische Länder existieren und diese Länder direkt unterstützen – dann ist es möglich. Das heißt natürlich nicht, in diesen Ländern soll keine Revolution stattfinden, man soll nicht die Macht übernehmen etc. Aber den Sozialismus aufzubauen ist an Bedingungen geknüpft, ohne die das nicht zu schaffen ist.
Gehen wir von einem großen Land, wie z.B. Deutschland aus:
Wir übernehmen die Macht, enteignen die Großindustrie von heute auf morgen, dann verfügen wir über einen enormen Reichtum, den wir für den Aufbau des Sozialismus verwenden können. Eine richtige, internationalistische sozialistische Macht würde einen Teil dieses Reichtums auch dafür verwenden, dass in anderen Ländern die proletarische Sache vorangeht. Sie wird die Kräfte in anderen Ländern unterstützen, die für den Sozialismus kämpfen. Wenn es irgendein Land gibt, das ebenfalls den Sozialismus aufbaut, aber schwächer ist als sie, muss sie vor allem aus internationalistischem, d.h. auch aus dem eigenen Interesse heraus, dieses unterstützen, damit die weltweite kommunistische Bewegung und der Sozialismus sich entwickeln.
Um den Imperialismus international und „national“ maximal zu schwächen werden alle internationalen revolutionären Bewegungen unterstützt werden. Dafür müssen wir einen Teil unserer Mittel einsetzen. Das ist Internationalismus.
Allein schaffen wir es sowieso nicht zum Kommunismus zu kommen, das funktioniert einfach nicht. Also ist es unsere eigene Sache, die Revolution international mit aller Kraft voranzubringen. Auch in diesem Sinne werden wir alle Revolutionen– wenn wir an der Macht sind – mit aller Kraft unterstützen.
Das Maximale beim Aufbau des Sozialismus im eigenen Land und in der Unterstützung der kommunistischen Bewegung auf der ganzen Welt einzubringen, das ist was wir machen müssen. Wenn diese Unterstützung, die ein sozialistisches Land uneigennützig und internationalistisch einem sozialistischen oder demokratischen, kleineren Land gibt, nicht richtig gehandhabt wird und Abhängigkeiten schafft, dann ist das grundfalsch. Das heißt, die Hilfe die eine sozialistische Gesellschaft oder Macht anderen sozialistischen oder nichtsozialistischen, demokratischen Kräften bereitstellt, muss Hilfe zur Selbsthilfe sein.
Uneigennützig bedeutet nicht in den kleinen, bzw. früher neokolonial abhängigen Ländern Naturressourcen und Arbeitskraft auszubeuten und dafür Hilfe zu „gewähren“ etc.. Es kommt darauf an, ob die Macht, die diese Hilfe leistet, kommunistisch ist oder nicht. Wenn sie kommunistisch ist, schafft sie keine Abhängigkeiten.
Wenn sie nicht kommunistisch ist, kann sie natürlich zum Neokolonialismus, zur Umkehr im Namen des Sozialismus führen. Der Stärkere bestimmt – ich gebe dir das Geld und du machst, was ich dir sage. So läuft es im Kapitalismus. Unter den sozialistischen und demokratischen Ländern müssen in der Praxis die Prinzipien grundlegend anders sein.
Zentrale Planung – dezentrale Planung auf betrieblicher oder regionaler Ebene wie funktioniert das?
Eine zentrale sozialistische Planung ist notwendig. Sie schließt aber nicht aus, dass jeder Betrieb, jede Region, jede ökonomische Einheit des Landes, ihre eigenen Pläne entwickelt. Ideal ist es, wenn sich der Zentralplan auf regionale, betriebliche Pläne stützt. Die Planung sollte von unten nach oben erfolgen. Ist dies machbar – ja, es ist machbar.
Wenn KommunistInnen nicht bürokratisch denken und handeln, ist es vorrangig gemeinsam mit den Werktätigen, die die Planung in die Tat umsetzen werden, diese zu entwickeln und festzulegen.
Heutzutage ist das alles natürlich unendlich viel einfacher als damals. Durch die heutigen technologischen Möglichkeiten können wir alles zentralisieren und transparent machen.
Jeder Betrieb kann seine Planung machen und in der nächsten Sekunde zur zentralen Planungsstelle senden. Die zentrale Planungsstelle kann jederzeit, jede Sekunde, einen Betrieb darauf aufmerksam machen, in eurem Plan fehlt unserer Meinung nach das und das.
Die zentrale Planungskommission kann ihren Gesamtplan auf den einzelnen Plänen aufbauend entwickeln, ins Internet stellen und alle Werktätigen können, bevor beschlossen wird, diskutieren und ihre Vorschläge einbringen.
Das ist überhaupt kein Problem. Wenn man die Wichtigkeit sieht. Aber wenn man von vorneherein sagt, das wird zentral gemacht, und das demokratische kollektive Prinzip außen vor gelassen wird, dann ist das ein grundlegender Fehler schon in der Theorie, was sie hier vertreten. Wo schon bei der Planung die Rolle der Werktätigen auf die als rein Ausführende reduziert wird, nicht mehr und nicht weniger. Das ist falsch – das ist nicht sozialistisch.
Die Schwerindustrie ist die Grundlage. Was ist mit den Dienstleistungen, die immer bedeutender werden?
Dienstleistungen haben ein immer größeres Gewicht auf der Grundlage dessen, was produziert wird. Im Dienstleistungssektor wird kein Mehrwert produziert. Damit aber die Dienstleistung überhaupt existiert, muss die praktische Grundlage dafür da sein – die Produktion. Die Produktion der ganz normalen Güter. Nur da immer mehr produziert wird, nimmt der Dienstleistungssektor immer mehr zu. Das werden wir in den nächsten Kapiteln sehen. Die in der Produktion tätigen Werktätigen werden, je reicher die Gesellschaft wird, zahlenmäßig weniger. Das ist eine ganz normale Entwicklung. Dafür muss aber das, womit du arbeitest, produziert werden. Das ist die Schwerindustrie.
Zum Thema „nicht rechts und links schauen, sondern immer geradeaus gehen“:
Die Revolution ist entweder getragen von den werktätigen Massen oder sie ist keine Revolution. Wenn sie nicht bereit sind, den sozialistischen Weg zu gehen, können wir ihn zwar propagieren, ihn vorbereiten, aber wir können diesen Weg nicht gehen. Wir haben nicht die Wahl zu sagen, ja, wir gehen unseren Weg, … dann gehen wir alleine.
Wir sind heute ziemlich alleine. Wir sagen, das und das ist richtig, aber noch verstehen uns zu wenige und noch weniger organisieren sich heute. Da können wir den Sozialismus nicht aufbauen. Nur allein wir, das reicht nicht aus. Da ist das Problem. Was machen wir dann? Dann machen wir weiter. Wir sagen, das ist der richtige Weg. Wir lassen uns nicht darauf ein, so denken jetzt die Massen, also handeln wir nach den Massen. Nein.
Wir müssen den ArbeiterInnen sagen, momentan ist es leider so, dass ihr falsch denkt.
Der richtige Weg ist so. Wir müssen aber wissen, ohne diese Massen sind wir auch ein Nichts.
Also wir werden nichts verändern können, solange die Widersprüche sich nicht so verstärken, dass die Massen spontan handeln und kämpfen. Nach und nach gewinnen wir aber in den Klassenkämpfen diese Massen. Das ist der Weg.
Das Problem in dem Lehrbuch, ist folgendes: Die Verfasser sehen, die ArbeiterInnen und die Werktätigen sind noch nicht so weit, also machen wir einen Umweg. Das ist an sich nicht falsch. Aber sie geben das als Sozialismus aus, das ist der Fehler.
Lenin hat einen solchen Umweg gemacht und hat aber nicht gesagt, das ist Sozialismus. Warum hat er von der Neuen Ökonomischen Politik gesprochen und nicht von der kommunistischen oder sozialistischen? Weil wir bei dieser neuen NÖP fünf Wirtschaftsformen haben. Davon ist nur eine einzige sozialistisch. Und in diesem einen sozialistischen Bereich sind das einzige was kommunistisch ist – die Subbotniks. Das einzige, wo die Leute wirklich freiwillig für den Kommunismus gearbeitet haben.
Alles andere ist nicht kommunistisch, nicht sozialistisch. Das war aber das, was sie machen konnten – das hätten sie weiter machen müssen. Das haben sie aber nicht gemacht.
Sie haben gesagt, wir gehen zum Sozialismus über, wir haben gesiegt, ja, wir haben den vollständigen Sozialismus, und jetzt geht’s zum Kommunismus – das war aber nicht so. Sie hätten klar und offen feststellen müssen, Leute wir sind noch nicht so weit. Wir müssen weiter aufklären, Wissen vermitteln, Schritte machen … und sie haben ja auch unheimlich viel erreicht.
Nein im Lehrbuch äußern sich die, wie Stalin sagt, vom Erfolg Benebelten. Wir können alles, wir haben schon alles geschafft, … darauf haben sich die Revisionisten gestürzt und es verwendet. Das sind ihre Klasseninteressen. Es gibt Fehler der Marxisten und es gibt die Klasseninteressen der neuen Bourgeoisie.
Zu den Ergebnissen der Diskussion:
Am Ende dieser Diskussion wollen wir eine umfassende Analyse, ein zweibändiges Buch herausgeben. Wir wollen auch, dass es ein Parteidokument wird. Das soll nicht nur eine Diskussion zwischen Spezialisten sein, sondern die ganze Organisation wird das diskutiert haben und dahinterstehen. Im ersten Teil werden wir das Lehrbuch konkret bewerten, wie wir das bisher gemacht haben und unsere Kritiken, sowie die positiven Grundlagen darlegen. Im zweiten Teil wird das Wesentliche von dem Unwesentlichen getrennt und es werden unsere Thesen über die ökonomischen Ursachen der Restauration des Kapitalismus in den ehemaligen sozialistischen oder volksdemokratischen Ländern begründet.
In der ganzen Diskussion über den Plan, wird dann darin stehen: Also die Planung muss entsprechend marxistisch-leninistischer Kriterien so aussehen – sie hat aber so ausgesehen – als These. Was wir detailliert sagen, liegt dann vor.
Frage des sozialistischen Bewusstseins:
Wenn die ArbeiterInnen nicht so weit sind, dann hat die Kommunistische Partei ein Problem. Dann hat die KP die ArbeiterInnen noch nicht ausreichend für die richtige Idee gewonnen. Es ist nicht so, dass die ArbeiterInnen von sich aus sozialistisches Bewusstsein entwickeln. Die ArbeiterInnen haben eine objektive Klassenlage, und sind daher als Klasse dem Sozialismus spontan näher als alle anderen Klassen. Sozialismus ist ihr Klasseninteresse. Sozialismus ist die Ideologie und die Politik der ArbeiterInnenklasse und keine andere. Insofern ist es einfacher diese Politik, diese Ideologie an sie heranzubringen. Aber alleine werden ArbeiterInnen nicht sozialistisch werden. Dafür brauchen sie die Kommunistischer Arbeiterpartei.
Und wenn die Partei die Mehrheit der Klasse, die ArbeiterInnen nicht vom Sozialismus überzeugt hat und überzeugen konnte, wird es auch nicht zum sozialistischen Aufbau kommen. Je weniger die Partei die ArbeiterInnen überzeugt, desto länger wird es dauern.
Zur „Gleichmacherei“ kommen wir bei den nächsten Kapiteln.
Die Neue Ökonomische Politik bedeutet die Ersetzung der Ablieferungspflicht durch die Steuer, bedeutet den Übergang zur Wiederherstellung des Kapitalismus in beträchtlichem Ausmaß. In wie großem Ausmaß, das wissen wir nicht. Konzessionen an ausländische Kapitalisten, Verpachtung an Privatkapitalisten – das ist eben eine direkte Wiederherstellung des Kapitalismus, und das ist mit den Wurzeln der Neuen ökonomischen Politik verbunden. Denn die Aufhebung der Ablieferungspflicht bedeutet für die Bauern freien Handel mit den landwirtschaftlichen Überschüssen, die nicht durch die Steuer erfaßt sind, die Steuer aber erfaßt nur einen kleinen Teil der Produkte. Die Bauern bilden den übergroßen Teil der gesamten Bevölkerung und der gesamten Wirtschaft, und deshalb muß auf dem Boden dieses freien Handels der Kapitalismus unausbleiblich wachsen. (...) Und die Grundfrage besteht vom Standpunkt der Strategie in folgendem: Wer wird diese neue Lage schneller ausnutzen? Die ganze Frage ist, wem die Bauernschaft folgen wird – dem Proletariat, das bestrebt ist, die sozialistische Gesellschaft aufzubauen, oder dem Kapitalisten. (...) (S. 44/45) Und wir sagen, daß man jeden großen Zweig der Volkswirtschaft auf der persönlichen Interessiertheit aufbauen muß. Gemeinsame Beratung – aber persönliche Verantwortung. Die Unfähigkeit, diesen Grundsatz in die Tat umzusetzen, schadet uns auf Schritt und Tritt. Die ganze Neue ökonomische Politik erfordert, daß diese Trennung mit absoluter Schärfe, mit unbedingter Exaktheit durchgeführt wird. Als das Volk zu den neuen ökonomischen Verhältnissen überging, warf es sich aufs Diskutieren, was dabei herauskommen werde und wie man das auf neue Art anstellen müsse. Ohne eine Periode allgemeinen Diskutierens durchgemacht zu haben, konnte man mit nichts beginnen, denn Jahrzehnte- und jahrhundertelang hatte man dem Volk verboten, über irgend etwas seine Meinung zu sagen, die Revolution aber konnte sich nicht anders entwickeln als durch eine Periode allgemeiner universeller Versammlungen über alle Fragen. Das hat in vieler Hinsicht Verwirrung gestiftet. Das war so, das ist unvermeidlich, aber man muß sagen, daß das weiter gar nicht gefährlich ist. Wenn wir rechtzeitig auseinanderzuhalten lernen, was Sache des Diskutierens in Versammlungen und was Sache des Regierens ist, dann und nur dann werden wir erreichen können, daß die Sowjetrepublik auf der Höhe ist. Aber leider haben wir das noch nicht gelernt, und die meisten Kongresse verlaufen durchaus nicht in sachlicher Weise. Mit der Anzahl unserer Kongresse übertreffen wir alle Staaten der Welt. In keiner der demokratischen Republiken werden so viele Kongresse abgehalten wie bei uns, und sie können das auch gar nicht zulassen. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir in einem Lande leben, das große Verluste erlitten hat und sehr verarmt ist, und wir müssen die Menschen lehren, so zu diskutieren, daß dabei, wie schon gesagt, auseinandergehalten wird, was Sache des Diskutierens in Versammlungen und was Sache des Regierens ist. Mache Versammlungen, aber regiere ohne das geringste Schwanken, regiere mit festerer Hand, als vor dir der Kapitalist regiert hat. Sonst wirst du ihn nicht besiegen. Denke daran, daß die Regierung noch strenger, noch fester sein muß als früher. (S. 50/51) (Lenin, „Die NÖP und die Aufgaben der Ausschüsse für die politische, kulturelle Aufklärung“, 1921, Bd. 33) |
Wir dokumentieren in deutscher Übersetzung die Thesen der Bolschewistischen Partei (Nordkurdistan/Türkei) über die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion. (Bolşevik Partizan, Nr. 171/2015) Sie wurden auf ihrem 10. Kongress verabschiedet und sind eine gedrängte Zusammenfassung einer ausführlichen theoretischen Arbeit zu diesem Thema. Die Ergebnisse werden in absehbarer Zeit in Türkisch als Buch vorgelegt werden.
Thesen
der Bolschewistischen Partei
Restauration
des Kapitalismus
in
der Sowjetunion
Versuch
einer Gesamteinschätzung
1. Russland 2 unter Führung der Kommunistischen Partei Russlands (B) 3 ist bisher das einzige Land in dem, wenn auch nur über einen kurzen Zeitraum hinweg, die sozialistische Revolution gesiegt hat und die Diktatur des Proletariats errichtet wurde. Daher sind die Erfahrungen der Sowjetunion sowohl was den Aufbau des Sozialismus als auch die Restauration des Kapitalismus angeht, unser zentraler Ausgangspunkt in der Analyse. Für unseren heutigen Kampf ist es notwendig die Theorie und Praxis dieser gesellschaftlichen Prozesse in der Sowjetunion auszuwerten und daraus zu lernen.
2. Die nach dem zweiten Weltkrieg entstandenen volksdemokratischen Staaten 4 waren keine Diktaturen des Proletariats.
In diesen Ländern wurden die günstigen Bedingungen für den Übergang zur Diktatur des Proletariats nicht richtig eingeschätzt. Die marxistisch-leninistische Lehre von der Diktatur des Proletariats verfälschend wurde die Herrschaft der Volksdemokratien zu einer spezifischen Form der Diktatur des Proletariats erklärt. In der Volksrepublik China wurden zur Zeit der Großen Proletarischen Kulturrevolution radikale Schritte in Richtung des Übergangs zur Diktatur des Proletariats unternommen, aber der Übergang wurde letztendlich nicht geschafft.
3. Der erste Versuch der Diktatur des Proletariats, die Pariser Kommune 5 dauerte 72 Tage. Sie hat nur einige allgemeine Prinzipien und Maßnahmen zum Aufbau des Sozialismus proklamieren können. Aber die objektiven Bedingungen waren noch nicht ausgereift, um diese in die Tat umzusetzen und weiter anzuwenden.
4. Die Erfahrung des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion ist der bisher erste und einzige Versuch der Errichtung des Sozialismus, in einem sehr kurzen Zeitraum, der in der Menschheitsgeschichte nur einen Moment angedauert hat. Dieser Versuch konnte sich auf keine vorherige praktische Erfahrung, auch um aus Fehlern zu lernen, stützen. Alles musste in der Praxis mit der Methode, aus Versuchen und Irrtümern lernend, versucht und geprüft werden.
Der notwendige radikale Bruch und die Umwälzung der Gesellschaft in allen Lebens- und Arbeitsbereichen, an der ökonomischen Basis und im Überbau, in den Klassenbeziehungen, in allen menschlichen Beziehungen musste zum ersten Mal vorgenommen werden. Wie bei allem Neuem musste alles in der Praxis versucht, mit der Methode von Kritik und Selbstkritik, das Richtige das vorwärtstreibt herausgefunden und alles was nicht weiterbrachte, verworfen werden. Manchmal war es notwendig um vorwärts zu kommen, einige Schritte rückwärts zu gehen, andere Wege und Methoden zu finden und neu zu beginnen.
Bei dem ersten wirklichen Versuch der Umsetzung dieses weltgeschichtlichen Projektes einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und antagonistische Klassen, durch die ununterbrochene Revolution zum Kommunismus zu gelangen, waren Fehler und Unzulänglichkeiten, Irrwege und teilweise auch Abgründe unausweichlich.
5. In der Sowjetunion wurde die Diktatur des Proletariats sofort nach der Oktoberrevolution 1917 errichtet. Sie musste in ihren ersten Jahren einen Bürgerkrieg gegen die innere Reaktion, die die Unterstützung der imperialistischen Staaten hatte, führen. Der Kriegskommunismus in diesen Jahren war eine vorübergehende, aber notwendige Etappe, um die Macht aufrechtzuerhalten. Als die erwarteten sozialistischen Revolutionen in Westeuropa ausblieben, musste Russland beginnen alleine unter den Bedingungen der Umzingelung der imperialistisch-kapitalistischen Welt den Sozialismus in einem Land aufzubauen.
Die Diktatur des Proletariats hat in den ersten Jahren der Revolution die großen Produktionsmittel in Staatseigentum umgewandelt, hat die Großbourgeoisie und Grundherren enteignet, sie als Klassen liquidiert und hat hauptsächlich die ungelösten Aufgaben der demokratischen Revolution verwirklicht.
Nach dem Sieg im Bürgerkrieg war es notwendig zu einer Neuen Ökonomischen Politik (NÖP) überzugehen, um zu verhindern, dass die zahlreichen Bauernmassen, die kleine und mittlere Bourgeoisie in den Städten auf die Seite der Konterrevolution gegen die Diktatur des Proletariats überwechseln und um die materiellen Grundlagen des Sozialismus zu entwickeln.
Im Jahre 1929 wurde gegenüber den Kulaken, die auf dem Land die Klassenbasis der Konterrevolution bildeten, von der Politik der Begrenzung zur Politik der Liquidierung übergegangen. Diese Politik war im Grunde eine zweite Revolution, um die Bourgeoisie als Klasse zu vernichten.
Diese Revolution wurde 1934 mit der Liquidierung der Kulaken als Klasse erfolgreich beendet.
6. In der Sowjetunion wurde der Aufbau des Sozialismus unter der Diktatur des Proletariats in einem Lande, das von imperialistischen und reaktionären Ländern umzingelt war, unter schwierigsten Bedingungen angepackt. Es wurden bei der Lösung dieser gigantischen Aufgabe sehr große Erfolge erzielt.
Die Erfahrung der Errichtung des Sozialismus in der Sowjetunion hat folgendes gezeigt: Unter der Diktatur des Proletariats ist es trotz aller Mängel und Fehler möglich die Lebensbedingungen der ArbeiterInnen und Werktätigen in allen Bereichen grundlegend zu verändern; es ist möglich enorme positive Veränderungen für die ArbeiterInnen und Werktätigen zu erkämpfen. Nicht eine einzige spätere Entwicklung, keine „Restauration“ konnte und kann diese außerordentlichen Errungenschaften aus der Welt schaffen oder vergessen lassen.
Auch die in den Volksdemokratien unter der Führung des Proletariats erzielten Erfolge zugunsten der ArbeiterInnen und Werktätigen sind unvergleichlich grösser als alle möglichen Erfolge unter irgendeiner bürgerlichen Herrschaft.
7. Die Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion, die nach der Oktoberrevolution 1917 errichtet wurde, ist eine Diktatur, in der die Kommunistische Partei (Bolschewistische Partei), die die Vorhut des Proletariats in ihren Reihen vereinigt und das Bündnis des Proletariats mit der armen Bauernschaft praktisch verwirklicht hat, die politische Herrschaft mit keiner anderen Partei sich geteilt hat. Die Bolschewistische Partei ist die führende, leitende politische Kraft dieser Diktatur.
8. Die Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion wurde mit der Machtübernahme der Bourgeoisie in Persona des Chruschtschow-Revisionismus in der KPdSU(B) und in dem gesamten durch sie geführten Staats-und Wirtschaftsapparat zu Fall gebracht. Die Herrschaft des Revisionismus ist die Herrschaft der Bourgeoisie. Wo der Revisionismus, d.h. die Bourgeoisie an der Macht ist, kann nicht von der Diktatur des Proletariats, nicht vom Sozialismus die Rede sein. Die von den Revisionisten so genannten Länder des „Realen Sozialismus“ sind in Wirklichkeit mit einer sozialistischen Maske getarnte sozialfaschistische Diktaturen eines neuen Typs der Bourgeoisie, der bürokratisch-technokratischen Staatsbourgeoisie.
9. Die vollständige Machtübernahme des Chruschtschow-Revisionismus in der Sowjetunion wurde auf dem 20. Parteitag der KPdSU offen und offiziell verkündet. Die Bedeutung dieses Parteitages liegt darin begründet, eine vollständig ausgereifte, in sich schlüssige, revisionistische Linie offiziell mit der ganzen Autorität des Parteikongresses zur Parteilinie zu deklarieren.
10. Der Revisionismus in der KPdSU ist nicht durch den 20. Parteitag von einem Tag zum anderen, zur Herrschaft gelangt. Dieses Datum ist nur die offizielle und öffentliche Absegnung dieser Herrschaft. Die Geschichte der Bolschewistischen Partei ist von vorneherein auch eine Geschichte des Kampfes gegen Opportunismus und Revisionismus. Der Revisionismus hat sich bereits schon in den Jahren des sozialistischen Aufbaus unter der Führung Stalins in verschiedenen Formen manifestiert. Der Revisionismus äußerte sich ab Mitte der 1930er Jahre, als in unterschiedlichen Bereichen, die politische Verteidigung der Partikularinteressen der kleinen Bauern sowie der Schicht der entarteten Leiter in den Staatsbetrieben und Kollektivwirtschaften, als auch der Eigeninteressen der privilegierten Partei- und Staatsbürokraten unter der Maske der Verteidigung des Sozialismus, aufkamen. Gegen diese revisionistischen Ideen und ihre Träger wurde in den dreißiger und vierziger Jahren ein ständiger ideologischer und politischer Kampf geführt. In diesen Kämpfen wurden in den Methoden teilweise nicht zu unterschätzende Fehler gemacht. Diese Fehler in der Methode haben den Revisionisten günstige Gelegenheiten geboten, hinter denen sie sich gut verstecken konnten. Anfang der 1950er Jahre hatte der Revisionismus in der Partei schon viele wichtige Stellungen erobert.
11. Dabei spielten sowohl die ungeheuer großen Verluste von Kadern der Partei im zweiten Weltkrieg, als auch die euphorische Stimmung, der durch den erfolgreichen Wiederaufbau entstandenen Atmosphäre, „der Sozialismus hat endgültig gesiegt, eine Restauration des Kapitalismus ist unmöglich“ eine ausschlaggebende Rolle. Wie gefährlich und falsch diese Stimmung war, beweisen die Ausführungen über die Lage in der Partei im 19. Parteitagsbericht im Jahr 1952 ganz offen und deutlich. Die Gefahr des Revisionismus in der Partei war bereits sehr weit gediehen.
12. Der Tod Stalins (März 1953) setzte die einzige und letzte Bremse vor der Machtübernahme der Revisionisten außer Kraft. In der Sitzung des Zentralkomitees nach Stalins Tod im Juli 1953 konnten die Chruschtschowrevisionisten in der ökonomischen Politik einige Beschlüsse durchsetzen, gegen die Stalin persönlich in seinen Beiträgen zur Diskussion über „die ökonomischen Probleme des Sozialismus“ offen polemisiert hatte. Zum Beispiel der Beschluss der den Weg der Auflösung der MTS (Maschinen-Traktoren-Stationen) frei machte und der Beschluss, der die Vorrangigkeit der Entwicklung der Schwerindustrie zu einer konjunkturellen Frage herabminderte. Vieles belegt, dass die Revisionisten schon in den letzten Lebensjahren Stalins in der Partei die Mehrheit hatten. Die Präsenz Stalins, der eine gerechtfertigte enorme Autorität in der KPdSU(B) und in der Kommunistischen Weltbewegung hatte, war der Faktor, der die Durchsetzung der revisionistischen Linie schon zu seinen Lebzeiten als Parteilinie verhinderte.6
13. Dies wiederum zeigt, dass in den Jahren 1953-1954 ein bedeutender Teil von Mitgliedern der KPdSU KommunistInnen waren, die die marxistisch-leninistische Lehre nicht verinnerlicht hatten; dass ein Großteil der Parteimitglieder nicht imstande war zwischen den marxistisch-leninistischen und revisionistischen Ansichten, die unter dem Etikett des Marxismus-Leninismus verteidigt wurde, zu unterscheiden, und gegen den Revisionismus anzukämpfen. So konnten die revisionistischen Ideen, ohne großen Widerstand in der Partei durchgesetzt und zur Parteilinie ausgebaut werden. Wenn die Vorhutorganisation, sich in einem solchen Zustand befand, ist klar, der Sozialismus in der Sowjetunion war auch noch nicht von den ArbeiterInnen und werktätigen Massen verinnerlicht, und war noch nicht sehr weit entwickelt. Wenn das Schicksal der Existenz oder Nichtexistenz des Sozialismus von einer Person abhängt, war und ist es falsch, zu behaupten, der Sozialismus sei fest unter den ArbeiterInnen und werktätigen Massen so verankert, dass die sozialistischen Ordnung so stabil sei, dass eine Rückkehr ausgeschlossen ist.
14. In dieser Situation spielte auch der Personenkult um den Namen und die Persönlichkeit Stalins eine herausragende Rolle. Das wahre Gesicht der Revisionisten, die die eifrigsten Produzenten und Verteidiger dieses Personenkultes um Stalin waren und sich dahinter versteckten, haben viele aufrichtige KommunistInnen, viele Arbeiterinnen und Arbeiter, viele Werktätige, die wirklich den Sozialismus wollten, nicht erkannt. Der Personenkult ist ein Übel der alten Ausbeutergesellschaften. Die Revisionisten, die auf dem 20. Parteitag als Vorkämpfer gegen den Personenkult auftraten, um den Marxismus-Leninismus anzugreifen, waren vorher die eifrigsten Produzenten und Verteidiger des Personenkultes gewesen. Der Kampf der Marxisten-Leninisten und vor allem Stalins gegen diesen Kult in der KPdSU(B), war nicht ausreichend und nicht erfolgreich. Die Gefahren in dieser Frage wurden nicht genügend gesehen, sondern unterschätzt.
15. Der wichtigste theoretische, politische Fehler der Marxisten-Leninisten war die großen Erfolge Mitte der 1930er Jahre, (die tatsächliche Liquidierung der Ausbeuterklassen der alten Gesellschaft als Klasse), als die Vernichtung der „letzten Quellen einer Restauration des Kapitalismus“ 5 zu bewerten. Dies bedeutete eine enorme Geringschätzung oder überhaupt die Nicht-Beachtung der ökonomischen, ideologischen und politischen Gefahren, die von der noch vorhandenen Kleinproduktion, von der sich in den „persönlichen Nebenwirtschaften“ in den Kollektiven entwickelnden Kleinproduktion, und von der Eigentumsform der Kolchose, der Gruppeneigentumsform, ausgingen.
Darüber hinaus wird in dieser Sichtweise die Frage der Restauration, ausschließlich als eine Frage des Zurückkommens der als Klasse liquidierten Ausbeuterklassen der alten Gesellschaft an die Macht gesehen. Die Gefahr der Entstehung einer neuen Bourgeoisie, die sich zu einer neuen Klasse entwickeln kann, wird nicht erkannt. Die „Rückkehr“ in der Sowjetunion, die Restauration des Kapitalismus, verlief eben nicht in der Form des Zurückkehrens der entmachteten, liquidierten alten Bourgeoisie an die Macht, sondern in der Form, der Machtübernahme eines neuen Typus der Bourgeoisie, die sich innerhalb der neuen sozialistischen Gesellschaft herausgebildet hatte.
16. Das entscheidende Merkmal dieser neuen Bourgeoisie, im Vergleich zur Bourgeoisie in den alten kapitalistischen Gesellschaften, die Privateigentum an Produktionsmitteln besitzt, und dadurch imstande ist, das Proletariat und die Werktätigen auszubeuten, ist, dass sie kein Privateigentum an Produktionsmitteln besitzt. Die Ausbeutung der Werktätigen durch diese neue Bourgeoisie läuft nicht mittels Privateigentum an den Produktionsmitteln, des Kaufs der Lohnarbeit und der Aneignung des Mehrwerts. Die neue Bourgeoisie, die Bürokraten und Technokraten erhalten vom Anschein her, wie alle anderen Werktätigen der Gesellschaft, einen Anteil am gesellschaftlichen Reichtum gemäß ihrer Arbeit. Was sie von den übrigen Werktätigen grundlegend unterscheidet, ist ihre Führungs- und Entscheidungsposition. Sie bestimmen darüber wie das gesellschaftliche Eigentum verwendet wird. Sie haben de facto die Verfügungsgewalt über dieses. Sie sind diejenigen, die letztendlich darüber entscheiden, was und wie und wie viel produziert wird und wie das gesellschaftliche Produkt verteilt wird. Ihre bestimmende Position über das gesellschaftliche Eigentum unterscheidet sie von dem Rest der anderen Schichten der Gesellschaft.
In einer noch nicht weit entwickelten sozialistischen Gesellschaft, die neu aus der kapitalistischen Gesellschaft entsteht und sich neu formiert, in der die sozialistische Demokratie noch nicht weit entwickelt ist, in der die sozialistischen, kommunistischen Ideen noch nicht verinnerlicht worden sind, (das ist eine Sache, die in einer neuen, aus der kapitalistischen Gesellschaft kommenden sozialistischen Gesellschaft in einigen Generationen sowieso nicht möglich ist, sondern sehr viel länger Zeit braucht) sind alle Bedingungen gegeben, dass diese Schicht ihre Position für die eigenen Interessen und für die eigene Bereicherung ausnutzt.
In diesem Falle entsteht eine bürokratisch-technokratische Staatsbourgeoisie, die zwar kein Privateigentum an den Produktionsmitteln besitzt, aber sich das Zehn- bis Hundertfache eines normalen Werktätigen vom gesellschaftlichen Reichtum als „Lohn“ nimmt, dazu Privilegien besitzt und diese immer weiter ausbaut. Diese Schicht der Gesellschaft, ist was ihren Anteil am gesellschaftlichen Reichtum und was ihre Lebensweise betrifft, grundsätzlich nicht anders als die Bourgeoisie in den kapitalistischen Ländern. Diese neue bürokratisch-technokratische Staatsbourgeoisie verwendet die Partei und den Staat für die eigenen Interessen. Der moderne Revisionismus ist ihre Ideologie und Politik.
17. Klassenbasis der Restauration in der Ökonomie der Sowjetunion:
In der Industrie:
– Die Betriebsdirektoren in den Staatsbetrieben, die durch die „Direktorenfonds“, über die sie alleine bestimmen und damit über enorm große ökonomische Fonds verfügen, die große Privilegien genießen, die imstande sind gesellschaftlichen Reichtum und Privilegien zu verteilen;
-ihre Gefolgsleute, die Leitungsebene der Verwaltungsbürokratie in den staatlichen Betrieben; die Gruppenleiter in der Produktion, die im Falle der Planerfüllung und -übererfüllung enorme Prämien kassieren. Die meisten sind neue technokratische „Sowjetintellektuelle“, die aus der Arbeiterklasse stammen, sich „hochgearbeitet“ haben, und in der Produktion die Kontrollfunktionen ausüben.
In der Landwirtschaft:
– Die Vorsitzenden bzw. die Leiter von Sowchosen und vor allem Kolchosen, die über enorme gesellschaftliche Fonds, mit gewissen Einschränkungen allein bestimmen können, nach dem Leitungsprinzip der „Einzelleitung“, ihre Helfer;
– die in den Kolchosen in den „persönlichen Höfen der Kollektivbauern“ sich ständig ausbreitende Kleinproduktion und das Privateigentum; neben diesen, die noch nicht vollständig liquidierte kleine Privatproduktion und das Privateigentum.
Im Dienstleistungs- und Finanzsektor:
Die Leiter der staatlichen Dienstleistungsbetriebe sind sowohl durch ihre bestimmende Position als auch durch den Anteil, den sie sich vom gesellschaftlichen Reichtum aneignen, und durch ihre Privilegien, Teil der Bourgeoisie neuen Typus. Im Finanzsektor herrscht das Staatsmonopol. Die Leitungsebene aller Staatsbanken, die über große Befugnisse verfügt, ist ein Teil der bürokratisch-technokratischen Staatsbourgeoisie neuen Typus. Innerhalb der Schicht der Bürokraten und Technokraten sind bestimmt auch einige, die sich nicht korrumpieren ließen, sie sind natürlich kein Teil dieser neuen Bourgeoisie. Leider ist es so, dass sie ab einem bestimmten Punkt in der Entwicklung zur Minderheit wurden.
18. Dieser neue Typus der Bourgeoisie braucht also kein Privateigentum an Produktionsmitteln. Aber sie wendet sich auch nicht prinzipiell gegen das kleine und mittlere Privateigentum an Produktionsmitteln, solange sie die Unterstützung der Klein- und Mittelproduzenten benötigt. Langfristig wird aber, solange bewusst die Liquidierung des Privateigentums an den Produktionsmitteln nicht auf die Tagesordnung gestellt und durchgesetzt wird, der Kapitalismus, der auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln beruht, sich neben dem Staatskapitalismus entwickeln, ständig vergrößern und durchsetzen.
Nachbemerkung Trotz Alledem:
Wir sind uns bewusst, dass Thesen natürlich nicht alle Fragen beantworten und ausführlich begründen können. Es geht um das Wesentliche. In türkischer Sprache liegt diesen Thesen eine 50 Seiten umfassende Einschätzung „Frage der Abkehr vom Sozialismus“ zugrunde. Wir schlagen BP vor aus dieser Schrift noch zentrale Kritikpunkte in die Thesen mit aufzunehmen. Dadurch würden grundlegende Fehler und Fehlentwicklungen beim Aufbau des Sozialismus und Ursachen für die Restauration konkret stärker verdeutlich.
Ausdrücklich eingefügt werden soll, dass die grundlegende ökonomische Struktur des Revisionismus an der Macht der Staatskapitalismus ist und die neue bürgerliche Klasse im Staat, in der Partei und in den Staatsbetrieben sowohl in der Industrie wie in der Landwirtschaft entsteht.
Weiter sollte auch ergänzt werden: Im Lehrbuch werden grundlegende Merkmale des Sozialismus, als Übergangsgesellschaft zum Kommunismus, die noch behaftet sind mit Strukturen des Kapitalismus, nicht als solche bewusst gemacht. So wird in der Verfassung der UdSSR die Existenz des genossenschaftlichen Eigentums, das Gruppeneigentum ist, sowie persönliches Eigentum einschließt, als „gesellschaftlich sozialistisches Eigentum“, als „heilig und unantastbar“ hingestellt. Damit werden Einschränkungen, Kompromisse, Mängel, Zugeständnisse, die notgedrungen beim Aufbau des Sozialismus vorübergehend vorgenommen wurden, als Verwirklichung des Sozialismus und Kommunismus hingestellt. Persönliches und Gruppeneigentummüssen aber bewusst in der Phase des Übergangs vom Sozialismus zum Kommunismus bekämpft, aufgehoben und verändert werden. In diesem Fehler liegt eine ökonomische und ideologische Wurzel des modernen Revisionismus.
Das äußert sich auch in der oft unzulässigen Gleichsetzung von Sozialismus und Kommunismus. Dabei werden häufig die entscheidenden Unterschiede, und damit auch die daraus folgenden Aufgabenstellungen in der jeweiligen Etappe verwischt, und das Endziel des Kommunismus und seine Wesensmerkmale einfach über Bord geworfen. Beim Aufbau des Sozialismus wurde nicht ausreichend das Bewusstsein geschaffen, dass die Existenz von Warenproduktion und Wertgesetz vorübergehend ist und beides im Kommunismus aufgehoben werden muss.
In einer These sollte auf die Organisationsformen der Wirtschaft und des Staates der Diktatur des Proletariats eingegangen werden. Die Einschränkung und spätere Aufhebung der kollektiven Leitung, die Ausdruck der proletarischen Demokratie ist, in allen ökonomischen Bereichen der Gesellschaft war nicht richtig. Die Staats- und Landwirtschaftsbetriebe wurden zunehmend und fast ausschließlich über die „persönliche Einzelleitung“ geführt und nicht von „Kollektiven“. Das steht im Widerspruch zur marxistischen Theorie.
1Lenin, „Siebenter Parteitag der KPR(B), Referat über Krieg und Frieden“, 1918, Bd. 27, S. 77
2später Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR)
3später Kommunistische Partei der Sowjetunion (Bolschewiki) (KPdSU(B))
4Folgende Volksdemokratien entstanden: Deutsche Demokratische Republik, Tschechoslowakei, Ungarn, Albanien, Bulgarien, Rumänien, China. Anmerkung Trotz alledem
5Die Pariser Kommune, von Karl Marx und Friedrich Engels enthusiastisch begrüßt, existierte zwischen dem 18. März und dem 28. Mai 1871. Anmerkung Trotz alledem
6„Politische Ökonomie, Lehrbuch“, S. 410