Proletarische Streitkultur:

Keine Angst vor Kritik – Bereitschaft zur Selbstkritik!

Offene und öffentliche Debatte über strittige Fragen! Keine Angst vor Polemik!

In der Kommunistischen Weltbewegung wird eine Debatte darüber geführt, wie marxistisch-leninistische Parteien und Organisationen, die in Bündnissen oder internationalen Organisationen wie ICOR zusammenarbeiten oder die in Geschwisterbeziehungen zueinander stehen, bei strittigen Fragen miteinander umgehen. Praktisch wird teilweise sogar von Organisationen, die sich auf den Marxismus-Leninismus berufen, mit Verboten und Zensur auf andere Organisationen reagiert, wenn diese eine offene Kritik an ihren Positionen vorbringen.
Ein Beispiel davon haben wir anlässlich des diesjährigen 17.Internationalen Pfingstjugendtreffens (PJT) zwischen dem 23.-25.Mai 2015 erlebt.
Wir waren als Trotz alledem! aktiv in der Vorbereitung des PJT als Trägerorganisation seit November 2014 mit einem Vertreter im Zentralen Koordinierungsausschuss (ZKA) präsent. Ende April wurde auf Antrag eines Vertreters der MLPD mit einer großen Mehrheit der ZKA Mitglieder eine Zensurmaßnahme gegen Trotz Alledem! verhängt. Wir waren in der Minderheit. Als Regel und Voraussetzung für unsere Teilnahme am PJT wurde festgelegt, dass bestimmte Ausgaben unserer Zeitschrift TA und unserer „Themenbroschüren für den Kommunismus“ in denen Positionen der MLPD kritisiert werden, auf dem PJT nicht verteilt/verkauft werden dürfen. Auch eine mündliche Diskussion über diese Fragen wurde uns verboten. Diese Zensur wurde dann noch vom Vorbereitungskomitee der Zukunftsdemonstration übernommen und uns mitgeteilt.
Dies war und ist unserer Meinung nach eine mit dem Marxismus-Leninismus und Kommunismus nicht zu vereinbarende antidemokratische, ja revisionistische Haltung, die auf eine tiefe Angst vor offener und öffentlicher Kritik hinweist.
Es ist aber leider keine singuläre Haltung einer Partei oder einer sich demokratisch-revolutionär nennenden Bündnisorganisation wie das PJT, sondern eine ziemlich verbreitete Haltung. Etliche revolutionäre Organisation verwenden, wenn sie sich dazu imstande sehen, Verbote und Zensur gegen Kritiker an ihrer Politik. Begründet werden diese Maßnahmen mit vielerlei „Argumenten“.
Die häufigsten sind:
Die Kritik wird einfach als „Verleumdung“ oder „verleumderischer Angriff“ erklärt.
Die Einheit der Aktion sei durch Kritik gefährdet.
Die Kritik unter befreundeten Organisationen oder in Bündnissen gehöre nicht in die Öffentlichkeit, sondern darüber soll nur in „bilateralen Beratungen“ gesprochen werden.
Durch „verleumderische Kritik“ werde die Einheit der Bewegung in Gefahr gebracht.
Offene Kritik in der Bewegung würde vom Feind, der Bourgeoisie, Feind gegen die RevolutionärInnen ausgenutzt.
All diese Argumente sind unserer Meinung nach Scheinargumente, die zur Ablehnung einer offenen und öffentlichen Debatte unter den sich auf den Marxismus-Leninismus berufenden Organisationen dienen.
Dabei sind die offene und öffentliche Debatte über strittige Fragen, die Polemik über wirkliche oder vermeintliche Fehler und Widersprüche sowie die Kritik und Selbstkritik lebensnotwendige Kriterien der Entwicklung einer jeden revolutionären Organisation.
Ob eine Kritik ein „verleumderischer Angriff“ oder aber eine freundschaftliche Hilfe zur Überwindung eines Fehlers ist, das sollen nicht die „Zensoren“, sondern die RevolutionärInnen und ArbeiterInnen selbst entscheiden. Daher sollen sie auch die Gelegenheit bekommen diese Kritik zu kennen. Durch „Zensur“ und „Verbote“ wird ihnen diese Möglichkeit genommen und sie werden als nicht fähig angesehen, das zu beurteilen. Das ist ein Ausdruck der Unterschätzung und Missachtung der ArbeiterInnen und linken Bewegung.
Wie kommt es dazu, dass Zensur gegen Kritik in revolutionären Kreisen – sogar noch im Namen des Marxismus-Leninismus – verteidigt werden kann?
Bis der moderne Revisionismus sich in der kommunistischen Weltbewegung durchgesetzt hatte, war die Antwort der sich auf den Marxismus-Leninismus berufenden Organisationen eindeutig. Es gab keine Verbote und keine Zensur gegen Kritik. Wenn es die gab, dann immer von opportunistischen Leuten, die Kritik als Gefahr für ihre Herrschaft sahen.
Marx und Engels haben in ihrem gesamten politischen Wirken gegen alle fehlerhaften Strömungen in der Arbeiterbewegung scharfe Polemiken geführt. Die Adressaten der Kritik wurden meist offen benannt und öffentlich ihre falschen Theorien und Politik zurückgewiesen.
Der Abschnitt des „Manifestes der Kommunistischen Partei “ mit dem Titel „Sozialistische und Kommunistische Literatur“ ist ein eindrücklicher Beleg dieser Haltung. Die Methode von Marx hob Lenin später positiv hervor: „Marx gehörte nicht zu jenen Pedanten und Philistern der Revolution, die in revolutionären geschichtlichen Augenblicken nichts so sehr fürchten wie eine ‚Polemik‘“. (Hervorh. TA)[1]
Lenin wurde oft aufgrund seiner scharfen Polemik gegen Fehler als Spalter gerügt. Er war nicht für eine Einheit auf Kosten des Marxismus. Sein Kampf für die Einheit war immer verbunden mit dem Kampf gegen Opportunismus und Revisionismus bzw. gegen opportunistische und revisionistische Fehler und Abweichungen in der Partei und in der Arbeiterbewegung. Er verfocht theoretisch und praktisch das Prinzip: „Die Einheit ist eine große Sache und eine große Losung! Doch die Arbeitersache braucht die Einheit unter den Marxisten, nicht aber die Einheit der Marxisten mit den Gegnern und Verfälschern des Marxismus.“[2]
Für ihn war die revolutionäre Öffentlichkeit ein Gegenmittel zu vermeidbaren Spaltungen: „Breite Öffentlichkeit – das ist das sicherste und das einzig zuverlässige Mittel, um Spaltungen, die vermieden werden können, zu vermeiden, und um den Schaden der Spaltungen, die bereits unvermeidlich geworden sind, auf ein Minimum herabzumindern“.[3]
Gegenüber dem Argument „öffentliche Diskussionen über Meinungsunterschiede würden dem Feinde nutzen“ stellte er unmissverständlich klar: „Wir dürfen unsere Fehler nicht verheimlichen, weil der Feind das ausnutzen könnte. Wer das fürchtet ist kein Revolutionär. Im Gegenteil, wenn wir den Arbeitern offen sagen: ‚Ja wir haben Fehler gemacht’, so bedeutet das, daß wir sie das nächste Mal nicht wiederholen.“[4]
Er führte auch in der internationalen Arena gegen Fehler anderer Parteien und Führer offen und öffentlich Polemiken und brachte Kritiken vor:
„Die Fehler der deutschen Führer müssen wir furchtlos und offen kritisieren, wenn wir dem Geist von Marx treu bleiben und den russischen Sozialisten helfen wollen, den gegenwärtigen Aufgaben der Arbeiterbewegung gerecht zu werden. (…) Wir dürfen diese Fehler nicht verbergen, sondern müssen an ihrem Beispiel zeigen, daß die russischen Sozialdemokraten lernen müssen, sie zu vermeiden, daß sie den höheren Anforderungen des revolutionären Marxismus gerecht werden müssen.“[5]
Sein grundlegendes Werk „Der „linke“ Radikalismus – eine Kinderkrankheit des Kommunismus“ ist eine umfangreiche politische Auseinandersetzung und Kritik über, seiner Meinung nach, falsche Positionen und Abweichungen innerhalb der neu gegründeten III.Kommunistischen Internationale.
Stalin, Mitstreiter Lenins, führte in seinem politischen Leben und Wirken gegen die Fehler in der KPRusslands (später der KPdSU(B)) immer einen offenen und öffentlichen ideologischen Kampf. Für ihn war offene und öffentliche Kritik und Selbstkritik die Hauptmethode um vorwärts zu kommen.
In seiner Schrift „Über die Grundlagen des Leninismus“ betont er: „Manche sagen, es sei für die Partei gefährlich, die eigenen Fehler aufzudecken und Selbstkritik zu üben, da das vom Gegner gegen die Partei des Proletariats ausgenutzt werden könne. Lenin hielt solche Einwände für unernst und völlig falsch. Schon im Jahre 1904, als unsere Partei noch schwach und unbedeutend war, schrieb er darüber in seiner Schrift ‚Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück‘: ‚Sie (das heißt die Gegner der Marxisten J. St.) feixen und sind schadenfroh über unsere Streitigkeiten; sie werden sich natürlich bemühen, einzelne Stellen aus meiner Broschüre, die den Mängeln und Unzulänglichkeiten unserer Partei gewidmet ist, für ihre Zwecke aus dem Zusammenhang zu reißen.
Die russischen Sozialdemokraten haben bereits genügend im Kugelregen der Schlachten gestanden, um sich durch diese Nadelstiche nicht beirren zu lassen, um dessenungeachtet ihre Arbeit - Selbstkritik und rücksichtslose Enthüllung der eigenen Mängel- fortzusetzen, die durch das Wachstum der Arbeiterbewegung unbedingt und unvermeidlich ihre Überwindung finden werden.“[6]
Die offene und öffentliche Debatte war praktisch bis in die zweite Hälfte der 1950er Jahre in allen Kommunistischen Parteien und in der internationalen kommunistischen Bewegung die Regel.[7][8][9]
Dafür sind in den Dokumenten der einzelnen Parteien und in den Publikationen der Kommunistischen Internationalen (KI) zahllose Beispiele zu finden. Die Protokolle der KI-Kongresse, der EKKI (Exekutiv Komitee der Komintern)-Tagungen, viele Schriften von Mao, von Dimitroff, Thälmann etc. sind beredte Dokumente dieser Herangehensweise. Zum Beispiel Mao Zedong: „Weil wir dem Volk dienen, fürchten wir nicht, daß man, wenn wir Mängel haben, uns darauf hinweist und kritisiert. Jedermann darf uns darauf hinweisen, wer immer es auch sei. Insofern sein Hinweis richtig ist, sind wir bereit, unsere Mängel zu korrigieren. Wenn sein Vorschlag dem Volk zum Wohle gereicht, werden wir danach handeln.“7
Diese Haltung veränderte sich grundlegend mit der Vorherrschaft des modernen Revisionismus in der kommunistischen Weltbewegung. In den Dokumenten der 1957 und 1960er Erklärungen8 tauchte auf einmal ein neues „Prinzip“ auf. Im „Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung“ der KP China wird dieses Prinzip folgendermaßen erklärt:
In der Moskauer Deklaration von 1957 und in der Moskauer Erklärung von 1960 sind die Prinzipien für die Beziehungen zwischen Bruderparteien und Bruderländern festgelegt, nämlich: das Prinzip der Solidarität; das Prinzip des gegenseitigen Beistands und der gegenseitigen Hilfe; das Prinzip der Selbstständigkeit und Gleichberechtigung; und das Prinzip, Einmütigkeit durch Beratungen zu erreichen – all das auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus und des proletarischen Internationalismus.“ (Hervorh. TA)9
Mit dem „Prinzip, Einmütigkeit durch Beratungen zu erreichen“ wurde die offene und öffentliche Debatte praktisch ad acta gelegt; oder erst dann für zulässig erklärt, wenn eine Partei oder Person als Klassenfeind angesehen wird. Das ist die theoretische Grundlage des heutigen Übels in der revolutionären Bewegung:
„Einmütigkeit durch Beratungen zu erreichen“ als Prinzip aufzustellen und solange die offene und öffentliche Kritik als feindlichen Akt zu deklarieren, und mit Verboten und Zensur dagegen anzugehen, war und ist purer Opportunismus.
Im weiteren Verlauf der „Großen Polemik“ zwischen der KPdSU und der KP China sowie der Partei der Arbeit Albaniens in den 1960er und 1970er Jahren hielten letztere an den falschen Positionen der 1957 und 1960 Erklärungen fest. Somit traten sie der revisionistischen Politik der Chruschtschowrevisionisten nicht entschieden genug entgegen. Anstatt das Prinzip der öffentlichen und offenen Debatte zu verteidigen, setzten auch sie auf die Beratungen und Konsultationen hinter verschlossenen Türen und kritisierten Chruschtschow, er habe sie zur „offenen Polemik“ gezwungen. Bis heute ist diese Frage in der kommunistischen Weltbewegung nicht ausreichend geklärt.
Offene, öffentliche Kritik und Auseinandersetzung in der kommunistischen Bewegung:
In der internationalen Debatte „Über das Selbstbestimmungsrecht der Nationen“ polemisiert Lenin in einer Broschüre gleichen Titels insbesondere gegen grundfalsche Positionen Rosa Luxemburgs, auf die sich führende Opportunisten u.a. in Russland beriefen. Für Lenin ist die Auseinandersetzung mit der Marxistin Rosa zentral im Selbstverständigungsprozess der internationalen Arbeiterbewegung.
Wir wollen einige Beispiel seiner Methode der Kritik sowie Einordnung von Rosas Auffassungen anführen. Sie demonstrieren nachdrücklich, dass für KommunistInnen offene, polemische Kritik nichts mit Verleumdungen etc. zu tun hat. Die Wertschätzung Lenins für Rosa wurde in keinster Weise durch eine scharfe und kritische Auseinandersetzung beeinträchtigt. Im Gegenteil für Lenin, wie für viele bedeutende Marxisten-Leninisten der 3.Internationale, war es selbstverständlich, in der Sache um den richtigen Weg hart zu streiten, bei gleichzeitigem, gemeinsamem Klassenkampf gegen den Weltimperialismus.
„Weit verwunderlicher ist es, daß Rosa Luxemburg, die viel darüber deklamiert, daß der betreffende Paragraph abstrakt und metaphysisch sei, sich selbst gerade dieser Sünde schuldig macht und ins Abstrakte und Metaphysische abgleitet. Gerade Rosa Luxemburg verliert sich ständig in allgemeinen Betrachtungen über die Selbstbestimmung (selbst bis zu höchst ergötzlichem Spintisieren darüber, wie man wohl den Willen der Nation in Erfahrung bringen könne), ohne irgendwo klar und präzis die Frage zu stellen (…)“. (Lenin, „Über das Selbstbestimmungsrecht der Nationen“, 1914, Bd. 20, S.398)
Rosas fehlerhafte Polemik gegen Kautsky charakterisiert Lenin so: „das ist ein lächerliches, kindisches Klugtun, denn mit der Sache selbst hat all das nicht das geringste zu tun.“ (S.401) Und weiter: „Offenbar, erwidern wir, wollte Rosa Luxemburg in ihrem Artikel eine Sammlung logischer Fehler liefern, die sich für Lehrübungen von Gymnasiasten eignen. Denn die Tirade Rosa Luxemburgs ist von A bis Z Unsinn und ein Hohn auf eine historisch konkrete Fragestellung. (S.407)
Die Gesamtbewertung der Schrift Rosas durch Lenin lautet: „Die völlige Ignorierung dieses Unterschieds macht denn auch den überaus langen Artikel Rosa Luxemburgs zu einem Haufen leerer, inhaltsloser Gemeinplätze.“ (S.408)
Die verheerenden politischen Konsequenzen von Rosas Positionen spricht Lenin offen und direkt an: „Aus Furcht, der nationalistischen Bourgeoisie Polens zu ‚helfen‘, unterstützt Rosa Luxemburg dadurch, daß sie das Recht auf Lostrennung im Programm der Marxisten Rußlands verneint, in Wirklichkeit die großrussischen Schwarzhunderter. Sie trägt in Wirklichkeit zur opportunistischen Aussöhnung mit den Privilegien (und mit Schlimmerem als den Privilegien) der Großrussen bei.“ (S.415) und geht noch weiter: „denn es erweist sich, daß Rosa Luxemburg aus Furcht vor dem Nationalismus der Bourgeoisie der unterdrückten Nationen in Wirklichkeit dem Nationalismus der großrussischen Schwarzhunderter in die Hände spielt!“ (S.418)
1922 formuliert Lenin bespielhaft den notwendigen kritischen und selbstkritischen Umgang von Marxisten-Leninisten untereinander, wenn er seine Grundhaltung gegenüber der herausragenden KommunistIn Luxemburg verdeutlicht. Zunächst führt er Rosas Fehler in verschiedenen Politikfeldern an, um dann zu sagen: „Aber trotz all dieser Fehler war sie und bleibt sie ein Adler, und nicht nur die Erinnerung an sie wird den Kommunisten der ganzen Welt immer teuer sein, sondern ihre Biographie und die vollständige Ausgabe ihrer Werke… werden eine sehr nützliche Lehre sein bei der Erziehung vieler Generationen von Kommunisten der ganze Welt.“ („Notizen eines Publizisten“, Bd. 33, S.194)
In unserem Flugblatt zur Zukunftsdemonstration sind Auszüge aus den Erklärungen des ZKA und unsere Antworten dokumentiert. Interessierte LeserInnen können auch den ganzen Briefwechsel über die Zensurfrage erhalten. Wir haben dieses Flugblatt breit auf der Auftaktveranstaltung zur Zukunftsdemo verteilt, obwohl die Demoveranstalter uns das untersagt hatten. Viele TeilnehmerInnen reagierten interessiert, aber auch nach kurzer Debatte sehr irritiert über das Vorgehen des ZKA. Traurig aber wahr: Das Flugblatt hatten wir an das ZKA und alle darin vertretenen Trägerorganisationen wie Solidarität International, Courage Frauenverband, MLPD etc. am 1.Juni 2015 mit einem Anschreiben gemailt, worin wir sie zu einer Antwort aufforderten. Bis heute hat sich keine der Organisationen gemeldet. MLPD‘ler, die wir aus der konkreten Arbeit kennen, reagierten u.a. so: „Davon haben wir nichts gehört, aber das kann doch nicht wahr sein.“ Migrantenorganisationen, die am PJT teilnahmen, aber nicht im ZKA vertreten waren, distanzierten sich in Debatten von dem Vorgehen gegen uns. Aber sie haben das bisher, soweit wir wissen, nicht öffentlich getan. Wir fordern alle RevolutionärInnen und KommunistInnen auf, sich mit der Zensur durch die Organisatoren des PJT auseinanderzusetzen und Position zu beziehen. Diese Methoden sind undemokratisch, bürokratisch und nicht sozialistisch. Es geht um nicht weniger als das demokratische Recht auf Kritik und Auseinandersetzung. Solidarität und revolutionärer Kampf ist unmöglich ohne Kritik und Selbstkritik!
 
zusammen kämpfen + zusammen diskutieren!



GEGEN ZENSUR AUF DEM 17. PFINGSTJUGENDTREFFEN!

Erklärung von Trotz Alledem! (Zeitung für den Aufbau der Bolschewistischen Partei Deutschland)
Wir sind leider durch einen falschen Beschluss des Zentralen Koordinierungsausschusses des 17. Pfingstjugendtreffens gezwungen folgende Erklärung an die TeilnehmerInnen der Demonstration und des PJTs abzugeben.
Trotz alledem! (Zeitung für den Aufbau der Bolschewistischen Partei Deutschland) hat sich bisher an verschiedenen Pfingstjugendtreffen mit einem Infostand beteiligt. 2013 haben wir am 16.PJT als Trägerorganisation an der Vorbereitung teilgenommen. In unserem Zelt hatten wir zwei erfolgreiche und spannende Workshops durchgeführt: „18.Mai 1973 – 18.Mai 2013 Vor 40Jahren vom türkischen Staat ermordet: Ibrahim Kaypakkaya“ und „Nazi-NSU Mordserie & Staat. Schlamperei oder System?“.
Auch am 17.PJT 2015 hat Trotz alledem! wieder als Trägerorganisation mitgemacht und aktiv im „Zentralen Koordinierungsausschuss“ (ZKA) im Rahmen unserer Kräfte mitgearbeitet. Als eigene Beiträge haben wir einen Info­stand und zwei Veranstaltungen angemeldet:
„100Jahre Völkermord: Internationale Solidarität mit dem armenischen Volk!“, Kinder-Jugendtheaterstück: „Das betrogene Volk“, armenische Lieder, über Deutschlands Verantwortung, Bericht „Gedenken in Armenien2015.“ und „Pegida, Islamophobie, Rassismus auf dem Vormarsch! Antifa 2015: Gemeinsam Antworten geben – Wie verstärken wir den Kampf?“
Leider hat die Mehrheit des ZKA am 29.April einen Beschluss gefasst, der praktisch den Ausschluss von Trotz alledem! vom 17.Pfingstjugendtreffen bedeutet.
Was ist passiert?
Wir haben bereits 1997/1998 in unserer Zeitung Trotz alledem! (Nr.5 und 11) unsere Kritik an dem Buch der MLPD „Lehre von der Denkweise“ veröffentlicht. In unserer Broschürenreihe „Alles lernen! Nichts vergessen“ haben wir die deutschen Übersetzungen von „Kritische Randnotizen zu dem Buch ‚Götterdämmerung über der neuen Weltordnung‘ “ (2013); „Kritische Randnotizen zu dem Buch ‚Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution‘“ und „Kritische Randnotizen zu dem Buch ‚Katastrophenalarm‘“. (2015) von Bolşevik Partizan, Nordkurdistan/Türkei gedruckt. In unserer Trotz alledem! (Nr.68, Dezember 2014) mit dem Schwerpunkt „Rojava“, haben wir die Forderung der MLPD an die deutsche Bundesregierung für Waffenlieferungen an Rojava kritisiert.
Das ZKA behauptet in seinem Beschluss, diese Kritiken seien Verleumdungen, Verfälschungen und Diskriminierungen der Positionen der MLPD und das widerspreche den „Grundsätzen des Pfingstjugendtreffens und der solidarischen Zusammenarbeit sowie demokratischen Streitkultur im Bündnis. (…) Wir verlangen von ‚Trotz alledem‘, ihre gegen die MLPD gerichteten Schriften nicht auf dem Pfingstjugendtreffen zu verbreiten und auch keine dementsprechenden Stellungnahmen abzugeben. Andernfalls ist nach unseren Grundsätzen eine weitere Mitarbeit im Bündnis und eine Teilnahme am Pfingstjugendtreffen nicht möglich.“
Wir, Trotz alledem! wollten auf dem 17. Pfingstjugendtreffen unsere Verantwortung als Trägerorganisation und Mitveranstalter nachkommen, Gemeinschaftsaufgaben mit erfüllen, Veranstaltungen organisieren, Broschüren und Zeitungen auf unserem Infostand anbieten sowie an den Diskussionsveranstaltungen teilnehmen. Das ist alles. Mit dem ZKA Beschluss wurde uns all das verboten, das sei mit den Prinzipien des PJT nicht vereinbar! Warum wird uns das verboten? Warum wird vom ZKA versucht uns die Meinungsfreiheit zu nehmen?
Das ZKA führt als einen Grund die Kritiken von Trotz alledem! an dem Buch „Denkweise“ von Stefan Engel an. In seinem Buch „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“ (S.40 ff und S.142ff), beantwortet Engel selbst einige Kritiken von Trotz alledem! an seinem Buch „Denkweise“. Auch wenn er unsere Kritiken falsch und teilweise entstellend zurückweist, ist für uns die offene Debatte über unterschiedliche Positionen die richtige Form der politischen Auseinandersetzung zwischen linken, sozialistischen Organisationen.
Zensur und Verbote sind undemokratisch und völlig abzulehnen.
Warum wird die Kritik von Bolşevik Partizan an dem Buch „Katastrophenalarm“ vom ZKA nicht als ein konstruktiver Debattenbeitrag angesehen? Wir, Trotz alledem! haben im Vorwort der Broschüre geschrieben: „Wir veröffentlichen die ‚Kritischen Randnotizen‘ um die notwendige Diskussion in der revolutionären Bewegung zu bereichern und voranzutreiben.“ Stefan Engel kritisiert zum Bespiel selbst, dass sich die Rote Fahne (Zentralorgan der MLPD) in der Strategiedebatte über das Buch „Katastrophenalarm!“ „mit den zahlreichen Einwänden, Fragen und Gegenargumenten ungenügend befasst“. (RF6/15, S.13) Aber die „Gegenmeinung“, die TA veröffentlicht hat, soll zensiert werden?
Zur Begründung des ZKA Beschlusses werden inhaltliche Positionen von Trotz alledem! falsch dargelegt, aus dem Zusammenhang gerissen und nur in Wortfetzen wiedergegeben. Ein Beispiel (ZKA Brief vom 29.April):
„So wird in einem mehrseitigen Artikel ‚Solidarität mit Rojava‘ die in der Solidaritätsbewegung verbreitete und von der MLPD vertretene Forderung nach ‚Waffenlieferungen für die PKK und YPG‘ attackiert und die absurde Behauptung aufgestellt, die MLPD würde ‚auf die deutschen Imperialisten setzen‘.“ In der Trotz alledem! heißt es hingegen: „Unsere Aufgabe heute in der BRD ist, die Werktätigen aufzurufen, Geld zu spenden, auch um Waffen für Rojava zu erwerben, aber nicht auf die deutschen Imperialisten zu setzen“. (Nr. 68, S.16)
Kritik und Solidarität schließen sich NICHT aus!
Gegen Zensur - für proletarische Streitkultur!
In Berlin lief an jedem 1.Mai der letzten fünf Jahre eine Auseinandersetzung um den Stand der MLPD auf dem Mai-Fest des DGB. Die MLPD hat jedes Mal einen Antrag auf Teilnahme gestellt und der DGB lehnte ab. Trotzdem hat die MLPD ihren Stand aufgebaut und SympathisantInnen von Trotz alledem! haben gemeinsam mit anderen gewerkschaftskritischen Gruppen die MLPD gegen den DGB verteidigt und geschützt. Mit den Argumenten: Es ist ein demokratisches Recht, dass alle linken, revolutionären und demokratischen Gruppen hier ihre Agitation und Propaganda betreiben können. Also, obwohl wir keineswegs dieselbe politische Linie wie die MLPD vertreten und etliche Kritiken haben, verteidigen wir sie natürlich als linke Organisation gegen die bürgerlichen Angriffe des DGB-Apparates. Überall wo versucht wird der MLPD ihre Agitation und Propaganda zu verbieten, werden wir ihr Recht darauf verteidigen.
Ein weiteres Beispiel: Auf der Demo gegen das PKK-Verbot in Köln (06.12.2014) verboten die Organisatoren den MLPD-Lautsprecherwagen. Zu Recht wendet sich Monika Gärtner-Engel (MLPD) dagegen: „Ausgerechnet auf einer Demo gegen das Verbot der revolutionären PKK wird versucht die revolutionäre MLPD zu unterdrücken. … Die Unterdrücker blieben bei ihrer spalterischen Zensurpolitik gegenüber der MLPD.“ (RF50/2014, S.17)
Nun wird mit dem ZKA Beschluss vom 29.April die Agitation und Propaganda von Trotz alledem! auf dem 17.PJT zensiert und die Verbreitung kritischer Artikel bzw. Äußerungen über die Politik der MLPD verboten!
Dies ist ein fundamentaler Widerspruch und ein doppelter Standard!
Wir können in diesem Flugblatt nicht die gesamte Auseinandersetzung zwischen dem ZKA und Trotz alledem! dokumentieren. Das werden wir nach dem 17.PJT machen. Damit alle interessierten Jugendlichen und RevolutionärInnen sich selbst ein Gesamtbild machen können. Hier nur Auszüge.
Dokumentiert:
Brief des ZKA an Trotz alledem!, 30.April 2015
Wir hatten gestern im ZKA eine wichtige Auseinandersetzung, bezüglich der Grundsätze des Pfingstjugendtreffens und der solidarischen Zusammenarbeit sowie demokratischen Streitkultur im Bündnis. Dabei haben wir folgenden Beschluss gefasst, den wir Euch hiermit mitteilen und erläutern:
Wir verlangen von „Trotz alledem“, ihre gegen die MLPD gerichteten Schriften nicht auf dem Pfingstjugendtreffen zu verbreiten und auch keine dementsprechenden Stellungnahmen abzugeben. Andernfalls ist nach unseren Grundsätzen eine weitere Mitarbeit im Bündnis und eine Teilnahme am Pfingstjugendtreffen nicht möglich. Wir fordern euch auf, bis zum 9.5. zu erklären, ob ihr euch an den Beschluss haltet, oder andernfalls nicht mehr mitarbeiten wollt (…)
Begründung: In den Grundsätzen des 17. internationalen Pfingstjugendtreffens heißt es: „Wir finanzieren und organisieren das Pfingstjugendtreffen selbst, arbeiten gleichberechtigt, demokratisch und überparteilich zusammen, Mädchen und Jungs gemeinsam. Wir streiten uns solidarisch und feiern ohne Drogen und Alkoholmissbrauch.“
Dazu gehört, dass man sich gegenseitig respektiert und öffentliche Angriffe auf beteiligte Kräfte nicht zulässig sind, wie es in fortschrittlichen Aktionseinheiten üblich ist. (...)
Der Stil in der Zeitung „TA“ ist eine völlig unsachliche Diskriminierung der MLPD. So wird in einem mehrseitigen Artikel „Solidarität mit Rojava“ die in der Solidaritätsbewegung verbreitete und von der MLPD vertretene Forderung nach „Waffenlieferungen für die PKK und YPG“ attackiert und die absurde Behauptung aufgestellt, die MLPD würde „auf die deutschen Imperialisten setzen“ und eine „antifaschistische Einheitsfront über den deutschen bis zum US-Imperialismus“ entdecken. Jeder Internationalist weiß, dass diese Behauptungen jeder Grundlage entbehren. Sie haben keinen anderen Zweck, als die MLPD zu verleumden nach dem Motto „irgendwas wird schon hängenbleiben“. Das kann nicht der Stil auf dem Pfingstjugendtreffen sein.
Auch dieser Artikel liegt auf der von „Trotz alledem“ seit Jahren verfolgten Linie, die MLPD öffentlich zu diskriminieren. So wurde das international anerkannte Buch „Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung“ auf primitivstem Niveau verunglimpft als „eine einzige trübe, graue Suppe, die uns die MLPD auftischt.“
Jetzt wird eine Broschüre beworben mit dem Titel „Kritische Randnotizen zu dem Buch von Stefan Engel ‚Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?‘‘ Dieses Buch ist in zahlreichen Ländern verbreitet und hilft umweltbewussten Menschen eine Lösung zu finden gegen die drohende globale Umweltkatastrophe und hat bereits die internationale Strategiedebatte um diese existenzielle Frage ausgelöst bzw. entschieden gefördert. Aber „Trotz alledem“ hat nichts besseres zu tun, als dieses Buch und die darin vertretenen Positionen zu verfälschen und dann zu diffamieren.
Dokumentiert:
Brief Trotz alledem! an den ZKA, 3.Mai 2015
(…) wird Trotz alledem! angeklagt und unterstellt, eine Organisation des Bündnisses, die MLPD zu „verleumden“. Motiv sei eine „unsachliche Diskriminierung“ der MLPD. Ziel von Trotz alledem! sei die „MLPD zu verleumden“ sowie „Positionen zu verfälschen und dann zu diffamieren“. Das trifft nicht zu. Wir führen eine ideologische und politische Auseinandersetzung, die um den richtigen Weg für die politische Linie in der kommunistischen Weltbewegung und in der BRD streitet. Und wir führen sie, unserer Meinung nach in der Tradition des Marxismus-Leninismus, natürlich teilweise auch polemisch zuspitzend. Kritik und Selbstkritik ist eine der entscheidenden Waffen der KommunistInnen in der politischen Auseinandersetzung.
Kritik abzuwehren, abzuwürgen und zu unterdrücken ist die Hauptmethode der Bourgeoisie bzw. der modernen Revisionisten. (…)
Das ist ein klarer Beschluss des ZKA dafür, der MLPD nicht genehme, politische Positionen und Kritiken auf dem PJT zu verbieten und zu zensieren. Die Zensur betrifft nicht nur die Zeitschriften und Broschüren von Trotz alledem! Nein, der ZKA verbietet den GenossInnen von Trotz alledem: „keine dementsprechenden Stellungnahmen abzugeben“. Das heißt in der Praxis wird jegliche Kritik (schriftliche und mündliche) an Positionen der MLPD, die sie als Verleumdung und Angriff wertet, verboten.
Was wird angedroht um diese Zensur durchzusetzen? Sollten wir, GenossInnen von Trotz alledem! auf dem PJT unsere Kritiken und Bedenken an politischen Positionen der MLPD vorbringen, bzw. unsere Publikationen auslegen, können wir weder am Bündnis noch überhaupt am PJT teilnehmen.
Das heißt: Trotz alledem! wird faktisch vom Bündnis und von der Teilnahme am PJT ausgeschlossen werden.
Welche revolutionäre Organisation lässt sich in einem solidarischen und gleichberechtigten, sowie „überparteilichen“ Bündnis von der Mehrheit verbieten, die eigene politische Meinung, die auch Kritik an teilnehmenden Organisationen beinhaltet, zu äußern sowie die eigenen Publikationen zu vertreiben?
Dieses Vorgehen widerspricht jeder demokratischen, proletarischen, revolutionären Streitkultur.
Wir werden auf keinen Fall an einer Veranstaltung als Trägerorganisation, Mitorganisator etc. teilnehmen, wo es eine Zensur von und ein Verbot gegen revolutionäre Agitation und Propaganda gibt.
Freudinnen und Freunde, wir rufen euch auf, überdenkt eure Position!
Auf einem, zu recht breit gefächerten PJT, wo politische Strömungen wie sogar Sozialdemokraten, Pazifisten und bürgerliche Liberale vertreten sind, wollt ihr einer revolutionären Organisation den Mund und den Vertrieb ihrer Publikationen verbieten?
Wir fordern euch, den ZKA eindrücklich auf, diesen Beschluss selbstkritisch zu überdenken und unbedingt zurückzunehmen. Das schadet der revolutionären und fortschrittlichen Bewegung. Kritik und Auseinandersetzung sind das Lebenselixier der revolutionären ArbeiterInnenbewegung. Wenn die Kritiken von Trotz alledem! als falsch und ungerechtfertigt angesehen werden, sollte darüber diskutiert und sie mit Argumenten zurückgewiesen werden, wie bei allen anderen politischen Äußerungen auch. (…)
Kinder und Jugendliche aus unserem Umfeld haben für das PJT 2015 ein Theaterstück zum Völkermord an den Armeniern mit viel Engagement und Freude vorbereitet. Sie haben bereits 2013 am PJT teilgenommen. Welche Wirkung wird auf sie die Androhung haben, wenn wir auf unserem Recht bestehen frei unsere politische revolutionäre Meinung zu sagen, vom PJT und aus dem Bündnis ausgeschlossen zu werden? Überdenkt die politischen Auswirkungen eines solchen Vorgehens!“
 

[1]     Lenin, „Die nationale Frage in unserem Programm“, 1903, Bd. 6, S. 455
[2]     Lenin, „Einheit“, 1914, Bd. 20, S. 228
[3]     Lenin, „Brief an die Redaktion der ‚Iskra‘“, 1903, Bd. 7, S. 107
[4]     Lenin, „Rede zur Verteidigung der Taktik der Kommunistischen Internationale“, 1921, Bd. 32, S. 500
[5]     Lenin, „Vorwort zur Broschüre Woinows (A.W. Lunatscharskis) über das Verhältnis der Partei zu den Gewerkschaften“, 1907, Bd. 13, S. 161
[6]     Stalin, „Über die Grundlagen des Leninismus“, 1924, Bd. 6, S. 77-78
[7]     Mao Zedong, „Dem Volke dienen!“, 1944, Ausgewählte Werke Bd. III, S. 205
[8]     Die „Beratungen der kommunistischen und Arbeiterparteien 1957 und 1960 in Moskau“, waren internationale Treffen, unter Beteiligung der KPdSU, der KP China und der Partei der Arbeit Albanien, auf denen der Kampf zwischen den modernen Revisionisten und den marxistisch-leninistischen Kräften entbrannte.
[9]     „Ein Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung, Punkt 22“, Die Polemik über die Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung, 1965, S. 47, Oberbaumverlag