Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion

Vorbemerkung Wir führen seit längerer Zeit eine intensive Auseinandersetzung mit Bolşevik Partizan über die Ursachen der Restauration des Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern. Im Rahmen einer ersten intensiven Schulung haben wir gemeinsam den Abschnitt „Die sozialistische Produktionsweise“ des Lehrbuchs „Politische Ökonomie“ debattiert. Wir veröffentlichen hier die Ergebnisse. Ein/e GenossIn referierte anhand des jeweiligen Kapitels des Lehrbuches, die in den bisherigen Diskussionen in unseren Organisationen festgestellten Probleme, Kritiken und Fragestellungen. Zu diesen Vorträgen wurden weitergehende Fragen aufgeworfen und Diskussionsbeiträge gemacht.Im folgenden Text beziehen sich die Jahresangaben zu den unterschiedlichen Ausgaben des Lehrbuchs der Politischen Ökonomie auf das russische Original.

 Teil VI Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion - Was tun im Sozialismus?

Lehrbuch: Dritter Abschnitt –
Die sozialistische Produktionsweise

Das sozialistische System der Volkswirtschaft

Kapitel XXXI „Die Warenproduktion, das Wertgesetz und das Geld im Sozialismus”

und

Kapitel XXXII „Der Arbeitslohn im Sozialismus”

Referat

Kapitel XXXI – „Die Warenproduktion,
das Wertgesetz und das Geld im Sozialismus”

Warenproduktion, Wertgesetz und Geld im Sozialismus werden im Laufe der Entwicklung des Sozialismus abgeschafft. Das Wertgesetz und das Wirken des Wertgesetzes ist dadurch begründet, dass es Warenproduktion gibt. D.h. jede/r Produzent/in produziert für den Markt. Ob die Waren, das Produkt dann verwirklicht wird oder nicht, bestimmt der Markt. Das ist das Wirken des Wertgesetzes. Warenproduktion existiert in allen Gesellschaften. Diese hat aber im Kapitalismus einen allgemeingültigen Charakter. Geld ist ein Mittel des Tausches der Waren. Wenn die Warenproduktion allgemeingültig wird, dann ist auch die Geldwirtschaft allgemeingültig, weil man etwas braucht, womit man den Tausch verschiedener Werte miteinander durchführen kann – dies ist das Geld. Der entwickelte Sozialismus braucht kein Geld, braucht keine Warenproduktion und kein Wertgesetz. Wir benötigen im entwickelten Sozialismus, in dem die Gesellschaft zum Kommunismus übergeht hinsichtlich des Tausches der Produkte kein Mittel, das zwischen den Produkten kommt, sondern es findet ein Tausch der Produkte statt. Und zwar dahingehend, dass tatsächlich die ArbeiterInnen, die Werktätigen nur einen Schein haben, auf dem steht: Es wurden so und so viele Stunden gearbeitet. Es gibt auch zwischen den verschiedenen Tätigkeiten keine wesentlichen Unterschiede mehr, was den Wert der Arbeit betrifft. Es steht nicht auf dem Schein, er/sie hat diese Arbeit gemacht, sondern er/sie hat vier Stunden gearbeitet. Mehr nicht. Jede Stunde Arbeit ist gleichwertig. Auf dem Produkt steht z.B. Schuhe – zehn Minuten Arbeit; Brot – 30Sekunden Arbeit etc. Das ist der Tausch, das ist der Produktetausch. Bevor man diese Ebene erreicht hat, kann man nicht zum Kommunismus übergehen. Wo der Mensch selbst sagt, das ist mein Bedürfnis, ich nehme das. Das ist die Zukunft des Wertgesetzes, des Geldes und der Warenproduktion im Sozialismus. Das muss in einem Buch der politischen Ökonomie des Sozialismus vorneweg stehen. Aber was steht in dem Buch der politischen Ökonomie über den Sozialismus. Der erste Satz lautet folgendermaßen:

Die Notwendigkeit der Warenproduktion im Sozialismus und ihre Besonderheiten. Die Notwendigkeit der Warenproduktion im Sozialismus entspringt der Existenz der beiden Grundformen der sozialistischen Produktion: der staatlichen und der kollektivwirtschaftlichen Form.“1 Die Warenproduktion entspricht der Existenz der zwei Formen des gemeinschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln. Von diesen zwei Formen wissen wir, dass eine der Formen verfassungsmäßig von der Sowjetunion für ewig erklärt wurde. D.h. es gibt ewig Warenproduktion im Sozialismus. D.h. wiederum wir kommen nie zum Kommunismus. Das ist die theoretische Grundlage des Revisionismus. Und dies in einem Lehrbuch der politischen Ökonomie.

Es stimmt, dass die Existenz der beiden Formen die Abschaffung des Wertgesetzes der Warenproduktion etc. unmöglich macht. Genau das muss man aber auch sagen und nicht umgekehrt. Diese wird es im Sozialismus noch geben, weil sie erst im Sozialismus nach der Schaffung der ökonomischen Grundlagen aufgehoben werden können. Wenn die Existenz der Warenproduktion jedoch auch noch für die Ewigkeit festgeschrieben wird, dann ist es mit dem Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus gelaufen. Zudem bilden im Sozialismus nicht nur zwei Formen des gemeinschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln die Grundlage der Ökonomie, sondern es existiert auch noch die Kleinproduktion in dieser sozialistischen Gesellschaft. Diese gerät völlig unter die Räder, was einfach den Tatsachen nicht entspricht. Im Jahr 1937 hat die KPdSU(B) festgestellt, dass sechsProzent der Produktionsmittel sich in privater Hand befinden. Ebenso wissen wir, um die Existenz von Privateigentum und Warenproduktion in der zweiten Form des gemeinschaftlichen Eigentums.

Ein anderes Problem in diesem Kapitel ist, ob KommunistInnen im Sozialismus mit den Begriffen des Kapitalismus hantieren sollen. Zu dieser Problematik hat Stalin in den Gesprächen mit den Ökonomie-Wissenschaftlern gefordert, die Begriffe der kapitalistischen Gesellschaft geben unsere Wirklichkeit nicht wieder, daher müssen wir neue finden.

Was auch stimmt, z.B. das Wort Arbeiterklasse. Was macht die Arbeiterklasse im Kapitalismus aus? Sie muss ihre Arbeitskraft verkaufen, sich ausbeuten lassen, um ihr Leben zu fristen. Sie verfügt über keine Produktionsmittel. Diese sind in der Hand von Privatpersonen und Privatgesellschaften. Die Arbeiterklasse im Sozialismus – was ist das für eine Arbeiterklasse? Es ist eine ganz andere Arbeiterklasse, die an der Macht ist. Praktisch werden die ArbeiterInnen nicht mehr von Privatkapitalisten ausgebeutet – das ist Fakt. Sie arbeiten und sie schaffen mehr Wert als den sie durch Lohn zurückbekommen. Aber dieser „Mehrwert“ ist nicht gleichzusetzen mit dem Profit des Kapitalisten, sondern dieses „Mehr“ gehört der ganzen Gesellschaft, das heißt zugleich auch ihnen selbst. In Form von Gesundheitswesen, Nahverkehr, Sportplätzen, Kulturstätten, etc. etc.

Mit den Begriffen Proletariat und Arbeiterklasse können wir nicht viel anfangen im Sozialismus. Genauso wie Bauernschaft, Intelligenz und ebenfalls genauso wie z.B. mit dem Begriff Wertgesetz. Denn letzteres gilt ja nicht mehr so, wie es unter kapitalistischen Bedingungen gegolten hatte. Der Tausch der Produkte der staatlichen Betriebe ist nicht dem Wertgesetz unterstellt. Die staatlichen Betriebe produzieren und tauschen die Produkte untereinander nicht auf der Grundlage des Wertgesetzes aus. Es ist kein Produkteaustausch der gleichen Werte – das macht das Wertgesetz aus. Sie produzieren gegenseitig das Nötige des anderen. Genauso ist es mit der Ware.

Was ist im Sozialismus ‚Ware‘? Die meisten Güter werden in Staatsbetrieben produziert. Das sind aber nicht automatisch Waren. Das, was produziert wird, wird nicht produziert, um auf dem freien Markt verkauft zu werden. Der Preis der Produkte wird nicht durch die Marktgesetze bestimmt, sondern vom Staat selbst. Der Staat kann praktisch sagen, ich verkaufe das Brot– wenn wir uns kapitalistisch ausdrücken – unter dem Produktionswert. Das haben sie auch getan. Alle notwendigen Nahrungsmittel wurden subventioniert und damit unter Wert verkauft. Sie konnten das machen. Denn durch die Enteignung der Kapitalisten haben sie einen unwahrscheinlich großen Reichtum für die Gesellschaft genommen, und konnten diesen im Volk verteilen.

Mit den Begriffen des Kapitalismus kann die sozialistische Wirklichkeit nicht wiedergegeben werden. Deshalb müssen wir neue Begriffe finden. Das hatte bereits Stalin vorgeschlagen, aber leider wurde das nicht umgesetzt. Wir sehen an dem Lehrbuch, dass die Wissenschaftler, Ökonomen und Politiker nach wie vor mit den alten Begriffen des Kapitalismus, eine neue Wirklichkeit zu erklären versuchten. Was natürlich schiefgehen musste. Eine neue Wirklichkeit mit den alten Begriffen des Kapitalismus zu erklären, hat auch die Funktion, das Neue im Prinzip auch in Begriffen untergehen zu lassen. Das ist das zweite Problem dieses Kapitels.


Kapitel XXXII
„Der Arbeitslohn im Sozialismus”

Das ist eines der wichtigsten Kapitel und meiner Meinung nach auch der problematischste Teil in diesem Lehrbuch. In diesem Kapitel wird sich sehr viel damit beschäftigt, die Notwendigkeit der Existenz von Lohn­unterschieden im Sozialismus zu begründen und zu rechtfertigen. Diese Unterschiede sind beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus erst einmal ganz natürlich. Aber es wird vor allem gegen die Gleichmacherei gekämpft. Der Hauptkampf in diesem Teil des Buches ist gegen Gleichmacherei. Würden wir ein Lehrbuch der politischen Ökonomie des Sozialismus schreiben, würden wir als Marxisten-Leninisten folgendes voranstellen:

Die Lohnunterschiede im Sozialismus sind ein Überbleibsel des Kapitalismus. Im Laufe des Sozialismus müssen wir im Prozess der Entwicklung des Sozialismus diese nach und nach abbauen. Wenn die Lohnunterschiede im Sozialismus immer weiter existieren, dann werden sie nicht zu einer Gesellschaft der Gleichheit, sondern zu einer Gesellschaft der Ungleichheit führen. Marx‘ Analyse des Kapitalismus hat als eine zentrale Grundlage für die Macht der Kapitalisten, die von ihnen geschürte Konkurrenz der ArbeiterInnen untereinander herausgestellt. Lohnunterschiede sind eine Grundlage dieser Konkurrenz. Wenn die Arbeiterklasse als eine Klasse wirklich handeln würde, wenn die Arbeiterklasse unter sich die Konkurrenz begraben würde und als ein Mann/eine Frau gegen den Kapitalisten auftreten würde, dann könnte sie alles durchsetzen. Die Grundlage der Existenz der Bourgeoisie ist die Ausbeutung der Arbeiterklasse. Wenn die Arbeiterklasse sagt, ich arbeite nicht, wenn der Kapitalist das und das nicht macht und als Klasse auftritt, wäre die Macht der Bourgeoisie am Ende. Diesen Mechanismus erklärt Marx im Kommunistischen Manifest. Das heißt, eine sozialistische Lohnpolitik müsste die zu Beginn des Sozialismus auf jeden Fall noch existierenden und eine ziemlich lange Zeit auch weiterexistierenden Lohnunterschiede im Laufe der Zeit abbauen. Das ist eine sozialistische Lohnpolitik. Wie die KommunistInnen das machen.

Eine sozialistische Lohnpolitik müsste:

a) jedem/r Werktätigen, der/die in der untersten Lohnstufe arbeitet, einen Lohn zuerkennen, der ihm und ihr ein menschliches Leben sichert. Wenn wir mit heutigen Begriffen arbeiten, einen existenzsichernden Mindestlohn. Der Mindestlohn müsste ein Lohn sein, der jedem Arbeiter/jeder Arbeiterin und Werktätigen einen Lebensstandard garantiert, der besser ist als im Kapitalismus. Das ist machbar und überhaupt kein Problem. Das ist die Grundlage.

b) Der Unterschied zwischen dem Mindest- und Höchstlohn sollte möglichst gering sein, die Lohnschere sollte zu- und nicht weiter aufgehen. Zu Beginn z.B. 1:2 oder 1:3. Lenin hatte 1918 den Plan verfolgt: der Unterschied zwischen dem niedrigsten und höchsten Lohn sollte nicht das Verhältnis 1:2 übersteigen.

c) Die Lohnpolitik müsste so aussehen, dass diese Lohnschere im Laufe der Zeit nicht größer sondern kleiner wird. Das heißt, wenn das Verhältnis zu Beginn 1:2 ist, dann müsste es in ca. zehn Jahren 1:1,9 in 100Jahren 1:1,5 in 200Jahren sollte es 1:1 sein. Wenn wir bei 1:1 angekommen sind, sind auch keine qualitativen Unterschiede mehr zwischen den verschiedenen Arbeitstätigkeiten vorhanden. Warum? Weil jede/r jede Arbeit ausüben kann.

Das ist dann der Übergang zum Kommunismus. Das ist die sozialistische Lohnpolitik. Das müsste als Lehre ausgehend von Marx, Engels erst einmal dargelegt werden. Im Lehrbuch wird das aber gerade nicht gemacht.

Umgekehrt, es wird gesagt das ökonomische Gesetz der Lohnpolitik ist die Verteilung nach Leistung. Es gibt verschiedene Leistungen. Die Arbeit ist qualitativ und quantitativ immer anders. Also: das Ergebnis sind Lohnunterschiede. Wer sagt: ‚Wir müssen das abschaffen‘ ist ein/e kleinbürgerliche/r Gleichmacher/in. Das geht nicht. Das ist ganz gefährlich.

Natürlich muss man gegen die Gleichmacherei kämpfen und sagen, wir können das jetzt nicht sofort umsetzen, dass alle Menschen den gleichen Lohn erhalten ... aber, so wie ich gegen die Gleichmacherei kämpfe [wenn die Leute aufstehen und sagen, ab morgen müssen wir die Lohnunterschiede ab­schaffen, dann sage ich, die schaffst du ab, aber gleichzeitig schafft du dich damit auch selbst ab] muss man aber auch zugleich sagen, wir sind gegen Lohnunterschiede. Man muss beides tun.

Die KPdSU(B) und die Wissenschaftler haben in der Hauptsache aber nur gegen die Gefahr der Gleichmacherei in der Lohnpolitik gekämpft.

Wie sah es in der Praxis in der Sowjetunion aus? Sie haben nie das Verhältnis, das Lenin vorgeschlagen hatte, 1:2 er­reicht. Angefangen haben sie mit 1:2,6.

Bei den ersten Tarifverträgen, die die Sozialistische Republik abgeschlossen hat, lag der Lohnunterschied zwischen der niedrigsten und der höchsten Lohnstufe bei 1:2,6. Danach hat sich dieses Verhältnis zu 1:5 weiter auseinander dividiert. 1934 betrug das Verhältnis 1:6.

Es gab eine 35-stufige Lohnskala. In dieser haben die produzierenden ArbeiterInnen die Stufen von 1 bis 14 belegt. Die KopfarbeiterInnen begannen bei der 15.Stufe. Das heißt, die KopfarbeiterInnen, die am wenigsten verdient haben, erhielten mehr als der höchstverdienende produzierende Arbeiter. Das ist keine sozialistische Lohnpolitik. Alle ParteiarbeiterInnen zum Beispiel fallen unter die Kategorie KopfarbeiterInnen. Das ist ganz schlecht. Das ist ein Lohnsystem das die Bürokratie bevorzugt und diese über die ArbeiterInnen stellt. Es ist dann normal, dass dieses Lohnsystem natürlich festgeschrieben und weitergeführt wird. Das entspricht den Interessen der Leute, die diese Beschlüsse fassen, und ihren Klassen/Schichten.

Für die ParteiarbeiterInnen war bis 1934 im Statut festgeschrieben: ein Parteiarbeiter/eine Parteiarbeiterin bekommt nicht mehr als ein parteiloser qualifizierter Arbeiter – einen Facharbeiterlohn. Hingegen nicht im Statut – aber von der Partei festgeschrieben – war ein sogenanntes Parteimaximum. Das Parteimaximum sah vor, dass alles was über den Lohn, den der/die Parteiarbeiter/in von der Partei erhält hinausgeht, an die Partei weitergegeben wird.

Das heißt, ich bin Parteiarbeiter, bekomme meinen Lohn von der Partei (Facharbeiterlohn – höchstens die 14.Stufe), gleichzeitig bin ich Vorsitzender des Komitees der Waldbereinigung, zugleich bin ich Ministerpräsident des Landes soundso, zugleich bin ich landesweiter Minister im sozialen Bereich und bekomme die entsprechenden Gehälter. Diese darf ich nicht behalten, sondern sie müssen der Partei zugeführt werden.

Dieses Parteimaximum ist einfach ohne Diskussion und ohne jeden Beschluss verschwunden. Ab 1934 existiert es nicht mehr. Es gibt mehrere Doktorarbeiten darüber, aber es gibt keinen Parteibeschluss. Aber es liegen Hinweise vor. Zum Beispiel aus den Memoiren von verschiedenen Parteimitgliedern erfahren wir von der Abschaffung des Parteimaximums im Jahr 1934.

Die Festlegung eines Parteimaximums durch die Kommunistische Partei war zu 100Prozent richtig, so muss es gemacht werden.

Eine Parteimitgliedschaft darf nicht zu einer privilegierten Schicht innerhalb der Gesellschaft führen. Jedes Parteimitglied muss für die Gesamtgesellschaft bereit sein, das meiste was er kann, von sich zu geben. Es ist nicht der/diejenige KommunistIn, der/die in der Partei ist, um besser zu leben.

Die Umkehrung davon ist, wer nicht in der Partei war, hatte in der Gesellschaft nicht die Möglichkeit sich weiterzuentwickeln und auf höhere, verantwortlichere Positionen zu kommen etc. etc. Das heißt, eine Parteimitgliedschaft war dazu da, um reich zu werden, um mehr an dem gesellschaftlichen Reichtum teilzunehmen, um mehr Macht zu erlangen etc. Dies war die Grundlage für die Abschaffung des Parteimaximums. Damit sind der Sozialismus und der Kommunismus etc. schon verhindert.

Diese Herangehensweise findet sich zum Beispiel in den Memoiren der Tochter von Stalin aber auch bei anderen. Stalin hat sich teilweise unheimlich erzürnt über Leute, die über sein Geld verfügt haben. Er wusste nicht, über wie viel Geld er verfügt, welche Ausgaben und Einnahmen er hatte. „Für meinen Vater gab es eine besondere Verwaltung, irgendwo im Rahmen des Ministeriums für Staatssicherheit, dort gab es eine eigene Buchhaltung für ihn. Wer weiß wieviel Geld durch diesen Apparat hindurchwanderte. Er selbst wußte es wohl auch nicht.“2 Das erzählt Swetlana, die Tochter Stalins. Es gab Datschen, Häuser die dem Staat gehören, mit 25Bediensteten. Es gab Privatschulen für die Kinder der Parteimitglieder. Jedes ‚höhere‘ Parteimitglied, Regierungsmitglied verfügte über Fahrdienste, wie die heutigen bürgerlichen Politiker. Sie haben unheimlich viele Privilegien genossen. (ebenda, S.239) Sie haben – teilweise abgeschottet vom Volk –in Enklaven miteinander gelebt. Das ist nicht der Sozialismus.


Gewerkschaften im Sozialismus

In diesem Abschnitt im Lehrbuch wird auch die Frage der Gewerkschaften behandelt. In der sozialistischen Gesellschaft existieren auch Gewerkschaften. Ihre Funktion im Sozialismus wird so beschrieben, dass sie praktisch Hand in Hand und im Konsens mit der Betriebsleitung festlegen, welchen Lohn die Arbeiter­Innen erhalten. In allen den Lohn und andere Fragen betreffenden Widersprüchen entscheidet, wenn kein Ergebnis erzielt wird, eine „Lohn- und Konfliktkommission“.

Sie setzt sich paritätisch aus Vertretern der Betriebsleitung und Vertretern der Gewerkschaftsorganisation zusammen. Der Vorsitzende ist der Vertreter der Gewerkschaft. Auch diese Kommission entscheidet im Konsens.3

Die ArbeiterInnen haben kein Streikrecht. Eine Gewerkschaft ohne Streikrecht ist, unserer Meinung nach, ein Unding. Wenn die ArbeiterInnen ihre wichtigste Waffe, die sie zur Durchsetzung ihrer Interessen nicht in der Hand haben, dann brauchen sie auch keine Gewerkschaft zu haben. Die ist dann nur zum Schein da.

Wir sind dafür, dass auch im Sozialismus, solange die ArbeiterInnen noch Lohn bekommen, natürlich auch das Recht auf Organisierung und Streik gesetzlich verankert sein muss. Im Lehrbuch wird begründet, im Sozialismus gibt es kein Streikrecht, weil die ArbeiterInnen an der Macht sind. Wogegen sollten sie streiken?

Mao Zedong hat in diesem Zusammenhang aus der Geschichte gelernt und vertreten, das Streikrecht im Sozialismus ist notwendig, um den Sozialismus gegen die Revisionisten zu verteidigen.


Diskussionen + Fragen + Antworten

Frage:

Du hast gesagt, beim Übergang zum Kommunismus kann jeder jede Arbeit machen. Das stell ich mir schwer vor. Bei dem Thema „das Parteimaximum wurde abgeschafft“, würde ich gerne wissen, ob dagegen Widerstand von den ArbeiterInnen geleistet wurde, oder war der Revisionismus schon so weit verbreitet, dass sie das einfach hinnahmen?

Beitrag:

Lohnstufen und Scheren sind natürlich kein Ziel, aber es hat etwas Positives: es ist transparent. Jede/r weiß, wieviel der/die andre bekommt. Ein Lohnverhältnis 1:6 ist natürlich schlecht, aber besser so wie jetzt heute 1:200000000. Wichtig ist, dass es transparent und für alle gleich ist.

Ist es so, dass die Parteimitglieder Vollzeitpolitiker sind oder ist deren Aufgabe, Mitglied zu sein?

Beitrag:

Wie transparent war das? Stalin schreibt an seine Mutter: „Mama ich kann nicht mehr Geld schicken, denn ich habe nichts mehr“. So fett Knete kann er nicht gehabt haben.

Beitrag:

In der Zeit der Evakuierung gab es extra Schulen, extra Aufenthaltsorte für die Parteielite.

Beitrag:

Lohnunterschiede. Das dauert also viele Generationen bis die Löhne gleich sind. Während der Zeit haben die ArbeiterInnen doch genug Geld und können dieses nicht ausgeben. Die Arbeiter können aber ansparen. Vererben darf man nicht. Wenn man einen Anreiz schafft, um die Produktion zu erhöhen. Aber wo ist jetzt der Anreiz?

Man muss unbedingt drumherum sozialistische Staaten haben, denn wenn der Kapitalismus in den angrenzenden Ländern herrscht, kann man dann die Bevölkerung überhaupt halten? Oder kann der Kapitalismus sich reorganisieren?

Warum gab es keine Kritik? Selbst wenn es Kritik gab, braucht man eine Mehrheit. In einem so großen Land, ohne die heutigen technischen Verbreitungsmöglichkeiten (Internet). Selbst wenn es Kritik gab, musste diese ja auch verbreitet werden. Und da gab es sicher auch kaum eine Chance.

Beitrag:

Jeder nach seinen Leistungen/Fähigkeiten, das sollte das Prinzip des Sozialismus sein. Das ist auch bei Marx so. Und so startet man in den Sozialismus. Die anarchistischen Kommunen, die auch existierten, die auf Gleichmacherei gemacht haben, die sind gescheitert.

Aber die KommunistInnen, die angetreten sind, den Kommunismus aufzubauen, die müssen natürlich gerade auch schon im Sozialismus so leben. Das Gegenteil war der Fall, sie hatten bestimmte Privilegien.

Grundprinzip muss sein: kein Erbrecht, kein Besitz, keine Privilegien und die Ämterhäufung ist auch ganz falsch. Das wissen wir jetzt auch. Die Aufgabenbereiche müssen wechseln, Hierarchien abgebaut und auch nicht jahrelang immer wieder die gleichen Leute ins Zentralkomitee oder als Generalsekretär gewählt werden.

Die Argumente, auch von Stalin gegen die sogenannte Gleichmacherei waren, diese führe dazu, dass die Arbeiter keine Weiterbildung mehr machen. Da es sich „nicht lohnt“, wenn sie danach nicht mehr Lohn erhalten. Außerdem fluktuierten die ArbeiterInnen, gab es einen Konflikt in einer Fabrik, haben sie die Arbeit hingeschmissen und sind in die nächste Fabrik gezogen. Da haben sie dasselbe verdient. Deshalb brauche man auch einen unterschiedlichen Arbeitslohn. Stalin sagt zum Beispiel, ein Lokomotivführer muss mehr verdienen als ein Schreiberling, weil er mehr Verantwortung trägt.

Beitrag:

Hinsichtlich der Gewerkschaft und dem Streikrecht müssen wir das mehr nach Außen tragen. Auch bei uns wird diskutiert: Wie kann das sein, dass unter der Diktatur des Proletariats die Arbeiter streiken? Das muss man ausführen.

Beitrag:

Wissenschaftler müssten mehr bekommen, weil sie die Technik weiterentwickeln. ParteiarbeiterInnen, die mehr Geld haben, können das ja auch an andere Organisationen geben. Eigentlich müssen ParteiarbeiterInnen weniger als ArbeiterInnen bekommen. Ich bin für Lohnunterschiede bis maximal sieben Stufen. Die Arbeiterklasse muss immer kampfbereit sein, deshalb ist das Streikrecht sehr wichtig.

Beitrag:

Die Parteiarbeiter sollen keine Privilegien erhalten. Aber unter der Diktatur des Proletariats muss man SekretärInnen und FahrerInnen etc. zur Verfügung stellen um die Arbeit zu erledigen. Man soll nicht von einem Extrem ins nächste rutschen. Schließlich unterdrücken wir eine Klasse sowohl körperlich, als auch ideologisch etc... Da müssen wir auch bestimmte Sachen in Kauf nehmen.

Beitrag:

Ich tue mir schwer, wenn es im Sozialismus solche Lohnunterschiede geben soll. Und ParteiarbeiterInnen sollen auch nicht mehr verdienen. Betrachtet man das mit dem Betrieb in dem ich arbeite, dann sehen wir die Führer, die Chefs. Die Lage des Menschen beeinflusst einen eben sehr. Ein Kommunist ist nicht gleich ein Kommunist.

Beitrag:

Lohnunterschiede muss es eben am Anfang des Sozialismus geben. Diese müssen aber abgebaut werden. Lenins Grenze war 1:2. Die Schere muss verkleinert werden, aber in Wahrheit wurde die Schere geöffnet.

Beitrag:

Der Teil, den wir hier diskutieren, ist der Aufbau des Sozialismus, da haben sie Fehler gemacht und daran sind sie gescheitert. Es war nicht so, dass es Sozialismus gab und dann sind sie rückwärts gegangen. Es muss ein Parteimaximum geben und keine Privilegien. Die ParteiarbeiterInnen tragen am meisten dazu bei, eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Der Lohnunterschied ist nicht so, dass wir das wollen, sondern es muss eine Zeitlang so sein, wenn wir sagen ‚Jeder nach seiner Leistung‘, dann müssen wir das auch bezahlen. Wenn das ein Prinzip des Sozialismus ist.

Die NÖP ist erlaubt – zum Beispiel als kontrollierter Kapitalismus.

Bei dem Streikrecht, da hab ich Probleme. Wie kann ein Arbeiter gegen seine eigene Partei streiken?

Beitrag:

Gibt es Ansatzpunkte, wo jemand angefangen hat zu kritisieren? Das müssen wir nachforschen.

Zu dem Punkt Lohnunterschiede: da bin dagegen einen Unterschied von Kopf- und Handarbeit zu machen. Das führt dazu, dass die Unterschiede, die eigentlich aufgelöst werden sollen, weiter manifestiert werden.

Wie kann dann aber der/die Arbeiterin dazu animiert werden, zu lernen, wenn es keinen materiellen Anreiz gibt. Da geht es um die Frage der Zukunft.

Überzeugung ist sicher ein Weg. Wie schaffen wir es sie zu überzeugen, zu lernen und sich fortzubilden und wie kann ich bis dahin den Lohn organisieren. Da kann es Unterschiede geben.

Ich denke da eher an dem Punkt Reproduktion: z.B. mehr Essen für SchwerarbeiterInnen, längeren Urlaub für Leute, die unter der Erde arbeiten oder dass SchwerarbeiterInnen früher in Rente gehen.

Beitrag:

Gegen Privilegien auftreten. Datscha mit Bediensteten etc. ist ganz falsch, und in all diesen anderen Bereichen, extra Schulen und Kindergärten für Parteifunktionärs Nachwuchs. Bessere Versorgung etc. etc.

In Kuba wird der Jogginganzug von Adidas und Teeservice für Fidel damit erklärt, dass er es wegen der vielen Besuchern braucht. Ich bin dagegen. Es entfernt einen von den Massen. Die Probleme, die die Massen haben, können nicht mehr verstanden werden.

Manche sagen: Privilegien ok aber Kontrolle durch das Kollektiv. Ich glaube nicht dass die Kommunistische Partei das kontrollieren kann. Das führt alles zur Bürokratisierung.

Antworten:

Zur Aufhebung zwischen geistiger und
körperlicher Arbeit:

Diese bedeutet nichts anderes als, alle können jede Arbeit machen. In dem Sinne: Wir schaffen eine Gesellschaft, in der jedem Mitglied dieser Gesellschaft die völlig freie Berufswahl einfach selbstverständlich gegeben ist. Das heißt, der Mensch geht in eine Richtung, die ihm zusagt – wo er seine eigenen Fähigkeiten sieht. Die Gesellschaft gibt ihm diese Möglichkeit. Höchstwahrscheinlich werden viele Menschen viele unterschiedliche Berufe lernen.

Wenn ich zwei Stunden am Tag arbeite, was mache ich dann mit dem Rest der Zeit? Ich werde – wenn ich ein neugieriger Mensch bin – lernen. Wenn ich diese Gesellschaft auch als meine Gesellschaft verstehe und das verinnerlicht habe. Dann werde ich mich doch immer fragen, wie kann ich zu dieser Gesellschaft am besten beitragen. Dann werde ich lernen, denn die Arbeit ist keine Last mehr, sondern wirklich und tatsächlich eine Lust.

Das ist mit den Menschen heute nicht denkbar. Aber es ist machbar.

Wenn diese Möglichkeiten gegeben sind, dann ist jede Arbeit gleichwertig.

Du arbeitest zwei Stunden, ich ebenfalls. Ich gebe der Gesellschaft nach meinen Fähigkeiten das Meiste und du gibst nach deinen Fähigkeiten das Meiste. Deshalb sind meine zwei Stunden genauso viel wert wie deine zwei Stunden. Jeder nach seinen Fähigkeiten ist dann wirklich durchgesetzt.

Gab es Widerstand zu den Lohnunterschieden?

Diese Frage kann ich nicht beantworten, denn es gibt keine Dokumente. Wir wissen aber aus den Diskussionen, dass es Leute gegeben hat, die das falsch gefunden haben und für Gleichmacherei aufgetreten sind. Wahrscheinlich sind ein Teil dieser Leute tatsächlich bürgerliche Gleichmacher aber ein Teil hat wahrscheinlich kommunistisch argumentiert.

In dem Buch „Der Arbeitslohn und seine Formen in der sowjetischen Industrie“ heißt es im Vorwort: „Im schärfsten Kampf mit feindlichen ‚Theorien‘ behaupteten und entwickelten Lenin und Stalin die marxistische Theorie der sozialistischen Verteilung, die Grundlage auf der die Bolschewistische Partei das Prinzip der persönlichen materiellen Interessiertheit als Triebkraft zur Erhöhung der gesellschaftlichen Produktion konsequent verwirklicht. Geleitet von der marxistisch-leninistischen Theorie der Verteilung hat die Bolschewistische Partei unter Führung des Genossen Stalin alle Versuche zunichte gemacht, die kleinbürgerliche Gleichmacherei bei der Entlohnung der Arbeiter einzubürgern.“4

Es gab bestimmt die Tendenz zur kleinbürgerlichen Gleichmacherei, aber es gab – davon bin ich 100Prozent überzeugt – auch Leute, die gesagt haben ‚das mit den 35Lohnstufen, das ist nicht gut. Ab der 15.Stufe KopfarbeiterInnen das ist nicht richtig, etc.

Die meisten Parteimitglieder waren zugleich irgendwo werktätig. Meistens in den bürokratischen Bereichen. Bevor die KPdSU(B) an der Macht war, hat sie sehr bewusst ihre Kader in die Fabriken geschickt, um die ArbeiterInnen zu organisieren.

Nach der Machtübernahme sind die Parteimitglieder, die aus der Arbeiterklasse kommen, wenn sie nicht hauptamtlich ParteiarbeiterInnen sind, weiterhin ArbeiterInnen, Student­Innen etc. Die hauptamtlichen ParteiarbeiterInnen sind zum Teil wirklich nur ParteiarbeiterInnen – es gab auch viel zu machen: Zeitungen herausbringen, Verbindungen zwischen den Parteiorganisationen schaffen, Parteiorganisationen weiterentwickeln, etc. etc. Es existierte ein Stamm von ParteiarbeiterInnen, die nur für die Parteitätigkeit da waren.

Dann gab es ParteiarbeiterInnen, die zugleich Staatsdienste übernahmen. Alle Präsidenten, Ministerpräsidenten, Minister, höhere Beamte waren Parteimitglieder. Alle, es gibt keinen einzigen, der nicht Parteimitglied ist. Das ist auch normal. Es existiert nur eine einzige Partei, in der alle organisiert sind und die Partei verkörpert die Macht des Proletariats.

Dazu kann ich nur sagen, lest die Memoiren von den Leuten, die das erlebt haben. Z.B. Swetlana erzählt: „Er versuchte auch irgendwie eine Revision seiner Wirtschaft durchzuführen, doch es kam nichts dabei heraus. Man legte ihm irgendwelche frei erfundenen Zahlen vor, er geriet in Wut, aber Genaueres zu erfahren war er doch nicht imstande… General Wlassik disponierte persönlich überMillionen für Bauten, für die Reisen … Aber Vater war es nicht möglich, irgendwie dahinterzukommen, wieviel Geld, wozu und für wen denn diese Summen verwendet wurden und wer darüber verfügte.“5 Stalin ist Parteivorsitzender, Marschall der Roten Armee, Staatspräsident,… für all seine Tätigkeiten bekommt er Geld. Hunderttausend Rubel jeden Monat.

Einwurf: Warum muss es verwaltet werden, wenn es sowieso wieder in die Partei und den Staat fließt?

Referent: Es gibt kein Parteimaximum mehr. Das Geld geht nicht mehr zur Partei. Es gibt ein Sekretariat Stalins und dieses Sekretariat verwaltet dieses Geld.

Einwurf: Honecker und Co. haben – inklusive staatlich veruntreuter Gelder – maximal eine Million veruntreut in vierzig Jahren.

Referent:

Es ist natürlich Blödsinn einen Parteibonzen mit einem kapitalistischen Boss zu vergleichen. Wir reden hier vom Sozialismus. Wieso soll ein Mensch, der diese Funktionen ausübt, für jede Funktion so viel Geld erhalten? Ich habe Eingangs im Referat gesagt, in einem Lehrbuch der politischen Ökonomie des Sozialismus müsste zur Lohnpolitik klar festgestellt werden, im Laufe des Aufbaus des Sozialismus, bei der Entwicklung des Sozialismus, sollen die Lohnunterschiede nach und nach abgeschafft werden.

Wie eine Lohnpolitik, die diesem Ziel dient, aussehen könnte, habe ich auch gesagt: Von Anfang an den Unterschied zwischen dem Mindest- und Höchstlohn möglichst klein halten. Die Schere langfristig schließen.

Was allgemein zur Lohnpolitik gesagt werden kann, ist das: a) in dem Buch wird das nicht dargelegt und das ist revisionistisch. b) was sie gemacht haben, das kann ich nicht akzeptieren. Vielleicht mussten sie das, was sie gemacht haben, so machen und konnten nichts anders machen, darüber kann ich gerne streiten, aber ich kann nicht akzeptieren, dass das als sozialistisch dargestellt wird. Das ist mein Hauptproblem und meine Hauptkritik. Das ist für uns – für die Zukunft – wichtig. Wie machen wir es? Das müssen wir positiv entwickeln und die Kritik an dem, was gemacht wurde und auch an der Theorie, vorantreiben. Die Theorie ist meiner Meinung nach revisionistisch.

Die Verfasser­Innen des Lehrbuches, verteidigen im Grunde ihre eigenen Pfründe und ihre eigene Lage. Das Problem ist, dass auch die MarxistInnen vor allem gegen die Gleichmacherei ge­­kämpft haben. Das ist falsch, das ist der Fehler der MarxistInnen gewesen. Man muss gegen die kleinbürgerliche Gleichmacherei kämpfen. Das ist aber nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem war die gesamtgesellschaftliche Atmosphäre, die Lohnunterschiede als normal zu akzeptieren, weiterzuführen und sogar weiter auszubauen. Dagegen muss man kämpfen.

Wenn die Lohnunterschiede aufrecht erhalten und ausgebaut werden, kommt es zu einer Gesellschaft, in der ein Teil der Gesellschaft über an einem viel größeren Maß am Reichtum dieser Ge­­sellschaft teil hat und darüber verfügt als der andere Teil. Und wenn die Schere sich nicht verkleinert, sondern noch weiter auseinandergeht, ist am Ende eine Gesellschaft da, in der es reiche und arme BürgerInnen gibt. Auch wenn der Ärmste gut lebt, birgt dieser Unterschied die Gefahr in sich, dass diejenigen, die über mehr Reichtum verfügen, irgendwann sagen, wir wollen mit diesem Geld auch was anderes machen als das, was wir machen können. Das ist ganz normal. Darauf kommen wir beim nächsten Thema wieder zurück.

Anreiz: Lohnerhöhung ist ein Anreiz für die Arbeiter­Innen zu lernen. So haben sie auch begründet, wenn die KopfarbeiterInnen mehr bekommen als die HandarbeiterInnen. ArbeiterIn, willst du mehr haben, lerne, qualifiziere dich. Das ist ein Anreiz. Stalin sagt‚ die ungelernten Arbeiter, die nicht qualifizierten, haben keinen Anreiz dazu. Sie sehen überhaupt nicht die Notwendigkeit, sich weiterzubilden. Warum? Weil es kleinbürgerliche Gleichmacherei gibt. Das Lohn­system ist falsch. Wir müssen so ein Lohnsystem schaffen, damit die endlich mal kapieren, ich kann mehr bekommen, wenn ich mehr weiß. Das ist der falsche Weg!

Das Problem ist, irgendwann kommt dieser Anreiz an seine Grenzen. Wir müssen praktisch eine Gesellschaft erreichen, in der nicht die eigene materielle Interessiertheit die Grundlage allen Handelns ist. Das schaffst du nicht dadurch, dass du immer wieder diese Anreize anbietest und darüber versuchst, voranzukommen.

Privilegien: Eugen Varga, der die ganze Geschichte von innen kennt, schreibt über die Lage der Sowjetunion 1963, als die Revisionisten fest im Sattel sitzen: „Ein Arbeiter in einem Sovchos erhält einen Monatslohn von 30 bis 50Rubel, ein Akademiemitglied ungefähr 1000 Rubel. Also das zwanzig- bis dreißigfache.“6 Was ist denn bitteschön das Prinzip der Entlohnung im Sozialismus, das ist die Leistung. Ein Akademiemitglied hat 100Prozent das Recht zu sagen, Leute ich leiste viel mehr für den Aufbau des Sozialismus als ein Sovchos-Arbeiter, was wollt ihr denn von mir. Ich mache 20Mal mehr als der Arbeiter. Was ist denn ein Sovchos-Arbeiter? Ich bin derjenige der die Pläne macht, also Kopfarbeit leistet. Ohne dass ich das mache, wird die ganze Wirtschaft zusammenbrechen. Was passiert, wenn ein Sovchos-Arbeiter nicht gut arbeitet? Nichts.

Das Prinzip der Bezahlung nach Leistung, damit kannst du alles begründen. Wir müssen Sachen, die wir machen, weil wir dies nicht anders machen können, auch so benennen und nicht sagen „das ist Sozialismus“. Bezahlung nach Leistung ist ein kapitalistisches und kein sozialistisches Prinzip. Das ist die Übernahme des Kapitalismus in den Sozialismus, das ist Marx. Das sagt auch Stalin, aber in dem Buch der politischen Ökonomie wird nichts von all dem gesagt, sondern nur, das ist das sozialistische Prinzip.

Es wird verschwiegen, dass das die Überreste des Kapitalismus sind, die wir irgendwann zur Seite legen müssen. Das Ergebnis: Ein Akademie-Mitglied bekommt 20 Mal mehr, als ein Sovchos-Arbeiter.

Weiter im Buch von Varga: „Und wie hoch ist das reale Einkommen der höchsten Spitzen der Bürokratie, der eigentlich regierenden Schicht? Besser gesagt, wie viel gibt der Staat für sie im Monat aus? [es ist ja nicht nur so, dass sie Gehalt bekommen, das ist das 20-fache] Niemand weiß es! Nirgends wird darüber Rechnung gelegt! Aber jeder weiß, dass sie in der Nähe von Moskau Datschen haben – staatliche natürlich –, [nicht Privateigentum] wo eine Bewachung von 10-20 Mann ständig stationiert ist: außerdem Gärtner, Küchenpersonal, Stubenmädchen, Privatarzt und Krankenschwester, Chauffeure usw. bis zu 40-50 Personen. Alles vom Staat bezahlt. Außerdem natürlich eine Stadtwohnung mit entsprechender Bedienung, und zumindest noch eine Datscha im Süden. Sie haben für sich um ihre Familie persönliche Sonderzüge, persönliche Flugzeuge, beide mit Küchen und Küchenpersonal, persönliche Jachten und natürlich eine Vielzahl von Automobilen mit Chauffeuren, für Tag- und Nachtdienst. Sie erhalten oder erhielten zumindest früher,( jetzt weiß ich es nicht sicher), alle Lebensmittel und andere Gebrauchsgegenstände, die sie anforderten, kostenlos. Was kostet dies alles den Staat? Ich weiß es nicht! Aber ich weiß, dass ein dementsprechender Haushalt in Amerika das Vermögen eines mehrfachen Millionärs erfordert. Allein die Bezahlung von zumindest 100 Leuten ihrer persönlichen Bedienung würde im Monat ungefähr 30-40000 Dollar ausmachen! Mit anderen Ausgaben zusammen über eine halbeMillion Dollar im Jahr!“ (ebenda, S.15)

Varga beschreibt die Realität von 1963, das ist die Situation, in der der Revisionismus herrscht. Dieser ist allerdings nicht von heute auf morgen entstanden. Alle Parteiführer hatten ihre Datschen und ihre Privilegien auch zu Stalins Zeiten. Z.B. schreibt die antikommunistische Tochter von Stalin Swetlana, dass ihr Vater das gar nicht gut fand. Aber dass er sich nicht durchsetzen konnte.

Varga sagt weiter: „Wie soll von diesem Zustand der Einkommensverteilung und des allgemeinen Strebens zu einem immer höheren ‚Standard of life‘, der Übergang zum Kommunismus, zur ‚Verteilung nach Bedarf‘ erfolgen. Man sagt, es werde ein Überfluss an allem vorhanden sein! Aber werden die Spitzen von dem Leben, mit einer persönlichen Bedientenschar von hundert Menschen entsagen und sich selber bedienen? Es ist doch klar, dass niemand im Kommunismus ein Diener anderer sein kann (mit Ausnahme von Ärzten, Krankenschwestern u.ä.).“ (ebenda, S.16)

Die Schicht, die über solche Privilegien verfügt, kann sie für den Übergang zum Kommunismus sein? Auf keinen Fall, da sie alle Privilegien verlieren würde. Das heißt, von vorneherein müsste jedes Privileg für jedes Parteimitglied verboten sein. Wir dürfen überhaupt nicht zulassen, dass irgendein Privileg verwendet werden kann. Das bringt in der Diskussion solche Argumente mit sich, „sollten sich die Führenden GenossInnen nicht schützen lassen“ und „haben die Führenden auch das Recht darauf, Urlaub zu machen“. Niemand hat etwas gegen Urlaub irgendetwas. Auch ein Parteimitglied kann wie ein/e Arbeiter/in Urlaub machen. Aber dort, wo auch die ArbeiterInnen sind. Er braucht nicht extra Datschen etc.

Ein Parteimitglied muss nicht wie ein Bourgeois leben, damit er besser arbeitet. Eine andere Frage ist wiederum das Thema Auswechselung der führenden ParteigenossInnen. Ich sage euch, gäbe es Stalin nicht, hätte es diese Entwicklung bereits vor 1950 gegeben. Es gibt nicht genug KommunistInnen, das ist das Problem. Dass die Leute hintereinander Parteivorsitzende etc. wurden, liegt nicht daran, weil sie unbedingt an der Macht hängen.

Jeder macht seine eigene Lage zur Theorie. Auch diese Leute haben ihre eigene Lage zur Theorie gemacht.

Zur Frage „Ist dieser Zustand ein ewiger?“: Nein, es ist kein ewiger. Wir müssen aus Fehlern lernen. Diese benennen und bekämpfen – bei uns müssen wir anfangen. Andere zu kritisieren ist einfach.

Zur Kritik an der Sowjetunion: Diese müssen wir als eine Kritik an uns selbst verstehen. Die Sowjetunion unter Lenin und Stalin, das sind wir. Ihre Fehler sind unsere Fehler, so müssen wir herangehen. Warum hat damals niemand kritisiert etc.? Ganz einfach, es gab nicht genug KommunistInnen. Die einzigen, die kritisiert haben waren Lenin und Stalin und einige um sie herum. Alle anderen sind höchstens Mitläufer. Das ist Mist, aber es war so. Jetzt müssen wir es machen. Wenn wir das heute sehen, dann müssen wir es machen.

1Lehrbuch, 1.Ausgabe, 1954, S.501

2Swetlana Allilujewa, „20 Briefe an einen Freund“, S.291, Verlag Fritz Molden, Wien 1967


3siehe M. Stepanow, „Lohngestaltung und Gewerkschaften in der Sowjetunion“, Verlag des Zentralrates der Gewerkschaften der Sowjetunion, 1945)

4J.L. Manewitsch, „Der Arbeitslohn und seine Formen in der sowjetischen Industrie“, S.7, russisch 1951, deutsch 1954, Verlag der Wirtschaft

5Allilujewa, „20 Briefe...“, S.292

6Eugen Varga, „Oder ist der heutige Zustand ein ewiger? Eine Kritik am sowjetischen Bürokratismus aus dem Jahr 1963“, ML-Lit. Vertrieb, 2005