Unsere ganze Freude wurde uns entrissen
Jeder Tag andauernde, unendliche Pein und Schmerz
(Rita Holland, Mutter von Luke)
Die Beweise bezeugen, der Angeklagte ist ein „Xenophobe“ (Fremdenhasser)
(Phil Holland, Vater von Luke)


 

Urteil im Nazi-Mord an Luke Holland

„Der Prozess zur Ermordung des britischen Juristen Luke Holland in der Neuköllner Ringbahnstraße ging vom 14. März bis 11. Juli 2016 mit 21 Verhandlungstagen. Die Staatsanwaltschaft und das Landgericht Moabit wollten nur die Ermordung von Luke Holland behandeln, nicht die Ermordung von Burak Bektaş, obwohl bereits 2013 der mutmaßliche Mörder von Luke Holland auch in der Akte zur Ermordung von Burak Bektaş als Tatverdächtiger erwähnt wird. Die Prozessbeobachtungsgruppe Rassismus und Justiz, Buraks Angehörige und Freunde und die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak B. beobachteten den Prozess.“

Der Mörder von Luke Holland wird vom Gericht „wegen Mord, unerlaubten Waffen- und Munitionsbesitz“ zu elf Jahren sieben Monaten Haft verurteilt und seine Waffen werden eingezogen.
Dieser Prozess wirft ein Schlaglicht auf systematische Verleugnung faschistischer Morde durch deutsche staatliche und gesellschaftliche Instanzen. Institutioneller Rassismus und Faschisierung sind direkt greifbar und werden bewusst verschleiert. Das Offensichtliche wird bestritten.
In der Urteilsbegründung des Gerichts wird lapidar behauptet: „Der Angeklagte habe nicht besonders die Naziideologie vertreten, sondern nur gesammelt“, „Ausländerhass sei denkbar, aber das Gericht habe keine Beweise dafür gefunden“ , und ebenso wenig liege „NS als handlungsleitendes Motiv“ vor.
Phil Holland, Vater von Luke, benennt die unbestreitbaren Fakten über den Nazi-Täter R.Z. im Gerichtssaal: „Die Beweise bezeugen, der Angeklagte ist ein Xenophober (Fremdenhasser), der in seiner Wohnungillegal Nazi-Devotionalien, Waffen, Gewehre, Munition und Schwarzpulver gesammelt und ausgestellt hat, die wir hier in diesem Gericht als Beweisstücke gesehen haben.
Wie wir hier im Gerichtsprozess gehört haben, hat der Beklagte seinenHass auf Ausländerklar ausgedrückt, in Aussagen die er in der Bar Del Rex und gegenüber Ausländern in der Bar geäußert hat.

Wieso wird das alles beiseitegelassen, wenn dieser Mann verurteilt wird?“
Darüber hinaus werden im Verlauf des Prozesses auch alle Hinweise auf Verbindungen des Täters zu existierenden Nazistrukturen ignoriert bzw. unterschlagen.
Ein durchgehendes Schema zeigt sich in diesem Prozessverlauf, wie bei den NSU-Morden und dem noch andauernden Prozess in München: Die faschistisch-rassistischen Tatmotive, die politische Sprengkraft faschistischer Netzwerke und ihrer Akteure, die NS-Ideologie werden verharmlost und einfach ausgeblendet. In wessen Interesse?
Greifen wir nur ein Argument heraus. Das Gericht bewertet „Luke passe nicht ins Bild des Ausländerfeindes, sei mitteleuropäischen Aussehens, das spräche dagegen. Keine unbedingte Ablehnung von Ausländern sei dadurch zu erkennen.“
Haben diese Richter noch nie etwas von den Hasstiraden deutscher Nazis gegen „den englischen Feind, und seinen Bombenterror gegen deutsche Kulturstädte, wie Dresden“ , oder auch gegen den „französischen Erbfeind“gehört? „Weltfremd“ wie sie sind, waren sie wahrscheinlich noch nie in einer Berliner Kneipe/Café im Prenzelberg oder in Neukölln, wo rassistische AfD-Sprüche zu hören sind, wenn Bedienungen Kunden auf Englisch ansprechen.
Rassismus wird lediglich auf das eigene „rassistische Weltbild“ beschränkt, also auf solche Menschen, die eine andere Hautfarbe haben oder „nicht deutsch“ aussehen. Das Wissen um Nazi-Geschichte und NS-Ideologie scheint in deutschen Gerichten und anderen staatlichen Instanzen wie im gesellschaftlichen Diskurs bei null zu liegen.
Das Land der Meister „deutscher Vergangenheitsbewältigung“ versagt bei der Aufdeckung, Verfolgung und Bekämpfung heutiger faschistischer Netzwerke. Warum wohl?
In einem Interview stellen Mitglieder der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak B. abschließend fest: „Natürlich hat ein Täter das Recht zu schweigen, aber ein Gericht hat gleichzeitig die Aufgabe, herauszufinden, welches Motiv hinter der Straftat steckt. Das ist in diesem Prozess nicht geschehen. Für die rechte Szene war dies außerdem ein erfolgreicher Mord: Luke Holland wurde getötet, die Kneipe, gegen deren Besucher sich der Mord richtete, wurde geschlossen und der Staat hat im Prozess kein Ausrufezeichen gegen Rassismus gesetzt. Das ist ein Unding.
Die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş bleibt unser zentrales Ziel. Wir möchten ebenfalls einen Gedenkort im öffentlichen Raum für Burak entstehen lassen, hoffentlich schon nächstes Jahr zum fünften Todestag. Dies ist ein Wunsch der Familie. Auf keinen Fall darf sich das Alleine-Lassen von Opfern und Familien wiederholen, wie es bei dem Umgang mit den Angehörigen der NSU-Morde leider der Fall war. Hier muss sich möglicherweise auch die linke Bewegung Fehler eingestehen. Die Unterstützung von Angehörigen war auch mit der Anlass zur Gründung unserer Initiative und unserer Prozessbeobachtung. Außerdem müssen wir den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eine Gegenerzählung präsentieren. Wir müssen zusätzliche Ansichten aufzeigen. Das sind die Aufgaben unserer Initiative. Sowohl das Gedenken, als auch die weitere Aufklärung sind uns äußerst wichtig. Dafür werden wir uns auch in Zukunft einsetzen.“


Wir verweisen an dieser stelle auch auf burak.bolgsport.de