Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion

Vorbemerkung
Wir führen seit längerer Zeit eine intensive Auseinandersetzung mit Bolşevik Partizan über die Ursachen der Restauration des Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern. Im Rahmen einer ersten intensiven Schulung haben wir gemeinsam den Abschnitt „Die sozialistische Produktionsweise“ des Lehrbuchs „Politische Ökonomie“ debattiert. Wir veröffentlichen hier die Ergebnisse. Ein/e GenossIn referierte anhand des jeweiligen Kapitels des Lehrbuches, die in den bisherigen Diskussionen in unseren Organisationen festgestellten Probleme, Kritiken und Fragestellungen. Zu diesen Vorträgen wurden weitergehende Fragen aufgeworfen und Diskussionsbeiträge gemacht.Im folgenden Text beziehen sich die Jahresangaben zu den unterschiedlichen Ausgaben des Lehrbuchs der Politischen Ökonomie auf das russische Original.

 Teil IX Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion - Was tun im Sozialismus?

Lehrbuch:

Dritter Abschnitt –
Die sozialistische Produktionsweise

Das sozialistische System der Volkswirtschaft

Referat

Kapitel XXXVII und XXXVIII „Der Staatshaushalt, der Kredit und der Geldumlauf im Sozialismus” und „Die sozialistische Reproduktion”

Referat

Kapitel XXXVII: „Der Staatshaushalt, der Kredit und der Geldumlauf im Sozialismus”

Dieses Kapitel ist sehr interessant – sowohl was die Herangehensweise betrifft – als auch was die konkreten Zahlen betrifft, um sich ein Bild zu machen, welches Finanzsystem im Sozialismus in der Sowjetunion aufgebaut wurde und wie es funktionierte. Wir können uns ausgehend von diesem Kapitel ein Bild machen, wie der Sozialismus auf dieser Ebene wirklich konkret ausgesehen hat. Von zwei Formen des Gemeineigentums wird ausgegangen: Zum einen den staatlichen Betrieben und zum anderen von den Kollektivbetrieben. Der Staat erstellt Pläne, die Vorgaben und Planziele enthalten. Da es ein ziemlich verzweigtes Netz von verschiedenen Betrieben gibt, folgt, dass es im Sozialismus ein verzweigtes Finanzsystem gibt. „Das Finanzsystem des Sozialismus ist ein System der planmäßigen Bildung und Verteilung der Geldfonds in der sozialistischen Volkswirtschaft. Es umfaßt den Staatshaushalt, das Kreditwesen, die staatliche Sozialversicherung, die staatliche Sach- und Personenversicherung sowie die Finanzwirtschaft der staatlichen Betriebe, der Kollektivwirtschaften und Gewerbegenossenschaften.
Die materielle Grundlage des Finanzsystems ist die sozia­listische Produktion. Das Finanzsystem stützt sich auf das Wachstum der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion sowie die Entfaltung des Warenumsatzes.“
Dann wird festgestellt, in diesem Finanzsystem ist das Wichtigste der Staatshaushalt. Das ist auch ganz normal, weil der Großteil der Wirtschaft – fast die gesamte Großindustrie und viele Großbetriebe in der Landwirtschaft (die Sowchosen) – die Staatsverwaltung, der Großteil der Dienstleistungen und ein Großteil des Handels etc. in der Hand des Staates sind. Insofern hat der Staatshaushalt im Finanzsystem einer sozialistischen Gesellschaft einen viel entscheidenderen Stellenwert als in einem kapitalistischen Staat, wo die Privatwirtschaft vorherrschend ist.
Woher kommt das Geld, das der Staat verwaltet? Diese Frage wird mit Zahlen beantwortet. „Die Einnahmenseite des Staatshaushalts der UdSSR wird vorwiegend aus dem Reineinkommen der Gesellschaft gebildet. Nämlich aus dem Teil der das zentralisierte Reineinkommen des Staates darstellt. [Referent: Reineinkommen wird im ganz normalen Jargon des Volkes als ‚Profit‘ bezeichnet] Im Jahre 1953 entfielen auf die Eingänge aus dem Reineinkommen der Gesellschaft (Eingänge aus der sozialistischen Wirtschaft) 85 Prozent aller Haushaltseinnahmen. (S. 597)

Hier wird nicht klar ersichtlich, wie viel kommt von den Kollektivwirtschaften – das ist auch sozialistische Wirtschaft – und wie viel kommt aus den Staatsbetrieben. Nur die Gesamtzahl wird genannt, 85 Prozent. Interessant wäre zu erfahren, wie das Verhältnis der Einnahmen aus dem Gruppen- und dem Gemeineigentum ist. Interessant wäre weiterhin zu erfahren, in welche Richtung die Entwicklung geht. Wenn z.B. die Einnahmen der Gruppeneigentumsseite immer weniger werden, obwohl das Gruppeneigentum zunimmt, dann wäre das auf eine Politik zurückzuführen, die das Gruppeneigentum bevorzugt. So ist es auch praktisch gewesen. „Das zentralisierte Reineinkommen des Staates gelangt in den Staatshaushalt in Form der sogenannten Umsatzsteuer, der Abführungen vom Reineinkommen der staatlichen Betriebe (Gewinnabführungen), der Abgaben zum Zwecke der Sozialversicherung, der Einkommensteuer der Kollektivwirtschaften und anderer genossenschaftlicher Betriebe usw. Auf die ersten beiden Arten der Eingänge [Referent: das heißt Staatsbetriebe plus Kollektivwirtschaften] entfällt der überwiegende Teil aller Einnahmen des Staatshaushalts der UdSSR.“ (ebenda)
Woher kommen die restlichen 15 Prozent der Einnahmen im Staatshaushalt? Dazu wird folgendes ausgeführt: „Eine weitere Einnahmequelle des Staatshaushalts sind ferner die Mittel der Bevölkerung, die in Form von Steuern und Anleihen in den Staatshaushalt gelangen. [Referent: zu den Anleihen komme ich später] Die Steuern der Bevölkerung sind eine Form der obligatorischen Abgabe eines Teils des persönlichen Einkommens der Mitglieder der Gesellschaft an den Staatshaushalt. [Referent: genauso wie im Kapitalismus] Zum Unterschied vom Kapitalismus machen die Steuern der Bevölkerung in der sozialistischen Gesellschaft nur einen geringfügigen Teil der Einnahme der Werktätigen aus und werden für Bedürfnisse des ganzes Volkes verwendet.“ (S. 598)
 
Teilweise aus den Steuern der Bevölkerung! Normalerweise müsste in einem sozialistischen Land der Lohn als Nettolohn bezahlt werden. Nicht Brutto und Netto, sondern nur Netto. Die ganze Bürokratie um herauszufinden, wie viel Prozent geht dahin, wie viel Prozent geht dahin, könnte mit einem Schlag abgeschafft werden, indem der Lohn als Nettolohn bezahlt wird. Ein sozialistischer Staat müsste ja die Alters-, Krankenversicherung etc. übernehmen und müsste den ArbeiterInnen auch vermitteln, wir nehmen von dem, was ihr als Wert schafft, einen Teil für den Sozialfond und für die Entwicklung der Gesamtgesellschaft. Der Lohn, den wir euch zahlen, ist nicht der gesamte Wert, den ihr geschaffen habt. Weil wir einen Teil dieses Wertes für die Gesamtgesellschaft brauchen. Das ist der Unterschied zwischen der kapitalistischen und der sozialistischen Wirtschaft. Die SozialistInnen, die KommunistInnen stellen ganz klar fest: Der Lohn ist nicht gleich der Bezahlung der Arbeit. Der durch die Arbeit geschaffene Wert ist viel größer als der Wert der Reproduktion der Arbeit. Diesen unbezahlten Teil des Wertes der Arbeit – einen Teil dieses Wertes, der kleiner ist als der Mehrwert in der kapitalistischen Wirtschaft – behält der sozialistische Staat oder der sozialistische Betrieb, um gesamtgesellschaftliche Aufgaben in die Wege zu leiten. Er klärt darüber natürlich auch offen und öffentlich auf. Wenn das so ist, dann müsste der Lohn als Nettolohn bezahlt werden. Das könnte eigentlich von heute auf morgen gemacht werden. Das liegt nur im politischen Willen. Das heißt die Einnahmeseite des sozialistischen Staatshaushaltes müsste von den Werktätigen überhaupt keine Steuern einziehen.
Denn im Lehrbuch wird festgehalten, dass 85 Prozent der Einnahmen des Staates von allen „sozialistischen“ Produktionsstätten (Betrieben) stammen. Es bleiben 15 Prozent. Von diesen 15 Prozent sind acht Prozent von den ArbeiterInnen und Werktätigen.


Was ist der Unterschied? Die ArbeiterInnen erhalten genauso wie im Kapitalismus nicht Netto- sondern Bruttolöhne. Von diesen nimmt der Staat genauso wie im Kapitalismus Steuern, aber diese sind niedriger als im Kapitalismus und diese Steuergelder werden für die Bedürfnisse des Volkes verwendet. Ich sage, das ist eine falsche Politik. Diese ganze Steuergeschichte kann man mit einem einzigen politischen Willensakt und Beschluss von heute auf morgen aus der Welt schaffen. „Das Steueraufkommen der Bevölkerung belief sich im Jahre 1953 auf nur 8,5 Prozent aller Einnahmen des Staatshalts der UdSSR. [Referent: jetzt kommt der zweite Teil – das ist sehr interessant, wie sie das jetzt sagen] Die Leistungen und Beihilfen aller Art, die die Bevölkerung aus dem Staatshaushalt erhält, betragen ein Mehrfaches ihres gesamten Steueraufkommens. So erhielten die Werktätigen der UdSSR im Jahre 1953 aus dem Staatshaushalt das Dreifache des Betrages, den sie in Form von Steuern, Abgaben und durch Zeichnung von Anleihen dem Haushalt zugeführt haben.“ (ebenda)
Wunderbarer Staat! Er nimmt 8,5 Prozent und gibt der Bevölkerung 25,5 Prozent zurück. Woher kommt denn dieses Geld? Wo ist die Quelle diesen Geldes? Die Arbeiter haben nur 8,5 Prozent gegeben, und der Staat, der sozialistische Staat gibt ihnen 25,5 Prozent. Was für ein gönnerhafter Staat? Das ist eine Lüge! Die Quelle des Reichtums ist – ausgenommen die Natur – praktisch die Arbeit der ArbeiterInnen und Werktätigen. Den ArbeiterInnen wird nicht bewusst gemacht, was ihr als Wert schafft durch eure Arbeit, ist viel größer als das, was ihr als Nettolohn erhaltet. Und die Quelle des Staatshaushalts ist die Arbeit der ArbeiterInnen und Werktätigen; der Teil des von euch geschaffenen Werts, der für Sozialfonds und die Weiterentwicklung der Gesamtgesellschaft vom Staat treuhänderisch behalten und verwendet wird. Das ist fast alles was der Staat einnimmt, sagen wir mal etwa 90 Prozent der Staatseinnahmen, denn ein Teil wird durch den Außenhandel erzielt. Wenn der Staat klugen Handel betreibt, dann können es einige Prozente mehr sein, aber auch dessen Quelle ist letztendlich die Arbeit der ArbeiterInnen und Werktätigen und beruht auf der Arbeit. Das ist die Wahrheit. Das heißt, wenn gesagt wird, dass der Staat den ArbeiterInnen/Werktätigen das Dreifache dessen zurück gibt, was er von ihnen als Steuern nimmt und rein kapitalistisch gedacht und argumentiert wird, dann ist es eine Lüge.
„In der UdSSR ist ein Teil der Werktätigen von der Steuerzahlung gänzlich befreit; die Steuersätze sind nach der Höhe des Einkommens gestaffelt. [Referent: genau so wie in einem kapitalistischen Land, was auch normal ist] Auf die Landwirtschaftssteuer der Bauern entfällt im Jahre 1954 weniger als 1% der Haushaltseinnahmen; im Jahre 1954 ist das gesamte Steueraufkommen der Landbevölkerung gegenüber 1952 um mehr als 60% verringert worden.“ (S. 598) Hier sehen wir das auch nochmals praktisch. Die ArbeiterInnen und Werktätigen bezahlen 8,5 Prozent und die Bauern ein Prozent – und es wird verringert. Und das wird als positives Beispiel angeführt. Ist die sozialistische Sowjetunion ein Bauernland oder ein Arbeiterland? Faktisch ist es ein Arbeiter- und Bauernstaat, der die Bauern vorzieht.
Zur Anleihe: „Die Staatsanleihen sind in der sozialistischen Gesellschaft eine Form, in der der Staat Mittel der Bevölkerung für die Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft heranzieht mit der Verpflichtung, diese Mittel nach Ablauf einer bestimmten Frist zurückzuerstatten. Durch die Zeichnung der Anleihen überlassen die Werktätigen dem Staat freiwillig einen Teil ihres persönlichen Einkommens zur zeitweiligen Nutzung. Gleichzeitig sind die Anleihen eine Form der Ersparnisse der Werktätigen und erbringen der Bevölkerung Einnahmen in Form von Anleihe-Auslosungsgewinnen und Zinsen. Im Staatshaushalt der UdSSR entfielen auf diese Eingänge 1954 3 Prozent aller Einnahmen.“ (ebenda)
Ein sozialistischer Staat gibt Staatsanleihen aus. Ein Teil der ArbeiterInnen und Werktätigen, denen der Staat gehört, kaufen diese Anleihen, indem sie dem Staat Geld geben. Der Staat sammelt so Geld ein. Geld, das in Privathänden akkumuliert ist, nimmt der Staat gegen Zinsen. Ein Teil der Menschen, die Staatsanleihen kaufen, besitzen also mehr an dem Staat, als die anderen, die keine Anleihen haben. Das sind „Doppelbesitzer“ des Staates und des Staatseigentums. Zugleich wird behauptet: Der Staat ist der Staat des Proletariats.
Die Sowjetunion ist 1991 zusammengebrochen und auf einmal gab es Dollar-Millionäre bzw. Milliardäre. Das waren StaatsanleihenbesitzerInnen und keine Mafia. Das waren Kollektive, Leiter der Kolchosen, Leiter der Staatsbetriebe, die Direktorenfonds besaßen etc. Das war die neue Bourgeoisie, die über Geld, Geldquellen und Reichtümer verfügte. Ein Unding in einem sozialistischen Staat. Der Staat sagt, ich garantiere, wenn du mir dein Geld leihst, zahle ich dir Zinsen. Du bist sozusagen Miteigentümer des Staatsbesitzes, in dem Maße, in dem du mir Geld gibst. Das sind deine Ersparnisse. Ich garantiere dir, wenn du das zurück haben möchtest, gebe ich es dir. Wenn du aber das Geld bei mir lässt, dann gebe ich dir Zinsen. Das ist rein kapitalistisch. Das ist das Bankwesen, wie es im Kapitalismus auch funktioniert. Aber im Unterschied zum Kapitalismus ist es garantiert. Im Kapitalismus gehen die Banken Pleite, im Sozialismus, da die Hauptproduktionsmittel in Staatsbesitz zentralisiert sind, liegt dort das Geld viel sicherer als in jedem kapitalistischen Land.
Drei Prozent des Staatshaushalts werden durch Anleihen erzielt – das ist nicht wenig. In absoluten Zahlen sind drei Prozent des Staatshaushalts eine enorme Summe.
Dann gibt es die Ausgabenseite. Wie wir gesehen haben, werden 25,5 Prozent für die Werktätigen ausgegeben. Nur ein Viertel des Staatshaushaltes wird für die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben verwandt. 75 Prozent werden anders eingesetzt. Ein Teil in den Produktionsfonds. Was ist mit dem Rest? In dem Buch werden einige Zahlen genannt. Es wäre schön, wenn ein Staatshaushalt hier einmal vollständig dargelegt worden wäre. Dann würden wir viel klarer sehen.
Zu der Ausgabenseite gibt es zum Beispiel folgenden Satz: „In der UdSSR beliefen sich die Unterhaltungskosten der Organe der staatlichen Verwaltung 1932 auf 4,2%, 1940 auf 3,9% und 1953 auf 2,8% aller Haushaltsmittel. [Referent: das zeigt, dass die Staatsverwaltungskosten prozentual verringert wurden. Ob das so stimmt, weiß ich nicht, aber es ist gut, wenn sie verringert werden] Ein Teil der Haushaltsmittel dient der Festigung der Landesverteidigung. In der Sowjetunion, die eine konsequente Friedenspolitik betreibt, entfällt auf die Ausgaben für die Streitkräfte ein relativ kleiner Teil des Haushalts. Im Haushaltsplan 1954 sind für diese Zwecke 17,8% [Referent: wisst ihr, wie hoch der Anteil heute in Deutschland ist? Er ist viel geringer – drei Prozent. Für die gesamtgesellschaftlichen Ausgaben stehen 25,5 Prozent zur Verfügung, für die Armee 17,8 Prozent] der Gesamtsumme der Haushaltsausgaben vorgesehen, während in den USA die Ausgaben für Kriegszwecke im Jahre 1953/1954 mehr als 70% des gesamten Haushalts betragen.“ (S. 599)
70 Prozent des gesamten Haushalts in den USA für Kriegszwecke, diese Behauptung ist völliger Schwachsinn! Das stimmt einfach nicht. Aber das wird hier einfach geschrieben. Heutzutage werden die Zahlen offengelegt. Der Haushalt der USA ist öffentlich einsehbar. Jede/r kann ins Internet gehen und nachsehen, was 1953 für Verteidigungszwecke im Haushalt „ausgegeben“ wurde. In keinem der USA-Haushalte liegen die Haushaltsausgaben für Verteidigungszwecke, Verteidigungsministerium bei mehr als 20 Prozent.
Das ist das Problem. Um zu zeigen, wie schön, wie besser die Sowjetunion als die kapitalistische Welt ist, werden einfach phantasierte Zahlen veröffentlicht. 17,8 Prozent für Verteidigungsausgaben, während 25,5 Prozent für die Gesamtgesellschaft ausgegeben werden, ist einfach zu hoch für den Sozialismus. Aber gut für die Armee, die ein Teil der herrschenden Klasse (zum damaligen Zeitpunkt 1954) in der Sowjetunion ist. Ihnen ging es besonders gut. Der Leitung der Armee – ein Teil der sogenannten Nomenklatura, der neuen Elite in der Sowjetunion – ging es einfach bestens.
Die Zahlen des Staatsbudgets zeigen, dass der Sozialismus in der Sowjetunion nicht so weit entwickelt war, wie vorgegeben wird.
Im Finanzwesen wurde nach kapitalistischem Muster gearbeitet. Es wurden noch keine neuen Formen geschaffen und auch die Notwendigkeit dafür nicht gesehen. Das ist Fakt.

Das Bankwesen in der Sowjetunion war auch nicht viel anders, als in den kapitalistischen Ländern. Allerdings gibt es keine „freie“ Bankenwirtschaft und nicht mehrere Banken, die miteinander konkurrieren. Alle Banken sind Staatsbanken. Das ist der Unterschied. Aber für die Landwirtschaft, für die Industrie und für den Handel etc. wurde jeweils eine eigene Staatsbank geschaffen. Diese Banken finanzieren dann gegen Zinsen die Betriebe. Das ist ein staatlich-kapitalistisches und noch kein sozialistisches Bankensystem.
Im Lehrbuch wird ausgeführt: „Das Bankwesen hat also im Sozialismus die alte Form zwar beibehalten, seinen Inhalt jedoch verändert und im Vergleich zum kapitalistischen Banksystem neue Funktionen angenommen.“ (S. 605) Wenn das Bankwesen auf Geldvermehrung durch Zins arbeitet, dann kann man nicht von sozialistischem Bankwesen reden.


Kapitel XXXVIII –
„Die sozialistische Reproduktion“

Das wichtigste theoretische Problem hier ist die Frage des Vorrangs der Schwerindustrie. Diese wird praktisch zu einer zeitweiligen Erscheinung gemacht, obwohl ganz klar vorher Marx und Stalin zitiert werden, wo sie den Vorrang einfordern und auch ausführlich begründen, warum das so sein muss. Dann kommt folgender Satz: „Das vorrangige Wachstum der Abteilung I als ökonomisches Gesetz der erweiterten Reproduktion schließt die Möglichkeit und die Notwendigkeit nicht aus, in einzelnen Perioden die Zweige der Abteilung II rascher zu entwickeln, um ein Zurückbleiben der Produktion von Volksbedarfsgütern zu beseitigen und die richtige Koordinierung der Abteilungen I und II der gesellschaftlichen Produktion unter Berücksichtigung der grundlegenden Aufgaben des kommunistischen Aufbaus zu sichern.“ (S. 618)
Im Klartext: Vorrangig ist eigentlich die Abteilung I – die Schwerindustrie, aber es kann Perioden geben, in denen die Abteilung II schneller wachsen muss, weil wir Volksbedarfsgüter benötigen. Das ist völliger Unsinn. Braucht die Volkswirtschaft mehr Bedarfsgüter, dann muss die Gesamtwirtschaft technisch weiterentwickelt, die Arbeitsproduktivität gesteigert werden, und da ist die Schwerindustrie vorrangig. Die Schwerindustrie liefert technisch entwickeltere Produktionsinstrumente – und dann werden auch mehr Bedarfsgüter produziert.
Mit der Theorie, dass der Vorrang der Schwerindustrie konjunkturell ist, wird also die marxistische Position erst einmal „verbessert“, dann wird sie in den nächsten Ausgaben des Lehrbuchs der Politischen Ökonomie vollständig revidiert. Wir haben aber hier schon bei der Ausgabe 1954 die Verballhornung der marxistisch-leninistischen Theorie in dieser Frage.

Diskussionen + Fragen + Antworten


Beitrag:
Der Referent kritisiert die Ausgaben, die für die Armee beziffert werden. Muss man die Zahlen aber nicht so sehen, dass die Sowjetunion gerade aus dem 2. Weltkrieg gekommen und von imperialistischen Ländern umzingelt ist? Und ab wann kann der sozialistische Staat die Ausgaben verringern?
Frage:
Wie funktioniert überhaupt wirklich ein Steuersystem im Sozialismus? Meiner Meinung nach, Steuern muss man nur da nehmen, wo kapitalistisch produziert wird, aber nur von dem Unternehmer und nicht von den ArbeiterInnen, Lohn muss gleich Nettolohn sein. Über den Anteil, der eingenommen wird, muss klar offengelegt werden wofür dieser verwandt wird: „für Kindergarten, Volksküchen... etc.“
Antwort:
Steuern sollten nur in den Betrieben, die kapitalistisch wirtschaften eingezogen werden. Und zwar von den Betrieben und nicht von den Arbeitern/innen. Die einzige Steuer, die eingezogen werden müsste, wären diese. Alles andere sind keine Steuern. Diese sollten überhaupt nicht Steuern genannt werden. Beim Lohn, dieser sollte Netto-Lohn sein. Was der sozialistische Staat den Arbeitern/innen nicht überlässt, das ist der Teil, der für die Gesellschaft verwendet wird, und das muss auch dem/der Arbeiter/in so gesagt werden. Das ist euer Geld und wir verwenden es für das und das – für euch. Das machen die sozialistischen Wissenschaftler aber nicht im Lehrbuch. Sie stellen sich hin und sagen: wir geben euch das Dreifache dessen, was wir von euch nehmen. Das ist unverschämt.
Was die Information „70 % des Staatshaushaltes der USA seien Militärausgaben“ betrifft: Die Banken-Rettungsprogramme, die die EU durchführt, die in die über Tausend Milliarden gehen, würde man die zu den Militärausgaben der EU zählen?

Frage:
Zum Bankenwesen: S. 605/6 „Drittens obliegt ihr (der Staatsbank) die kurzfristige Kreditierung der nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeitenden Betriebe und Wirtschaftsorganisationen aller Zweige der Volkswirtschaft (mit Ausnahme der Bauorganisationen).“
Gibt es eine eigene Baubank und staatliche Branchenbanken?

Antwort:
Es gibt für „das Bauen“ eine eigene Bank. Es gibt eine Bau- und Konstruktionsbank, die dann bei Bauvorhaben die Kreditvergabe regelt. Es gibt Branchen-Banken, die staatlich sind.

Beitrag:
Zu den 70% Kriegsausgaben der USA. Ich zitiere 1da wird von „71 Prozent“ gesprochen. Aber hier handelt es sich um den Marshallplan. Das sind nicht Militärausgaben. Das war eines der größten Hilfsprogramme der imperialistischen Welt. Die USA hat nach Deutschland, Griechenland und in die gesamte westliche Welt ungeheure Summen hineingepumpt. Und die Verfasser des Lehrbuches in der Sowjetunion sagen einfach, „das sind Militärausgaben.“ Das ist Betrug am Volk.

Frage:
Was wurde unternommen, um das Bankensystem abzuschaffen?
Antwort:
Dieses war natürlich anders als in kapitalistischen Ländern. Es waren alles Staatsbanken. In kapitalistischen Ländern sind Staatsbanken höchstens die Zentralbanken. In manchen Ländern sind nicht einmal die Zentralbanken Staatsbanken. Es gibt also eine freie Konkurrenz unter den Banken. Diese existierte in der Sowjetunion und auch in den anderen ehemals sozialistischen Ländern nicht. Mit dem Zusammenbruch des Systems kamen auch Privatbanken auf die Tagesordnung. Nach dem Zusammenbruch der sozialimperialistischen Sowjetunion ist das Bankwesen in Russland in diesem Sinne ganz anders als vorher.
„Die Verstaatlichung der Banken“ ist auch das Programm des Kommunistischen Manifests. Wozu braucht man Banken, wenn man zum Kommunismus geht? Im Prozess der Entwicklung des Sozialismus muss nach und nach dieses Bankwesen mit dem Absterben des Staates auch absterben. Dafür müssen die KommunistInnen, die sozialistische Regierung aber auch eine bewusste Politik machen – diese gibt es nicht, diese diskutieren sie auch nicht. Das hier ist das Lehrbuch der politischen Ökonomie – nirgendwo wird gesagt, was ist die Zukunft der Banken im Sozialismus.

Beitrag:
Zur Frage der Schaffung eines stehenden Heeres oder einer Volksarmee und die jeweils dabei entstehenden militärischen Ausgaben. Ja, es ist richtiger, eine Volksarmee aufzubauen. Aber diese Frage ist politisch und nicht vor allem eine militärische. Aber sehen wir uns mal die Volksarmee in Vietnam an. Die Opfer bei einer Volksarmee sind immer viel höher als bei einer professionellen Armee. Was macht heute zum Beispiel eine Volksarmee gegen Drohnen?

Beitrag:
Volksarmee heißt doch nicht, dass man keine Drohnen hat.

Beitrag:
Eine kleine Armee kann die Technik beherrschen. Man muss die technische Entwicklung weiterführen. Man muss seine Waffen leider entwickeln. Drohnen muss man abwehren. Solange die Welt nicht größtenteils sozialistisch ist, musst du immer Waffen haben und entwickeln, weil du dich verteidigen musst. Dafür brauchst du aber auch eine Armee, nämlich zur Ausbildung und um die Waffen zu beherrschen.

Beitrag:
Aber da kann man doch nicht sagen, so und so viel muss ausgegeben werden.

Beitrag:
Es geht weniger darum, welche Waffen, sondern um welche Armee. Da gibt es in der bürgerlichen Armee eine Hierarchie, eine militaristische Struktur und Generäle... etc. Volksbewaffnung heißt: das militärische Wissen und Können ist Teil des Volkes, Teil der Gesellschaft. Zu den Ausgaben, da muss es einen Plan geben, das muss geklärt werden, was brauchen wir, was ist notwendig. Vor dem 2.Weltkrieg haben sie in der Sowjetunion auch relativ schnell auf Krieg umgestellt. Der Plan muss auch diskutiert werden mit den ArbeiterInnen, das ist sozialistisch.

Beitrag:
Am Boden werden sich Kriege entscheiden und nicht im Himmel. Die Imperialisten suchen sich immer Verbündete, damit sie den Krieg gegen die Völker gewinnen können. Aber wenn wir die Völker hinter uns haben, dann gewinnen wir den Krieg.

Beitrag:
Im Kapitel 38 sehen wir, wenn wir an der Macht sind, können wir auch nicht alles gleich umsetzen. Wie wir das umsetzen können, ist abhängig von den objektiven und subjektiven Gegebenheiten. Die Politik eines sozialistischen Staates ist nicht Angriff, sondern Verteidigung und ist Bewaffnung des Volkes. Aber das hängt von den Bedingungen ab. 1918 musste der neue Sowjetstaat ja auch eine Rote Armee gründen, obwohl das nicht Programm war. Kann sein, wir sind auch in so einer Situation, aber dann sagen wir ganz klar: wir wollen die Volksbewaffnung. Aber wir brauchen auch Ausbilder. Entscheidend bei den Militärausgaben ist doch, wofür werden diese verwendet. Die siebzehn Prozent Militärausgaben, da war es wie beim Direktorenfond. Die Armeeleitung, als Teil der herrschenden Klasse, hat von diesen Geldern auch zur eigenen Bereicherung vergeudet.

Referent: Zu „Staatsausgaben für Verteidigung und für Krieg“:

Das Militärprogramm der Marxisten ist die Volksbewaffnung. Das heißt, wir brauchen im Prinzip kein stehendes Heer. Es ist nicht das Programm der Marxisten, die Verteidigung so zu machen, dass es eine stehende Armee gibt. Das Militärprogramm der proletarischen Diktatur beruht darauf, unter einer sozialistischen Herrschaft sich nur dadurch zu verteidigen, indem das Volk dieses System als sein System begreift und im Falle eines Angriffs als das Volk insgesamt dagegen ankämpft. Dafür brauchen wir zwei Sachen: die Volksbewaffnung und in regelmäßigen Abständen das Training des Volkes im Verwenden dieser Waffen. Das ist das Militärprogramm der Marxisten, das Lenin 1916 ganz klar formuliert hat.
Trotzdem hat die KPR(B) aber eine Rote Armee geschaffen. Ein stehendes Heer, in die sie ehemalige Generäle etc. aufgenommen haben, weil das Volk noch nicht bereit und auch noch nicht militärisch ausgebildet genug war, dieses System insgesamt zu schützen. Deshalb mussten sie sich selbst schützen und eine solche Armee aufbauen. Im Laufe der Entwicklung des Sozialismus müsste das Heer im Prinzip immer mehr verkleinert werden – nach der marxistischen Lehre. Je mehr die Menschen dieses System als das eigene System verstehen und bereit sind, dieses zu verteidigen, in dem Maße kann die stehende Armee zurückgedrängt werden und die freiwilligen, ständig die Waffen in der Hand oder im Schrank habenden, im Falle eines Angriffs überall, sofort von heute auf morgen, sich selbst mobilisierenden Massen, werden das System schützen.
Das wurde nicht gemacht sondern das Gegenteil. Je mehr die sowjetischen KommunistInnen und die Regierung gesagt haben, wir entwickeln den Sozialismus, wir sind jetzt sozialistisch, und gehen jetzt sogar zum Kommunismus über, wurde aus der stehende Armee eine größere professionellere Macht, die letztendlich zu einem Staat im Staate, zu einer Macht in der Macht wurde.
Das hat aber auch eine Logik. Wer letztendlich die Gewehre hat, hat die Macht. Und gibt diese nicht so einfach aus der Hand.
Wie wird 1954 in der sozialistischen Literatur die Welt beschrieben? Jubelnd wird posaunt, die Sowjetunion gehe allmählich zum Kommunismus über, es gebe volksdemokratische Staaten unter Führung des Proletariats, ja eine „Diktatur des Proletariats nur in einer anderen Form“. Ein Drittel der Erde, die Sowjetunion, China, Gesamt-Osteuropa ist – geographisch gesehen – rot. Das ist die Situation, die sie beschreiben. Was müsste dann passieren? Nach marxistischem Verständnis – müssten die Militärausgaben beim Staatshaushalt verringert werden. Wurden sie aber nicht. Ganz im Gegenteil.
In unserem Programm steht, dass wir kein stehendes Heer haben werden. Unser Militärprogramm ist das marxistische Programm der Volksbewaffnung. Es wird eine sehr kleine Gruppe von professionellen Militärs geben, die nur die Aufgabe haben, das Kriegswesen, die Waffenbedienung den Menschen beizubringen. Nicht mehr und nicht weniger.
In den heutigen Kriegen sehen wir etwas ganz klar: Egal welche Waffen du hast. Wenn die Bevölkerung kämpft, kannst du sie nicht besiegen (z.B. Irak). Es kommt auf die Werktätigen an, ob sie kämpfen oder nicht. Mehr nicht.
Die USA hat in Vietnam Krieg geführt. Mit 500 000 Soldaten. Mit einer enormen Militärkraft.
Am 1. Mai 1974 musste der letzte amerikanische Soldat Vietnam verlassen. Es gibt Fotos die zeigen, dass südvietnamesische Helfershelfer der USA sich an die letzten Hubschrauber aneinander gekettet haben, so dass die Hubschrauber nicht abheben konnten etc. Womit hat der Vietkong gekämpft? Mit Kalaschnikows. Diese kann jede/r verwenden.
Auch heute wird der Krieg mit Kalaschnikows geführt – letztendlich. Wenn eine nicht kleine Zahl der Bevölkerung bereit ist, zu kämpfen, ist sie nicht zu besiegen. Andererseits ist es so, dass der Sozialismus nicht exportiert werden kann.
Wir können nicht den Sozialismus mit Militärgewalt in irgendeinem anderen Land durchsetzen. Das heißt, wir brauchen keine Angriffsarmee, nur eine Verteidigungsarmee – diese ist das Volk. Aber wenn wir das Volk bewaffnen, kann es sein, dass wenn wir etwas Falsches machen, dann das Volk uns aus der Macht jagt.
Es ist eine enorme Summe, siebzehn Prozent, und diese als gering auszugeben, ist unverantwortlich. Folgendes wäre zu verstehen, wenn gesagt wird: Leute, wir müssen das machen, weil es anders nicht geht. Die Imperialisten bedrohen uns etc., und wir geben eine enorme Summe aus, die wir leider nicht produktiv verwenden können etc., aber das müssen wir abschaffen. Das wäre sozialistische Lehrbuchpolitik. Das machen sie aber nicht.
Sie belügen und täuschen damit die Menschen im Land des Sozialismus. Sagen, die USA gibt siebzig Prozent aus. Kaum jemand käme auf die Idee, die Information, die die Partei anführt, zu bezweifeln.


Zusammenfassung:


*Was im Lehrbuch von den Verfassern über das Staatsbudget „gelehrt“ wird, kann von normalen, lesenden ArbeiterInnen, die sich nicht damit intensiv beschäftigt haben, kaum durchblickt werden. Es ist unverständlich, was wofür im Staatsbudget genau verwendet wird.


*Es wird mehr verdeckt als erklärt. Um zu verstehen, was dahinter steckt, müssen die LeserInnen ziemlich ökonomisch versiert und auch marxistisch-leninistisch ziemlich gut geschult sein. Es ist nicht so einfach, hier durchzublicken.

*Fakt ist aber, dass sie auch in den Zahlen, die sie selbst geben, klar sagen, für gesamtgesellschaftliche Aufgaben werden 25,5 Prozent der Ausgaben verwendet. Das ist für einen sozialistischen Staat sehr, sehr wenig. Sogar heute werden in imperialistischen Ländern für gesamtgesellschaftliche Aufgaben mehr als 25 Prozent des Staatsbudgets verwendet.
Wenn zum Beispiel gesagt wird, wir geben sehr wenig für das Militär aus und als Beleg die Zahl 17,5 Prozent genannt wird, weiß jeder, der sich einigermaßen mit Staatsbudgets auskennt, dass nicht einmal in den kapitalistischen Ländern so viel ausgegeben wird. Wenn man aber dazu noch weiß, das Militärprogramm der KommunistInnen ist im Prinzip Volksbewaffnung, was aber hier praktisch die Verteidigung der stehenden Armee ist, dann ist es einfach keine richtige marxistische Politik, die da betrieben wird. Wenn die SozialistInnen/KommunistInnen von diesem Buch lernen, dann werden sie dieselben Fehler machen.

*Die Frage, ob wir in einem sozialistischen Staat tatsächlich zur Volksbewaffnung als Militärprogramm kommen können, wann wir dazu kommen etc., ist eine ganz konkrete Frage, die von den konkreten Bedingungen abhängt. Wenn wir als sozialistischer Staat sehen, gegen uns wird ein Krieg vorbereitet, dann werden wir natürlich viel mehr in Militärausgaben, mehr in Militärtechnik reinstecken etc. als wenn „friedliche Zeiten“ herrschen.
1938 war es zu 100 Prozent richtig, dass der sozialistische Staat praktisch auf Kriegswirtschaft umgeschwenkt ist. Es war zu 100 Prozent richtig, dass sie mit den Hitler-Faschisten einen Nichtangriffspakt unterschrieben und Zeit gewonnen haben. Das sind alles taktische Entscheidungen.
Wichtig ist in einem Lehrbuch der Politischen Ökonomie in dieser Frage, das Programmatische hinein zu schreiben und zu sagen, das ist unser Militärprogramm und das haben wir noch nicht geschafft. Anstatt das zu machen, wird hier im Lehrbuch vertreten, im Prinzip, ohne dass es ausdrücklich gesagt wird, im Sozialismus ist ein Fünftel des Staatsbudgets für Militärausgaben, für die Armee durchaus möglich, ja, sogar richtig. Das sei sogar noch relativ gering. Das geht nicht.

*Viele politische und ökonomische Maßnahmen, von denen die Verfasser sagen, das ist Sozialismus, vertragen sich im Grunde genommen gar nicht damit und trotzdem werden sie aber verteidigt. Das propagieren sie auch. Wir haben gelernt, dass das Prinzip des Sozialismus ist, dass jede Leistung auf Arbeit beruhen soll. Eine Leistung, die nicht auf Arbeit beruht, gibt es im Sozialismus nicht.
Es gibt aber Zinsen, die die Banken zahlen. Auf welcher Arbeit beruhen bitte schön Zinsen? Dann gibt es z.B. die Auszahlung der Anleihe-Auslosungsgewinne (S. 598). Ich kaufe Anleihen, du kaufst Anleihen etc., wir haben alle Anleihen gekauft, dann findet eine Auslosung statt. Bei dieser Auslosung kann jede/r gewinnen und bekommt noch 100 oder 200 Anleihen hinzu. Welche Arbeit ist das?
Kein Reichtum ohne Arbeit – alles soll auf Arbeit beruhen. Aber es gibt eine Lotterie in den sozialistischen Ländern. Wenn es eine Lotterie gibt, dann sind wir noch nicht so weit. Willst du wissen, ob ein Staat sozialistisch ist oder nicht – stellst du die Frage, gibt es eine Lotterie oder nicht.
Im Prinzip ist alles ganz einfach, aber schwer zu machen. Denn die Menschen sind an Lotterien gewohnt und der Staat will auch das Geld, was die Leute in der Hand haben – das ist eine enorme Summe. Die Produktion wächst ständig, die Produkte wachsen ständig, der Reallohn wächst ständig, die Versorgung der Bevölkerung ist garantiert.
Was machst du mit dem Geld? Es gibt eine Geldanhäufung. Es gibt ArbeiterInnen, die praktisch das Sechsfache mehr erhalten und mit allem versorgt sind, als ArbeiterInnen mit dem geringsten Einkommen. Zehn Jahre lang das Sechsfache verdient, was er nicht braucht. Was macht er damit? Er häuft das Geld an.
Eine Funktion des Geldes – nach marxistischer Literatur ist – Schatzbildung. Schatzbildung ist die Grundlage des Kapitalismus. Das ist die ursprüngliche Akkumulation. Was macht der Staat? Er versucht, dieses Geld zu sammeln und für die Gesamtbevölkerung und die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben einzusetzen – das ist die Theorie. De facto wird dieses Geld für die Bereicherung der Oberschicht weiter verwendet. Der Staat sagt, ihr habt brachliegendes Geld, ist doch gut, wenn wir es nehmen. Er gibt Zinsen, wenn die Menschen dieses Geld sammeln. D.h. der Staat unterstützt die weitere Schatzbildung, die weitere Bereicherung.

*So kommen wir jedenfalls nicht zum entwickelten Sozialismus. Und auch nicht zum Kommunismus. Das auf keinen Fall. Wir landen damit bei einer Gesellschaft, in der es Reiche und Arme gibt. Die Armen sind nicht so arm wie im Kapitalismus aber verglichen mit den anderen sind sie arm. Und die Reichen, die haben so eine enorme Summe in der Hand, das in Kapital umgewandelt werden kann. Wenn du diese Gefahr nicht benennst, sondern stattdessen sagst, das ist toll, wir werden reicher, dann ist das komplett falsch und der Weg des Kapitalismus. Es werden hier Zahlen gegeben: „Die regelmäßige Zunahme der Spareinlagen der Bevölkerung ist ein Kennzeichen für die ununterbrochene Erhöhung des materiellen Wohlstands der Werktätigen. Ende 1953 beliefen sich die Spareinlagen [Referent: Schatz-Geld] der Bevölkerung auf 38,6 Milliarden Rubel und betrugen damit das 5,3fache des Standes von 1940.“ (S. 607)
Das sind enorme Summen. Das sind Spareinlagen in den Banken. Von wem? Von den Werktätigen. Und es gibt Erbrecht auf diese Spareinlagen. Das heißt, das erben Menschen, einzelne Individuen, die nicht dafür gearbeitet haben. Anstatt, dass dieses Geld dem Staat zur Verfügung steht, damit die Situation der Gesamtgesellschaft sich stetig verbessert. So kommen wir nicht zum Sozialismus. So kommen wir wieder zum Ausgangspunkt, zum Kapitalismus, in einer neuen Form.