Südafrika: Vom Kampf gegen Rassismus und Kolonialismus
zum Kampf der Klassen!
ANC – Freiheitscharta über Bord
Der ANC ist im neuen demokratischen Südafrika die entscheidende politische Macht und wirft in einem rasanten Tempo die Ziele seiner Freiheitscharta über Bord. In den ersten Jahren wird das „Reconstruction and Development Programe“ (RDP, Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramm) aufgelegt und umgesetzt. Ziel des RDP ist die Initiierung eines
„Entwicklungsschubs über soziale Maßnahmen“ Durch Investitionen in den Bereichen Elektrizität, Wasser, Telekommunikation, Transport, Gesundheit, Bildung und Ausbildung sollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung entscheidend verbessert werden.
Die neue Bourgeoisie: Fast ein Drittel der Mitglieder des Nationalen Exekutivkomitees des ANC sind gleichzeitig als Geschäftsführer von Unternehmen tätig, die vom staatlichen BEE-Programm profitieren.
In den Townships brennen Barrikaden.
In Südafrika vergeht kaum ein Tag ohne immer wieder aufflammende soziale Proteste. Die Forderungen nach Sozialwohnungen, Wasser- und Kanalisationsanschlüssen, besseren Gesundheitseinrichtungen oder Schulen werden lauter, vehementer und selbstbewusster, vertrauend auf die eigene Kraft, auf die Straßen getragen. Zunehmende Proteste gibt es auch gegen die Zwangsräumung von Armenvierteln.
Tatsächlich hat die Regierung mit dem RDP gewisse positive Veränderungen für die werktätige Bevölkerung geschaffen: Nach Regierungsangaben wurden 2,6 Mio. Häuser gebaut. Über 75 Prozent der schwarzen SüdafrikanerInnen sind mittlerweile ans Stromnetz angeschlossen. 1996 waren es weniger als die Hälfte.
Eine minimale soziale Absicherung wird eingeführt: Im Jahr 2012/2013 sind 16,1 Millionen SüdafrikanerInnen auf die armselige staatliche Unterstützung (wie z.B. Kindergeld, Pensionen, Hilfen für Kranke) angewiesen.
1994 wird das Labour Relations Act (LRA, Grundgesetz des Arbeitsrechts) erlassen. Das LRA legalisiert politische Streiks als Kampfmittel der Erwerbstätigen. Sowohl die Großunternehmen, als auch die großen Gewerkschaften üben einen starken Einfluss mittels dieses Gesetzes aus. Darin
werden die Gewerkschaften als einzige rechtliche VertreterIn der Erwerbstätigen institutionalisiert und liefert diese somit den Gewerkschaften auf Gedeih und Verderb aus. Ohne die Gewerkschaften können die ArbeiterInnen keine kollektiven Rechte wahrnehmen.
1998 wird das Employment Equity Act (EEA, Gesetz zur Gleichheit in der Beschäftigung) erlassen. Ziel dieses Gesetzes ist es, die Diskriminierung von Frauen und Behinderten am Arbeitsplatz abzuschaffen und Förderungsmaßnahmen zugunsten von Minderheiten voranzutreiben. Das EEA findet jedoch nur Anwendung für Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten und auf ArbeiterInnen mit Tarifvertrag.
Südafrika gehört zu den Pionieren beim gesetzlichen Schutz der Rechte von LGBT und war das erste Land der Welt, das 1996 Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung verbot und 2006 die gleichgeschlechtliche Ehe einführte. In 70 Prozent aller afrikanischen Staaten wird Homosexualität bestraft.
Trotz der Gleichstellungsgesetze stehen schwarze Frauen auf der „sozialen Leiter“ ganz unten und sind extrem unterprivilegiert. Nur 30 Prozent von ihnen haben überhaupt eine Arbeit und ihr durchschnittlicher Stundenlohn liegt bei 1,68 Euro (der von weißen Männern liegt bei 6,68 Euro).
Doch das RDP wird schnell verworfen und eine 180 Grad Wendung eingeleitet. Stattdessen setzt die Regierung unter Präsident Mbeki seit Dezember 1999 auf eine kapitalistisch expansive Wirtschaftspolitik, die den imperialistischen Großmächten und der südafrikanischen Bourgeoisie maximale Gewinne sichert – gefördert durch den Internationalen Währungsfonds und vor allem durch europäische Wirtschaftsvertreter der Monopolkonzerne. Das neue Strukturanpassungsprogramm heißt:
„Growth, Employment and Redistribution“ (GEAR, „Wachstum, Beschäftigung und Umverteilung“). GEAR bedeutet de facto die Privatisierung der Staatsbetriebe, die Deregulierung und Liberalisierung des Marktes und führt letztendlich nur zu weiterer Gewinnmaximierung der Konzerne.
Eine wichtige wirtschaftspolitische Strategie seit Dezember 2003 ist die Förderung schwarzer Geschäftsgründungen durch das „Black Economic Empowerment“ Programm (BEE,
„Wirtschaftliche Stärkung von Schwarzen“), 1 um den Wohlstand der schwarzen Eliten zu heben, um dadurch höheres Wirtschaftswachstum zu erzielen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Von der Regierung wird das BEE-Programm als Erfolg von der Befreiung weißer Vorherrschaft in der Ökonomie verkauft.
Es entsteht eine sehr kleine, eng mit dem ANC verbundene neue Schicht von schwarzen Kapitalisten, die in vielfältiger Weise an allen Wirtschafts- und Finanzunternehmen beteiligt sind und über Nacht zu
Multimillionären werden. Die große Mehrheit der armen, schwarzen Werktätigen, die unterhalb der Armutsgrenze in Elend dahinvegetieren hat rein gar nichts von dem Empowerment-Programm.
Neben dem BEE-Programm wird 2007 das „Broad-Based Black Economic Empowerment“ (B-BBEE, „Breit Angelegte Wirtschaftliche Stärkung von Schwarzen“) ergänzt: Das B-BBEE hat vor allem eine schwarze Mittelklasse geschaffen, die heute zahlenmäßig größer als die weiße Mittelklasse ist.
Von GEAR zum NDP
Das neueste Projekt ist der im Jahr 2012 verabschiedete National Development Plan (NDP,Nationaler Entwicklungsplan). Im ND-Plan werden bis zum Jahr 2030 folgende Ziele aufgestellt: Verringerung der Arbeitslosenquote auf sechs Prozent; Anstieg der Erwerbsquote auf 61 Prozent; Anstieg des BIP um das 2,7-fache (allerdings ist dafür ein durchschnittliches Wachstum von jährlich 5,4 Prozent erforderlich); Verdoppelung des Pro-Kopf-Einkommens; Anstieg der Investitionsquote auf 30 Prozent; Entwicklung öffentlicher Beschäftigungsprogramme, die bis 2015 eine Million, bis 2030 zwei Millionen Menschen umfassen sollen.
Zum Beispiel:
Konzerne des Minerals-Energy Complex (MEC)
Der MEC ist das Herzstück der südafrikanischen Wirtschaft. Die Förderung und Verarbeitung von Rohstoffen macht zusammen mit vor- und nachgelagerten Produktionsstufen etwa ein Viertel der südafrikanischen Produktion aus. Der Konzern hat sich nach 1994 mit der globalen Finanzwirtschaft verbunden und ist an der Johannesburger Börse gelistet.
Anhand der Besitzverhältnisse des MEC lässt sich einiges verdeutlichen: Der MEC ist nach wie vor in den weißen Händen der ehemaligen Kolonialisten. 2008
waren noch immer 93 Prozent der Anteilseigner weiß.Die schwarze Beteiligung am MEC konzentriert sich auf einige, wenige –
mit der ANC-Regierung – verbundene Personen.
Im privaten Sektor sind nur 13 Prozent schwarze
Manager tätig, und die überwiegende Mehrheit – 74 Prozent – sind Weiße. Die neue schwarze Mittelklasse, die mit Hilfe des B-BBEE entstanden ist, findet sich demgegenüber überwiegend in Leitungsposten des
öffentlichen Sektors. Darin sind inzwischen 61 Prozent der Manager aus der schwarzen Bevölkerung und nur noch 21 Prozent aus der weißen. Eine der Ursachen, warum der weiße Rassismus in den Wirtschafts- aber auch in den sozialen Beziehungen keineswegs ausgerottet ist sondern immer noch als Faul- und Spaltpilz existiert ist die Konzentration der wirtschaftlichen Macht – vorneweg beim MEC – in den Händen der ehemaligen weißen Beherrscher Südafrikas.
„Reconstruction and Development Programe“, „Growth, Employment and Redistribution“, „National Development Plan“ – all diese Programme, Pläne und Projekte haben wohlklingende Namen, aber dahinter steht eine Politik der Dreierallianz-Parteien, die in der Realität auf folgendes hinausläuft: Stärkung und Wachstum der kapitalistischen, vom Imperialismus abhängigen südafrikanischen Wirtschaft durch Flexibilisierung und internationale Investoren. Verbunden mit enormer Bereicherung und Korruption der einheimischen Bourgeoisie und Großbourgeoisie. Als „auf Export fokussiertes neoliberales Wachstumsmodell“ 1 hat COSATU das Dokument im März 2013 kritisiert. Und das ist noch sanft ausgedrückt, was den Klasseninhalt dieser Wirtschaftspolitik angeht.
Die Metallarbeitergewerkschaft National Union of Metalworkers in South Africa (NUMSA) und sieben weitere COSATU-Gewerkschaften sprechen im Dezember 2013 von Verrat an der Bevölkerung durch
„rechtsgerichtete und neoliberale Politiken wie den Nationalen Entwicklungsplan“,
sehen in dem NDP das „Programm unseres Klassenfeindes“
und kritisieren den Abbau von Arbeiterrechten ebenso wie die Fokussierung auf Privatinvestitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen.
Obwohl die Gewerkschaften diese berechtigte Kritik, wenn auch sehr abgeschwächt vorbringen, ist es eine vollkommen absurde Situation. Denn die COSATU-Gewerkschaften sind nicht nur Teil des Systems sondern sie sind Regierungsmitglieds-Organisationen und haben diese Politik direkt zu verantworten.
Südafrika – politische, ökonomische und soziale Realitäten
Südafrika hat 54 490 000 EinwohnerInnen.
Die schwarze Bevölkerungsmehrheit umfasst 80,2 Prozent; 8,8 Prozent sind Coloureds; 8,4 Prozent Weiße und 2,5 Prozent InderInnen.
Die Nguni Völker bilden etwa 60 Prozent der schwarzen Bevölkerung (davon Zulu etwa elf Millionen; Xhosa rund acht Millionen, sowie Swazi und Ndebele).
Sotho-Tswana ca. 30 Prozent und Venda-Karanga und Tsonga rund zehn Prozent.
In der Verfassung Südafrikas sind elf offizielle Landessprachen verankert.
Fast 70 Prozent der EinwohnerInnen sind unter 35 Jahre.
64,8 Prozent aller SüdafrikanerInnen leben in Städten. Johannesburg mit Soweto: 3,7 Mio; Kapstadt: 3,66 Mio; Durban: 2,9 Mio; Pretoria: 2,1 und Port Elizabeth: 1,2 Mio.
Das Land ist mit 1219 km2 ca. 3,5-mal größer als Deutschland. Die Bevölkerungsdichte beträgt 45 Personen je km2, im Vergleich zu Deutschland mit 229.
Geißel Armut und soziale Ungleichheit
Nach dem Ende der Apartheid wurden die extrem auseinander klaffenden Besitzverhältnisse zwar teilweise angegriffen aber nicht abgeschafft. Mit der Beteiligung der schwarzen Bourgeoisie am Reichtum tritt seitdem der Klassenwiderspruch deutlicher hervor. Die soziale Ungleichheit innerhalb Südafrikas ist in den letzten Jahren gewachsen und gehört zu den größten der Welt. Von 0,578 im Jahr 2000 über 0,63 im Jahr 2008 wächst der Gini-Koeffizient 1 2016 auf 0,69. Damit ist Südafrika das Land mit der weltweit größten Ungleichheit in den Lebens- und Besitzverhältnissen.
Zum Vergleich: Der Gini-Koeffzient von Lesotho: 0,52; von Namibia: 0,63; von Swasiland: 0,51; von Mosambik: 0,45. Zum Vergleich die anderen BRICS-Staaten: Indien: 0,33; Russland: 0,42; VR China: 0,42; Brasilien: 0,54.
Heute haben Schwarze, Weiße, Coloureds und InderInnen angeblich die gleichen Rechte – in der Realität allerdings nur auf dem Papier. Und wie eh und je, die Armut bleibt schwarz: Zur untersten Einkommensgruppe gehören 63 Prozent der schwarzen Familien, aber nur vier Prozent der Weißen. In der obersten Einkommensgruppe sind ein Prozent der schwarzen, aber 29 Prozent der weißen Haushalte. 32 Prozent der schwarzen Bevölkerung lebt in absoluter Armut von weniger als zwei US Dollar pro Tag. Unter den weißen SüdafrikanerInnen liegt der Anteil bei 0,6 Prozent.
Beinahe ein Drittel, 32,8 Prozent der Schwarzen muss mit minimaler Sozialhilfe überleben, bei den Coloureds sind es 24,3 Prozent und bei den InderInnen 10,4 Prozent. Bei den Weißen sind es gerade mal 4,6 Prozent.
Und die Armut steigt immer weiter an. Zudem verliert der Rand (ZAR, südafrikanische Währung) zwischen Dezember 2014 und Dezember 2015 mehr als 30 Prozent an Wert und die Preise steigen dadurch unaufhaltsam, weil Importe extrem viel teurer werden. Zusätzlich wird 2016 eine Inflationsrate von 6,8 und 2017 von 7,0 Prozent erwartet. Daher werden die Armen immer ärmer, es bleibt noch weniger von dem sowieso wenigen.
Darüber hinaus sind die Preise für Grundnahrungsmittel aufgrund der massiven Dürreperioden in 2016 jetzt schon um das Zweieinhalb-fache angestiegen: Das Grundnahrungsmittel Maismehl ist zum Beispiel doppelt so teuer wie im Vorjahr.
Geißel Erwerbslosigkeit und Prekariat
Wirtschaftswachstum findet statt – wenn auch im Vergleich mit anderen afrikanischen Länder ein eher sehr geringes. Gleichzeitig werden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Im Gegenteil: 30 000 Stellen im öffentlichen Dienst sind seit 2013 vernichtet worden.
In der südafrikanischen Wirtschaft arbeiten 20,86 Millionen Werktätige (von 54 490 000 EinwohnerInnen!) 1 und die offizielle Zahl der Arbeitslosenquote ist mit 25,3 Prozent schon extrem hoch. Inoffizielle Schätzungen dagegen liegen bei 40 Prozent. Die Erwerbslosigkeit bei schwarzen Jugendlichen liegt offiziell bei 52,5 Prozent, bei weißen bei sechs Prozent.
Die Zahl der prekär Beschäftigten ist vor allem unter den LandarbeiterInnen immens hoch. Das sind in erster Linie SaisonarbeiterInnen, die hauptsächlich während der Erntezeit von Dezember bis Februar angeheuert werden, und LeiharbeiterInnen, die schlecht bezahlt werden und kaum soziale Absicherung haben. Die Zahl der ZeitarbeiterInnen ist gemessen an den Lohnabhängigen mit 9,2 Prozent ebenfalls hoch.
Ein Minenarbeiter verdient etwa 5 000 Rand (334 Euro) pro Monat. 2 700 bis 3 650 Rand (180 bis 244 Euro) verdient ein/e FarmarbeiterIn.
Ein Liter Wasser kostet in Kapstadt 0,9 Euro, 500g Brot ebenfalls, ein Liter Super-Benzin ein Euro (13 Rand), ein Kinobesuch kostet fünf Euro. Ein WG-Zimmer/Monat kostet zwischen 3 000 und 4 500 Rand (200 bis 300 Euro), ein Arztbesuch (nur Beratung) kostet 300 Rand.
Geißel ungelöste Landfrage
Obwohl die GroßgrundbesitzerInnen (sogenannte „kommerzielle Farmen“) gerade mal 5,2 Prozent der LandbesitzerInnen ausmachen, verfügen sie über 82,8 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche. Der Gini-Koeffizient der Konzentration des Eigentums und Besitzes landwirtschaftlich nutzbaren Landes liegt bei 0,787 und weist damit eine extrem ungleiche Landverteilung aus. Zum Vergleich: In Simbabwe liegt der Gini-Koeffizient (der Konzentration des Eigentums und Besitzes landwirtschaftlich nutzbaren Landes) bei 0,426.
20 000 weiße GroßgrundbesitzerInnen produzieren 80 Prozent der Wertschöpfung in der Landwirtschaft.
40 000 – darunter circa 2 000 schwarze GrundbesitzerInnen – produzieren 15 Prozent.
500 000 Familien, die in den ehemaligen „homelands“ leben, produzieren schätzungsweise fünf Prozent.
Die Rückgabe von Land (Land restitution) war eines der Versprechen des ANC – bevor er an die Macht kam. Zunächst kaufte die ANC-Regierung noch Land von weißen GroßgrundbesitzerInnen auf und verteilte es durch das
willing seller – willing buyer
-(freiwillige/r VerkäuferIn – freiwillige/r KäuferIn) Programm. Bis zum Jahr 2005 waren nur etwas mehr als vier Prozent umverteilt worden. Elf Jahre nach Ende der Apartheid – besitzen 60 000 weiße GroßgrundbesitzerInnen (das sind nur fünf Prozent der weißen Bevölkerung) fast 87 Prozent (85,5 Millionen Hektar) des landwirtschaftlich nutzbaren Landes.
Mehr als 50 Prozent der Landbevölkerung besitzen weniger als einen Hektar Boden.
Das Programm der Regierung zur Umverteilung des Landes ist eine Farce. Es sieht vor, dass die während der Apartheid unrechtmäßig enteigneten schwarzen BäuerInnen ihr Eigentum vor Gericht erst einmal nachweisen müssen. Oftmals fehlen ihnen hierfür die geforderten Dokumente bzw. Eigentumsnachweise über ihren Grund und Boden. Dazu gibt es noch eine gesetzliche Eigentumsklausel, die verhindert, dass die Regierung selbst überhaupt Enteignungen vornehmen kann.
Dieses Gesetz zum Schutz von Privateigentum verhindert eine unbedingt notwendige gerechte Land-Rückgabe an die ehemaligen LandbesitzerInnen. Schwarze LandarbeiterInnen, die während der Apartheid wie Sklaven auf den Farmen geschuftet haben und geknechtet wurden, werden bei der Landverteilung noch nicht einmal berücksichtigt. Sie werden nach wie vor von den weißen Farmern – ebenso wie von den neuen schwarzen Farmern – brutal ausgebeutet oder vertrieben. Bis 2012 sind 7,95 Millionen Hektar umverteilt worden.
Das sind nur 7,5 Prozent des Landes, das sich 1994 in weißen Händen befand!
Das ist nicht einmal ein Drittel der 30 Prozent, die der ANC versprochen hatte!
Heute liegt die Zahl der weißen GroßgrundbesitzerInnen bei 40 000. (20 000 weiße Großgrundbesitzer sind seit 2005 bis heute entweder in die Städte umgesiedelt oder haben Südafrika verlassen.)
An der Konzentration von Land in ihren Händen hat sich kaum was verändert: 40 000 besitzen etwa 67 Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Landes.
15 Prozent gehört zu den Black Communal Areas (schwarzes Gemeinschaftsland). Davon befinden sich etwa zwölf Prozent in den ehemaligen „homelands“ und zwei Prozent in den ehemaligen Reservaten der Coloureds.
Zehn Prozent zählt zu dem Other State Land (Landwirtschaft in den Händen des Staates, militärisches Gebiet... etc)
Acht Prozent sind Restland, einschließlich städtischer Gebiete.
Zweiklassen-Bildungssystem
Gemessen an der Qualität des Bildungswesens liegt Südafrika auf dem unteren Rang 140 von 144 Ländern.
Und Südafrikas Bildungssystem ist nach wie vor zweigeteilt:
Es gibt zwar keine separaten Schulen mehr nur für schwarze oder nur für weiße Kinder und Jugendliche, dafür aber für arme und reiche. Und dennoch, an Südafrikas Schulen lebt die Apartheid weiter: Es gibt immer noch überwiegend Elite-Schulen, die nur die weiße und ein kleiner Prozentsatz der neu entstandenen schwarzen Oberschicht besuchen können. Das heißt die rassistische Trennung existiert immer noch, auch wenn sie aufgeweicht wird.
Die Bourgeoisie schickt ihre Kinder auf Elite-Privatschulen. Das Schulgeld beträgt dort etwa 740 Euro monatlich. Die Mittelklasse, die sich das leisten kann, nimmt dafür teilweise sehr hohe Kredite auf. Die Werktätigen, in der großen Mehrheit Schwarze, müssen mit staatlichen Schulen vorlieb nehmen. Diese sind oft kaum funktionsfähig, es fehlt an Elektrizität, Wasser, Toiletten und an guten LehrerInnen. Lediglich vier Prozent aller SchülerInnen – nahezu alle weiß – gehen auf Privatschulen, von ihnen bestehen 98 Prozent das matric (nationales Abschlussexamen). Hingegen schaffen an allen landesweiten öffentlichen Schulen nur 50 Prozent der SchülerInnen die Abschlussprüfung. An einigen der Schulen besteht diese Prüfung kein einzige/r SchülerIn.
Zum Beispiel:
Ehemalige Model-C-Schulen sind vormals weiße staatliche Schulen, heute semi-private Schulen. Heute können neben den weißen auch schwarze, coloured und indische SchülerInnen auf eine Model-C-Schule gehen. Sie haben nach wie vor eine bessere Ausstattung, eine bessere Infrastruktur und qualifizierte LehrerInnen. Der Notendurchschnitt an diesen Schulen liegt durchschnittlich bei 94 Prozent. Zum Vergleich: Der nationale Notendurchschnitt an den staatlichen Schulen liegt bei etwa 60 Prozent.
Doch ehemalige Model-C-Schulen haben immens hohe Schulgebühren: 88 Prozent der weißen SchülerInnen besuchen eine der ehemaligen Model-C-Schulen, die meisten Eltern/Familien von schwarzen und coloured SchülerInnen können das nicht bezahlen.
In der nach Ende der Apartheid entstandenen Verfassung ist kostenlose Bildung festgeschrieben – aber lediglich auf dem Papier.
Südafrikanische Universitäten sind nominell öffentliche Einrichtungen, aber faktisch für die Mehrheit unerschwinglich teuer. Derzeit liegen die durchschnittlichen Studiengebühren im ersten Hochschuljahr bei 40 000 Rand (rund 2 500 Euro) – ohne Bücher, Essen oder gar Miete, bei einem Jahresdurchschnittseinkommen in schwarzen Haushalten von nur knapp 70 000 Rand (rund 4 400 Euro).
Statistisch gesehen hat ein weißes Kind noch immer fünfmal bessere Chancen, eine Hochschule zu besuchen, als ein schwarzes.
Zweiklassen-Medizin
8,6 Prozent des südafrikanischen Bruttosozialprodukts fließen in das Gesundheitssystem. Mehr als die Hälfte wird im Privatsektor ausgegeben für nur 15 Prozent der Gesamtbevölkerung. Nicht einmal 30 Prozent aller in Südafrika zugelassenen ÄrztInnen arbeiten im staatlichen Sektor. Aber sie sind zuständig für 85 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Eines der gesellschaftlich massivsten Probleme Südafrikas ist die ungeheuer hohe HIV-Rate. 2008 sind 10,6 Prozent der Gesamtbevölkerung HIV-positiv. 2012 sind es bereits 17,9 Prozent. Südafrika hat damit nach Swasiland und Botswana die dritt-höchste HIV-Infektionsrate der Welt mit steigender Tendenz.
Noch heute ist eine HIV-/Aids-Infektion die Todesursache in über 70 Prozent der Sterbefälle in der Altersgruppe der 15 bis 29-Jährigen.
Gewalt und Xenophobie
Südafrika hat eine der höchsten Mordraten der Welt. Schätzungen zufolge, werden in Südafrika 1 400 Frauen und Mädchen täglich vergewaltigt, das sind 511 000 pro Jahr.
Massive rassistische Übergriffe gegen MigrantInnen aus afrikanischen Ländern durchziehen Mitte 2008 die Townships von Johannesburg, Durban und anderen Städten. Mehr als 60 Flüchtlinge werden ermordet, über 80 000 fliehen oder werden gewaltsam vertrieben.
Die Regierung schweigt oder polemisiert, so wie Innenminister Naledi Pador (ANC) im Februar 2014 gegen „Wirtschaftsmigranten“, die das Asylrecht „missbrauchen“, 1 obwohl in Südafrika nur 2,42 MigrantInnen auf 1 000 EinwohnerInnen kommen.
Die Herrschenden versuchen die anwachsende Wut, die Verzweiflung und Perspektivlosigkeit, insbesondere der schwarzen Jugendlichen, mit Xenophobie und Sozialneid gegen die schwächeren und rechtlosen MigrantInnen aus noch ärmeren afrikanischen Ländern zu kanalisieren.
Räumung von Slums – wie zu Zeiten der Apartheid
In vielen Townships und ländlichen Gebieten fehlt nach wie vor die Anbindung an Infrastruktur und Grundversorgung. Die Minenarbeiter hausen noch immer in schäbigen Siedlungen am Rande der Minen, oft ohne fließendes Wasser und sichere Stromversorgung. Mit brutaler, massiver Polizeigewalt werden die Armen aus den Slums vertrieben. Ganze Siedlungen werden geräumt und platt gemacht.
Ein Beispiel steht für viele: Kennedy Road.
Die Slumsiedlung Kennedy Road liegt am Rande der Hafenstadt Durban. 2005 gründet sich dort die Bürgerinitiative Abahlali base Mjondolo (AbM, „Die Menschen aus den Slumhütten“). Ihre Ziele sind, die illegalen Räumungen und Zerstörungen von Baracken zu verhindern, die Versorgung mit sauberem Wasser, Bildung, Gesundheitsversorgung, Elektrizität zu erreichen und die Bekämpfung der Gesetze gegen die verarmten werktätigen Menschen. Ende September 2009 wird die Kennedy Road nachts von bewaffneten Banden angegriffen, die gezielt Mitglieder der Bürgerinitiative AbM überfallen und das Sozialzentrum verwüsten. Zwei Menschen werden getötet, Tausende flüchten. Die Polizei reagiert nicht. Wenige Tage nach dem Angriff übernehmen lokale Vertreter des ANC die Kontrolle der Siedlung.
Zur Vorbereitung der Fußball-WM
in Südafrika 2010 wurden viele der armen EinwohnerInnen aus ihren Townships vertrieben, um Platz für die Fußballstadien zu schaffen. Umgerechnet vier Milliarden Euro hat die Ausrichtung des Spektakels gekostet, ohne die Kosten für Infrastrukturmaßnahmen. Zehn Fußballstadien und eine Schnellzugtrasse entstehen. Gewinner ist die FIFA, die Kosten trägt die werktätige Bevölkerung. Auch können es sich viele Werktätige nicht mehr leisten, in den Städten zu leben, da die Mieten horrend ansteigen.
Und die Reichen....?
Die Schere zwischen Arm und Reich klafft weiter auseinander. Die wohlhabende Kompradorenbourgeoisie schottet sich ab in den stark anwachsenden gated communities – abgeriegelt und rund um die Uhr durch private Sicherheitsdienste geschützt.
ANC – kapitalistische Herrschaft statt Freiheitscharta
Zum Beispiel: Jakob Zuma.
Bereits in seiner Zeit als stellvertretender Premier leitet die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Zuma ein mit dem Vorwurf, er habe von Waffengeschäften mit deutschen Firmen profitiert. Es folgt seine Amtsenthebung, er behält jedoch das Amt des ANC-Vize-Präsidenten. Einige Zeit später wird Zuma wegen Vergewaltigung zwar angeklagt, jedoch freigesprochen. Als Präsident steht Zuma seit Jahren wegen der etwa 20 Mio. Euro teuren Luxussanierung seines Landsitzes in Nkandla in der Kritik, die 2009 als „Sicherheitsausbau“ von der Staatskasse finanziert worden war. Der Swimmingpool als Löschwasser-Reservoir, das Amphitheater als Stützmauer, die Kühe mit Stall als Tester für einen Elektrozaun... Beispiele dafür, mit welch unglaublicher Arroganz Zuma und seine Gefolgschaft, die neue Bourgeoisie – auf Kosten der noch immer bitterarmen schwarzen Bevölkerung und der unter hoher Arbeitslosigkeit leidenden Mehrheit – ihre Macht in der Klassengesellschaft Südafrika ausüben und über die Werktätigen herrschen. Erst Anfang Februar dieses Jahres erklärt Zuma sich anlässlich eines bevorstehenden Termins beim Verfassungsgericht bereit, für einen Teil dieser Kosten selbst aufzukommen. Sage und schreibe nur 463 000 Euro (von 20 Mio.) muss er zurückzahlen. Zuma droht ein Verfahren wegen Korruption in 783 Anklagepunkten. Darunter fällt der Vorwurf, den Gutpa-Brüdern Einflussnahme auf die Besetzung von Ministerposten gewährt zu haben.
Zum Beispiel: Vizepräsident Cyril Ramaphosa.
Der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär profitiert besonders extensiv vom BEE-Programm. Er wechselt in die Wirtschaft und wird mit seiner Shanduka-Beteiligungsgesellschaft zu einem der reichsten schwarzen Kapitalisten Südafrikas. Seine Shanduka-Investmentgesellschaft besitzt neun Prozent von Lonmin – dem Betreiber der Marikana-Mine – durch ihre fünfzig-prozentige Beteiligung am Bergbauunternehmen Incwala Resources. Incwala Resources, ein Geschäftspartner der britischen Lonmingruppe, wird im Zuge des BEE gegründet. In seiner Rolle als Vorstandsmitglied von Lonmin fordert Ramaphosa einen Tag vor dem Massaker in Marikana im August 2012 bei Regierung und Polizeiführung ein härteres Durchgreifen gegen „die Kriminellen“ – gemeint sind die streikenden Arbeiter.
Vier Monate später wählte der ANC Ramaphosa zu seinem Vizepräsidenten!
Zum Beispiel:
Der ANC-Ex-Wohnungsminister Tokyo Sexwale. Er war jahrelang mit Nelson Mandela auf der Zuchthausinsel Robben Island eingeknastet. Nach den ersten freien Wahlen wird er Premier der Gauteng-Provinz, zu der auch die Wirtschaftsmetropole Johannesburg gehört. Er wird – durch BEE – zu einem der ersten schwarzen Unternehmer der mit einigen mächtigen weißen Unternehmern ins Geschäft kommt. Binnen weniger Jahre ist Sexwale ein schwer reicher Mann. Er kauft Weinfarmen, Segelyachten, Flugzeuge und Luxusautomobile und investiert auf der ganzen Bannbreite. Mittlerweile gehört ihm ein Weltkonzern namens Mvelaphanda Holdings. Deren Tochterfirmen sind vor allem im Rohstoffabbau tätig. Er besitzt die Firma des mittlerweile drittgrößten Diamantenproduzenten der Welt. Auf seinem Großgrundbesitz Bloemendal in Durbanville bezahlte er an die LandarbeiterInnen einen Tages-Hungerlohn von sage und schreibe sieben Euro.
Dreierallianz ANC, COSATU und SACP
Machttriumpherat – Ausbeutung und Unterdrückung
Dreierallianz: ANC
Der ANC hat nominell 1,2 Millionen Mitglieder.
Am 5. Dezember 2013 stirbt Nelson Mandela.
Im Laufe seines Lebens entwickelt sich Mandela zu einem mutigen und engagierten nationalen Befreiungskämpfer. 27 Jahre seines Lebens muss er im Gefängnis verbringen. Nach seiner Freilassung wird er zur Schlüsselfigur des Übergangs von dem brutal-faschistischen Apartheid-Regime einer weißen Minderheit zu einer bürgerlichen Regierung, die die schwarze Bevölkerungsmehrheit repräsentiert. Während die Aufmerksamkeit der Welt auf die Gespräche zwischen Mandela und de Klerk gerichtet ist, sind die weniger beachteten Wirtschaftsverhandlungen zwischen dem ANC und der Regierung ein Ausverkauf des ANC. Die ökonomische Macht bleibt weiterhin in den Händen der weißen Kompradorenbourgeoisie, die sich mit der Dreierallianz arrangiert – unter der Bedingung, dass ihre transnationalen Konzerne nicht angetastet werden und der ANC die Versprechen seiner
Freiheitscharta über Bord wirft.
In der Wahrheits- und Versöhnungskommission werden zwar einige der schlimmsten Verbrechen aufgedeckt, rund 22 000 Opfer erzählen ihre Geschichten und erhalten geringe Entschädigungszahlungen. Nur wenige Verbrecher der Apartheid kommen überhaupt ins Gefängnis. Ihnen wird die ganze Schuld der Apartheid angelastet. Die weiße Bourgeoisie (und mit ihr die imperialistischen und kapitalistischen Mächte und Konzerne) insgesamt bleiben ungestraft. Doch die Mehrheit der Schwarzen ist immer noch von den Folgen der Apartheid betroffen.
Machterhalt und Straffreiheit für die begangenen Verbrechen der Apartheid sind keine kommunistisch-revolutionäre Haltungen. Mandela und der ANC haben zwar mit der Kommunistischen Partei zusammengearbeitet, aber sie waren keine KommunistInnen, sondern antifaschistische, bürgerlich-demokratische RevolutionärInnen, die, als sie an der politischen Macht waren, die ökonomische auch übernehmen wollten. Wie so viele national-revolutionäre, bürgerliche Bewegungen, wollten sie die eigene Herrschaft errichten, den eigenen kapitalistischen Weg gehen und sich vom Imperialismus nicht alles diktieren lassen.
Mandelas Nachfolger Thabo Mbeki setzt auf Privatisierung und lässt weitere Versprechen der Freiheitscharta von Gerechtigkeit und der für das Volk notwendigen Verfügung über die natürlichen Ressourcen des Landes fallen. Er setzt das neoliberale GEAR-Programm um und bereichert sich nebenbei am Ausverkauf der Ressourcen, zum Beispiel gehört er zu den Hauptaktionären von UraMin (einem Tochterunternehmen von Areva, 1 das mehrere Hundert Millionen Euro an seinen Clan abzweigt, um an Konzessionen für den Bau von Atomkraftwerken zu gelangen.
Zuma – Linkswende im ANC?
Die kommunistische Partei (SACP) und Teile des COSATU sehen in Präsident Zuma eine Linkswende im ANC, denn Zuma profiliert sich stärker als sein Amtsvorgänger Mbeki als Kritiker der „neoliberalen Mächte des Westens“, aber nur um auf der anderen Seite sich den imperialistischen Großmächten China und Russland an die Brust zu werfen und mit den aufstrebenden Mächten Indien und Brasilien zu dealen.
Wer glaubt, der ANC sei sozialistisch oder gar kommunistisch oder müsse als einstige Befreiungsbewegung auf der Seite der werktätigen Bevölkerung stehen, hat sich grundlegend geirrt. Der ANC ist heute auch Mitglied in der Sozialistischen Internationale, dem weltweiten Verbund sozialdemokratischer und reaktionärer Parteien.
Heute ist der ANC eine ganz andere Organisation als im Jahr 1990. Auch vor der Machtübernahme war das Programm des ANC kein antikapitalistisches, gegen den Kapitalismus insgesamt gerichtetes Programm. Es richtete sich gegen die brutale rassistische Unterdrückung der Mehrheitsbevölkerung, gegen die faschistische Herrschaft des Apartheid-Regimes, der weißen Buren-Kolonialisten.
Ebenso gegen die dieses Regime unterstützenden imperialistischen Großmächte. Diese sollten zunächst nach dem ANC-Regierungsantritt mit Verstaatlichung bekämpft werden. Sehr schnell wurden diese als „fortschrittlich“ verkauften Maßnahmen mit der Liberalisierung im Privatsektor verknüpft, um die Gewinnmaximierung und Etablierung der schwarzen Elite zu forcieren.
Heute besteht die Zusammensetzung des ANC National Executive Committee (NEC, das höchste Organ zwischen den Konferenzen) zum Teil aus Vorständen, Millionären und Milliardären. Die Führung des ANC ist verfilzt mit kapitalistischen Geschäfts-, Partei- und persönlichen Interessen und avanciert zur gut lebenden Oberschicht, zur neuen Bourgeoisie im neuen „Regenbogen-Südafrika“.
Die Führer des einstigen Befreiungskampfes haben sich von den transnationalen Konzernen kaufen lassen, ihre Posten dienen der Sicherung von lukrativen Posten in Groß- und Staatsunternehmen des MEC und in den Bergbaukonzernen, in denen immer wieder die Namen von ANC-FührerInnen in Aufsichtsräten, in profitablen Entwicklungsprojekten für schwarze UnternehmerInnen und in Investorenkonsortien auftauchen.
Die neuen schwarzen Machthaber verbünden sich lieber mit den Chiefs (Stammesoberhäupter), mit der alten weißen Bourgeoisie und mit der neuen schwarzen Bourgeoisie als mit der ArbeiterInnenklasse.
Die Infragestellung der Besitzverhältnisse findet durch den ANC nicht statt, und die Umverteilung wird nicht in den Fokus genommen. Radikale Forderungen der ArbeiterInnen und kämpferischen Gewerkschaften werden abgeschmettert. Selbst minimal demokratische Forderungen, wie Verbot von Zeitarbeit und Leiharbeit, ignoriert der ANC konsequent. Zum Beispiel sind ein Drittel der ArbeiterInnen bei Lonmin (einer der größten Platinproduzenten der Welt) über Leiharbeitsfirmen eingestellt.
Dreierallianz: COSATU
Im Jahr 2003 verabschieden die Delegierten beim jährlichen COSATU-Kongress eine Resolution über die Zusammenarbeit mit einigen sozialen Bewegungen – allerdings nur, wenn diese die Dreierallianz nicht gefährden wird!
Mit dem Massaker von Marikana im August 2012 beginnt der Bruch innerhalb des COSATU. In Marikana werden 34 streikende Arbeiter erschossen, zehn weitere Menschen getötet und weitere 78 verletzt.
Der Streik wird von der Gewerkschaft Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU) angeführt. Die Arbeiter in Marikana fühlen sich von der National Union of Mineworkers (NUM), Bergarbeiter-Gewerkschaft innerhalb des COSATU und damit Mitglied der Regierungsallianz, nicht mehr vertreten. Die NUM, die Tausende Mitglieder im Arbeitskampf der Platinbergbauarbeiter verloren hat, steht voll und ganz hinter der Linie des ANC.
Die National Union of Metalworkers in South Africa (NUMSA) führt im Dezember 2013 einen Krisengipfel durch, der von sieben weiteren COSATU-Gewerkschaften unterstützt wird. Der Kongress kritisiert das Vorgehen der NUM in Marikana und die Politik der Dreierallianz:
„Die Regierung habe darin versagt, ihre Ziele und Versprechungen umzusetzen. Die Ideale der Freiheitscharta und die Versprechungen an die Bevölkerung seien (...) verraten worden“.
Der Kongress beschließt, dem ANC die finanzielle und politische Unterstützung bei den Wahlen 2014 zu versagen. Am 8. November 2014 entscheidet das Central Executive Committee (CEC) des COSATU mit 33 gegen 24 Stimmen, die NUMSA aus dem Dachverband auszuschließen. Von den 20 in COSATU organisierten Gewerkschaften haben in der Folge sieben aus Solidarität mit NUMSA ihre Mitgliedschaft ruhen lassen. Mit 340 000 Mitgliedern war NUMSA die größte Mitgliedsgewerkschaft des COSATU, in dem sich bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt etwa zwei Mio. ArbeiterInnen organisiert hatten.
Der COSATU-Vorsitzende Zwelinzima Vavi hatte sich immer wieder kritisch gegenüber der Regierungspolitik geäußert. Ende März 2015 wird er seines Amtes enthoben und aus dem COSATU-Exekutivkomitee ausgeschlossen.
COSATU – kämpferischer Gewerkschaftsbund ein Papiertiger?
Es gibt zwar 500 Gewerkschaften in Südafrika, aber lediglich 24 Prozent der Lohnabhängigen sind gewerkschaftlich organisiert. Nur neun Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse werden durch Branchen-Tarifverträge geregelt, 23 Prozent durch betriebliche Tarifverträge. Die restlichen 68 Prozent haben keinerlei rechtliche Absicherung.
Im Jahr 2012, also noch vor dem Ausschluss der NUMSA, organisieren neun der 19 Einzelgewerkschaften von COSATU Beschäftige des öffentlichen Dienstes (LehrerInnen, PolizistInnen, Verwaltungspersonal, Pflegekräfte, Justizvollzugsbeamte...) Das heißt, bis dahin sind bereits 42 Prozent der COSATU-Mitglieder im öffentlichen Dienst angestellt. Ihre Mitgliederstärke steigt auf 930 300.
Im Jahr 2014 wird die NUMSA mit 340 000 Mitgliedern ausgeschlossen. Im September 2016 verlässt die Nahrungsmittelgewerkschaft FAWU, eine weitere Gewerkschaft aus dem privaten Sektor den Gewerkschaftsbund COSATU. Man kann also leicht ausrechnen, dass COSATU heute mehrheitlich Beschäftige des öffentlichen Dienstes, also im Staatsapparat, vertritt und nicht ArbeiterInnen im sogenannten Privatsektor, der kapitalistischen Privatwirtschaft, also Bergbau, Automobilindustrie, Handel, verarbeitendes Gewerbe.
Die Gehälter der Angestellten im öffentlichen Dienst sind durchschnittlich um 34 Prozent höher als in der Privatwirtschaft. Große Teile der traditionellen Arbeiterklasse und insbesondere junge ArbeiterInnen in prekären und informellen Beschäftigungsverhältnissen mit Niedriglöhnen sind gar nicht erst gewerkschaftlich organisiert.
Schon längst hat COSATU die Interessen der ungelernten und unterbezahlten ArbeiterInnen, sowie das Heer der Erwerbslosen vernachlässigt, nicht repräsentiert und offen verraten. Diese Gewerkschaft steht für die Interessen der besser ausgebildeten Angestellten in Festanstellung und versucht, deren Vorteile zu erhalten und weiter auszubauen. Der Kampf von COSATU gilt dem Erhalt ihres Monopols auf Lohnverhandlungen in Konkurrenz zu den Gewerkschaften, die außerhalb des Dachverbandes stehen.
Als „VertreterIn der Arbeiterklasse“ schlüpft der Dachverband zwar hin und wieder in eine Quasi-Opposition zum ANC, doch von seinen Forderungen vor dem Machtantritt:
„Von einer zukünftigen Mehrheitsregierung erwartet der COSATU die Nationalisierung der Bergwerke und anderer wichtiger Industriezweige, er führe einen Kampf für eine Gesellschaft, in der der nationale Reichtum gerecht unter denen verteilt ist, die ihn produzieren“
ist COSATU in Worten und Taten weit abgerückt.
20 Plätze im Parlament sind für führende Mitglieder des COSATU reserviert. Damit sichert sich COSATU seinen Machterhalt und der ANC sichert sich die Treue des COSATU.
Als Teil der Regierungsallianz haben die COSATU-Gewerkschaften die Arbeiterklasse verraten.
NUMSA und weitere acht Einzelgewerkschaften, die ehemals COSATU angehörten, haben am 1. Mai 2016 einen ArbeiterInnen-Gipfel abgehalten um die Gründung eines neuen Gewerkschaftsbunds vorzubereiten. Die Gründung soll auch von einer ganzen Reihe sozialer Organisationen mit getragen werden.
Als Ergebnis des Gipfels wird ein gemeinsames Grundsatzpapier für einen neuen Gewerkschaftsbund beschlossen, und die Organisierung eines Koordinationskomitees für die offizielle Gründung 2017 wird gewählt. Für die Teilnahme an diesem neuen Dachverband haben sich die Metallgewerkschaft NUMSA mit aktuell 380 000 Mitgliedern, die Bergarbeitergewerkschaft AMCU (180 000 Mitglieder) und der drittgrößte Gewerkschaftsverband Südafrikas, die NACTU (mit 22 Einzelgewerkschaften und rund 350 000 Mitgliedern) sowie über 20 weitere Einzelgewerkschaften entschieden. Auf dem Gipfel werden auch zahlreiche Organisationen der sozialen Bewegungen Südafrikas teilnehmen, die die Gründung eines Gewerkschaftsbundes „für die Arbeiterklasse und für die Armen“ mitgestalten wollen.
In ihrem Grundsatzpapier stellen sie klar, dass der zukünftige Gewerkschaftsbund auf einer gemeinsamen Übereinkunft von zehn Prinzipien basieren wird, darunter: Politische (und finanzielle) Unabhängigkeit, interne Demokratie, eine antirassistische und antisexistische Grundausrichtung, eine internationalistische und antikapitalistische Orientierung, sowie eine militante Interessenvertretung auch für die neuen Schichten von ArbeiterInnen in informellen und prekären Verhältnissen.
Der neue Dachverband (Gewerkschaftsbund) wird voraussichtlich am 15. oder 16. März 2017 formell gegründet werden.
Dreierallianz:
SACP – Kommunistische Partei Südafrika
Unter Präsident Zuma gewinnt die SACP wieder an Einfluss, ist doch Zuma ihr Lieblingskandidat, den sie vorbehaltlos unterstützt – und der die SACP unterstützt. Scheinheilig kündigt der neue Generalsekretär der SACP Blade Nzimande Proteste an, als die Untersuchung zur Beeinflussung von ANC-Politikern durch Konzernvertreter eingestellt wurde. Die Proteste verlaufen allerdings im Sande, denn der SACP übernimmt mit eigenen Spitzendelegierten wichtige Regierungsfunktionen und ist somit sowohl an der Politik der Dreierallianz, als auch an der Korruption aktiv beteiligt. Das geht nicht nur so weit, dass die Partei während des Marikana-Streiks die Verhaftung der AMCU-FührerInnen fordert, sondern einige ihrer Funktionäre sogar die Ermordung der streikenden Arbeiter verteidigen. Zudem beschimpft Nzimande wüst die NUMSA, als diese sich gegen die von ihr als „neoliberal“ und „gegen die Arbeiterklasse“ gerichtete Politik des ANC stellt und der Regierungspartei ihre politische und finanzielle Unterstützung entzieht, als einen
„Kadaver“, den es aus dem Haus zu räumen gelte, da er ansonsten „verrottet und stinkt“.
Revisionistische SACP ist Schwesterorganisation der DKP.
Während des Streiks der StudentInnen im Oktober 2015 veröffentlicht die DKP ein Interview mit Sechaba Setsubi, Mitglied des ZK der SACP:
„Wir haben den Kampf der Studierenden unterstützt, weil die Forderung nach freier Bildung auch unsere Position ist.“
Kein Wort darüber, dass der Generalsekretär der SACP zugleich Südafrikas aktueller Hochschulminister ist. Und anstatt den Kampf um freie Bildung zu unterstützen, bietet er einen Kompromiss an, die Studiengebühren anstatt um zwölf um sechs Prozent zu erhöhen. Der Minister spottete zynisch über den Hashtag der StudentInnen FeesMustFall (die Gebühren müssen fallen), und kommentiert: „Students must fall“.
Führende Mitglieder der SACP haben längst Unterschlupf in der herrschenden Ausbeuterklasse gefunden auch wenn es vielleicht noch einige versprengte KommunistInnen in der SACP gibt. Diese Partei ist durch und durch revisionistisch, klebt machtbesessen an ihren Privilegien und verteidigt sie mit Händen und Füßen.
Der während der Apartheid kämpferische und starke COSATU und die, zumindest in den letzten Jahrzehnten, bereits reformistisch-revisionistische SACP sind nur noch Schatten ihrer selbst und haben ihren Anspruch, für die Arbeiterklasse zu kämpfen, schon lange über Bord geworfen.
Der ANC hat seinen Anspruch, der legitime Vertreter der schwarzen Mehrheit und vor allem der werktätigen Massen zu sein, ebenfalls schon lange auf die Müllhalde der Geschichte geworfen.
Das Ziel der Dreierallianz ist die Etablierung einer schwarzen Bourgeoisie, die Bereicherung der schwarzen Machtelite, die Unterstützung des schwarzen Unternehmertums, und der Schutz der Interessen des (weißen) Monopolkapitals und Imperialismus vor den Interessen der Arbeiterklasse. Die einstigen Befreiungsbewegungen sind zu bourgeoisen Herrschern geworden.
und gehören bekämpft ...
Doch die Einheit bröckelt: Da kann Präsident Zuma noch so sehr die revolutionäre Vergangenheit, Solidarität und Einheit mit dem „sozialistischen Kuba“ bei Fidel Castros Beerdigung in Cuba beschwören, die Einheit der Dreierallianz ist am Bröckeln: Die SACP denkt über eigene Kandidaten bei den nächsten Parlamentswahlen (2019) – unabhängig von ANC und COSATU – nach, und der COSATU ist gespalten.
Im November verfassen 101 ANC-Veteranen eine Misstrauenserklärung gegen Zuma an die ANC-Führung. Ende November fordern drei Minister auf der Tagung des Zentralkomitees des ANC (NEC) ebenfalls seinen Rücktritt.
Der ANC reagiert zunehmend repressiv auf Kritik: Dazu gehört auch das noch nicht verabschiedete Mediengesetz „zum Schutz von Staatsinformationen“, das die Weiterleitung und Veröffentlichung von Informationen aus als geheim eingestuften staatlichen Dokumenten unter Strafe stellt.
... was die Arbeiterklasse und sozialen Bewegungen auch tun!
Südafrika ist heute das Land mit der weltweit höchsten Anzahl klassenkämpferischer und sozialer Proteste mit durchschnittlich 35 Kundgebungen und Demonstrationen pro Tag.
Zwischen 2004 und 2009 werden in Südafrika täglich durchschnittlich 1,2 Streiks und Aktionen verzeichnet. Zwischen 2009 und 2012 steigt die Anzahl um 40 Prozent auf 2,9 Aktionen täglich. 1
Seit 2012 schnellen die Zahlen rasant nach oben. 2012: 22,3; 2013: 31,8; und 2014: 39,5 Aktionen täglich.
Rebellion der Armen
Wut der StudentInnen
Mit der Ankündigung mehrerer Hochschulen, die Studiengebühren um bis zu zwölf Prozent zu erhöhen, erheben sich die StudentInnen, und Südafrika erlebt im Oktober 2015 eine der größten Protestwellen seit dem Ende des Apartheid-Regimes. Die StudentInnen streiten für freie Bildung, echte Chancengleichheit und eine Dekolonisierung der Lehrinhalte. Insbesondere viele junge Schwarze können die Studiengebühren kaum noch bezahlen. Sie sehen sich häufig gezwungen, Schulden zu machen oder ihr Studium abzubrechen. Auch Eltern und LehrerInnen solidarisieren sich mit den Protesten. Die Polizei greift die StudentInnen gewaltsam und gnadenlos brutal mit Blendgranaten und Gummigeschossen an.
Dieser Kampf endet vorerst mit einem kleinen Sieg für die StudentInnen, Zuma nimmt die geplanten Gebührenerhöhungen zurück. Doch knapp ein Jahr später, im September 2016, der nächste Anlauf. Die Regierung plant die Erhöhung der Studiengebühren um bis zu acht Prozent.
Die StudentInnen demonstrieren wochenlang, streiken und kämpfen für kostenlose Bildung. Ende Oktober ziehen mehr als dreitausend StudentInnen der Universität Kapstadt zum Parlament. Sie verlangen vom Bildungsminister, Blade Nzimanade, empfangen zu werden. Und der Staat schlägt wieder mit brutaler Macht zurück. Während der Demonstration schießt die Polizei mit Betäubungsgranaten. Mehrere StudentInnen werden verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt. Diese Anklage stützt sich auf ein Gesetz aus der Apartheid, durch das alle an einer Schießerei mit der Polizei beteiligten Personen festgenommen werden können.
Die Metallergewerkschaft NUMSA verurteilt die Polizeiangriffe, solidarisiert sich mit den StudentInnen und unterstützt den Kampf um den Wegfall der Studiengebühren. 19 von 26 Universitäten stellen vorübergehend ihren Lehrbetrieb ein. Die Proteste und Streiks halten nach wie vor an.
Südafrikas Arbeiterklasse hat ihre Stärke erkannt...
Seit dem Jahr 2012 brechen in Südafrika immer häufiger, zahlreiche, zum Teil militante Streiks aus. ArbeiterInnen in der Minen- und Automobilindustrie sowie auf den Wein- und Obstplantagen legen ihre Arbeit nieder und forderten bis zu zehn Prozent mehr Lohn.
Chronologie eines Aufstands im Bergbau
Nach den Morden in Marikana greifen die Streiks auf fast alle Platin- und Goldproduzenten des Landes über, bei denen die Kumpel mehr Geld (12 500 Rand – 1 200 Euro) und bessere Arbeitsbedingungen fordern. Insgesamt treten 80 000 Kumpel im Platingürtel in den Ausstand. Im September greifen Sicherheitskräfte mit Tränengas 400 protestierende ArbeiterInnen an. Es ist der längste Streik in der Geschichte Südafrikas: Fünf Monate lang dauert der Arbeitskampf der Bergarbeiter. Am Ende gibt sich die AMCU mit einer Lohnsteigerung von durchschnittlich 20 Prozent gestaffelt über drei Jahre vorübergehend zufrieden.
Ende Januar 2014 streiken insgesamt 90 000 Kumpel der drei Platingiganten Anglo American Platinum (Amplats), Impala Platinum und Lonmin von Rustenburg erneut. Die AMCU fordert nach wie vor 12 500 Rand (rund 848 Euro) Einstiegsgehalt. Die Unternehmer bieten endlich denselben Lohn an – allerdings – erst am Ende einer Staffelung ab 2017 sowie bei gleichzeitiger Streichung aller Zulagen. Besonders der Verlust des Wohngelds wird die Kumpel jedoch hart treffen. Größtenteils stammen sie aus weit entfernten Gegenden Südafrikas – ein Erbe des Wanderarbeitersystems aus der Zeit der Apartheid.
1,67 Milliarden Euro haben die Platinmonopole in diesem Streik verloren. Schließlich lenken sie ein: Um knapp 70 Euro erhöhen sich die Löhne der schlechter bezahlten Arbeiter für jedes der folgenden drei Jahre. Mit Zuschüssen wird dadurch ein Teil der Arbeiter sogar vor Ablauf des dreijährigen Tarifvertrags auf die ursprünglich geforderten 870 Euro kommen. Danach steigen die Löhne im ersten Jahr um acht und in den darauf folgenden zwei Jahren um 7,5 Prozent.
Aber die AMCU erkauft die Einigung mit gravierenden Zugeständnissen: Anglo American Platinum entlässt im Mai 2015 mit Zustimmung der AMCU 474 Bergarbeiter aus einer Projektmaßnahme. Seit 2012 sind insgesamt 35 000 Arbeitsplätze in den Platinminen vernichtet worden.
Streik im Goldbergbau
Anfang Januar 2014 streiken ArbeiterInnen in den Goldminen mit der AMCU fünf Monate lang. Im Oktober lehnt die AMCU das Angebot der drei führenden südafrikanischen Bergbaukonzerne Anglo Gold, Sibanye (größter Goldproduzent) und Harmony ab, die Einstiegsgehälter über die kommenden drei Jahre um 32 Prozent auf umgerechnet 913 Euro anzuheben. Sie fordert weit mehr und schnellere Lohnerhöhungen.
220 000 MetallarbeiterInnen streiken im Juli 2014. Zwölf Prozent mehr Gehalt und mindestens 1 000 Rand (68 Euro) Wohnzulage verlangt die NUMSA. 5 300 Rand (375 Euro) bekommt ein/e MetallarbeiterIn in der untersten Gehaltsstufe. Die Unternehmer bieten zwischen 5,6 und acht Prozent im ersten Jahr und anschließend für zwei Jahre den Ausgleich der offiziellen Inflationsrate. Bestreikt werden vor allem metallverarbeitende Betriebe, Industriezulieferer, aber auch der halbstaatliche Strommonopolist Eskom. Zudem fordert die NUMSA den völligen Verzicht auf Zeitarbeitsagenturen und Subventionen zur Anstellung junger Arbeitsloser.
Am 7. Oktober 2015 ruft COSATU in allen Provinzen zum Streik auf gegen die Arbeitsplatzvernichtung. Bereits am 5. Oktober legen 30 000 ArbeiterInnen in den Kohleminen unbefristet die Arbeit nieder. Sie fordern 14 Prozent mehr Lohn, die Unternehmer bieten lediglich acht Prozent.
Mitte Oktober 2015 demonstrieren Tausende MetallarbeiterInnen mit der NUMSA gegen Korruption in der Regierung.
AutomobilarbeiterInnen-Streik
Im August 2013 streiken 31 000 AutomobilarbeiterInnen. In einem konzernübergreifenden Streik stehen fast alle Betriebe der internationalen Automobilkonzerne still: Neben Bus- und LKW-Herstellern wie MAN produzieren BMW, Mercedes-Benz, General Motors, Volkswagen, Ford, Nissan und Toyota in Südafrika. Die ArbeiterInnen, die je nach Qualifikation umgerechnet zwischen 600 und 1 300 Rand, erhalten, fordern 14 Prozent mehr Lohn, sowie monatliche Zuschüsse für Wohnkosten (55 Euro) und Fahrpreise (neun Euro).
Nach knapp drei Wochen endet der Streik mit einer Lohnerhöhung von 11,5 Prozent.
Widerstand der Community Care worker
2014 werden 3 800 Community Care worker (SozialarbeiterInnen) mit der Begründung entlassen, sie seien zu alt und zu wenig gebildet. Hunderte ziehen vor das Gesundheitsministerium. Aber anstatt mit dem Minister reden zu können, werden sie ins Gefängnis gebracht und 117 von ihnen angeklagt, eine illegale Versammlung abgehalten zu haben – mit einem Paragrafen aus der Apartheidzeit. Auch in anderen Provinzen haben Care worker auf ihre schlechten Bedingungen aufmerksam gemacht. In Gauteng streiken Community Care worker.
Streik der kommunalen Angestellten
Im Mai 2015 treten Angestellte der Müllentsorgung in den Ausstand. Sie sammeln für einen Hungerlohn den Müll auf. Aufgerufen hat die South African Municipal Workers‘ Union (SAMWU, Union der ArbeiterInnen der Stadtverwaltungen). Es geht um landesweit elf Prozent mehr Lohn und um die Aufhebung von diskriminierenden Praktiken.
LandarbeiterInnen-Streiks
Revolte gegen die Arbeits-, Lebens- und Machtverhältnisse auf Südafrikas Farmen
Oktober 2012: ArbeiterInnen einer Traubenfarm bei De Doorns in der Provinz Western Cape wehren sich gegen Versuche, ihre Löhne zu senken. Nach zwei Streiks haben sie Erfolg.
1. November 2012: In einer konzertierten Aktion legen nahezu alle FarmarbeiterInnen rund um De Doorns die Arbeit nieder. Bei 6,26 Euro/Tag liegt der gesetzliche Mindestlohn. 150 Rand (13,54 Euro) verlangen die FarmarbeiterInnen und einen Neun-Stunden-Tag. Ferner fordern sie das Ende gewalttätiger Übergriffe von Farmern und Polizei, ein Moratorium gegen die Vertreibung von FarmarbeiterInnen aus ihren Wohnungen, einen Stopp der Abzüge für Miete und überhöhte Stromkosten von den mickrigen Gehältern, und ein Verbot von Zeitarbeitsvermittlern.
In den folgenden Tagen weiten sich die Streiks auf nahezu die gesamte Weinbauregion aus. Am 14. November erschießen Polizisten im Dorf Wolseley einen Arbeiter.
9 Januar 2013: Die FarmarbeiterInnen treten erneut in den Ausstand. Mehrere Streikende werden mit Gummigeschossen durch die Polizei verwundet.
21. Januar: Einige Farmbesitzer und Großgrundbesitzer beschließen eine Lohnerhöhung, andere weigern sich. COSATU verkündet Ende Januar einen Aufruf zum Ende des Streiks, der von der ANC-Regierung gefordert wird, nicht allerdings von den FarmarbeiterInnen selbst.
4. Februar: Arbeitsministerin Mildred Oliphant (ANC) gibt die Erhöhung des Mindestlohnes von 69,39 Rand auf 105 Rand pro Tag bekannt.
In der nächsten Trotz alledem! setzen wir uns mit der imperialistischen Ausplünderung und Abhängigkeit Südafrikas und mit der Ausplünderung des afrikanischen Kontinents durch südafrikanisches Kapital und herrschende Klasse auseinander.
Spaltung innerhalb des ANC und Malema, die „linke Alternative“
Im Laufe des Jahres 2008 nimmt die Kritik an der Führung des ANC zu, in deren Folge sich die Partei „Congress of the People“ (COPE, Volkskongress) abspaltet. In COPE sammeln sich vor allem junge ehemalige Mitglieder des ANC und der gebildete Mittelstand – AnhängerInnen des früheren Präsidenten Mbeki. Die Partei verspricht eine „unternehmensfreundlichere“ Politik. Bei den Parlamentswahlen 2009 wird die COPE drittstärkste Kraft.
Julius Malema, ehemaliger Vorsitzender der ANC-Jugendliga, wird im Februar 2012 wegen Betrugs-, Korruptions- und Geldwäschevorwürfen aus dem ANC ausgeschlossen und gründet 2013 die Economic Freedom Fighters (EFF, „Kämpfer für wirtschaftliche Freiheit“).
In deutschen Medien wird Malema als „Linksradikaler“ verurteilt oder gefeiert:
„Der Linkspopulist will die „weiße Wirtschaftsmacht“ brechen“
... und vertritt „linksradikale Thesen“.
Oder es heißt „...die neu gegründete linksradikale Malema-Partei“
sowie „...die neue linksradikale Partei der Kämpfer für Wirtschaftsfreiheit“.
Das Programm der EFF scheint fortschrittlich: In der Wirtschaftspolitik fordert die Partei, die Weiterverarbeitung eines Minimums von 50 Prozent aller südafrikanischen Ressourcen im Land selbst, wodurch die lokale Entwicklung massiv gefördert werden würde. Dabei unterstreicht sie die wirtschaftliche Bedeutung einer einwandfrei funktionierenden Infrastruktur. Für die Werktätigen schlägt die EFF die Einführung eines Mindestlohns vor, (die Forderung der kämpferischen Gewerkschaften aufgreifend), eine entschädigungsfreie Landenteignung, ein Verbot von Vertrags- und Leiharbeit, sowie gleiche Rechte für gleiche Arbeit; eine massive Erhöhung staatlicher Sozialleistungen; den Ausbau des Bildungssystems und eine angemessene Gesundheitsversorgung. Auch in der Umweltpolitik, bei der Förderung der Jugend, bei der Gleichstellung der Frauen und der Homosexuellen/Transgender sind ihre Forderungen an die Freiheitscharta des ANC angelehnt. 1
Unterstützt wird die EFF sowohl aus dem studentischen Milieu, als auch aus der schwarzen Arbeiterklasse. In Marikana und vielen anderen Bergbausiedlungen konnte die EFF bei den Wahlen 2014 über 40 Prozent der Stimmen gewinnen.
Der immense Erfolg der EFF beruht vor allem auf ihrem Eintreten für die Verstaatlichung der Großkonzerne. Doch was bedeutet schon eine Verstaatlichung, wenn die herrschende Klasse nicht gestürzt wird und die Gewinne in den Händen der Bourgeoisie bleiben? Die EFF fordert ja schließlich nicht die Enteignung und Vergesellschaftung der Großkonzerne unter Kontrolle der ArbeiterInnen.
So kommt zum Beispiel die ZACF (Zabalaza Anarchist Communist Front) zu der Einschätzung, Malema vertrete eine räuberische Fraktion der BEE-Eliten, die sich an höchster Stelle im ANC Feinde gemacht hätten.
Der Infoverteiler Wien hält die Forderung nach Verstaatlichung von Malema lediglich für eine plumpe Rettungsaktion für seine Clique, die auf unprofitablen Minen sitzt.
Nach den Kommunalwahlen im August 2016 beschloss die EFF, die DA (Demokratische Allianz) in einigen Großstädten taktisch zu unterstützen. Die DA ist die Partei der weißen Herrschaft, auch wenn sie aktuell einen schwarzen Vorsitzenden, Mmusi Maimane, hat. Die DA ist Mitglied der Liberalen Internationale.
Rechtfertigung Malemas für diese Politik ist: „der ANC ist eine korrupte Partei geworden die ‚das weiße Kapital‘ unterstützt“.
Die DA fordert eine Flexibilisierung der Arbeiterrechte und setzt auf einen frei flottierenden kapitalistischen Markt, der internationale Investoren anlocken soll. Allein daran ist zu erkennen, wie die Politik der EFF lediglich darauf abzielt, den ANC zu schwächen, egal mit welchen Bündnispartnern sie das erreichen kann.
Wenn Wahlen etwas ändern würden...
Bei den (bisher) letzten Parlamentswahlen im Mai 2014 seit der Abschaffung der Apartheid verliert der ANC weiter an Stimmen und erreicht nur 62 Prozent.
Die historisch „weiße“ Democratic Alliance (DA) wird zweitstärkste Partei mit 22,23 Prozent, gefolgt von EFF mit 6,35 Prozent. Die Inkatha Freedom Party erhält 2,4 Prozent, COPE nur noch 0,67 Prozent. Auch die panafrikanische Agang SA unter Ramphela Mamphela (ehemalige Lebensgefährtin von Steve Biko) erzielt nur 0,28 Prozent der Stimmen. Sowohl PAC, als auch die Black Consciousness-Partei Azapo erhalten nur einen Sitz im Parlament.
Am 3. August 2016 finden Kommunalwahlen statt. Bei einer äußerst niedrigen Wahlbeteiligung von 57 Prozent, erhält der ANC landesweit nur noch 54,5 Prozent, die DA 27 Prozent und die EFF 8,2 Prozent. Der ANC verliert die absolute Mehrheit, in Johannesburg und in den Metropolgemeinden Nelson Mandela Bay (Port Elizabeth), Tshwane (Pretoria) und Ekurhuleni (der industrialisierte östliche Teil Johannesburgs, der aus verwaltungstechnischen Gründen eine separate Großstadt bildet). Die panafrikanischen und Black Consciousness-Parteien können aus der Krise des ANC keine Stärkung ziehen.
Der EFF toleriert Minderheitsregierungen der DA in diesen Metropolen, wie auch der Inkatha Freedom Party (IFP)in der Provinz KwaTulu-Natal. Das führt zu einem kommunalen, politischen Machtwechsel.