100 Jahre Oktoberrevolution in Russland:
Weg und Tat
Dieser Jahrestag ist für die gesamte Menschheitsgeschichte ein herausragendes, für die Zukunft der Menschheit wegweisendes Datum.
Ein großer Kampf-Feiertag des internationalen Proletariats – trotz aller Verleumdungen und Angriffe der Bourgeoisie und trotz aller antikommunistischen Agitation und Propaganda durch ihre Lakaien.
Am 7. November (25. Oktober) 2017 jährt sich der siegreiche Aufstand der ArbeiterInnenklasse und der werktätigen Bauernschaft, geleitet von ihrer Bolschewistischen Partei, die Große Sozialistische Oktoberrevolution, zum hundertsten Mal.
Unsere Aufgabe und Aufgabe aller klassenbewussten ArbeiterInnen, aller werktätigen Menschen ist von den wegweisenden Lehren der Oktoberrevolution zu lernen und den Kampf für eine sozialistische, kommunistische Welt gestärkt weiter zu führen.
Zum Auftakt des Oktober-Revolutions-Jahres 2017 haben wir den Aufruf „Große Sozialistische Oktoberrevolution in Russland – Die Menschheit braucht neue Oktober!“ veröffentlicht. Eine Gemeinsame Erklärung von BP (Nordkurdistan/Türkei), IA.RKP (Österreich), KOMAK-ML (Österreich) und Trotz alledem! (Deutschland). 1
In dieser Ausgabe zeichnen wir den Weg der Bolschewistischen Partei nach – von der Februarrevolution (27. Februar) bis hin zum siegreichen sozialistischen Oktober (25. Oktober). Acht kurze Monate mit einem unendlich reichen Erfahrungsschatz für das internationale Proletariat.
Unsere Leitfrage ist, welche grundlegende Lehren sind für den heutigen Klassenkampf und die Strategie und Taktik der KommunistInnen nach wie vor gültig und beispielhaft?
Bolschewiki am Vorabend der Februarrevolution
Lenin entwickelt bereits 1905 in seiner Schrift „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“ die kommunistische Strategie für die bürgerlich-demokratische Revolution. Das Proletariat kann und muss Führung und Leitung in dieser erkämpfen und übernehmen. Der entscheidende Sieg der Revolution über den Zarismus kann nur erreicht werden durch die Schaffung der revolutionär-demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft. Nach Erringen der Macht durch die Arbeiter und Bauern wird Kurs genommen auf die sozialistische Revolution, die auf dem Klassenbündnis des Proletariats mit den armen BäuerInnen beruht.
Mit ihrem Antikriegsprogramm hat die Bolschewistische Partei seit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs den konsequenten Kampf gegen den imperialistischen Krieg und die „Vaterlandsverteidiger“ innerhalb der revolutionären Bewegung geführt. Sie hat bereits lange vor der Februarrevolution mit den klassenversöhnlerischen Opportunisten, Sozialchauvinisten aller Schattierungen gebrochen.
„Nur die Partei der Bolschewiki hielt dem erhabenen Banner des revolutionären Internationalismus die Treue und verblieb fest auf dem marxistischen Standpunkt des entschiedenen Kampfes gegen die zaristische Selbstherrschaft, gegen die Gutsbesitzer und Kapitalisten, gegen den imperialistischen Krieg. Die bolschewistische Partei vertrat gleich von den ersten Kriegstagen an die Auffassung, daß der Krieg nicht zur Verteidigung des Vaterlandes, sondern zur Eroberung fremder Territorien und zur Ausplünderung fremder Völker im Interesse der Gutsbesitzer und Kapitalisten begonnen worden ist, daß die Arbeiter gegen diesen Krieg entschieden Krieg führen müssen.“
Die Losungen „Demokratische Republik“, „Frieden“, „Brot“, „Freiheit“, „Boden den Bauern“ drücken prägnant die wirklichen Interessen der Mehrheit der Bevölkerung aus. Die Bolschewiki sind die einzige Partei, die diese Politik konsequent in die Klassenkämpfe hineinträgt.
Die zahlreichen, immer wieder aufflammenden Streiks der ArbeiterInnenklasse während der Kriegsjahre 1914-1917 werden praktisch und politisch von den Parteiorganisationen der Bolschewiki auf dieser Linie geführt. Zu Beginn des Kriegs, im Lauf der zweiten Hälfte des Jahres 1914 streiken über 30 000 ArbeiterInnen. Aber bereits 1915 schwillt die Zahl der Streikenden auf 538 828 in 928 Streiks an. Im Jahre 1916 beteiligen sich insgesamt an 1 410 Streiks 1 299 248 ArbeiterInnen. An den von RevolutionärInnen initiierten politischen Streiks im Jahre 1915 nehmen 155 941 und 1916 bereits 726 356 Werktätige teil. Im Januar 1917, am Vorabend der Februarrevolution, streiken in 267 verschiedenen Aktionen 232 025 ArbeiterInnen.
Februarrevolution und Sturz des Zarismus
Im Februar 1917 folgen weitere Streiks der ArbeiterInnenklasse. Die Kämpfe nehmen rapide zu. Die letzten zehn Tage vor der Februarrevolution bündeln das ganze Potential:
„Am 18. Februar (3. März) 1917 begann der Streik der Putilow-Arbeiter in Petrograd. Am 22. Februar (7. März) streikten die Arbeiter der meisten Großbetriebe. Am Internationalen Frauentag, am 23. Februar (8. März), gingen die Arbeiterinnen gemäß dem Aufruf des Petrograder Komitees der Bolschewiki auf die Straße, um gegen Hunger, Krieg und Zarismus zu demonstrieren.
Die Demonstration der Arbeiterinnen wurde von den Arbeitern durch eine allgemeine Streikaktion in ganz Petrograd unterstützt. Der politische Streik begann in eine allgemeine politische Demonstration gegen die Zarenherrschaft umzuschlagen. Am 24. Februar (9. März) erneuert sich die Demonstration mit größerer Kraft. Es streikten bereits etwa 200 000 Arbeiter. Am 25. Februar (10. März) erfaßt die revolutionäre Bewegung das gesamte proletarische Petrograd. Die politischen Streiks in den einzelnen Stadtteilen gehen über in den politischen Generalstreik von ganz Petrograd. Überall Demonstrationen und Zusammenstöße mit der Polizei.
Über den Kolonnen der Arbeitermassen rote Banner mit den Losungen: ‚Nieder mit dem Zaren!‘, ‚Nieder mit dem Krieg!‘, ‚Brot!‘
Am Morgen des 26. Februar (11. März) beginnen der politische Streik und die Demonstrationen in Aufstandsversuche überzugehen.
Die Arbeiter entwaffnen die Polizei und Gendarmerie und bewaffnen sich selbst. Die bewaffneten Zusammenstöße mit der Polizei enden aber mit einem Blutbad unter den Demonstranten auf dem Snamenskaja-Platz. (…) Das Büro des ZK [der Bolschewiki – Anm. TA] erließ am 26. Februar (11. März) ein Manifest mit der Aufforderung, den bewaffneten Kampf gegen den Zarismus fortzusetzen und eine provisorische revolutionäre Regierung zu bilden. Am 27. Februar (12. März) weigerten sich die Petrograder Truppen, auf die Arbeiter zu schießen, und begannen auf die Seite des aufständischen Volkes überzugehen. (…) Als die Kunde vom Siege der Revolution in Petrograd sich in den anderen Städten und an der Front verbreitete, begannen die Arbeiter und Soldaten überall die zaristischen Bürokraten aus den Ämtern hinauszuwerfen.“
Die bürgerlich-demokratische Revolution hat gesiegt, der Zarismus ist gestürzt.
Aber die politische Macht und Herrschaft ist gespalten. Es entsteht eine „Doppelherrschaft“.
Auf der einen Seite die bürgerliche Regierung der Vertreter „der Bourgeoisie und der verbürgerlichten Gutsbesitzer“ und auf der anderen Seite die Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten.
Sie sind im Kampf für den Sturz des Zarismus landesweit entstanden. Die Sowjets verkörpern die revolutionäre Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft.
„Das bewaffnete Volk – die Arbeiter und Soldaten – betrachtete den Sowjet, in den es seine Vertreter entsandte, als ein Organ der Volksmacht. Sie dachten und glaubten, daß der Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten alle Forderungen des revolutionären Volkes erfüllen werde und daß in erster Linie Friede geschlossen werden würde.“
Aber in den Sowjets, mit Ausnahme einiger Städte, verfügen die Menschewiki und Sozialrevolutionäre über die politische Mehrheit. Warum? Dafür gibt es unterschiedliche Gründe:
Unzählige führende Bolschewiki sind in Gefängnissen, Verbannungsorten oder im Exil. Sie können nicht direkt in die Geschehnisse eingreifen.
Kriegsbedingt sind noch hunderttausende revolutionär gesinnte und kampferprobte ArbeiterInnen an der Front. In den Fabriken an der „Heimatfront“ sind sie durch neue, vom Land in die Städte gekommene Arbeitskräfte ersetzt worden. Diese stammen größtenteils aus den Schichten der KleinbesitzerInnen, der Bauern und schwanken zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Sie stehen unter starkem Einfluss der kleinbürgerlichen Parteien und „Vaterlandsverteidiger“, der chauvinistischen Politik der Menschewiki und Sozialrevolutionäre.
„Die kleinbürgerliche Spießermasse spiegelte in den Sowjets in Gestalt der Menschewiki und Sozialrevolutionäre die Halbheit und Unbeständigkeit ihrer Natur, alle Schwankungen und die ganze Unentschlossenheit ihres Wesens wider. Diese Masse folgte der Großbourgeoisie, war deren ideologischer Gefangener, und gab, durch die chauvinistischen Vaterlandsverteidigungsphrasen benebelt, ihre Macht freiwillig mittels der Menschewiki und Sozialrevolutionäre in die Hände der Klassenfeinde des Proletariats.“
Unter diesen Umständen müssen die Bolschewiki eine neue Taktik festlegen. Selbst das ZK der Bolschewiki (Lenin ist noch im Exil) fordert noch in diesen Tagen von den revolutionären Kräften, gemeinsam eine provisorische Regierung zu bilden. Sie können in den Sowjets nicht das wegweisende, revolutionäre Instrument für die Machtausübung der Werktätigen erkennen.
Sie können darin nicht die Zukunft sehen, wie Lenin sie schon 1905 in den „Zwei Taktiken“ festgelegt hatte: Der Kampf gegen das Privateigentum, der Kampf des Lohnarbeiters gegen den Unternehmer, der Kampf für den Sozialismus.
Bei der Klärung der bolschewistischen Politik innerhalb der eigenen Reihen spielt Lenin die entscheidende Rolle. Schon kurz nach dem Sieg der Februarrevolution und der Bildung der Provisorischen Regierung fordert er folgende Taktik:
„Jetzt kommt es darauf an, die Arbeit zu erweitern, die Massen zu organisieren, neue Schichten zu erwecken, die rückständigen, ländlichen Schichten, die Dienstboten, kommt es darauf an, Zellen in der Armee zu bilden zur systematischen, umfassenden Entlarvung der neuen Regierung und um die Eroberung der Macht durch die Sowjets der Arbeiterdeputierten vorzubereiten.
Nur eine solche Macht kann Brot, Frieden und Freiheit bringen. Jetzt gilt es, der Reaktion den Garaus zu machen, nicht das geringste Vertrauen, nicht die geringste Unterstützung für die neue Regierung (nicht das geringste Vertrauen zu Kerenski, Gwosdew, Tschchenkeli, Tschcheidse und Co.) und bewaffnetes Abwarten, bewaffnete Vorbereitung einer breiteren Basis für eine höhere Etappe.“
Die Bolschewiki kämpfen nun unter der Losung „Alle Macht den Sowjets!“
Strategisches Ziel ist, die Revolution weiterzuführen, die bürgerliche Regierung zu entmachten und die alleinige Macht in die Hände der Sowjets zu übernehmen.
In dieser Periode der „Doppelherrschaft“, wo die Bolschewiki in den Sowjets noch in der Minderheit sind, haben sie eine friedliche Entwicklung der Revolution vorausgesehen.
Sie haben nicht zum direkten bewaffneten Aufstand gegen die Regierung aufgerufen. Im Mittelpunkt steht der Kampf für die Gewinnung der Herzen und Köpfe der Mehrheit der Werktätigen in den Sowjets. Die Losung „Alle Macht den Sowjets“ meint noch den Kampf für die revolutionär-demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft.
„Die bolschewistische Partei stand vor der Aufgabe, durch geduldige Aufklärungsarbeit in den Massen den imperialistischen Charakter der Provisorischen Regierung aufzudecken, den Verrat der Sozialrevolutionäre und Menschewiki zu entlarven und zu zeigen, daß es ohne Ersetzung der Provisorischen Regierung durch eine Regierung der Sowjets unmöglich sei, Frieden zu erlangen.“
Trotz ihrer Politik der friedlichen Entwicklung der Revolution legen die Bolschewiki großes Gewicht auf die Bewaffnung der ArbeiterInnen.
Unter Leitung der Bolschewiki werden schon in den Februartagen bewaffnete Abteilungen der Arbeitermiliz aufgestellt. Diese wachsen in der Folgezeit schnell an und festigten sich organisatorisch. Sie sind die Basis für die Aufstellung von Abteilungen der Roten Garde.
Auch in der Phase ihrer Politik der friedlichen Entwicklung der Revolution organisieren die Bolschewiki parallel weiterhin massiv die Bewaffnung der ArbeiterInnen.
Lenins Aprilthesen
Mit seiner Rückkehr nach Russland am 3. (16.) April 1917 stellt Lenin in der Schrift „Über die Aufgaben des Proletariats in der gegenwärtigen Revolution“ zehn Thesen auf, die als „Aprilthesen“ in die Geschichte eingehen. Er entwickelt den eindeutigen, klaren strategischen Kurs, der zur proletarischen Revolution im Oktober 1917 führt. In seinen Thesen charakterisiert Lenin den Krieg unter der neuen Regierung Lwow als imperialistischen Raubkrieg und erklärt auch nur kleinste Zugeständnisse an die „revolutionäre Vaterlandsverteidigung“ als unzulässig.
Nach der Februarrevolution rufen viele linke Organisationen, vorneweg Menschewiki und Sozialrevolutionäre, die Proletarier Russlands auf, an der Seite der bürgerlichen Regierung zur „Verteidigung der Revolution, des Vaterlands“ gegen die gegnerischen imperialistischen Länder in den Krieg zu ziehen.
Lenin fordert von den bolschewistischen Kadern, die von diesen Organisationen beeinflussten breiten Schichten der Werktätigen gründlich, beharrlich und geduldig über deren politische, verhängnisvolle Fehler aufzuklären Der untrennbare Zusammenhang zwischen Kapital und imperialistischem Krieg muss klar gemacht werden. Unter den Massen muss die Erkenntnis verankert werden, die Beendigung des Krieges ohne den Sturz des Kapitals ist unmöglich.
Lenin vollzieht in den Thesen eine Strategieänderung für die Etappe der Revolution dahingehend, dass als Nahziel die sozialistische Revolution angesteuert wird. Dringendste Aufgabe der Partei der Bolschewiki ist, dafür die ArbeiterInnen und ärmsten Schichten der Bauernschaft zu gewinnen:
„2. Die Eigenart der gegenwärtigen Lage in Rußland besteht im Übergang von der ersten Etappe der Revolution, die infolge des ungenügend entwickelten Klassenbewußtseins und der ungenügenden Organisiertheit des Proletariats der Bourgeoisie die Macht gab, zur zweiten Etappe der Revolution, die die Macht in die Hände des Proletariats und der ärmsten Schichten der Bauernschaft legen muß.“
Losungen für diese Strategie sind: Keinerlei Unterstützung der Provisorischen Regierung. Entlarvung, Aufdeckung der ganzen Verlogenheit all ihrer Versprechungen. Ausgehend von der Tatsache, dass die Bolschewiki in den meisten Sowjets in der Minderheit sind, stellt Lenin der Partei folgende Aufgabe:
„Aufklärung der Massen darüber, daß die Sowjets der Arbeiterdeputierten die einzig mögliche Form der revolutionären Regierung sind und daß daher unsere Aufgabe, solange sich diese Regierung von der Bourgeoisie beeinflussen läßt, nur in geduldiger, systematischer, beharrlicher, besonders den praktischen Bedürfnissen der Massen angepaßter Aufklärung über die Fehler ihrer Taktik bestehen kann.
Solange wir in der Minderheit sind, besteht unsere Arbeit in der Kritik und Klarstellung der Fehler, wobei wir gleichzeitig die Notwendigkeit des Übergangs der gesamten Staatsmacht an die Sowjets der Arbeiterdeputierten propagieren, damit die Massen sich durch die Erfahrung von ihren Irrtümern befreien.“
Lenin ruft also in dieser Situation ganz bewusst nicht zum Aufstand gegen die Provisorische Regierung auf. Die Gewinnung der Mehrheit der Werktätigen in den Sowjets durch Aufklärungsarbeit, das ist seine Devise. Nur dadurch kann erreicht werden, die Politik der Sowjets zu verändern und in Folge über die Sowjets eine Veränderung der Zusammensetzung und Politik der Regierung zu erzwingen. Das ist die Taktik der „Etappe der friedlichen Entwicklung der Revolution“.
Bis zu diesem Zeitpunkt halten die marxistischen TheoretikerInnen die parlamentarische Republik für die beste Form des Übergangs zum Sozialismus.
Lenin erkennt in der Organisationsform der Sowjets ein wesentlich demokratischeres Instrument, das die Massen als selbst handelnde, aktivierende und mobilisierende Kraft zur Machtausübung in der Revolution befähigt. So schlägt er vor, die parlamentarische Republik durch die Sowjetrepublik zu ersetzen Das ist, so Lenin, die zweckmäßigste Form der proletarischen Organisation der Gesellschaft in der Periode des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus. Als eine programmatische Kernaufgabe der Sowjets in dieser Phase legt Lenin fest:
„6. Im Agrarprogramm Verlegung des Schwergewichts auf die Sowjets der Landarbeiterdeputierten. Konfiskation aller Gutsbesitzerländereien. Nationalisierung des gesamten Bodens im Lande; die Verfügungsgewalt über den Boden liegt in den Händen der örtlichen Sowjets der Landarbeiter- und Bauerndeputierten. Bildung besonderer Sowjets von Deputierten der armen Bauern. (...)“
Sofortige Verschmelzung aller Banken des Landes zu einer einzigen Nationalbank sowie Kontrolle der Nationalbank durch den Sowjet der Arbeiterdeputierten.
In der achten These vertritt Lenin, dass die unmittelbare Aufgabe nicht die „Einführung“ des Sozialismus ist, sondern aktuell der Übergang zur Kontrolle der gesellschaftlichen Produktion und der Verteilung der Erzeugnisse durch den Sowjet der Arbeiterdeputierten.
In der neunten These unterstreicht Lenin die Dringlichkeit der sofortigen Einberufung eines Parteitages, sowie die Änderung von Programm und Namen der Partei.
Lenin schlägt in der zehnten These als dringliche Aufgabe die Erneuerung der Internationale und die Initiative zur Gründung einer revolutionären Internationale vor.
Für den weiteren Verlauf der Revolution und die Orientierung der praktischen Arbeit der Partei nach dem Sturz des Zarismus sind diese Thesen von gewaltiger Bedeutung:
„Lenins Thesen riefen bei der Bourgeoisie, bei den Menschewiki und den Sozialrevolutionären wütendes Geheul hervor. Die Menschewiki wandten sich an die Arbeiter mit einem Aufruf der mit der Warnung begann: ‚Die Revolution ist in Gefahr.‘ Die Gefahr bestand nach der Meinung der Menschewiki darin, daß die Bolschewiki die Forderung des Übergangs der Macht an die Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten aufgestellt hatten.“
Die Thesen werden in den Parteiorganisationen breit erörtert und finden volle Unterstützung.
In verschiedenen Gebietskonferenzen und Mitgliederversammlungen werden sie diskutiert und als Programm der jeweiligen Gebietskonferenzen oder Mitgliederversammlungen beschlossen.
Beginn der Krise der Provisorischen Regierung
Am 18. April teilt der Außenminister der Provisorischen Regierung, Miljukow den Verbündeten (England, Frankreich, USA) mit, das ganze Volk sei bestrebt, den Weltkrieg bis zum entscheidenden Sieg weiterzuführen und die Provisorische Regierung beabsichtige, ihre übernommenen Verpflichtungen in vollem Umfange einzuhalten. Am 19. April wird diese Erklärung öffentlich bekannt gegeben. Am 20. April ruft das Zentralkomitee der Partei der Bolschewiki die Massen zum Protest gegen die imperialistische Politik der Provisorischen Regierung auf. Am 20. und 21. April demonstrieren 100 000 ArbeiterInnen und Soldaten, in Empörung über die „Note Miljukows“ gegen die Regierung. Auf den Fahnen leuchten die Losungen: „Die Geheimverträge veröffentlichen!“, „Nieder mit dem Krieg!“, „Alle Macht den Sowjets!“
Eine kleine Gruppe des Petrograder Parteikomitees, die eine „linkssektiererische“ Haltung einnimmt, ruft während der Demonstration zum sofortigen Sturz der Provisorischen Regierung auf. Das ZK der Partei der Bolschewiki verurteilt dieses Vorgehen auf das Schärfste, da diese Losung als verfrüht und daher falsch eingeschätzt wird. Für Lenin grenzt dieses Vorgehen an Verrat.
Die Ereignisse vom 20. und 21. April markieren den Beginn der Krise der Provisorischen Regierung. Das ist der erste bedeutende Riss in der Paktiererpolitik der Menschewiki und Sozialrevolutionäre. Anfang Mai müssen Miljukow und Gutschkow (Kriegsminister) unter dem Druck der Massen aus der Provisorischen Regierung ausscheiden.
Die erste Provisorische Koalitionsregierung wird gebildet, in die neben VertreterInnen der Bourgeoisie auch Menschewiki und Sozialrevolutionäre eintreten. Die Bolschewiki bewerten das als den Übergang der Menschewiki und Sozialrevolutionäre in das Lager der konterrevolutionären Bourgeoisie.
Aprilkonferenz der Bolschewiki
„Am 24. April 1917 wurde die VII. Konferenz (die Aprilkonferenz) der Bolschewiki eröffnet. Zum erstenmal seit Bestehen der Partei trat eine Konferenz der Bolschewiki offen zusammen, eine Konferenz, die ihrer Bedeutung nach in der Geschichte der Partei keinen geringeren Platz einnimmt als ein Parteitag. Die Allrussische Aprilkonferenz zeigte das stürmische Wachstum der Partei. Auf der Konferenz waren 133 Delegierte mit beschließender und 18 Delegierte mit beratender Stimme anwesend. Sie vertraten 80 000 organisierte Parteimitglieder. Die Konferenz erörterte und arbeitete die Linie der Partei aus für alle grundlegenden Fragen des Krieges, der Provisorischen Regierung, der Sowjets, für die Agrarfrage, die nationale Frage usw.“
Mit großer Mehrheit unterstützt die Konferenz das politische Konzept Lenins, bezieht in allen wichtigen Fragen eine klare Position. Die Aprilkonferenz arbeitet eine Plattform des Kampfes für den Übergang zur sozialistischen Revolution aus und bestimmt auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Analyse der konkret-historischen Bedingungen die Wege ihrer Entwicklung. In den Beschlüssen der Konferenz vereinen sich sozialistische und demokratische Forderungen. Damit kann das Proletariat zuverlässige Verbündete – die arme Bauernschaft und die Werktätigen und der nationalen Gebiete gewinnen.
Die bolschewistische Partei geht aus dieser Konferenz geschlossen, stark, mit einer revolutionären Taktik und dem festen Vertrauen in die Kraft der revolutionären Massen und der eigenen Organisation, sowie unbändiger Siegeszuversicht trotz aller schwierigen Herausforderungen hervor.
„Die Partei entfaltete auf der Grundlage der Beschlüsse der Aprilkonferenz eine gewaltige Arbeit zur Eroberung der Massen, zu ihrer Kampfschulung und Organisierung. Die Linie der Partei bestand in dieser Periode darin, durch geduldige Aufklärung über die bolschewistische Politik und durch Entlarvung des Paktierertums der Menschewiki und Sozialrevolutionäre diese Parteien von den Massen zu isolieren und die Mehrheit in den Sowjets zu erobern.
Außer der Arbeit in den Sowjets entfalteten die Bolschewiki eine gewaltige Tätigkeit in den Gewerkschaften und Betriebsräten. Insbesondere leisteten die Bolschewiki eine große Arbeit in der Armee. Überall ging man an die Schaffung von Militärorganisationen. An der Front und im Hinterland arbeiteten die Bolschewiki unermüdlich an der Organisierung der Soldaten und Matrosen.“
Die Arbeit der Bolschewiki zeigt schon bald wichtige Ergebnisse. In vielen Städten setzen die ArbeiterInnen Neuwahlen der Sowjets auf die Tagesordnung und werfen Menschewiki und Sozialrevolutionäre aus den Sowjets. An ihre Stelle werden viele Bolschewiki gewählt.
Anfang Juni, in den Tagen des Ersten Gesamtrussischen Sowjetkongresses kündigt sich in Petrograd eine Demonstration der ArbeiterInnen und Soldaten an, die vom Kongress die Übernahme der Macht fordert. Die Bolschewiki berücksichtigen die Stimmungen der Massen und legen dazu in der Sitzung des ZK, der Militärorganisation und des Petrograder Komitees der Partei ihre politische Haltung fest. Es wird beschlossen, am 10. Juni zu einer friedlichen Demonstration zu mobilisieren. Menschewiki und Sozialrevolutionäre bringen gemeinsam mit den Kadetten auf dem Sowjetkongress eine Resolution für das Verbot dieser Demonstration durch. In einer Situation, in der die Massen für eine offene Aktion gegen die vereinten Kräfte der Bourgeoisie, der Menschewiki und Sozialrevolutionäre noch nicht bereit sind, beschließen die Bolschewiki, die Demonstration abzusagen. Nicht weil sie vor der Reaktion einknicken, sondern weil sie wissen, dass die ArbeiterInnen ansonsten ins offene Messer der Konterrevolution getrieben werden.
Das Exekutivkomitee des Petrograder Sowjets – in dem die große Mehrheit Menschewiki und Sozialrevolutionäre bilden – beschließt für den 18. Juni (1. Juli), eine Demonstration in Petrograd unter den Losungen des Vertrauens zur Provisorischen Regierung sowie der Billigung der Offensive an der Front zu organisieren. Ihre Rechnung geht nicht auf. Die Bolschewiki rufen die ArbeiterInnen und Soldaten auf, sich an der Demonstration aktiv zu beteiligen und bolschewistische Losungen zu tragen. Die Demonstranten haben kein Vertrauen in die Provisorische Regierung. Im Gegenteil, 400 000 DemonstrantInnen marschieren unter Bannern, die die Losungen tragen: „Nieder mit dem Krieg!“, „Nieder mit den zehn kapitalistischen Ministern!“, „Alle Macht den Sowjets!“ Die Provisorische Regierung erhält auf dem Sowjetkongress die Unterstützung der Menschewiki und Sozialrevolutionäre und setzt unbeirrt ihre imperialistische Politik fort. Sie startet am 18. Juni an der Front eine Offensive, die innerhalb kurzer Zeit scheitert. Die Empörung der ArbeiterInnen und Soldaten gegen diese Politik der Provisorischen Regierung führt in Petrograd zu spontanen Demonstrationen am 3. (16.) Juli.
„Die einzelnen Demonstrationen schwollen zu einer allgemein grandiosen bewaffneten Demonstration an unter der Losung des Übergangs der Macht an die Sowjets. Die bolschewistische Partei war gegen eine bewaffnete Aktion in diesem Moment, da sie der Auffassung war, daß die revolutionäre Krise noch nicht herangereift sei, daß die Armee und die Provinz noch nicht zur Unterstützung des Aufstandes in der Hauptstadt bereit seien, daß ein isolierter und vorzeitiger Aufstand in der Hauptstadt es der Konterrevolution nur erleichtern könne, die Vorhut der Revolution zu zerschlagen. Als aber klar wurde, daß es unmöglich war, die Massen von der Demonstration abzuhalten, beschloß die Partei, an der Demonstration teilzunehmen, um ihr einen friedlichen und organisierten Charakter zu verleihen. Dies gelang der Partei der Bolschewiki, und Hunderttausende von Demonstranten marschierten zum Petrograder Sowjet und zum Allrussischen Zentralexekutivkomitee der Sowjets und forderten von den Sowjets, sie sollten die Macht übernehmen, mit der imperialistischen Bourgeoisie brechen und eine aktive Friedenspolitik durchführen.
Trotz des friedlichen Charakters der Demonstration [am 4. Juli – Anm. TA] wurden gegen die Demonstranten reaktionäre Truppenteile, Abteilungen von Offizieren und Offiziersschülern, aufgeboten. In den Straßen von Petrograd floß das Blut der Arbeiter und Soldaten in Strömen. Zur Niedermetzelung der Arbeiter wurden von der Front die rückständigsten, konterrevolutionärsten Truppenteile herbeigeholt.“
Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre gehen mit der Bourgeoisie und den Weißgardisten Hand in Hand gegen die Bolschewiki vor. Ihre Zeitungen werden verboten, Redaktionsräume der „Prawda“ demoliert und viele werden verhaftet. Auch gegen Lenin wird ein Haftbefehl erlassen.
Damit gehen die Doppelherrschaft und die Periode der friedlichen Entwicklung der Revolution zu Ende.
„Angesichts der veränderten Situation beschloß die bolschewistische Partei, ihre Taktik zu ändern. Sie ging zur Illegalität über, verbarg ihren Führer Lenin in tiefster Illegalität und begann zum Aufstand zu rüsten, um die Macht der Bourgeoisie mit Waffengewalt zu stürzen und die Sowjetmacht zu errichten.“
Da die Sowjets unter der Mehrheit der Menschewiki und Sozialrevolutionäre nun ein bloßes Anhängsel der Provisorischen Regierung geworden sind, ziehen die Bolschewiki die Losung „Alle Macht den Sowjets!“ zurück. In dieser Situation würde sie eine faktische Unterstützung der Provisorischen Regierung bedeuten.
Von Ende Mai bis 1. August 1917 finden in 276 Städten Wahlen für die Stadt- und Bezirksduma (Duma = Parlament) statt. Die Bolschewiki sind zwar noch in der Minderheit, aber ihr Einfluss wächst stetig unter den proletarischen und halbproletarischen Massen. Eine Mehrheit der Werktätigen äußert zwar ihr Misstrauen gegenüber der Bourgeoisie, bricht aber immer noch nicht ganz mit den Paktierer-Parteien. In einer beträchtlichen Anzahl von Städten bringen die Wahlen zu den Stadtdumas den Menschewiki und Sozialrevolutionären das Übergewicht.
In der Phase von Ende April und im Mai 1917 spitzt sich der Klassenkampf auch im Dorfe zu. Die arme Bauernschaft macht die Erfahrung, dass sie den Boden nicht von der Provisorischen Regierung, nicht von den Menschewiki und Sozialrevolutionären in dieser Regierung erhalten wird und sich die Agrarfrage nur auf revolutionärem Weg, zu dem die Bolschewiki aufrufen, lösen lässt.
VI. Parteitag der Bolschewiki
„Inmitten einer unglaublichen Hetze, die die bürgerliche und kleinbürgerliche Presse entfachte, trat in Petrograd der VI. Parteitag der Bolschewiki zusammen. Der Parteitag dauerte vom 26. Juli bis zum 3. August 1917 und tagte illegal. (…) Auf dem Parteitag waren 157 Delegierte mit beschließender und 128 Delegierte mit beratender Stimme anwesend. Die Partei zählte um diese Zeit gegen 240 000 Mitglieder. Bis zum 3. Juli, das heißt vor der Niederschlagung der Arbeiterdemonstration, als die Bolschewiki noch legal arbeiteten, hatte die Partei 41 Presseorgane, darunter 29 in russischer Sprache und 12 in anderen Sprachen.“
Lenin ist auf dem VI. Parteitag nicht anwesend. Wegen anhaltender Verfolgung ist die Partei gezwungen, Lenin in einer Feldhütte in der Nähe der Bahnstation Rasliw zu verbergen. Der VI. Parteitag beschließt ein neues Parteistatut, das den Aufbau aller Parteiorganisationen auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus festschreibt.
Die entscheidende politische Frage ist, wie sollen sich die Bolschewiki auf den bewaffneten Aufstand und auf die sozialistische Revolution als nächstes Etappenziel einstellen. Alle Beschlüsse des Parteitags sind darauf ausgerichtet, das Proletariat und die arme Bauernschaft darauf vorzubereiten. In seinem „Schlusswort“ über die politische Lage bekräftigt Stalin:
„Unsere Hauptaufgabe ist es, die Notwendigkeit des Sturzes der bestehenden Macht zu propagieren. Wir sind darauf noch nicht genügend vorbereitet. Aber wir müssen uns darauf vorbereiten. Es ist notwendig, daß die Arbeiter, Bauern und Soldaten erkennen, daß sie ohne den Sturz der gegenwärtigen Regierung weder Freiheit noch Land bekommen können!“
Der Parteitag sieht das Bündnis des Proletariats mit der armen Bauernschaft als ausschlaggebend an. Im ökonomischen Bereich werden die Forderungen der Bolschewiki – wie in Lenins Aprilthesen formuliert – bestätigt. Ihre Hauptpunkte sind: Beschlagnahmung des Bodens der Gutsbesitzer; Nationalisierung des gesamten Bodens im Lande; Nationalisierung der Banken, Nationalisierung der Großindustrie, Arbeiterkontrolle über Produktion und Verteilung.
Der VI. Parteitag veröffentlicht ein Manifest, gerichtet „An alle Werktätigen, an alle Arbeiter, Soldaten und Bauern Rußlands!“. Es schließt mit der Forderung:
„Rüstet euch zu neuen Schlachten, Kampfgenossen! Sammelt Kräfte, standhaft, mutig und ruhig, ohne euch provozieren zu lassen, schließt euch zu Kampfkolonnen zusammen! Unter das Banner der Partei, Proletarier und Soldaten! Unter unser Banner, Unterdrückte des Dorfes!“
Verschwörung des Generals Kornilow
Nachdem die Bourgeoisie die ganze Macht an sich gerissen hat, beginnt sie Vorbereitungen zu treffen, um die entkräfteten Sowjets zu zerschlagen und eine unverhüllte konterrevolutionäre Diktatur zu errichten. Die aktive Vorbereitung der Konterrevolution zu einem Angriff wird spätestens allen klar als Kornilow, „Höchstkommandierender“ des russischen Heeres, am 3. August die Einführung der Todesstrafe nicht nur an der Front, sondern auch im Hinterland fordert. Die Provisorische Regierung organisiert den „Allrussischen Kongress der Kaufleute und Industriellen“, an dem neben den Kadetten auch die Menschewiki und Sozialrevolutionäre teilnehmen. Diese Konferenz formuliert, was in Wirklichkeit bereits vorher vorbereitet wird:
Die Entfernung der revolutionären Truppen aus Petersburg, die Beorderung konterrevolutionärer Truppen von der Front in die Hauptstadt, die Erschießung revolutionärer ArbeiterInnen, die Vernichtung der bolschewistischen Partei. Die englische und französische Bourgeoisie versprechen dafür fünf Milliarden Unterstützung. Wilson, Präsident der USA, sagt der russischen Regierung jegliche materielle und moralische Unterstützung zu, unter der einzigen Bedingung, dass sie bereit ist den Krieg fortzusetzen. Die Ausführung dieses Planes soll General Kornilow übernehmen.
„Die Verschwörung Kornilows wurde offen vorbereitet. Um die Aufmerksamkeit von ihr abzulenken, setzten die Verschwörer das Gerücht in Umlauf, daß die Bolschewiki in Petrograd für den 27. August, den Tag der Halbjahrfeier der Revolution, einen Aufstand vorbereiten. Die Provisorische Regierung mit Kerenski an der Spitze stürzte sich auf die Bolschewiki, verstärkte den Terror gegen die proletarische Partei. Zugleich zog General Kornilow Truppen zusammen, um sie auf Petrograd marschieren zu lassen, die Sowjets zu liquidieren und eine Regierung der Militärdiktatur zu errichten. (...) Als Antwort auf den Kornilowaufstand rief das Zentralkomitee der bolschewistischen Partei die Arbeiter und Soldaten zur aktiven bewaffneten Abwehr der Konterrevolution auf. Die Arbeiterschaft begann sich rasch zu bewaffnen und zur Abwehr vorzubereiten. Die Abteilungen der Roten Garde wuchsen in diesen Tagen um ein Vielfaches. Die Gewerkschaften mobilisierten ihre Mitglieder. Die revolutionären Truppenteile Petrograds wurden ebenfalls in Kampfbereitschaft gebracht. (…) Dank allen Maßnahmen wurde der Kornilowputsch niedergeschlagen.“
Dies zeigt, die bolschewistische Partei ist in der Lage, die Machenschaften der Konterrevolution zu durchkreuzen. Das wichtigste aber ist, die Sowjets, die schon tot schienen, zeigen, welch gigantische revolutionäre Abwehrkraft sie in sich bergen. Ohne die Sowjets und ihre Revolutionskomitees wäre es nicht möglich gewesen, den Kornilowputsch niederzuschlagen.
„Der Kampf gegen die Kornilowaktion flößte den dahinsiechenden Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten neues Leben ein, befreite sie aus dem Bann der Paktiererpolitik, führte sie auf die breite Straße des revolutionären Kampfes und bewirkte ihre Schwenkung zur bolschewistischen Partei. Der Einfluß der Bolschewiki in den Sowjets stieg wie nie zuvor. Der Einfluß der Bolschewiki begann auch im Dorfe rasch zu wachsen. (…) Der Aufschwung der Revolution nahm zu. Es setzte eine Phase der Belebung und Erneuerung der Sowjets, die Phase der Bolschewisierung der Sowjets ein. Fabriken, Betriebe, Truppenteile, die eine Neuwahl ihrer Deputierten vornahmen, entsenden statt der Menschewiki und Sozialrevolutionäre Vertreter der bolschewistischen Partei in die Sowjets. Am Tage nach dem Siege über Kornilow, am 31. August, erklärt sich der Petrograder Sowjet für die Politik der Bolschewiki. Das alte menschewistisch-sozialrevolutionäre Präsidium des Petrograder Sowjets mit Tschcheidse an der Spitze tritt zurück und räumt den Bolschewiki den Platz. Am 5. September geht der Moskauer Sowjet der Arbeiterdeputierten zu den Bolschewiki über.“
In dieser Entwicklung erobern Politik und Programm der Bolschewiki nach und nach in den Sowjets die Mehrheit. Die Losung „Alle Macht den Sowjets!“ wird wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Jetzt ist die Hauptlosung „für den Aufstand der Sowjets“ gegen die Provisorische Regierung, mit dem Ziel der Übernahme der gesamten Macht im Lande durch die von den Bolschewiki geleiteten Sowjets, die Kurs auf die bolschewistische, sozialistische Revolution nehmen.
Das Anwachsen der Krise im Lande ist durch einen neuen revolutionären Aufschwung gekennzeichnet. Im Januar/Februar 1917 streiken im ganzen Land rund 700 000 ArbeiterInnen, während von August bis Oktober bereits rund zwei Millionen Werktätige an Streiks teilnehmen.
Die Aktionen der ArbeiterInnen September/Oktober 1917 sind auf die Lösung der Hauptaufgabe der Revolution, die Übernahme der Macht, gerichtet. Charakteristisch ist auch die anwachsende revolutionäre Bauernbewegung. Die agrarischen „Rechtsverletzungen“ – wie die Provisorische Regierung die Enteignungs- oder Konfiskationsaktionen der armen Bauern nennt – häufen sich. Werden im März 1917 nur 73 Aktionen der Bauern und Bäuerinnen registriert, so zählte man im September bereits 3 017. Eine „Gesamtnationale Krise“, mit anderen Worten: die „Revolutionäre Situation“, reift heran!
Vorbereitung des Oktoberaufstands
„Die Bolschewiki begannen mit aller Kraft zum Aufstand zu rüsten. Lenin wies darauf hin, daß die Bolschewiki, nach dem sie in den beiden hauptstädtischen Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten – im Moskauer und Petrograder Sowjet – die Mehrheit erhalten hatten, die Staatsmacht in ihre Hände nehmen konnten und mußten. Die Ergebnisse des zurückgelegten Weges zusammenfassend, betonte Lenin: ‚Die Mehrheit des Volkes ist für uns.‘ In seinen Aufsätzen und Briefen an das Zentralkomitee und an die bolschewistischen Organisationen stellte Lenin einen konkreten Aufstandsplan auf: wie die Truppenteile, die Flotte und die Rotgardisten eingesetzt werden sollen, welche entscheidenden Punkte in Petrograd besetzt werden müssen, um den Erfolg des Aufstands zu sichern usw.“
Am 7. Oktober erreicht Lenin auf illegalen Wegen aus Finnland kommend Petrograd. Am 10. Oktober beschließt das Zentralkomitee der Bolschewiki, den bewaffneten Aufstand in den nächsten Tagen zu beginnen. In der von Lenin verfassten Resolution heißt es:
„Das Zentralkomitee stellt fest, daß sowohl die internationale Lage der russischen Revolution (der Aufstand in der deutschen Flotte als höchster Ausdruck des Heranreifens der sozialistischen Weltrevolution in ganz Europa, ferner die Drohung des Friedens zwischen den Imperialisten, die Revolution in Rußland zu erdrosseln) als auch die militärische Lage (der nicht zu bezweifelnde Entschluß der russischen Bourgeoisie und Kerenskis und Konsorten, Petrograd den Deutschen auszuliefern) und die Eroberung der Mehrheit in den Sowjets durch die proletarische Partei – daß alles dies im Zusammenhang mit dem Bauernaufstand und mit der Tatsache, daß sich das Vertrauen des Volkes unserer Partei zugewandt hat (Wahlen in Moskau), und endlich die offenkundige Vorbereitung eines zweiten Kornilowputsches (Abtransport von Truppen aus Petrograd, Zusammenziehung von Kosaken bei Petrograd, Umzingelung von Minsk durch Kosaken usw.) daß all dies den bewaffneten Aufstand auf die Tagesordnung setzt.
Das Zentralkomitee stellt somit fest, daß der bewaffnete Aufstand unumgänglich und völlig herangereift ist, und fordert alle Parteiorganisationen auf, sich hiervon leiten zu lassen und von diesem Gesichtspunkt aus alle praktischen Fragen zu behandeln und zu entscheiden (Sowjetkongreß des Nordgebiets, Abtransport von Truppen aus Petrograd, die Aktionen der Moskauer und der Minsker usw.).“
„Der Aufstand begann. Am 24. Oktober nachts kam Lenin im Smolny an und nahm die Leitung des Aufstandes unmittelbar in seine Hand. Die ganze Nacht trafen beim Smolny revolutionäre Truppenteile und Abteilungen der Roten Garde ein. Sie wurden von den Bolschewiki in das Stadtzentrum geschickt, um den Winterpalast zu umzingeln, wo sich die Provisorische Regierung verschanzt hatte. Am 25. Oktober (7. November) besetzten die Rote Garde und die revolutionären Truppen die Bahnhöfe, das Postamt, das Telegraphenamt, die Ministerien, die Staatsbank. Das Vorparlament wurde aufgelöst. Der Smolny, in dem sich der Petrograder Sowjet und das Zentralkomitee der Bolschewiki befanden, wurde zum Kampfstab der Revolution, von dem die Kampfbefehle ausgingen. (…) Der Kreuzer ‚Aurora‘ kündete am 25. Oktober durch den Donner seiner auf den Winterpalast gerichteten Geschütze den Beginn einer neuen Ära an, der Ära der Großen Sozialistischen Revolution.
(…) Der bewaffnete Aufstand hatte in Petrograd gesiegt.“
Auf dem II. Allrussischen Sowjetkongress, am 25. Oktober, wird der Übergang der gesamten Macht in die Hände der Sowjets verkündet. Die Diktatur des Proletariats ist errichtet.
Vom Funken zum Steppenbrand
Was war das Entscheidende für den Sieg der Oktoberrevolution?
Ja, der bewaffnete Aufstand am 24. und 25. Oktober 1917 ist erfolgreich. Die Provisorische Regierung wird gestürzt und die Sowjets übernehmen die gesamte Macht und die Diktatur des Proletariats entsteht. Die sozialistische Revolution hat gesiegt! Welche Schlussfolgerungen müssen wir für heute, für unseren Kampf in den Vordergrund stellen, damit uns bewusst wird, was wir KommunistInnen für den Sieg der Revolution heute in erster Linie zu tun haben?
Klar, heute 2017 existiert keine revolutionäre Situation in Deutschland. Weder auf Seiten der objektiven Bedingungen, der Lage der Herrschenden, noch beim subjektiven Faktor, dem Stand des Klassenkampfes des Proletariats. Der Marxismus-Leninismus lehrt uns auch, dass die Befreiung der Arbeiterklasse und Werktätigen nur das Werk der ArbeiterInnen und Werktätigen selbst sein kann. Ohne den Kampf der Massen der Arbeiterklasse und Werktätigen kann es keine Revolution geben, geschweige denn siegen. Also müssen wir von der heutigen Realität des internationalen und des Klassenkampfes in unserem Land ausgehen.
Die Widersprüche des Imperialismus weltweit verschärfen sich. Die Konkurrenz der imperialistischen Großmächte, darunter vorneweg unser „eigener“ Imperialismus, im Ringen um Weltherrschaft spitzen sich zu. Um in den imperialistischen Zentren die Werktätigen weiter an das System zu binden und die nächsten Kriege vorzubereiten, werden Faschismus und Rassismus zur Spaltung der ArbeiterInnenklasse recht erfolgreich eingesetzt.
Die imperialistische Ideologie ist vorherrschend. Das entscheidende Instrument für die sozialistische Revolution, eine proletarische Partei nach dem Vorbild der Bolschewiki, existiert nicht. Daher läuft eine systematische politische Überzeugungs- und Organisierungsarbeit zur Gewinnung der fortschrittlichen ArbeiterInnen, Angestellten und anderen Werktätigen nur ganz minimal. Das aber ist, wie die Geschichte der Kommunistischen Partei in Russland zeigt, der zentrale Hebel, um die Organisation zu schaffen.
Die linke, revolutionäre Bewegung in der BRD ist schwach, uneinheitlich und zersplittert. Viele kommunistische, revolutionäre, antifaschistische und antirassistische Organisationen und Gruppen setzen in Aktionen wie Anti-G20 Zeichen des Widerstands.
In Grundfragen der Revolution, zum Beispiel gegen welchen Hauptfeind muss sich unsere Strategie richten, herrscht Verwirrung und Uneinigkeit. In manchen politischen Statements zu G20 werden alle teilnehmenden Staaten auf eine Stufe gestellt. Also die imperialistischen Großmächte werden mit abhängig kapitalistischen Ländern wie Indien, Türkei und Brasilien auf eine Stufe gestellt und damit in ihrer Weltbedeutung verkannt.
Andere reduzieren den Imperialismus auf eine einzige hegemoniale Weltmacht, die USA, und erklären sie zum Hauptfeind der Völker der Welt. Beide politischen Positionen nehmen den deutschen, also „unseren eigenen“ Imperialismus aus der Schusslinie. Er aber ist unser Hauptfeind in der sozialistischen Revolution, gegen ihn müssen wir vor allem kämpfen und die Werktätigen dafür aufklären, mobilisieren, organisieren.
2017 WAS TUN?
Kommunistische Partei nach bolschewistischem Vorbild aufbauen! Die Partei als die wichtigste Waffe, als handelnde, führende Kraft der revolutionären Massen aufbauen!
Programmatische Klarheit schaffen. Diskussion und Lösung der zentralen Fragen der Revolution in der BRD. Die Klassenanalyse anpacken. Theoretische Fragen wie die Ursachen der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion und in der DDR, für uns besonders wichtig, klären.
Einheit der Marxisten-Leninisten, der KommunistInnen ideologisch, theoretisch, praktisch verwirklichen. Nach dem Motto der Bolschewiki, bevor man sich vereinigt, muss man sich voneinander abgrenzen, gemeinsame Kernpunkte erarbeiten. Nicht alle Fragen müssen gelöst sein, bevor eine Kommunistische Partei Deutschland geschaffen wird.
Aber ideologische Klarheit über zentrale Grundpositionen muss erzielt werden. Nicht zu klärende Widersprüche, offene noch nicht gelöste Fragen, sollen festgehalten werden. Ziel ist, diese gemeinsam in einer Organisation zu beantworten. Hauptaufgabe der KommunistInnen heute ist, den Aufbau einer Partei nach Vorbild der Bolschewiki ins Zentrum ihrer politischen Arbeit zu rücken. Dafür müssen, ja, müssen, Menschen, Gruppen oder Organisationen, die sich gegenseitig als kommunistisch einschätzen, sich vereinen, zusammenschließen! Das heißt: die Einheit der Marxisten-Leninisten zu verwirklichen.
Sozialistisches Bewusstsein in die ArbeiterInnenklasse hineintragen, auch wenn es noch so schwierig ist. Grundprinzip des Marxismus-Leninismus ist, dass die Arbeiterklasse die revolutionäre Kraft ist, die den Kapitalismus stürzen wird. Wenn das Konsens ist, dann müssen wir alle diese Aufgabe auch in der Praxis, in den Betrieben, Fabriken und in den Gewerkschaften anpacken. Nur so sind die Arbeiterinnen für den Kommunismus zu gewinnen.
Bündnisse und Aktionseinheiten schaffen oder uns daran beteiligen. Ziel ist die revolutionäre Bewegung zusammen zu schließen, neue interessierte Menschen für die revolutionäre Arbeit und für den Aufbau der Partei zu gewinnen.
In den Klassenkämpfen und demokratischen, antifaschistischen, antiimperialistischen, antirassistischen Bewegungen
unsere revolutionären marxistisch-leninistischen Positionen verbreiten.
Proletarischer Internationalismus in Theorie und Praxis, Austausch und gegenseitige Unterstützung mit marxistisch-leninistischen Organisationen weltweit, langfristig Aufbau einer neuen Kommunistischen Internationale, Unterstützung aller gegen den Imperialismus gerichteten revolutionären Bewegungen insbesondere in den Ländern, die vom deutschen Imperialismus unterdrückt/abhängig sind. Klassensolidarität mit den ArbeiterInnen aller Länder und ihren Kämpfen. Das wichtigste für heute ist:
Es gibt keine revolutionäre Situation wie im Oktober 1917. Die Arbeiterbewegung liegt weitgehend darnieder. Aber die Geschichte lehrt: Nichts ist ewig. Auch die heutige anscheinend aussichtslose Lage nicht. Die Widersprüche des Kapitalismus wirken weiter, sie rufen zur Revolution auf und werden unweigerlich zu neuen revolutionären Situationen führen. Für diese Zeiten müssen wir vorbereitet und gewappnet sein. Dazu brauchen wir leninistisch-bolschewistische Parteien. Die Einheit der Marxisten-Leninisten in bolschewistischen Parteien auf einer marxistisch-leninistischen Linie. Dafür zu arbeiten, ist die Hauptaufgabe aller Marxisten-Leninisten. Das ist die wichtigste Lehre aus der siegreichen Oktoberrevolution!
Neue Oktober sind nötig –
aber nur möglich unter Führung
Bolschewistischer Parteien!
Packen wir es an!
Januar 1917 sind in der bolschewistischen Partei 23 600 Mitglieder, davon ca. 60 Prozent ArbeiterInnen, organisiert. Nach der Februarrevolution stieg die Mitgliederzahl der Organisationen der Bolschewiki auf 40 000 – 45 000 Mitglieder.
„Die Parteikomitees wurden auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus reorganisiert. Die Wählbarkeit aller Parteiorgane von unten bis oben wurde festgelegt.“
Ende März 1917 arbeiten im Petrograder Sowjet 2 000 Deputierte und die bolschewistische Fraktion umfasst 50 Deputierte. In das Exekutivkomitee der Sowjets sind von 15 Mitgliedern drei Bolschewiki hinein gewählt.
„Geschichte der KPdSU (B)“, S. 229, Dietz Verlag, 1953:
Die Geschichte der Oktoberrevolution und die Geschichte der KPdSU (B) lehrt uns, „daß der Sieg der proletarischen Revolution, der Sieg der Diktatur des Proletariats unmöglich ist ohne eine revolutionäre Partei des Proletariats, eine Partei, die vom Opportunismus frei, gegen Paktierer und Kapitulanten unversöhnlich, gegenüber der Bourgeoisie und ihrer Staatsgewalt revolutionär ist. (…) das Proletariat ohne eine solche Partei lassen, bedeutet, es ohne revolutionäre Führung lassen, es aber ohne revolutionäre Führung lassen, bedeutet die Sache der proletarischen Revolution zum Scheitern bringen.“
Sie lehrt uns: „daß die Partei der Arbeiterklasse die Rolle des Führers ihrer Klasse, daß sie die Rolle des Organisators und Führers der proletarischen Revolution nicht erfüllen kann, wenn sie nicht die fortgeschrittene Theorie der Arbeiterbewegung, die marxistisch-leninistische Theorie, gemeistert hat. (...)
daß ohne Zerschlagung der in den Reihen der Arbeiterklasse tätigen kleinbürgerlichen Parteien, die die rückständigen Schichten der Arbeiterklasse der Bourgeoisie in die Arme treiben und so die Einheit der Arbeiterklasse zerstören, der Sieg der proletarischen Revolution unmöglich ist. (...)
daß die Partei der Arbeiterklasse ohne unversöhnlichen Kampf gegen die Opportunisten in ihren eigenen Reihen, ohne Vernichtung der Kapitulanten in ihrer eigenen Mitte die Einheit und Disziplin ihrer Reihen nicht aufrechterhalten, ihre Rolle als Organisator und Führer der proletarischen Revolution, ihre Rolle als Erbauer einer neuen, der sozialistischen Gesellschaft nicht erfüllen kann. (...)
daß die Partei ihre Rolle als Führer der Arbeiterklasse nicht erfüllen kann, wenn sie, von Erfolgen berauscht, überheblich zu werden beginnt, wenn sie aufhört, die Mängel ihrer Arbeit zu bemerken, wenn sie sich fürchtet, ihre Fehler einzugestehen, sich fürchtet, diese rechtzeitig offen und ehrlich zu korrigieren. (...)
daß die Partei der Arbeiterklasse ohne umfassende Verbindungen mit den Massen, ohne ständige Festigung dieser Verbindungen, ohne die Fähigkeit, auf die Stimme der Masse zu lauschen und ihre brennenden Nöte zu verstehen, ohne die Bereitschaft, nicht nur die Massen belehren, sondern auch von ihnen zu lernen, keine wirkliche Massenpartei sein kann, die fähig ist, die Millionen der Arbeiterklasse und aller Werktätigen zu führen.“
Revolutionsjahr 1917 - Chronologie Oktober bis Dezember
Oktober:
1. Oktober: Lenin entwirft Plan der ArbeiterInnen und BäuerInnen-Regierung: „Werden die Bolschewiki die Staatsmacht behaupten?“.
3. Oktober: II. Kongress der Baltischen Flotte fordert sofortige Entfernung Kerenskis aus der Provisorischen Regierung. Zusammenstöße mit Unternehmern beantworten ArbeiterInnen in verschiedenen Städten mit anhaltenden Streiks.
4. Oktober: Bauernaufstände in den Gouvernements Kursk, Pensa und Rjasan.
5. Oktober: Kongress der lettischen Schützen der 12. Armee tagt in Wenden. Meeting von 5 000 Soldaten und ArbeiterInnen unterstützt Beschluss des Kongresses: Entschiedener Kampf gegen konterrevolutionäre Prov. Regierung mit der Losung „Alle Macht den Sowjets!“
6. Oktober: Resolution der Konferenz der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten des Petrograder Gouvernements in Kronstadt verweigert der Prov. Regierung die Unterstützung.
7. Oktober: Zeitung „Rabotschij Putj“ (Der Arbeiterweg) veröffentlicht in Nr. 30 den Artikel Lenins „Die Krise ist herangereift“.
9. Oktober: Ein vieltausendköpfiges Meeting der ArbeiterInnen der Obuchow-Werke fordert den Sturz der bürgerlichen Regierung und
Sowjetmacht.
10. Oktober: Sitzung des ZK der SDAPR (Bolschewiki) unter Beteiligung Lenins. Resolution Lenins „Aufruf zum sofortigen bewaffneten Aufstand“ wird mehrheitlich angenommen. Gegen die Stimmen der ZK-Mitglieder Kamenew und Sinowjew. Polit-Büro aus sieben Mitgliedern wird gewählt.
12. Oktober: Exekutivkomitee (EK) des Petrograder Sowjets beschließt Bildung des „Revolutionären Kriegskomitees“.
13. Oktober: Bildung einer Abteilung der Arbeitergarde beim Petrograder Sowjet.
14. Oktober: In Minsk werden in das Präsidium des EK der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten nur Bolschewiki gewählt.
Bauernaufstände in Landkreisen des Gouvernements Tobolsk. Prov. Regierung verhängt den Kriegszustand.
15. Oktober: Sowjetkongresse in verschiedenen Städten fordern sofortigen Übergang der Macht in die Hände der Sowjets.
16. Oktober: Gemeinsam debattieren ZK der SDAPR (Bolschewiki) und Vertreter der Parteiorganisationen die Frage des bewaffneten Aufstands. Resolution über die Vorbereitung des bewaffneten Aufstands wird angenommen.
18. Oktober: Kamenew veröffentlicht in der Zeitung „Nowaja Shisn“ Nr. 156 eine Erklärung in seinem Namen und im Namen Sinowjews. Darin machen sie die beschlossene Vorbereitung zum bewaffneten Aufstand öffentlich und sprechen sich „gegen jeden Versuch aus, die Initiative zum bewaffneten Aufstand zu ergreifen“. Die auf diese Weise gewarnte Prov. Regierung trifft Sofort-Maßnahmen gegen die zu erwartende Aktion der Bolschewiki.
19. Oktober: Zerschlagung des Kalugaer Sowjets durch Truppen der Prov. Regierung. Die bolschewistisch orientierte Kalugaer Garnison leistet bewaffneten Widerstand.
22. Oktober: Grandiose Meetings in Petrograd am „Tag des Petrograder Sowjets“ für die Vorbereitung zum Aufstand. Kreuzer „Aurora“ bleibt auf Anordnung des Sowjets in Petrograd stationiert.
23. Oktober: Revolutionäres Kriegskomitee ernennt Kommissare für Truppenteile und wichtige Punkte in Petrograd und Umgebung.
Prov. Regierung verbietet die Zeitungen „Rabotschij Putj“, (Der Arbeiterweg) und „Soldat“. Sie befiehlt die sofortige Verhaftung der Bolschewiki, die an den Ereignissen vom 3.-4. Juli beteiligt waren.
24. Oktober: Alle Offiziersschulen werden in Alarmbereitschaft versetzt. Prov. Regierung erteilt den Befehl zur Untersuchung der Tätigkeit des Revolutionären Kriegskomitees. Kreuzer „Aurora“ erhält die Anweisung, Petrograd zu verlassen. Stab des Militärbezirks ordnet Verhaftung der Kommissare an, die vom Revolutionären Kriegskomitee für die Truppenteile ernannt wurden. Sie sollen vor Gericht gestellt werden. Strategisch wichtige Punkte in der Stadt werden von Offiziersschülern besetzt. Befehl wird erteilt, die Brücken hochzuziehen und die Telefone des Petrograder Sowjets zu sperren.
Revolutionäres Kriegskomitee ruft alle Truppenteile auf, sich kampfbereit zu halten. Es beschließt das Wiedererscheinen der von der Prov. Regierung verbotenen Zeitungen „Rabotschij Putj“ und „Soldat“.
Den ganzen Tag über werden den Truppenteilen und der Roten Garde Waffen aus dem Arsenal der Peter-Pauls-Festung ausgehändigt. Das Revolutionäre Kriegskomitee startet mit allen Truppen, den bewaffneten revolutionären Milizen und den Roten Garden den Angriff. Kreuzer „Aurora“ schlägt auf seine Anordnung hin Brücken über die Newa. Am Abend trifft Lenin im Smolny ein und beteiligt sich führend an der direkten Leitung des Aufstandes.
25. Oktober: Rote Garden und revolutionäre Truppen besetzen die Bahnhöfe, das Postamt, das Telegraphenamt, die Ministerien und die Staatsbank. Das Vorparlament der Provisorischen Regierung wird aufgelöst.
Der Kreuzer „Aurora“ kündigt durch den Donner seiner auf den Winterpalast gerichteten Geschütze den Beginn einer neuen Ära an, der Ära der Großen Sozialistischen Revolution.
Der II. Allrussische Sowjetkongress wird im Smolny um 22:45 Uhr eröffnet. Die überwältigende Mehrheit der Delegierten unterstützt auf dem Kongress die Politik der Bolschewiki.
25.-26. Oktober: In der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober nehmen die revolutionären ArbeiterInnen, Soldaten und Matrosen im Sturm den Winterpalast ein. Die Provisorische Regierung wird verhaftet.
26.-27. Oktober: In der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober beschließt der dauertagende Sowjet-Kongress das „Dekret über den Frieden“ und „Dekret über den Grund und Boden“. Bildung der Arbeiter- und Bauernregierung, und des Rates der Volkskommissare. Lenin wird zum Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare gewählt.
27. Oktober: Die Herausgabe des Zentralorgans der Bolschewiki „Prawda“ wird wiederaufgenommen. (An Stelle der Zeitung „Rabotschij Putj“.)
27.-31. Oktober: Errichtung der Sowjetmacht in mehrere Städten, bzw. Gebieten.
29. Oktober: Unterdrückung der konterrevolutionären Meuterei der Offiziersschüler in Petrograd.
30. Oktober: In Moskau brechen Offiziersschüler den Waffenstillstand und Kriegshandlungen flammen wieder auf.
31. Oktober: Vertreter der 1., 2., 3., 5., 8., 10. und 12. Armee bieten dem Petrograder Revolutionären Militärkomitee der Sowjetmacht volle Unterstützung an.
Die Truppen des Generals Krasnow werden bei den Pulkowo-Höhen vernichtend geschlagen. Sowjettruppen besetzen Zarskoje Selo, Sitz des Zarentums. Die weißen Kosaken ziehen sich in Richtung auf Gatschina zurück.
November:
1. November: Sowjettruppen besetzen Gatschina. General Krasnow und der Stab Kerenskis werden verhaftet. Die Kosaken gehen auf die Seite der revolutionären Truppen über.
2. November: Rat der Volkskommissare veröffentlicht die von Lenin und Stalin unterzeichnete „Deklaration der Rechte der Völker Rußlands“. Um 21:00 Uhr verkündet das Moskauer Revolutionäre Militärkomitee in einem Befehl an die Truppen den Sieg der Sozialistischen Revolution in Moskau.
8. November: Swerdlow wird zum Vorsitzenden des Allrussischen Zentralexekutivkomitees (AZK) der Sowjets gewählt.
10. November: AZK bestätigt das „Dekret über die Abschaffung der Stände und Zivilränge“.
10.-25. November: Außerordentlicher Allrussischer Sowjetkongress der Bauerndeputierten in Petrograd.
14. November: AZK nimmt die „Bestimmungen über die Arbeiterkontrolle“ an.
15. November: Verschmelzung des Zentralexekutivkomitees der Sowjets der Bauerndeputierten mit dem AZK.
20. November: Niederschlagung einer konterrevolutionären Meuterei im Hauptquartier der alten Armee in Mohilew. Einnahme durch die Sowjettruppen.
22. November: Rat der Volkskommissare veröffentlicht den Aufruf „An alle werktätigen Mohammedaner Russlands und des Ostens“.
1.-30. November: Errichtung der Sowjetmacht in weiteren Städten bzw. Gebieten.
Dezember:
1. Dezember: AZK erläßt „Dekret zur Gründung des Obersten Volkswirtschaftsrates“.
2. Dezember: Einnahme von Rostow am Don durch die weißen Kosakenbanden des Atamans Kaledin.
3. Dezember: Beginn der Verhandlungen in Brest-Litowsk zwischen Deutschland und Sowjetrussland, die am 5. Dezember mit der Unterzeichnung eines Waffenstillstands-Abkommens beendet werden.
3.-5. Dezember: In Kiew tagt der I. Gebietskongress der Bolschewiki der Ukraine.
4. Dezember: Rat der Volkskommissare der RSFSR (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik) veröffentlicht ein Manifest an das ukrainische Volk. Sein Selbstbestimmungsrecht wird anerkannt und das Volk aufgefordert der konterrevolutionären Tätigkeit der ukrainischen Zentralrada ein Ende zu setzen.
5. Dezember: Auflösung des Revolutionären Militärkomitees des Petrograder Sowjets und Übergabe seiner Funktionen an die beim ALZ gegen die Konterrevolution gebildete Abteilung.
14. Dezember: ALZ nimmt das „Dekret über die Nationalisierung der Banken“ an.
15./16. Dezember: Rat der Volkskommissare nimmt das „Dekret über die Gleichstellung aller Militärangehörigen in den Rechten“ an.
18. Dezember: Rat der Volkskommissare nimmt das „Dekret über die staatliche Unabhängigkeit Finnlands“ an.
27. Dezember: Rat der Volkskommissare beschließt die Überführung der Putilow-Werke in das Eigentum der Russischen Republik.
25. Oktober bis 31. Dezember: Mit mehreren Dekreten und Beschlüssen werden Maßnahmen zur Abschaffung des kapitalistischen Systems und für die Öffnung des Wegs für den Aufbau des Sozialismus verabschiedet und eingeleitet. Der Kampf um die Errichtung der Sowjetmacht in den Kreisständen, auf dem Land (Bolschewisierung des Dorfes) und in den nationalen Gebieten geht weiter.
Die Oktoberrevolution brachte eine tiefe Erschütterung der Beziehungen und sozialen Werte. Es war ein ungeheures Experiment, ohne Beispiel in der Geschichte, das erprobt wurde: die Arbeiterklasse, die Masse der Ausgebeuteten, nahm zum erstenmal in den Annalen der Menschheit die Macht in die Hand. Dieser gigantische Versuch setzte sich fort inmitten unzähliger Kämpfe und Schwierigkeiten, die jedem bekannt sind.
Henri Barbusse, 1927 (französischer Schriftsteller und Publizist) |
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In etwa dreihundert Jahren wird man noch sagen: »Das gewaltigste und folgenschwerste Ereignis für den Fortschritt menschlicher Entwicklung war die
russische Revolution.«
B. Traven, 1918 (Schriftsteller) |
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Wunderbar die Kraft, die aus dem russischen Proletarier leuchtet, wenn er, an seiner Brotkruste kauend, die Straße daherstapft: festen Schritts, aufrechter Haltung, die hohe Pelzmütze im Nacken und eine Stimme, die zwischen den Häusern hallt! Da gibt es keine Hemmungen. Er ist jung, jung, er verrichtet Wunder! Die Menschen stellen sich die Revolution als etwas erschütternd Unbegreifbares vor; sie erwarten die Sensation von ihr. Das Große und Echte der russischen Revolution ist aber gerade, daß sie allen Umschweif beiseite getan und die Dinge auf ihr selbstverständliches Wesen zurückgeführt, alles in der natürlichen Rangordnung an seinen natürlichen Platz gestellt hat. Es war ein Stolz der alten Welt, daß sie die Sonne und die Sterne nach ihrer Zusammensetzung zu analysieren und ihr Gewicht bis auf ein Pfund genau anzugeben vermochte; aber hungrigen Mündern Brot zuzuteilen, das vermochte sie nicht. Die Revolution bedeutet, daß der Proletarier alles auf den Kopf stellen und die Dinge in ihre rechte Ordnung bringen mußte. Er beginnt damit, daß er das Brot zuteilt; von hier aus wird er eines Tages zu den Sternen gelangen. Martin Andersen Nexö, 1923 (dänischer Schriftsteller) |
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Seitdem es die Sowjetunion gibt, seit zwanzig Jahren, gehört sie zum unzerstörbaren unumgänglichen eisernen Bestand alles Denkens. Aber das Großartige besteht darin, daß an die Sowjetunion auch die täglich denken müssen, deren Gehirne abseitig oder ganz stumpf sind oder sogar bewußt feindlich. Wenn sie nicht für die Sowjetunion denken, so müssen sie gegen sie denken, aber eine Substanz »Sowjetunion« ist ihrem täglichen Nachdenken beigemischt. Denn die meisten Ideen unserer Zeit, wenn sie nicht dem Aufbau der Sowjetunion gelten, entstehen doch jedenfalls aus dem »Sich zur Sowjetunion in Beziehung setzen«.
Anna Seghers, 1937 (Schriftstellerin) |
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