Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion
Vorbemerkung
Lehrbuch:
Dritter Abschnitt –
Der Aufbau des Sozialismus in den volksdemokratischen Ländern
Das Hauptproblem bei diesem Abschnitt ist, was wir in den vorhergehenden Kapiteln über die volksdemokratischen Länder in Europa, Osteuropa bereits behandelt haben. Es geht darum, einer Staatsmacht, die aus einer Koalition zwischen Proletariat und Teilen der Bourgeoisie besteht, zugestanden wird, den Sozialismus aufzubauen. Also noch schlimmer: Es wird so von einer zwangsläufigen Entwicklung zum Sozialismus ausgegangen. Im Lehrbuch heißt es:
Wenn mehrere sozialistische Länder und volksdemokratische Länder erkämpft worden sind, ist es ganz selbstverständlich und notwendig, dass diese Länder zusammenarbeiten – auch wirtschaftlich zusammenarbeiten. Sie werden versuchen, ihre Pläne aufeinander abzustimmen und sich gegenseitig auf den Gebieten unterstützen, wo die jeweils anderen ihre Schwächen haben. Das ist das Gebot des Internationalismus und der internationalen proletarischen Revolution. Das ist geboten durch die Gesetzmäßigkeit der Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus und Kommunismus in einem Land – vor allem des Sozialismus – wobei je mehr die umgebenden Länder, je mehr Staaten auf dem Globus insgesamt sozialistisch sind, der Aufbau des Sozialismus in den verschiedenen Ländern sehr viel leichter wird.
Wir
führen seit längerer Zeit eine intensive
Auseinandersetzung mit Bolşevik Partizan über die Ursachen der
Restauration des
Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern. Im Rahmen
einer ersten
intensiven Schulung haben wir gemeinsam den Abschnitt „Die
sozialistische
Produktionsweise“ des Lehrbuchs „Politische
Ökonomie“ debattiert.
Wir veröffentlichen hier die Ergebnisse. Ein/e GenossIn
referierte anhand des
jeweiligen Kapitels des Lehrbuches, die in den bisherigen Diskussionen
in
unseren Organisationen festgestellten Probleme, Kritiken und
Fragestellungen.
Zu diesen Vorträgen wurden weitergehende Fragen aufgeworfen
und
Diskussionsbeiträge gemacht.Im
folgenden Text beziehen sich die
Jahresangaben zu den unterschiedlichen Ausgaben des Lehrbuchs der
Politischen
Ökonomie auf das russische Original.
Teil XI Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen
Sowjetunion - Was
tun im Sozialismus?
Die sozialistische Produktionsweise
Kapitel XLI „Die Wirtschaftsordnung der VR China” und XLII „Die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Länder des sozialistischen Lagers”
Referat
Kapitel XLI: „Die Wirtschaftsordnung der VR China”
„Die historische Besonderheit der chinesischen Volksrevolution besteht darin, daß sie sich unter Bedingungen entfaltete, da das Lager des Sozialismus mit der Sowjetunion an der Spitze besteht, da in der UdSSR der Sozialismus gesiegt hat und sich der allmähliche Übergang zum Kommunismus vollzieht, während in den europäischen volksdemokratischen Ländern die Grundlagen des Sozialismus geschaffen werden. Unter diesen Bedingungen konnte die chinesische Revolution keine Revolution sein, die die Diktatur der Bourgeoisie errichtete und dem Kapitalismus ein freies Entwicklungsfeld eröffnete. Sie war eine bürgerlich-demokratische Revolution von neuem Typus, die zwangsläufig in die sozialistische Revolution hinüberwächst (Hervorh. TA), welche die Diktatur der Werktätigen unter der Führung der Arbeiterklasse errichtet.“ (S. 669)
Diese Zwangsläufigkeit ist keine marxistische Herangehensweise. Auch die Beschreibung der Weltlage ist viel zu optimistisch. Natürlich gibt es sehr große Erfolge aber die kann man nicht so darstellen. Die eben auch existierenden, teilweise schwerwiegenden Probleme werden überhaupt nicht aufgeführt. – Denn die Logik ist ja: Wir kommen zwangsläufig sowieso zum Sozialismus. Dieselbe Haltung zeigt sich in der Einschätzung der Epoche: Der Sozialismus schreitet im Weltmaßstab zum Siege voran. Wie wir hier sehen, ist das nicht eine Erfindung von Lin Piao. Das steht mit denselben Worten auch schon im XX. Parteitag der KPdSU.
Dann wird weiterhin ausgeführt:
„Die chinesische Revolution hat in ihrer bürgerlich-demokratischen Etappe erfolgreich die Aufgabe gelöst, die Macht der feudalen Großgrundbesitzer sowie der monopolistischen Kompradoren-Großbourgeoisie und die Herrschaft des ausländischen Imperialismus durch die vom Proletariat geführten Volksmassen zu stürzen und die volksdemokratische Republik zu errichten.
Die Volksrepublik China ist ein Staat der Volksdemokratie, der von der Arbeiterklasse geleitet wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und der Bauern beruht. Die volksdemokratische Macht, an deren Spitze die Arbeiterklasse steht, ist ein mächtiges Instrument in den Händen der Werktätigen zur Errichtung des Sozialismus.
In der sozialistischen Etappe der Revolution begann die volksdemokratische Macht mit sozialistischen Umgestaltungen in der Wirtschaft und vollendete zugleich die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution. China trat in die Periode des Übergangs zum Sozialismus ein.“ (S. 669/670)
Es gibt in der volksdemokratischen Etappe der Revolution – oder bürgerlich-demokratischen Etappe der Revolution – wie hier formuliert – und der sozialistischen Etappe der Revolution keinen Wechsel an der Macht. Es ist dieselbe Macht. Es gibt keinen Übergang von der Macht der Volksdemokratie zur Macht der Diktatur des Proletariats. Dies wird auch überhaupt nicht propagiert, sondern es wird gesagt, die Volksdemokratie übt die Funktion der Diktatur des Proletariats aus. Unsere Staatsmacht war von vorneherein eine Form der Diktatur des Proletariats.
Fakt ist, die volksdemokratische Macht in China beruht auf einer Koalition der vier Klassen – so benennt Mao Zedong diese selbst. ArbeiterInnen, Bauernschaft insgesamt, Kleinbourgeoisie und nationale Bourgeoisie – die im Prinzip die mittlere Bourgeoisie ist. Emblem auf der chinesischen Staatsfahne ist ein Stern, um den vier Sterne herum gruppiert sind. Im Beschluss der Volksversammlung über die Staatsfahne der VR China, wird festgestellt, der große Stern steht für die Kommunistische Partei. Die anderen für die vier Klassen, die unter Führung der KPCh den Sozialismus aufbauen.
Das ist einfach theoretisch falsch und praktisch unmöglich. Das steht völlig im Gegensatz zur richtigen Bemerkung Mao Zedongs 1952:
„Mit dem Sturz der Grundherrenklasse und der Klasse der bürokratischen Kapitalisten ist der Widerspruch zwischen der Arbeiterklasse und der nationalen Bourgeoisie der Hauptwiderspruch in China geworden; deshalb soll die nationale Bourgeoisie nicht weiter als Zwischenklasse definiert werden.“
In seiner Schrift „Über die Volksdemokratie“, hat er klar dargelegt, erst in der nächsten Etappe unserer Revolution wird der Hauptwiderspruch der Widerspruch zwischen Bourgeoisie und Proletariat sein und es muss ein scharfer Klassenkampf geführt werden gegen die Bourgeoisie.
Ein Jahr nach dem XX. Parteitag der KPdSU (1957) wird die Schrift von Mao Zedong „Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volke“ veröffentlicht. Darin wird die theoretische Unmöglichkeit, mit der Bourgeoisie zusammen den Sozialismus aufzubauen, umgangen, indem Mao Zedong formuliert:
„In der Periode der bürgerlich-demokratischen Revolution war die nationale Bourgeoisie einerseits revolutionär und anderseits zu Kompromissen geneigt. In der Periode der sozialistischen Revolution beutet sie einerseits die Arbeiterklasse des Profits wegen aus, aber gleichzeitig unterstützt sie die Verfassung und ist bereit, die sozialistische Umgestaltung zu akzeptieren. Die nationale Bourgeoisie unterscheidet sich von den Imperialisten, der Grundherrenklasse und der bürokratischen Bourgeoisie. Der Widerspruch zwischen der nationalen Bourgeoisie und der Arbeiterklasse, ein Widerspruch zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, ist an und für sich antagonistisch. Aber unter den konkreten Bedingungen unseres Landes kann dieser antagonistische Klassenwiderspruch, wenn er richtig behandelt wird, in einen nichtantagonistischen umgewandelt und auf friedlichem Wege gelöst werden.“ (Hervorh. TA)
Derselbe Mao Zedong klagt wiederum 1966 während der Kulturrevolution an, die Bourgeoisie sitzt mit in der Partei und im Zentrum der Partei. Seine Notiz zum „ersten marxistisch-leninistischen Dazebao Chinas“ titelt Mao: „Das Hauptquartier bombardieren“. Im Beschluss über die Kulturrevolution verkünden das ZK der KP China und Mao den breiten Massen kühn:
… „diese große proletarische Kulturrevolution (ist) absolut notwendig und (wird) genau zur rechten Zeit durchgeführt, um die Diktatur des Proletariats zu festigen, die Restauration des Kapitalismus zu verhüten und den Sozialismus aufzubauen“
. Sie fordern eindringlich: „Die Arbeiterklasse muß bei allem die Führung innehaben, und um die Diktatur des Proletariats im Überbau einschließlich aller kulturellen Gebiete zu verwirklichen.“… „diese große proletarische Kulturrevolution (ist) absolut notwendig und (wird) genau zur rechten Zeit durchgeführt, um die Diktatur des Proletariats zu festigen, die Restauration des Kapitalismus zu verhüten und den Sozialismus aufzubauen“. Sie fordern eindringlich: „Die Arbeiterklasse muß bei allem die Führung innehaben, und um die Diktatur des Proletariats im Überbau einschließlich aller kulturellen Gebiete zu verwirklichen.“
Die Diktatur des Proletariats ist die Diktatur über die Bourgeoisie. Das ist zentrale Voraussetzung für den Aufbau des Sozialismus.
In derselben Kulturrevolution wird gleichzeitig aber die Schrift „Die richtige Behandlung der Widersprüche im Volk“ millionenfach in über 30 Sprachen gedruckt und verteilt. Also zusammengefasst: Ganz widersprüchliche Positionen werden gleichzeitig propagiert. Das einzig Richtige wäre gewesen, offen mit den alten Fehlern selbstkritisch abzurechnen und zu sagen, was wir 1957 vertreten haben, war und ist einfach falsch. Wir haben das in der Praxis erlebt und wälzen diese falschen Entwicklungen mit der Großen Proletarischen Kulturrevolution um. Das ist die Problematik mit dem Aufbau des Sozialismus in China.
Natürlich ist dabei die unterschiedliche Situation in China und in der Sowjetunion mit zu berücksichtigen. In China war die althergebrachte Bourgeoisie, ausgenommen der Kompradoren, die an der Herrschaft war, viel stärker als in der Sowjetunion. Es gab Millionen von EinzelbäuerInnen und es war viel schwieriger diese Millionen EinzelbäuerInnen, die Eigentum an den Produktionsmitteln hatten, für eine Umwälzung zu mobilisieren. Die Industrie war nicht so weit entwickelt, dass sie gestützt auf die eigenen Kräfte eine Schwerindustrie aufbauen konnten. Da benötigte China Hilfe, die von der Sowjetunion wirklich auch geleistet wurde.
Die KP Chinas hatte es also in einer Hinsicht viel schwerer als die Sowjetunion. Es war klar – ökonomisch gesehen – dass der Aufbau des Sozialismus viel, viel länger dauern würde als in der Sowjetunion. Aber die KPCh hat auch ab 1953 angefangen, vom Sozialismus und sozialistischen Aufbau zu reden.
Ökonomisch war das Land nicht einmal „durchindustrialisiert“, als sie zu der Losung übergegangen sind, wir bauen den Sozialismus auf. Politisch gesehen war im Gegensatz zur Sowjetunion in China zu keinem Zeitpunkt eine Diktatur des Proletariats verwirklicht. An der politischen Macht war immer eine Koalition mehrerer Klassen. Ausgenommen eine sehr kurze Zeit während der Kulturrevolution, in der keine einheitliche, zentrale Macht existierte.
Es herrschte eine gewisse Doppelherrschaft: auf der einen Seite die Revisionisten (das ist die Macht der Bourgeoisie) und auf der anderen die Marxisten-Leninisten (das ist die Macht des Proletariats). Eine revolutionäre Epoche mit Chaos und großen Umwälzungen war angebrochen. Alles war im Fluss.
Gegen die revisionistische Restauration wurde sehr viel experimentiert, um neue Wege zum Sozialismus aufzumachen. Auch teilweise ausgehend von den Fehlern der Sowjetunion wurden bürokratische Strukturen, ausgetretene Pfade in Frage gestellt, sowie neue Formen und Inhalte der Massenmobilisierung, der aktiven und direkten Intervention der Werktätigen im gesellschaftlichen Leben ausprobiert. Aber leider war dieser revolutionäre Aufbruch und Sturm letztendlich nicht erfolgreich. Hauptursache dafür war die unklare, teils fehlerhafte politische Ausrichtung der Linie der KP Chinas.
Der Hauptfehler oder das Hauptproblem in diesem Lehrbuch hinsichtlich der chinesischen Revolution ist, dass im Lehrbuch die Möglichkeit eines „automatischen“ Aufbaus des Sozialismus ohne die Diktatur des Proletariats propagiert wird.
Referat
Kapitel XLII „Die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Länder des sozialistischen Lagers”
Das heißt, jeder sozialistische und volksdemokratische Staat hat ein starkes Interesse daran, dass er nicht alleine bleibt. Daher ist ökonomisch gesehen eine gegenseitige Abstimmung der Wirtschaftspläne vernünftig. Die Schaffung eines gemeinsamen Marktes und einer koordinierten Produktion etc. ist sinnvoll. Das bringt allen etwas. Das Problem ist, diese Zusammenarbeit muss von vorneherein so angelegt werden, dass am Ende keine gravierenden Abhängigkeiten und Ungleichheiten entstehen, sondern im Gegenteil von vorneherein ausgeschlossen werden. Es gilt zu verhindern, wenn ein sozialistisches oder volksdemokratisches Land die Farbe wechselt, (also auf die Seite des Weltimperialismus wieder übergeht) die anderen nicht in einem Strudel durch falsche Abhängigkeiten mitgezogen werden.
Die historische Erfahrung mit dem „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe“, RGW hat gezeigt, wie diese entstehen können und dass sie Gift sind für die langfristigen Ziele des Aufbaus des Sozialismus. Insofern müssen die kommunistischen Parteien die richtige Balance zwischen sozialistischer Zusammenarbeit bei gleichzeitiger Entwicklung der ökonomischen Selbständigkeit in jedem Land herausfinden. Dahingehend muss gearbeitet werden, wobei als Problem bewusst sein muss, wie schwierig das für einige, kleine Länder mit sehr wenigen Naturressourcen, unterentwickelter Industrie/Technologie sein wird.
Was das Lehrbuch betrifft, wird dieses Problem der Abhängigkeiten überhaupt nicht als Problem aufgeworfen. Nur die positive Seite und Bedeutung der sozialistischen Arbeitsteilung wird dargelegt. Diese bestehe darin, jede sozialistische Ökonomie sollte natürlich das einbringen, was sie am besten bewältigt. Das sei die beste und rentabelste Form der Verwendung der Ressourcen. Das hört sich gut an und ist auch gut, wenn alles sozialistisch ist und bleibt. Aber die Erfahrung hat gezeigt, die Möglichkeit der Restauration des Kapitalismus in sozialistischen Ländern ist gegeben. Konkret hat in den 1950er Jahren der Machtantritt des Revisionismus in der Sowjetunion sowohl die Ostblockstaaten als auch den RGW (außer der VR Albanien) mit in den kapitalistischen Abgrund gerissen. Also müssen wir diese Zusammenarbeit in Zukunft auch anders auffassen, entwickeln und in die Tat umsetzen.
Diskussionen + Fragen + Antworten
Beitrag:
Wir haben über das Lehrbuch bereits vor 15 Jahren debattiert. Bei dem jetzigen Studium haben wir unsere Kritik vertieft und noch mehr gelernt, welche Schlussfolgerungen zu ziehen sind: Wie der Sozialismus aufgebaut werden sollte, was der Sozialismus auch tatsächlich ist, ist heute viel klarer als früher. Damals waren aktuell andere Probleme an der Tagesordnung und uns war noch nicht so deutlich, wie stark die Revisionisten den Marxismus verfälscht haben. Wir müssen dies uns zu Eigen machen und weiter vertiefen.
Referent:
In den späteren 1950er und Anfang der 1960er Jahren ging die Polemik zwischen der Sowjetunion und China los. Was war das erste, was die Sowjetunion gemacht hat? Sie hat ihre Experten aus den Produktionsstätten, die von der Sowjetunion in China gebaut wurden – und es waren Tausende von Experten – fast alle Stahlwerke waren von der Sowjetunion aufgebaut – zurückgezogen.
Das war eine Bestrafungsaktion, weil der volksdemokratische Partner nicht dieselbe Meinung hatte wie der „große Bruder“. Völlig zu Recht hat die KP China einfach vor der Weltöffentlichkeit gesagt, das ist sozialimperialistisch was die SU macht. Das hat mit Sozialismus gar nichts zu tun. Dasselbe China hat aber 1978 genauso reagiert: In Tirana, Albanien fand eine sogenannte wissenschaftliche Konferenz statt. Thema war das Buch Enver Hoxhas „Imperialismus und Revolution“, in dem die These vertreten wurde, China sei nie sozialistisch gewesen.
Mao Zedong wird von Hoxha folgendermaßen eingeschätzt: Mao war „kein Marxist-Leninist, sondern ein fortschrittlicher, demokratischer Revolutionär“; „ein Eklektiker“ und der „chinesische Chruschtschow“.
Was die Partei der Arbeit Albanien vor 1978 intern genau diskutiert hat, wissen wir nicht. Aber nach außen hin in ihren Dokumenten wurde bis dahin nur die Drei-Welten-Theorie auf jeden Fall als konterrevolutionär bewertet, obwohl PdAA selber die zwei Supermacht-Theorie weiterhin verteidigte. Das waren erste Kritiken an einer falschen Entwicklung in China, die in Frage stellten, ob es ein sozialistisches Land sei. Allerdings mit einer völlig unmarxistischen Methode.
Alleine auf diese noch relativ vorsichtige Kritik hin, hat die KPCh ihre Experten aus Elbasan, dem wichtigsten Stahlwerk von Albanien, das von China mit „brüderlicher Hilfe“ aufgebaut wurde, zurückgezogen. Gleichzeitig wurden alle ökonomischen Verträge annulliert. Die gleiche Bestrafungsaktion gegenüber einem Bruderland, die China vor Jahren selber erlebt hatte.
Als die sozialimperialistische Sowjetunion 1991 zusammenbrach, hat die neue Russische Republik die Verträge, die Zusagen der ehemaligen Sowjetunion gegenüber Cuba einfach annulliert.
Die Sowjetunion hatte jahrelang die cubanische Zuckerernte über dem Weltpreis gekauft, teilweise im eigenen Land verwendet und teilweise diesen Zucker über dem Weltmarktpreis an andere Bruderländer weiterverkauft. Da sie den Zucker von Cuba über dem Weltmarktpreis gekauft haben, haben sie Cuba subventioniert.
Es war eine wirkliche Hilfe. Alle landwirtschaftlichen Maschinen, LKWs hatten sie unter dem Weltmarktpreis an Cuba verkauft. Es war ein ungleiches Handeln zugunsten von Cuba. Aber es war ihr eigenes Interesse, Cuba zu erhalten.
Es war nicht, wie sie vorgaben, internationalistische brüderliche Hilfe, sondern bestimmend war ganz klar, für ihr imperialistisches Interesse ein von ihnen abhängiges Cuba am Leben zu halten. In Konkurrenz zum US-Imperialismus.
Nach dem Zusammenbruch konnte der gesamte Fuhrpark von Cuba, LKWs etc. nicht mehr repariert werden, weil keine Ersatzteile mehr geliefert wurden. Auf einmal brach die ganze Landwirtschaft zusammen und sie saßen auf der Zuckerernte.
Es entstand eine Situation, wo der cubanische Staat praktisch alles neu organisieren musste.
Heutzutage ist es so: Fast drei Viertel des ganzen Landbesitzes, der früher dem cubanischen Staat gehörte und in Kollektivwirtschaften organisiert war – wurden den einzelnen Bauern zur Nutzung gegeben, ja verkauft. Die Privatisierung ist in vollem Gange.
Auf einer Rosa Luxemburg Konferenz hat der cubanische Minister für Wirtschaft diese neue ökonomische Politik vorgestellt, theoretisch begründet und sich auf das Vorgehen in der Sowjetunion von damals berufen.
Das Problem ist, in Russland herrschte damals, als die NÖP durchgeführt wurde, die Diktatur des Proletariats. Das war nicht der Fall in Cuba zu keinem Zeitpunkt seit der erfolgreichen, volksdemokratischen Revolution.
Sie haben sich zu sehr auf die Subventionierung von der revisionistischen Sowjetunion verlassen. Als diese wegfiel, standen sie auf einmal völlig hilflos da. Natürlich hätte sich die KP Cubas in der Beziehung zur Sowjetunion nicht auf die Monokulturproduktion einlassen müssen. Sie hatte die Möglichkeit bei den Verhandlungen zu fordern, wir wollen z.B. unseren Maschinenpark auch selber entwickeln. Dafür brauchen wir z.B. das und das und das. Das wollen wir von euch im Austausch haben. Unser Ziel ist nicht, dass ihr uns subventioniert. Wir wollen eine Wirtschaft aufbauen, die uns wenigstens garantiert, dass wir unser Brot selber produzieren können.
Während des Kalten Krieges spielte Cuba international eine zentrale Rolle. Oktober 1962 stand die Welt kurz vor dem Ausbruch eines Atomkrieges. Als Antwort auf die amerikanische, gegen die Sowjetunion gerichtete Stationierung von Jupiter Atomraketen in der Türkei, beginnt das revisionistische Chruschtschow-Regime mit der Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen auf Cuba.
Damit wollte Chruschtschow seinen Einfluss in Konkurrenz zu den westlichen imperialistischen Mächten, insbesondere den USA ausbauen.
Auf die massiven internationalen Drohungen und Druck hin mussten beide Atommächte nachgeben. Chruschtschow zog seine Raketen aus Cuba und die USA aus der Türkei ab.
Die cubanische KP hätte aufgrund der strategisch wichtigen Position ihres Landes, mit der Sowjetunion viel mehr für die Unterstützung einer eigenständigen Industrie- und Agrarwirtschaft aushandeln können. Aber für sie war es natürlich einfacher, wenn sie subventioniert werden.
Einwurf:
Die Sowjetunion hätte ja auch von sich aus anders handeln können?
Referent:
In der Sowjetunion war damals bereits der Chruschtschow-Revisionismus vorherrschend. Im Vergleich mit der Sowjetunion war Cuba 1961 revolutionär.
Sie hatten gerade zwei Jahre vorher die Revolution gemacht und wollten vorwärtsgehen. Es waren kleinbürgerliche RevolutionärInnen, aber RevolutionärInnen. Die anderen waren Revisionisten – durch und durch. Für kleinbürgerliche RevolutionärInnen war es einfacher, sich auf diese Subventionsgeschichte einzulassen. Aber das Ergebnis ist dann sehr negativ für das cubanische Volk gewesen.
Frage:
Wenn man sich die Lage in China anschaut:
Es herrschte sehr lange Zeit der Feudalismus, viele Einzelbauern, regionale Kriegsfürsten etc. Die gesamte Lage war viel rückständiger als zur Zeit der Revolution in Russland. Zum Beispiel auch die Zusammensetzung der fortschrittlichen und revolutionären Kräfte – ist es nicht verständlich, dass dieser Weg gegangen wurde?
Es wird gesagt, dass Mao gesagt hat, in allen halbkolonialen und halbfeudalen Ländern wie China, muss der Weg von China gegangen werden, ist das tatsächlich von Mao?
Referent:
Ich bin überzeugt davon, dass in China die Kommunistische Partei das Maximum herausgeholt hat, was man herausholen kann aus den gegebenen Verhältnissen dieser Gesellschaft. Was konnte man in dieser Gesellschaft machen? Unter Führung des Proletariats eine Bauernrevolution. Das haben sie gemacht. Sie konnten die imperialistische Ausbeutung und die Herrschaft des Feudalismus verbunden mit dem Imperialismus politisch und militärisch besiegen und eine Diktatur des Volkes schaffen. Das haben sie gemacht.
Unter der Diktatur der Volksdemokratie – soweit wie möglich – den Staat und die Gesellschaft demokratisieren. Weiterhin die feudalen Überreste bekämpfen und Kollektivwirtschaften etc. gründen und versuchen weiterzugehen. Das haben sie gemacht.
Mehr konnte nicht gemacht werden. Das Problem ist, nicht das, was sie gemacht haben, ist falsch. Mehr konnte in diesem kurzen Zeitrahmen höchstwahrscheinlich nicht erreicht werden. Falsch war zu sagen: Das ist der Sozialismus. Wir bauen den Sozialismus auf mit der nationalen Bourgeoisie, da diese „die Verfassung unterstützt“ und „bereit (ist) die sozialistische Umgestaltung zu akzeptieren.“
Ich würde als Kommunist mich immer fragen, wenn die Bourgeoisie eine sozialistische Revolution unterstützt, was das für eine sozialistische Revolution ist. Eine Revolution die sich als Ziel setzt, ich werde dich als Klasse vernichten – nicht als Mensch aber als Klasse – ich werde das, was du in der Hand hast, was dir die Möglichkeit verschafft, diese Menschen zu beherrschen, das werde ich dir wegnehmen. Und der begrüßt dann diese enthusiastisch. Das wirft Fragezeichen auf.
Es gibt wiederum Filme, zum Beispiel von dem berühmten niederländischen Dokumentarfilmer, Joris Ivens. Er hatte die Möglichkeit, in China während der kulturrevolutionären Zeit zwölf halbstündige Filme zu drehen.
In dem Film „Apotheke“ wird die Lebens-/Arbeitssituation eines Apothekers festgehalten. Er ist der frühere Besitzer des Ladens, den er mit mehreren Angestellten betrieben hatte. Jetzt ist er in der Apotheke angestellt. Die Apotheke gehört ihm und dem Staat gemeinsam. Es ist ein staatskapitalistischer Betrieb. Er bekommt 25 Prozent des Reingewinns, des Profits. Außerdem erhält er seinen Lohn, weil er dort arbeitet. Joris Ivens fragt den Apotheker und die anderen Beschäftigten, wie sie das denn finden. Der Apotheker lacht und antwortet: „Das ist der Sozialismus. Es gibt keine andere Möglichkeit. So bauen wir hier den Sozialismus auf. Ich bin ganz zufrieden.“
Es folgen heftige Diskussionen.
Ein Angestellter, der früher sein Mitarbeiter war sagt, ne ne, so geht das nicht, wir werden dich enteignen. Es ist sehr interessant, diese Verhältnisse so konkret zu sehen. Vielleicht sollten wir diese zwölf Filme mal besorgen und ansehen. Um zu begreifen, was da vor sich gegangen ist, wie die Kulturrevolution auch war und was die Kulturrevolution war.
Eine unglaubliche Diskussionsatmosphäre, in der der Bourgeois auf der einen Seite und der Proletarier auf der anderen Seite diskutieren. Der eine sagt, das ist gut, das ist Sozialismus und so soll es weitergehen. Der andere sagt nein, das geht nicht.
Mehr konnten die KommunistInnen zum damaligen Zeitpunkt nicht machen. 1957 ging Mao Zedong vom Aufbau des Sozialismus mit der Bourgeoisie aus. 1966 hingegen in den Dokumenten der Kulturrevolution stellt er glasklar fest: Mit der Bourgeoisie kann es keinen Sozialismus geben. Das ist völlig richtig, aber dieser Schwenk in seinen Positionen wird nicht ins Bewusstsein gerufen, sondern ohne jegliche Selbstkritik vollzogen und das ist das Problem.
Zur Frage, ob das Zitat über die Verallgemeinerung des Weges der chinesischen Revolution für alle halbfeudalen und halbkolonialen Länder von Mao Zedong stammt.
Es geht um eine Fußnote im Artikel „Warum kann die chinesische Rote Macht bestehen?“ in Mao Zedongs Ausgewählten Werken, Bd. 1, der zu seinen Lebzeiten herausgegeben wurde. Darin heißt es:
„Somit erhielten die Völker der kolonialen und halbkolonialen Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, die Möglichkeit, fast ebenso wie das in China der Fall war, in ihren Ländern revolutionäre Stützpunktgebiete verschiedenen Ausmaßes und die revolutionäre Macht zu behaupten und lange Zeit hindurch beharrlich einen revolutionären Krieg zu führen, in dessen Verlauf die Städte von den Dörfern aus eingekreist werden, um dann allmählich zur Eroberung der Städte und zur Erringung des Sieges im Landesmaßstab überzugehen.“
Damit wurde indirekt der Weg der chinesischen Revolution in der Epoche des Imperialismus für alle Länder die halbfeudal und halbkolonial für allgemeingültig erklärt.
Höchstwahrscheinlich ist es auch so, dass in den halbfeudal-halbkolonialen Ländern dieser Weg der einzig gangbare Weg ist. Aber welche Länder sind halbfeudal, halbkolonial? Die revolutionäre Bewegung in diesen Jahren hat diese Einschätzung für alle abhängigen Länder übernommen. Alle abhängigen Länder wurden als halbfeudal, halbkolonial deklariert.
Das Verständnis war, das kann ja auch nicht anders sein, weil die Abhängigkeit mit sich bringt, dass sich auf keinen Fall Kapitalismus entwickeln kann. Das haben die RevolutionärInnen vieler Länder so interpretiert, das war vor allem „unser Mist“ und nicht der von Mao Zedong. Auch wenn Mao Zedong das gesagt haben soll – es ist eine Fußnote.
Da diese Werke zu seinen Lebzeiten erschienen sind, fand er diese Interpretation offenbar auch richtig, bzw. hatte er keine Kritik daran. Davon gehe ich aus. Aber auch in dieser Form wäre es gar nicht falsch, was hier steht. In halbfeudal-halbkolonialen Ländern – wie China, so wird es auch gesagt – ist es der gangbare Weg. Jetzt suchen wir mal ein Land, wie China. Argentinien, Brasilien, Iran, Türkei, Cuba waren aber in den 1960er und späteren Jahren Länder, die nicht wie China waren. Wir haben aber alle gesagt, das sind Länder wie China. Das war sozusagen eine Theorie, die auf unserem „Mist“ gewachsen war.
In der nächsten und letzten Folge unserer Artikelserie werden wir unsere Diskussion über die „Schlussfolgerungen“ des Lehrbuches der Politischen Ökonomie veröffentlichen.