Deutsche Demokratische Republik –
Anspruch und Wirklichkeit
Antifaschistisch-demokratisch? Sozialistisch?

Paris 1936

Teil 4

Gründung der SED –
Aufbaupolitik Sowjetische Besatzungszone

Vorbemerkung
In dieser Artikelserie stellen wir die Ergebnisse unserer intensiven Auseinandersetzung mit der Geschichte der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), der DDR und der SED zur Diskussion. Noch ist das keine abgeschlossene Analyse.
Aufgrund der Nachfragen von TA-LeserInnen wollen wir nochmals dazu ermuntern, uns Eure Kritiken, Anmerkungen und Ergänzungen, Gedanken mitzuteilen. Sie sind uns sehr willkommen. Unser Ziel ist, als Ergebnis der Artikelreihe Thesen und ein programmatisches Dokument zu verfassen.

Die Grundlage der gemeinsamen Politik der Besatzungsmächte gegenüber Deutschland wurde auf der Jalta (Krim) Konferenz (Februar 1945) und auf der Potsdamer Konferenz (Juli-August 1945) festgelegt. Das Potsdamer Abkommen war die einzige völkerrechtlich verbindliche Grundlage für einen neuen, demokratischen, friedliebenden deutschen Staat. In unserer Artikelserie über die DDR haben wir in Teil 2 „Kriegsende, Potsdamer Abkommen, SED-Gründung“ (TA, Nr. 82) die wesentlichen Bestimmungen und Zielsetzungen des Potsdamer Abkommens ausführlich dargelegt. Trotz Unterzeichnung und Annahme des Potsdamer Abkommens wurden von den drei westlichen Besatzungsmächten, England, Frankreich, USA auf der einen und der Sowjetunion auf der anderen Seite zwei gegensätzliche Politikschienen gegenüber Deutschland gefahren. Zum einen die Politik der Sowjetunion, die die politische und wirtschaftliche Einheit Deutschlands auf dem Fundament eines entnazifizierten, entmilitarisierten, demokratischen und friedliebenden Staates wie es im Potsdamer Abkommen vorgesehen war, umsetzte. Zum anderen die Politik der drei imperialistischen Besatzungsmächte, die auf Zerstückelung, bzw. Spaltung Deutschlands ausgerichtet war.

Politik der Sowjetunion
gegenüber Deutschland

Die Sowjetregierung verfolgte, gestützt auf die Beschlüsse der Konferenzen von Jalta und Potsdam, konsequent die Politik der Wiederherstellung der wirtschaftlichen und politischen Einheit Deutschlands auf der Grundlage der Demokratisierung des Landes. Auf den internationalen Konferenzen, auf denen die deutsche Frage behandelt wurde (von 1945 bis 1949), ist sie durch ihre Vertreter stets den Plänen einer gewaltsamen „Föderalisierung“ Deutschlands entgegen ge-treten. Die Verwirklichung des Potsdamer Abkommens durch die Sowjetunion hatte zum Ergebnis, dass durch die SMAD (Sowjetische Militäradministration) in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), Ostdeutschland bedeutende demokratische Umgestaltungen auf wirtschaftlichem, politischem und kulturellem Gebiet durchgeführt wurden. Wir haben diese in unserer Artikelserie Teil 3 „Gründung der SED – Aufbaupolitik Sowjetische Besatzungszone“ dargestellt und bewertet. (TA, Nr. 83) Die Sowjetunion war die einzige Besatzungsmacht, die sich konsequent an das Potsdamer Abkommen gehalten hat. Die anderen Besatzungsmächte haben sich definitiv nicht an das Potsdamer Abkommen gehalten.

Von der Potsdamer Konferenz bis zur VI. Außenministerkonferenz in Paris 1949

Wir haben hier nicht genügend Raum, um über die unaufhörlichen Bemühungen und Auseinandersetzungen, welche die VertreterInnen der Sowjetunion im Kontrollrat und auf den Außenministerkonferenzen um die Einheit Deutschlands geführt haben, detailliert zu berichten. Wer die Protokolle der Außenministerkonferenzen, der Sitzungen des Kontrollrats und die Noten der Regierung der UdSSR studiert, kann feststellen, welche Energien seitens der Sowjetunion entwickelt wurden, um die Widerstände der Westalliierten zu brechen.  Wir fassen die Haltung der Sowjetunion bis 1949 zusammen: Die Zweite Konferenz der Außenminister fand in Paris 1946 statt. 
Am 29. April beantragte der amerikanische Außenminister Byrnes, die deutsche Frage auf die Tagesordnung zu setzen und legte gleichzeitig einen Plan für die Entwaffnung und Besetzung Deutschlands auf 25 Jahre vor. Der sowjetische Außenminister Molotow nahm im Verlaufe der zweiten Sitzungsperiode dazu Stellung. Molotow wies konkret nach, dass die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz von den drei westlichen Besatzungsmächten nicht umgesetzt worden sind. Er erläuterte die Haltung der Sowjetunion: „Deshalb bin ich der Meinung, daß die Aufgabe nicht darin besteht, Deutschland zu vernichten, sondern darin, es zu einem demokratischen und friedliebenden Staat umzugestalten, der neben der Landwirtschaft seine Industrie und seinen Außenhandel besitzt, dem jedoch die wirtschaftlichen und militärischen Möglichkeiten genommen sind, sich neuerdings als aggressive Kraft zu erheben.“ 
Weiter unterstreicht Molotow die Position der Sowjetunion, dass Deutschland als ein Staat erhalten und das deutsche Volk selbst über den Staatsaufbau entscheiden soll. Ein Friedensvertrag mit Deutschland soll abgeschlossen und eine gesamtdeutsche Regierung gewählt werden. „Die künftige deutsche Regierung muß eine demokratische Regierung sein, die imstande ist, die Überreste des Faschismus in Deutschland auszurotten, und gleichzeitig imstande ist, den Verpflichtungen Deutschlands gegenüber den Verbündeten nachzukommen, wobei sie in erster Linie die Reparationslieferungen an die Verbündeten sicherzustellen hat.“
Auf dieser Konferenz wurde kein Beschluss über Deutschland gefasst, aber sich darüber geeinigt, eine Sonderkonferenz der Außenminister zur Besprechung der deutschen Frage einzuberufen. In Moskau vom 10. März bis zum 24. April 1947. Die Hauptthemen waren wie gehabt: Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Demokratisierung, wirtschaftliche und politische Einheit Deutschlands und Reparationen. Bei jedem Thema wurden von der Sowjetdelegation konkrete Vorschläge bzw. Beschlussentwürfe vorgelegt. Diese gingen von der tatsächlichen Lage in den Besatzungszonen von USA, Großbritannien und Frankreich aus. Weder fand dort eine Entmilitarisierung, eine Entnazifizierung noch eine Demokratisierung statt. Die Sowjetdelegation führte aus: „Dessen ungeachtet bleiben solche Riesenwerke wie die eigens für aggressive Zwecke geschaffenen Hermann-Göring-, Krupp-, Robert-Bosch-Werke, die Betriebe der I. G. Farbenindustrie und andere, die die Grundlage der Truste, Kartelle und anderer Industriemonopole bildeten, in Westdeutschland unangetastet oder sollen nur teilweise beschlagnahmt werden, was die Voraussetzungen für eine rasche Wiederherstellung ihrer ehemaligen kriegswirtschaftlichen Macht und Bedeutung schafft.“
Konkreter Vorschlag war, den Kontrollrat damit zu beauftragen, bis zum 1. Juli 1947 einen Plan zur Liquidierung des deutschen Rüstungspotentials aufzustellen. Des weiteren sollte die Frist für den Abschluss der Arbeiten zur Liquidierung des Rüstungspotentials auf spätestens Ende 1948 festgesetzt werden. Hinsichtlich der Entnazifizierung prangerte die Sowjetdelegation die offensichtlichen „Mängel“ an: „Bis jetzt bleiben Personen, die aktiv zum Machtantritt Hitlers beigetragen und die Vorbereitung und Verwirklichung der deutschen Aggression organisiert hatten, in den großen Industriezentren Deutschlands weiterhin auf vielen wichtigen Wirtschafts- und Verwaltungsposten. Die Tatsachen zeigen, daß die Organisatoren des deutschen Faschismus und der Aggression, die unter dem Hitlerregime Leiter deutscher Truste, Konzerne und anderer Monopole waren, in einer Reihe von Fällen auf führenden Posten bleiben.“
Die Sowjetdelegation forderte unverzügliche Maßnahmen zur Entfernung ehemaliger aktiver Faschisten von öffentlichen und halböffentlichen Stellen. Ebenso umgehende gerichtliche Anklagen, der noch nicht belangten Nazi-VerbrecherInnen, sowie die Beschleunigung der laufenden zivil- und kriegsgerichtlichen Verhandlungen gegen Nazis. Folgende konkrete Vorschläge brachte sie ein:
„1. Den deutschen demokratischen Parteien und freien Gewerkschaften das Recht einzuräumen, sich im gesamtdeutschen Maßstab zusammenzuschließen, Parteitage und Konferenzen unter Teilnahme von Vertretern ganz Deutschlands zu veranstalten, ihre Zentralorgane zu wählen, ihre zentralen Zeitungen und Zeitschriften herauszugeben.
2. Den Kontrollrat zu beauftragen, einheitliche Prinzipien einer demokratischen Wahlgesetzgebung auf Grund des allgemeinen, direkten und gleichen Wahlrechts bei geheimer Stimmabgabe und Verhältniswahlsystem auszuarbeiten und auf dem Territorium ganz Deutschlands in Kraft zu setzen.
3. Den im Kontrollrat vereinbarten Beschluß gutzuheißen, daß in der amerikanischen, der englischen und der französischen Besatzungszone im Laufe des Jahres 1947 die Bodenreform durchgeführt werden soll, um das Leben im deutschen Dorf auf demokratischer Grundlage umzugestalten.“

Um die wirtschaftliche Einheit Deutschlands zu fördern, fordert sie wiederholt eine deutsche Zentralverwaltungen für Industrie, Finanzen, Verkehrswesen, Post- und Fernmeldewesen, Außenhandel und Landwirtschaft zu bilden. Außerdem die Erhöhung des Niveaus der deutschen Industrie, insbesondere die Stahlerzeugung und eine gemeinsame Kontrolle der Besatzungsmächte über das Ruhrgebiet gefordert. Was die Einheit Deutschlands betrifft, trat die Sowjetdelegation vehement dagegen auf, Deutschland als selbständigen Staat zu zerschlagen. Die Inangriffnahme von vorbereitenden Maßnahmen zur Bildung einer provisorischen deutschen Regierung wird als unaufschiebbare Aufgabe der Besatzungsmächte bekräftigt. Auf der Konferenz wurden auch die Saar-, Rhein- und Ruhrfragen behandelt. Molotow erklärte: „Die Sowjetregierung kann sich mit einer Politik, die auf die Lostrennung des Ruhr- und Rheingebiets von Deutschland abzielt, nicht einverstanden erklären. Das ist ein Kurs auf die Zerstückelung Deutschlands und auf seine Liquidierung als selbständiger Staat, was mit den Interessen eines dauerhaften Friedens nicht zu rechtfertigen ist. Man darf das deutsche Volk seines Staates nicht berauben.“ Die deutsche Frage blieb ungelöst. Das Ergebnis der Konferenz, soweit sie Deutschland betraf, erschöpfte sich in dem Auftrag an die stellvertretenden Außenminister, die Vorbereitung eines deutschen Friedensvertrages fortzusetzen und in dem Beschluss, eine Kontrollkommission zu bilden um ein Abkommen über die Stärke der Besatzungstruppen der Viermächte auszuarbeiten. Das nächste Außenminister-Treffen zu den nach wie vor offenen Fragen Deutschland betreffend wurde November 1947 in London einberufen. 
Die Forderungen der Sowjetdelegation auf der Konferenz: „Die Sowjetdelegation beantragt, daß der Außenministerrat in erster Linie über folgende Grundfragen verhandelt, die sich auf die Vorbereitung des Friedensvertrages mit Deutschland beziehen.
a) Über die Bildung einer gesamtdeutschen demokratischen Regierung;
b) über die Friedenskonferenz, die den Entwurf des Friedensvertrages mit Deutschland prüfen soll;
c) über die grundlegenden Direktiven für die Ausarbeitung des Friedensvertrages.
In Verbindung damit stellt die Sowjetdelegation folgende Anträge:
1. Es wird anerkannt, daß eine gesamtdeutsche demokratische Regierung entsprechend den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz unverzüglich zu bilden ist.
2. Es wird festgelegt, daß auf der Friedenskonferenz die Regierung Deutschlands die Möglichkeit erhält, ihre Meinung über den Friedensvertrag darzulegen.
3. Der Friedensvertrag soll von der deutschen Regierung unterzeichnet und dem deutschen Parlament zur Ratifizierung vorgelegt werden.
4. Die Friedenskonferenz wird sich zusammensetzen aus Vertretern Großbritanniens, der Sowjetunion, der USA, Frankreichs, China und Vertretern der an Deutschland grenzenden verbündeten Staaten sowie jener verbündeten Staaten, die mit ihren Streitkräften am gemeinsamen Kampf gegen Deutschland teilgenommen haben, nämlich Albaniens, Australiens, Belgiens, der Bjelorussischen Sozialistischen Sowjetrepublik, Brasiliens, Kanadas, der Tschechoslowakei, Dänemarks, Griechenlands, Indiens, Luxemburgs, der Niederlande, Neuseelands, Norwegens, Polens, der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik, der Südafrikanischen Union und Jugoslawiens.
5. Dem Friedensvertrag mit Deutschland sind die Beschlüsse der Konferenzen von Jalta und Potsdam zugrunde zu legen.“ 

Trotz langer Diskussionen wird in der „deutschen Frage“ wieder keine Einigung erzielt. Die Konferenz wird am 15. Dezember 1947 auf Antrag des amerikanischen Außenministers Marshall unterbrochen und auf unbestimmte Zeit verschoben. Die nächste Außenministerkonferenz tagte vom 23. Mai bis 20. Juni 1949 in Paris. Die Sowjetdelegation kämpfte weiterhin um die wirtschaftliche und politische Einheit Deutschlands. Nicht nur die Vorschläge oder Anträge in dieser Richtung, sondern auch der sowjetische Vorschlag auf Wiederherstellung des Alliierten Kontrollrates wird als „ein Schritt zurück“ abgelehnt. Wie bei den vorhergehenden wird auch auf dieser Konferenz keine Einigung über die „deutsche Frage“ erzielt. Das Gegenteil war der Fall: Die Spaltung Deutschlands wurde, besonders seit 1947, in schnellem Tempo vorangetrieben. Die imperialistischen Besatzungsmächte wollten die SBZ an das in Westdeutschland geschaffene Regime anschließen. Ihr Vorschlag: Beitritt der Länder der SBZ zum Bonner Grundgesetz, das am 23. Mai 1949 in Kraft tritt, dem Tag des Beginns der Pariser Außenministerkonferenz. Hier stellten sie das von ihnen vorangetriebene „Besatzungskonzept“ vor: Ein Besatzungsstatut gültig für alle vier Besatzungszonen und eine zentrale Verwaltung durch die Hohe Kommission. Trotz aller Bemühungen der Sowjetunion, ein demokratisches, friedliebendes, einheitliches, souveränes Deutschland zu gestalten, wird Deutschland systematisch von den imperialistischen Besatzungsmächten gespalten und in den drei Besatzungszonen in Westdeutschland wird ein separater Teilstaat als antikommunistischer Brückenkopf im Kampf gegen die SU aufgebaut.

Kurze Geschichte der
Spaltung Deutschlands

Sowohl in den USA als auch in Großbritannien entwickelten während des Zweiten Weltkriegs Politiker Pläne für die vollständige Auflösung Deutschlands. Sie forderten die restlose Aufteilung all seiner Gebiete an die Nachbarstaaten Frankreich, Holland, Belgien, Polen und die Tschechoslowakei. Sogar die Parole „Nach diesem Krieg darf es kein Deutschland mehr geben!“ wurde propagiert. Dieses Projekt war bereits in den ersten Kriegsjahren als wesentlicher Bestandteil der offiziellen amerikanisch-englischen Kriegspolitik anvisiert worden. Ab Anfang 1945 stellte auch Frankreich die Forderung nach Annexionen von Rhein, Saar und Ruhr. Sowohl auf der Konferenz der Außenminister in Moskau, Oktober 1943, als auch zwei Monate später auf der „Teheraner Konferenz UdSSR, USA und Großbritannien“ wurden ebensolche Pläne vorgebracht. Deutschland sollte zum Beispiel in fünf autonome Kleinstaaten aufgeteilt werden. Die Ausgliederung des Ruhrgebietes und der Saar sollte vorgenommen werden, der Hamburger und Kieler Hafen sollten unter internationale Verwaltung gestellt werden. Am 10. Mai 1945 unterzeichnete Truman, der Präsident der USA eine Geheimdirektive JCS/1067 an General Eisenhower, in der für die amerikanischen Besatzungstruppen scharfe Maßnahmen zur Zerschlagung der deutschen Einheit angeordnet wurden. Nach der Morgenthau-Devise „Die Militärverwaltung soll von Anfang an auf die spätere Teilung Deutschlands hinarbeiten.“ In der Praxis hatten die westlichen Besatzungsmächte schon im Sommer 1946 die Spaltungspläne vereinbart. In rascher Folge wurde nun die Abspaltung der Westzonen vollzogen. Am 2. Dezember 1946 unterzeichneten die USA und Großbritannien in New York das Abkommen über die „Bizone“, das am 1. Januar 1947 in Kraft trat. Im Dezember 1946 wird das Saargebiet von Deutschland abgetrennt. Am 5. Juni 1947 verkündete der Außenminister der USA seinen „Marshall-Plan“. Offiziell wurde er als „Hilfe“ an die drei westlichen Besatzungszonen deklariert. Als Ziel aber beinhaltete der Plan ihre schnelle Abspaltung, um volle Verfügungsgewalt über ihr politisches, wirtschaftliches und militärisches Potential zu erlangen. Die Londoner Außenministerkonferenz wurde am 15. Dezember 1947 vom amerikanischen Außenminister Marshall gesprengt. Unmittelbar danach starteten in London die Verhandlungen der westlichen Außenminister über die Bildung des westdeutschen Separatstaates. Am 19. Dezember 1947 erklärte US-Außenminister Marshall: „Zur Zeit ist an ein einheitliches Deutschland nicht zu denken.“ Der „New York Herald Tribune“ kommentierte: „Das Zeitalter von Jalta ist vorbei. Die Aufteilung Deutschlands wird uns freie Hand geben, Westdeutschland in ein System der Weststaaten einzubauen.“
Frühjahr 1948 fand in London die „Separat-Konferenz“ der westlichen Besatzungsmächte statt, zu der zeitweise die Vertreter der Beneluxstaaten hinzugezogen wurden. Die Teilnehmer erzielten eine grundsätzliche Übereinstimmung, die dann auf der zweiten Londoner Konferenz 1948 mit den „Londoner Empfehlungen“ den Startschuss für die Bildung des separaten deutschen Weststaates und damit zur Spaltung Deutschlands gab. USA, Großbritannien und Frankreich verweigerten im Alliierten Kontrollrat, Auskunft über ihre Besatzungspolitik zu geben. Im März kommt die Tätigkeit des Alliierten Kontrollrates zum Erliegen und im Juni tritt die Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen in Kraft. Am 4. April 1949 unterzeichneten Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA in Washington den Nordatlantikpakt (NATO).
Das Grundgesetz, verabschiedet vom Parlamentarischen Rat, tritt im Mai in Kraft. Im August folgen die Wahlen für den ersten Bundestag. Anfang September konstituieren sich westdeutscher Bundestag und Bundesrat. Im September wird Heuss (FDP) zum Präsidenten und Adenauer zum Bundeskanzler gewählt. Ende September wird die Adenauer-Koalitions-Regierung gebildet. Damit ist die Spaltung Deutschlands vollzogen.
Zusammengefasst zeigt diese Entwicklung, spätestens seit 1946 wurden zwei entgegengesetzte politische Strategien in den Besatzungszonen der westlichen Alliierten und in der SBZ verfolgt. Während die westlichen imperialistischen Besatzungsmächte, vor allem die USA aktiv auf einen Teilstaat Westdeutschland hinarbeiteten, den sie als Sprungbrett im Kampf gegen die Sowjetunion verwenden wollten, versuchte die sozialistische Sowjetunion mit aller Kraft, das im Potsdamer Abkommen vorgesehene Projekt der Schaffung eines einheitlichen, entmilitarisierten, demokratischen, friedliebenden Deutschlands zu verwirklichen.

Gründung der DDR

Die Gründung der DDR war eine Reaktion auf die von den imperialistischen Besatzungsmächten vollendete Spaltung Deutschlands, nämlich: die Gründung der BRD. Die sozialistische Sowjetunion und die SED reagierten mit der Gründung der DDR, ohne dabei das Ziel der Vereinheitlichung Deutschlands auf demokratischer Grundlage aufzugeben. Das war eine richtige Strategie. Aber in der konkreten, grundlegenden Politik für die Einheit wurden von der SED bedeutende nationalistische Fehler gemacht. Die nationale Frage wurde über den Klassenkampf im internationalen wie im nationalen Rahmen gestellt. Der Deutsche Volksrat hat sich auf seiner 9. Tagung, am 7. Oktober 1949 als Provisorische Deutsche Volkskammer konstituiert. Gleichzeitig wurde die vom Dritten Volkskongreß beschlossene Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik in Kraft gesetzt und Otto Grotewohl mit der Bildung einer demokratischen deutschen Regierung beauftragt. Für den Deutschen Volksrat stand die Entscheidung auf der Tagesordnung, die Einheit Deutschland entweder per Anschluss an die BRD und damit Eingliederung in die Strukturen und Gesetze der Bonner Regierung zu akzeptieren. Oder aber auf Basis der seit Kriegsende bis dahin in der SBZ durch die SMAD und antifaschistisch-demokratischen Kräfte geschaffenen und erreichten Errungenschaften, den eigenen Weg fortzusetzen und auf dieser antifaschistisch-demokratischen Grundlage, den Kampf für die Wiedervereinigung Deutschlands zu führen. Die Entscheidung fiel für den zweiten Weg. Das „hohe Ziel“ dieser Entscheidung wird im „Manifest des Deutschen Volksrats“ deklariert: „Der nationale Notstand, in den das deutsche Volk durch den Bruch des Potsdamer Abkommens seitens der imperialistischen Westmächte gestürzt wurde, rüttelt alle Deutschen auf zum Kampf um das hohe Ziel: Errichtung eines einheitlichen, unabhängigen demokratischen Deutschland mit dem Ziel des baldigen Abschlusses eines gerechten Friedensvertrages mit Deutschland und des Abzuges aller Besatzungstruppen in kurzer Frist.“
Am Ende des Manifestes wird die Gründung der DDR angekündigt: Am Ende des Manifestes wird die Gründung der DDR angekündigt:Auf der Grundlage der vom 3. Deutschen Volkskongreß bestätigten Verfassung ist in der deutschen Hauptstadt Berlin einmütig von allen Parteien und Massenorganisationen im Deutschen Volksrat die Deutsche Demokratische Republik geschaffen worden. Die verfassungsmäßig gebildete Provisorische Deutsche Regierung wird den Kampf um den Frieden, um die Einheit und Souveränität Deutschlands an die Spitze ihrer Bemühungen setzen. Sie wird ein mächtiges Bollwerk im Kampf um die Verwirklichung des Programms der Nationalen Front des demokratischen Deutschland sein. Wir rufen alle Deutschen auf, die Gefahr der Stunde, aber auch die Möglichkeit der Abwehr klar zu erkennen. Wir rufen das deutsche Volk auf, die Rettung der Nation in die eigene Hand zu nehmen und durch die Unterstützung des Kampfes der Nationalen Front des demokratischen Deutschland die Bahn frei zu machen für Frieden, Aufbau und nationale Freiheit in der einigen Deutschen Demokratischen Republik. Es lebe die Nationale Front des demokratischen Deutschland.“
Am 10. Oktober werden die Verwaltungsfunktionen von der Sowjetregierung an die Provisorische Regierung der DDR übertragen, die SMAD aufgelöst und eine Sowjetische Kontrollkommission (SKK) gebildet. Nach Einschätzung der Lage erklärt der Chef der SMAD, W. I. Tschuikow: „Unter diesen Umständen kann man nicht umhin, das Bestreben deutscher demokratischer Kreise als rechtmäßig anzuerkennen, die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands und dessen Wiedergeburt auf demokratischer und friedlicher Grundlage in die eigenen Hände zu nehmen. Eben darin erblickt die Sowjetregierung den Sinn der Beschlüsse des Deutschen Volksrats über die Inkraftsetzung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik und über die Bildung der Provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin. Dabei nimmt die Sowjetregierung zur Kenntnis, daß die Provisorische Regierung auf dem Boden der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz steht und die Verpflichtungen erfüllen wird, die sich aus den gemeinsam gefaßten Viermächtebeschlüssen ergeben.“
Somit wird die Gründung der DDR auch von der Sowjetunion bestätigt. Das Potsdamer Abkommen bzw. die Beschlüsse über Deutschland – mit Ausnahme der Einheit Deutschlands – wurden in der SBZ umgesetzt. Die Einheit Deutschlands auf friedliebender, unabhängiger demokratischer Grundlage bleibt als Ziel, das noch erkämpft werden soll. Die Regierung der DDR und die SED setzen am Anfang im Einklang mit der Politik der Sowjetunion dieses Ziel ins Zentrum ihrer Politik. Am 11. Oktober konstituiert sich die Länderkammer der DDR und am selben Tag wird Wilhelm Pieck auf einer gemeinsamen Sitzung der Provisorischen Volkskammer und der provisorischen Länderkammer zum Präsidenten der DDR gewählt. Einen Tag später wird die Provisorische Regierung der DDR unter Otto Grotewohl gebildet. In der Volkskammer waren vertreten: Alle Klassen und Schichten der Gesellschaft – die ArbeiterInnenklasse, kleine und mittlere Bourgeoisie, ja auch Teile der Großbourgeoisie, die von Nazis verfolgt worden waren, Groß-, Mittel- und arme Bauern. Alle Parteien: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), Christlich-Demokratische Union (CDU), Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD), National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) und Massenorganisationen, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB), Freie Deutsche Jugend (FDJ), Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD), Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB), Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und Kulturbund. Die Provisorische Regierung bildete sich aus acht VertreterInnen der SED, vier der CDU, drei aus der LDPD, je einem aus NDPD und DBD sowie einem Parteilosen. Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik war für das ganze, einheitliche Deutschland vorgesehen. Angelehnt an die Weimarer Verfassung war das eine demokratische und fortschrittliche Verfassung. Bis Mitte 1952 wurde das politische System der DDR als antifaschistisch-demokratisch bezeichnet. Die SED lehnte – auf Grundlage einer falschen Einschätzung – bis dahin ab, die antifaschistisch-demokratische Ordnung als Volksdemokratie zu bewerten. Tatsächlich entsprach der klassenmäßige Charakter dieses antifaschistisch-demokratischen Staates dem klassenmäßigen Charakter des volksdemokratischen Staates. In diesem System ist das Proletariat mit Teilen der Bourgeoisie an der politischen Macht.


Potsdamer Abkommen

Politik der Sowjetunion
nach der Spaltung Deutschlands

Der Kampf um die Einheit Deutschlands verwandelte sich nun in einen Kampf für die Wiedervereinigung Deutschlands. Bis zur Berliner Konferenz der Außenminister vom 25. Januar bis 18. Februar 1954 fand nur eine Konferenz der Außenminister-Stellvertreter in Paris vom 5. März bis 21. Juni 1951 statt. Auf der Konferenz erfolgte keine Annäherung der gegensätzlichen Standpunkte, und die Vertreter der Westmächte erklärten Juni 1951 eine Fortsetzung der Konferenz für zwecklos. In dem Zeitraum von 1949-1954 hat die Sowjetregierung mit an die Regierungen der drei imperialistischen Besatzungsmächte gerichteten Noten mehrmals ihre Haltung für die Wiedervereinigung Deutschlands dargelegt. Im Februar 1952 wandte sich die Regierung der DDR mit dem Ersuchen an die vier Mächte, den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland zu beschleunigen. Die Sowjetregierung reagierte umgehend darauf und unterbreitete einen Entwurf für einen Friedensvertrag. Die imperialistischen Besatzungsmächte lehnten alle Vorschläge für die Wiedervereinigung Deutschlands ab. Schrittweise geht die Übertragung der staatlichen Funktionen von der Sowjetunion an die Regierung der DDR voran. Im Oktober 1949 werden in der SBZ die Verwaltungsfunktionen an die Regierung der DDR übertragen. Die SMAD wird aufgelöst und eine Sowjetische Kontrollkommission (SKK) gebildet, die 1953 ihre Arbeit einstellt. Der nächste Schritt ist, einen „Hohen Kommissar mit der Vertretung der Interessen der Sowjetunion in Deutschland und der Überwachung der Tätigkeit der staatlichen Organe der DDR im Hinblick auf die Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Potsdamer Beschlüssen der Alliierten Mächte über Deutschland ergeben, zu betrauen sowie mit der Aufrechterhaltung der entsprechenden Verbindung mit den Vertretern der Besatzungsbehörden der USA, Großbritanniens und Frankreichs in den Fragen gesamtdeutschen Charakters, die sich aus den vereinbarten Beschlüssen der vier Mächte über Deutschland ergeben.“
Die Ausübung der Kontrollfunktionen der Oberkommandierenden der sowjetischen Truppen in der DDR wird aufgehoben und deren Tätigkeit auf das Kommando über die sowjetischen Truppen in Deutschland beschränkt. Ab 1953 wird die politische Maxime vertreten: „Das Schicksal Deutschlands liegt in den Händen des deutschen Volkes“. Das heißt auch, die Frage der Wiedervereinigung ist eine Sache des deutschen Volkes selbst. Dabei rückt für die Sowjetunion, in der sich der Revisionismus Schritt für Schritt breit macht, immer mehr die Frage einer „internationalen Entspannung“ in den Vordergrund. Nach mehreren Noten der Sowjetregierung, deren Inhalt darauf abzielte, eine Außenministerkonferenz einzuberufen, erklärten die Regierungen der Westmächte ihr Einverständnis mit dem vorgeschlagenen Termin und zu den vorbereitenden Besprechungen der Vertreter der Hohen Kommissare. Diese Konferenz tagte vom 25. Januar bis 18. Februar 1954 in Berlin. Die „Deutsche Frage“ – die Frage der Wiedervereinigung blieb auf der Strecke. (Letztendlich ging es in diesem Konflikt darum, ob ein demokratischer, friedliebender, souveräner Staat oder ein remilitarisierter, in die NATO u.a. westliche militärische Bündnisse eingebundener Staat entstehen wird. Der sowjetische Außenminister Molotow bringt es auf den Punkt: „In Ost- wie in Westdeutschland streben die demokratischen Kräfte danach, daß das vereinigte Deutschland ein demokratischer und friedliebender Staat sei. Bringen unsere vier Staaten dafür Sympathie auf und gehen sie einvernehmlich vor, so wird das vereinigte Deutschland zweifellos festen Schrittes diesen Weg betreten, und die gesamtdeutschen Wahlen werden den Interessen der Demokratie und des Friedens in Europa entsprechen. Der Dreimächteplan entspricht diesen Ziele nicht.“
Molotow über die Ergebnisse der Konferenz: „Auf der Berliner Konferenz wurde nicht einmal der Vorschlag der Sowjetregierung angenommen, die Deutschen anzuhören und zu erfahren, was das deutsche Volk selber über die unaufschiebbaren Aufgaben der Vereinigung Deutschlands und über die Teilnahme des deutschen Volkes an der Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit in Europa denkt. Das wollte auch die Regierung Westdeutschlands nicht, die, man höre nur, nicht daran denkt, sich mit der Regierung Ostdeutschlands, mit der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, die den Plänen zur Wiederherstellung des deutschen Militarismus Widerstand leistet, an einen Tisch zu setzen.“
Nachdem die Berliner Konferenz deutlich zeigte, dass binnen kurzer Zeit keine Wiedervereinigung Deutschlands möglich ist, hat die Sowjetregierung ihre Beziehungen mit der DDR auf eine neue Stufe gehoben. März 1954 wurde die Souveränität der DDR in ihren inneren und äußeren Angelegenheiten und die Aufhebung der kontrollierenden Tätigkeit des Hohen Kommissars der UdSSR in Deutschland beschlossen. Nach der Berliner Konferenz wird von der Sowjetunion, den Ländern der Volksdemokratien und der DDR als brennendstes Problem in dieser Zeit das Problem von Krieg und Frieden gesehen. Die Schaffung eines kollektiven Sicherheitssystems in Europa und die Wiedervereinigung Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage werden als wichtigste Punkte von der Sowjetunion und der DDR auf die politische Agenda gesetzt. Ausgehend von einer sich immer stärker entwickelnden, defensiven, klassenversöhnlerischen, illusionären politischen Haltung gegenüber dem Imperialismus. Und das nach dem Koreakrieg 1952-1953! Im Namen der kollektiven Sicherheit in Europa wird versucht, die Remilitarisierung Deutschlands zu verhindern, was letztendlich scheitern musste. Die Vorschläge der Sowjetunion zur Regelung der Deutschlandfrage sahen zu dieser Zeit im einzelnen die Bildung einer Provisorischen Regierung aus Vertretern der Parlamente der DDR und BRD vor, mit der Aufgabe, freie gesamtdeutsche Wahlen durchzuführen und in der Vorbereitung eines Friedensvertrages die Vertretung Deutschlands wahrzunehmen. Gleichzeitig wird eine Debatte über den Abzug der Besatzungstruppen der vier Mächte angestoßen. Die Sowjetunion schlug den Westmächten mit mehreren Noten eine Konferenz über die „europäische Sicherheit und die friedliche Lösung der deutschen Frage“ vor. An der „Moskauer Konferenz europäischer Länder zur Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit in Europa“ Ende 1954 beteiligen sich die Sowjetunion, die volksdemokratischen Länder Europas, die DDR und Vertreter der Volksrepublik China als Beobachter. Die Sowjetregierung erklärte Januar 1955 zum wiederholten Mal ihre Haltung „Zur friedlichen Lösung der deutschen Frage“ und veröffentlichte den „Erlaß des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR“ über die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland. Auf der „2. Konferenz Europäischer Länder zur Gewährleistung des Friedens und die Sicherheit in Europa“ 1955 in Warschau werden der „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ und die „Bildung eines vereinten Kommandos der Streitkräfte der Teilnehmerländer des Vertrages über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ beschlossen. Auf der „Genfer Konferenz der Regierungschefs der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs“ im Juli 1955 werden „Probleme der Minderung der internationalen Spannungen“ erörtert. Die Delegation der UdSSR unterbreitete der Konferenz einen Entwurf zu einem Gesamteuropäischen Vertrag über Kollektive Sicherheit, einen Vertragsentwurf über den gegenseitigen Verzicht von Gewaltanwendung und einen Vorschlag über die „Lösung von Streitfragen mit friedlichen Mitteln zwischen den Teilnehmerstaaten der in Europa bestehenden Gruppierungen“. Die Delegation der UdSSR sah in der Schaffung eines Kollektiven Sicherheitssystems in Europa die geeignetste Möglichkeit die Wiedervereinigung Deutschlands anzustreben, weil dadurch das Wiedererstehen des deutschen Militarismus verhindert werden könnte. Sie ging zu dieser Zeit davon aus, dass in einem vereinigten Deutschland sich die friedliebenden und demokratischen Kräfte durchsetzen würden. Die Westmächte änderten ihren Standpunkt nicht. Sie forcierten ein dem Pariser Abkommen entsprechendes remilitarisiertes Westdeutschland und ein langfristig unter ihrer Ägide vereinigtes Deutschland, das der NATO und der Westeuropäischen Militärunion (eine Form der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft) angehören sollte. September 1955 werden in Moskau Verhandlungen zwischen Regierungsdelegationen der UdSSR und der BRD geführt, an deren Ende die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen UdSSR und BRD steht. Einige Tage später wird zwischen der Regierung der UdSSR und der Regierung der DDR der „Vertrag über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ unterzeichnet. Die Hohe Kommission der UdSSR in Deutschland wird aufgelöst und die zwischenstaatlichen Beziehungen werden über Botschafter hergestellt. Die nächste Außenministerkonferenz der vier Mächte tagt November 1955. Der Sowjetische Außenminister Molotow fordert, die europäische Sicherheit als übergeordnete und die Herstellung der Einheit Deutschland als untergeordnete Frage zu behandeln. Er bezeichnete die Wiedervereinigung Deutschlands als eine Aufgabe vor allem der deutschen Bevölkerung selbst. Dabei wird die Bildung eines Gesamtdeutschen Rats und der Abzug der Besatzungstruppen mit Ausnahme beschränkter Kontingente vorgeschlagen. Die Westmächte vertraten die Position der Politik des „kalten Krieges“. Sie lehnten im Verlauf der Verhandlungen alle Vorschläge der Sowjetdelegation ab. Molotow charakterisierte ihre Strategie sehr zutreffend: „Es liegt klar auf der Hand, daß alle Versuche undurchführbar sind, die darauf abzielen, daß Ostdeutschland von Westdeutschland verschlungen wird. Die Vorschläge der drei Westmächte waren dennoch darauf gerichtet, daß Westdeutschland mit Hilfe des Eden-Plans Ostdeutschland verschlingen soll.“
Am 27. und 28. Januar 1956 tagte der Politische Beratende Ausschuss der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages in Prag. Hauptthema sind das Sicherheitssystem in Europa und die Abrüstung. In der gemeinsamen Deklaration wird u.a. vorgeschlagen: „Bis zur Herbeiführung eines Abkommens über die Schaffung eines wirksamen Sicherheitssystems in Europa wäre der Abschluß von Nichtangriffspakten zwischen entsprechenden Ländern mit der Verpflichtung, strittige Fragen nur mit friedlichen Mitteln zu lösen, ein ernsthafter Beitrag zur Festigung einer solchen Sicherheit und zur Schaffung des notwendigen Vertrauens zwischen europäischen Staaten.“
Man sieht, dass die Politik der Sowjetunion ab 1954 nach und nach, aber systematisch sich von der Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten zu einem einheitlichen, friedliebenden, demokratischen Deutschland zur Anerkennung der Existenz der beiden deutschen Staaten hin entwickelte. Das 1956 auf dem XX. Parteitag offen formulierte Grundprinzip der „Friedlichen Koexistenz der beiden Systeme“ als Hauptpolitik wird in der Deutschlandfrage bereits vorweggenommen. Der XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 läutet im wahrsten Sinne des Wortes eine neue Ära ein. Den Sieg des Revisionismus in der Sowjetunion, die Übernahme der politischen Macht durch eine neue Bourgeoisie, die sich im Staatsapparat und der Sowjetökonomie entwickelt hat. Die Ausschaltung jeglicher Opposition gegen diesen „neuen Kurs“ ist Programm. Der Weltimperialismus triumphiert. Die revisionistische Politik der friedlichen Koexistenz zwischen den „sozialistischen und imperialistischen Ländern“ wird zur offiziellen Linie der KPdSU. Die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der DDR werden mit dem Abkommen über kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit, weiter ausgebaut. Dazu dient auch die Herabsetzung des für den Aufenthalt der sowjetischen Truppen in der DDR bereitzustellenden Betrags von 1 600 Millionen auf 800 Millionen DM u.a. Die VertreterInnen der Sowjetunion sehen unter den gegenwärtigen Bedingungen keinen anderen Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands „als den Weg der direkten Verhandlungen und der Verständigung zwischen den Regierungen der beiden Deutschen Staaten – der Deutschen Demokratischen Republik und der Deutschen Bundesrepublik.“
In der BRD wird am 20. Juli 1956 das „Wehrpflichtgesetz“ verabschiedet, das fünf Tage später in Kraft tritt. Am 17. August 1956 wird die KPD verboten. Das Jahr 1956 bedeutet den Beginn einer Wendung in der Außenpolitik der Sowjetunion und in gewissem Maße auch der DDR. Schritt für Schritt entfernt sich die Sowjetunion von der Einheitspolitik für Deutschland hin zur Politik der „friedlichen Koexistenz“. Diese führt zur diplomatischen Anerkennung der BRD und der DDR, also beider deutscher Staaten durch die Sowjetunion.

SED – DDR
Oktober 1949 bis Juni 1952
Nationale Frage

Die Politik der SED und der DDR-Regierung waren weitgehend identisch. Auch die Politik des Demokratischen Blocks, der Volkskongreßbewegung oder der Nationalen Front entsprach der SED Politik. „Die Nationale Frage, die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands“ stand im Zentrum der Politik der SED und ihren Organisationen. Alle anderen Fragen waren abhängig von dieser zentralen Frage, von diesem „Kampf um das Hohe Ziel“: Errichtung eines einheitlichen, unabhängigen demokratischen Deutschlands. Damit war auch das Ziel, einen Friedensvertrag für Deutschland und den Abzug aller Besatzungstruppen zu erreichen, verbunden. Als die Spaltung Deutschlands durch die westlichen Besatzer vollzogen war, veröffentlichte der Parteivorstand der SED am 4. Oktober 1949 die Entschließung über „Die Nationale Front des demokratischen Deutschlands und die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“: „Die Bildung des Bonner Separatstaates und seiner Marionettenregierung hat die politische Einheit Deutschlands untergraben. Die Existenzgrundlagen eines einheitlichen Nationalstaates sind durch diese Spaltungspolitik erschüttert worden. Die Unabhängigkeit und Souveränität der deutschen Nation ist gefährdet. Jeder deutsche Bürger, der als Patriot seines Vaterlandes für ein friedliches, einheitliches und unabhängiges Deutschland ist, ob Sozialist oder nicht, ob Demokrat oder nicht, jeder Arbeiter, Angestellte, Bauer, Intellektuelle, Handwerker, jeder Angehörige der freien Berufe und jeder Unternehmer muß sich über die Gründe des nationalen Notstandes Deutschlands und der nationalen Unterdrückung Westdeutschlands Rechenschaft ablegen und muß sich darüber klar werden, auf welchem Weg und mit welchen Mitteln das deutsche Volk die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands als demokratischen und friedliebenden Staat erreichen und sich die Möglichkeit einer freien und unabhängigen Entwicklung als einheitliche große Nation auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen Völkern erkämpfen kann.“
In diesem Dokument werden programmatisch, antimarxistisch der Klassenkampf, der Kampf um den Sozialismus völlig dem Kampf um die Einheit Deutschlands, der nationalen Frage in Ost- und Westdeutschland untergeordnet. Für Westdeutschland wird die koloniale Versklavung durch den US-Imperialismus als Hauptgefahr beschworen und die Bedeutung des wider erstarkenden deutschen Imperialismus verkannt. Für Ostdeutschland wird nicht der Kampf für den Übergang von der antifaschistischen Volksdemokratie zum Sozialismus gestellt. Nein! Ausgangspunkt ist: „Die nationale Frage ist zur wichtigsten politischen Lebensfrage (an anderer Stelle Überlebensfrage TA) des deutschen Volkes geworden.“ Es wird zum nationalen „Befreiungskampf des ganzen Volkes“ aufgerufen.
Ausgehend von diesem Verständnis sollte niemand von der Bewegung der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands ausgeschlossen werden… Für die Wiederherstellung Einheit Deutschlands erklärt der SED-Parteivorstand: „Wir sind zur Zusammenarbeit mit allen deutschen Patrioten bereit, darunter auch mit früheren Mitgliedern der Nazipartei, ehemaligen Offizieren, kleineren und mittleren Unternehmern und dem Teil der Großbourgeoisie in Westdeutschland, dem die Interessen Deutschlands am Herzen liegen und der bereit ist, die Bestrebungen des deutschen Volkes zur Wiederherstellung seiner Einheit und Unabhängigkeit zu unterstützen.“
Also wird von der SED der Nationalen Front eine klassenversöhnlerische Zusammenarbeit, die „frühere Mitglieder der Nazipartei“ einschließt, als Grundausrichtung vorgegeben. Das gipfelte darin, dass es der Parteivorstand für „geboten“ hält: „die ehemaligen Angehörigen der deutschen Wehrmacht, darunter Offiziere und Generale, …, in ihren bürgerlichen Rechten mit den übrigen Bürgern gleichzustellen.“ 
Warum? „Die Beibehaltung der früheren Beschränkungen schadet gegenwärtig den Interessen des Volkes, da sie die Heranziehung eines bedeutenden Teiles der Bevölkerung in den allgemeinen nationalen Kampf erschwert und die Staatsorgane wie die Öffentlichkeit auf die Aufgaben des gestrigen Tages orientiert und nicht auf die neuen Aufgaben.“ Also mit Nazi-Faschisten im nationalen Kampf gegen den westdeutschen Staat und den US-Imperialismus?
Am 7. Januar 1950 konstituierte sich das Sekretariat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland.
Im Februar wird der Nationalrat der Nationalen Front gebildet und das „Programm der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands“ beschlossen. Dieses stimmt im wesentlichen mit der oben angeführten Entschließung der SED überein. Ein einheitliches, demokratisches unabhängiges Deutschland war das gemeinsame Ziel. Zwei weitere wichtige Politikfelder der SED und der DDR sind im Zeitraum bis Juni 1952 hervorzuheben: Der wirtschaftliche Fünfjahrplan der SED, später der Regierung der DDR und die Wahlen zur DDR Volkskammer. „Der Fünfjahrplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik (1951 bis 1955)“ wird vom III. Parteitag der SED bestätigt und dem Ministerrat der DDR vorgelegt und von diesem am 17. August 1950 gebilligt. Da wir die Wirtschaftspolitik und Wirtschaftslage in einem künftigen Artikel behandeln werden, gehen wir hier nicht ins Detail. Was hier aber gesagt werden muss, ist, dass die Wirtschaftspläne bis 1955 (inklusive) keine weiteren Enteignungen vom Privateigentum der Industriellen und HandwerkerInnen an Produktionsmitteln, noch Enteignungen der Großbauern und -bäuerinnen vorsieht. Im Gegenteil, es wird vorgesehen, dass sich die Wirtschaft in diesem Sektor um 60 Prozent entwickeln soll, sprich diese Teile der Bourgeoisie sich weiter bereichern sollen. Auch der Fünfjahrplan der SED wird im Zusammenhang mit dem Kampf um die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands verabschiedet und begründet. „Der Fünfjahrplan wird durch einen nicht dagewesenen Aufschwung der Friedenswirtschaft und des kulturellen Lebens die demokratische Ordnung in der Deutschen Demokratischen Republik weiter festigen. Damit wird zugleich der Kampf für ein einheitliches, friedliches, demokratisches Deutschland verstärkt. Der Fünfjahrplan wird der Arbeiterschaft und Bevölkerung Westdeutschlands das leuchtende Beispiel sein, wie das ganze deutsche Volk ohne imperialistischen Marshallplan, ohne Besatzungsstatut, ohne anglo-amerikanische Militärgouverneure leben kann, wenn es sein Leben auf Grundlage einer friedlichen und fortschrittlichen demokratischen Ordnung aufbaut und die Grundgesetze der Planwirtschaft anwendet.
Bereits hier spiegelt sich schon die irrige Auffassung der SED wieder, dass der Marshallplan den wirtschaftlichen Ruin Deutschlands bedeuten würde und wie sie später in der Entschließung zur „Nationalen Front“ schlussfolgert: „Das Ergebnis dieser Politik ist die Massenarbeitslosigkeit von Arbeitern und Angestellten, den Ruin des Mittelstandes und der Bauern, den Bankrott von kleinen und mittleren Unternehmern, die künstlich geschaffene Konkurrenzunfähigkeiten eines großen Teils der westdeutschen Großindustrie. Damit ist die wirtschaftliche Existenz fast aller Schichten der westdeutschen Bevölkerung gefährdet.“
Die langfristige Strategie der westlichen Großmächte, den imperialistischen Konkurrenten Deutschland einerseits klein zu halten, andererseits aber zum Bollwerk gegen den Kommunismus, insbesondere gegen die Sowjetunion aufzupäppeln und aufzurüsten, hat sie nicht auf dem Schirm. Zudem ermöglichten der Marshallplan und der Wiederaufbau der kapitalistischen Industrie es dem BRD-Regime, den Lebensstandard der Werktätigen im Verhältnis zur DDR sehr viel schneller zu heben. Insofern ist die Prophezeiung im Fünfjahrplan vollkommen illusorisch und widerspricht völlig den tatsächlichen Klassenverhältnissen. Gleichzeitig tritt die DDR schon hier in den nicht zu gewinnenden Wettbewerb ein, den die Chruschtschowrevisionisten zur „Perfektion“ getrieben haben, und sich so wie auch die SED völlig unglaubwürdig und ja, geradezu lächerlich gemacht haben: „Das Märchen vom Überholen des Kapitalismus auf ökonomischer Ebene.“ Dem Kapitalismus wurde damit auf seinem Feld begegnet, die Maßstäbe des kapitalistischen Konsums wurden zum Maßstab der Volksdemokratie gemacht, und nicht auf neue sozialistische Werte gesetzt. „Das Beispiel der friedlichen, ehrlichen Arbeit wird überzeugend auf die Arbeiterschaft und die Bevölkerung Westdeutschlands wirken. Sie werden erkennen, wer der Freund und wer der Feind des deutschen Volk ist. So ist der Fünfjahrplan zugleich der Plan des Kampfes zur Überwindung der Spaltung Deutschlands und zur Herstellung seiner Einheit, er entspricht also voll und ganz den Lebensinteressen unseres deutschen Volkes. (Starker Beifall)“
Die Wahlen zur Volkskammer, dem Parlament der DDR, zu den Land- und Kreistagen und Gemeindevertretungen am 15. Oktober 1950, findet „Im Zeichen des Programms der Nationalen Front“ statt. Der Demokratische Block beschließt am 16. Mai 1950 über die Aufstellung gemeinsamer Kandidatenlisten der Nationalen Front zu den Wahlen: „Das Interesse der ganzen Nation erfordert die engste Zusammenarbeit aller Patriotischen Kräfte, um die Nationale Front des demokratischen Deutschland zu stärken. Der Demokratische Block beschließt deshalb die gemeinsame Aufstellung von Kandidatenlisten der Nationalen Front des demokratischen Deutschland. Diese unsere Einmütigkeit wird der Festigung des Friedens, der Festigung der demokratischen Ordnung, der Stärkung des Kampfes um die Einheit Deutschlands dienen und den Abzug der Besatzungstruppen und die Herstellung eines unabhängigen demokratischen Deutschlands im Sinne des Programms der Nationalen Front des demokratischen Deutschland herbeiführen.“
Für die Volkskammer sollte nach Artikel 52 der Verfassung an der festgesetzten Abgeordnetenzahl von 400 Mitgliedern festgehalten werden. Diese verteilten sich in dem vereinbarten gemeinsamen Wahlvorschlag prozentual wie folgt: SED 25 Prozent, CDU 15 Prozent, LDPD 15 Prozent, NDPD 7,5 Prozent, DBD 7,5 Prozent, FDGB 10 Prozent, FDJ 5 Prozent, DFD 3,7 Prozent, VVN 3,7 Prozent, Kulturbund 5 Prozent, VdgB 1,3 Prozent und Genossenschaften 1,3 Prozent. Für die Land- und Kreistage und Gemeindevertretungen galt ein ähnlicher Schlüssel. Die Wahlbeteiligung lag bei 98,53 Prozent. 12 097 105 WählerInnen haben für die KandidatInnen der Nationalen Front gestimmt und 34 060 für die GegenkandidatInnen. Auf die Einheitsliste entfallen 99,7 Prozent der Stimmen. Damit wird letztendlich eine Regierung der Nationalen Front gebildet. Dieser Fakt zeigt die Kräfteverhältnisse in der DDR. Alle Klassen und Schichten, ArbeiterInnenklasse, kleine und mittlere Bourgeoisie, Klein-, Mittel- und Großbauernschaft – außer Großbourgeoisie und Großgrundbesitzer, die offene Nazis waren und während der Zeit vor der Gründung der DDR enteignet worden waren – waren in Volkskammer, Land- und Kreistagen und Gemeindevertretungen politisch vertreten. Die neue Regierung wird 15. November 1950 gebildet. Grotewohl bleibt Ministerpräsident der DDR. Der Regierung gehörten Mitglieder folgender Parteizugehörigkeit an: Zehn der SED und elf von anderen Parteien, CDU 4, LDPD 2, NDPD 2, DBD 1, FDGB 1 sowie ein Parteiloser. In der Regierungserklärung werden als Hauptaufgaben der Kampf für das einheitliche Deutschland und der Kampf für den Frieden festgelegt. Für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands wird ein „Gesamtdeutscher Konstituierender Rat“ vorgeschlagen, dem die konkrete Aufgabe der Vorbereitung zur Mitwirkung an den Verhandlungen über den Abschluss eines Friedensvertrages zugewiesen werden sollte, und die Vorbereitung der Bedingungen zur Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen. Ziel war, dass dieser Gesamtdeutsche Konstituierende Rat alle Vorbereitungen trifft, damit eine gesamtdeutsche Regierung gebildet werden kann. Das Jahr 1951 ist geprägt von den Bemühungen um die Bildung dieses Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates. Unter dem Motto: „Deutsche an einen Tisch!“ soll sich dieser paritätisch aus Vertretern Ost- und Westdeutschlands zusammensetzen. Mehrere Erklärungen, Appelle von Seiten der Regierung, der Volkskammer, dem Nationalrat der DDR an die Bonner Regierung, an Kanzler Adenauer, den Bundestag, etc. laufen ins Leere. Die komplette Ablehnung aller Vorschläge durch die Westdeutsche Regierung und Verantwortlichen ist Standard. Der Kampf um die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands prägt auch die Zeit bis Juni 1952. Am 9. Januar 1952 billigt die Volkskammer den Entwurf eines demokratischen Gesetzes über die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen zur Nationalversammlung. Am 13. Februar richtet der Ministerrat die Bitte an die vier Großmächte, den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland zu beschleunigen. Die Sowjetregierung war als einzige Besatzungsmacht dieser Bitte entgegen gekommen. Der Kampf um die Einheit Deutschlands wird mit dem Kampf gegen den „Generalvertrag“ und gegen die „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“ (EVG) verbunden. In ihrem „Ruf an die Nation“ April 1952 mobilisiert das ZK der SED die „deutsche Nation gegen den Generalkriegsvertrag“, mit allen Mitteln Widerstand zu leisten und damit gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands zu kämpfen: „Gestützt auf die Deutsche Demokratische Republik als die wichtigste Basis im Kampf für den einheitlichen, demokratischen und friedliebenden deutschen Staat wird sich unser Vaterland neu erheben, seine Unabhängigkeit erringen und ein freies Leben in Frieden und Wohlstand beginnen.“
Am 21. Mai 1952 ruft der Nationalrat der Nationalen Front „alle Deutschen zur Tat“. Der Kampf der SED und DDR für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands bestimmt die gesamte Politik von der Gründung der DDR bis Juni 1952. In diesem Zeitraum wird keine direkte Propaganda und Agitation für den Kampf um Sozialismus in der DDR bzw. in Deutschland gemacht. Sozialismus wird nur im Zusammenhang der Verteidigung der Sowjetunion und der volksdemokratischen Länder thematisiert. Weil diese Länder, nach der Einschätzung der SED „ihren volksdemokratischen Staatsapparat, der die Funktion der Diktatur des Proletariats ausübt, festigen“ konnten und „den Weg zum Sozialismus beschritten“ haben. („Entschließungen“, III. Parteitag der SED, Protokoll, Bd. II, S. 225) Für die SED war Sozialismus noch ein fernes Ziel. Diese deutsch-nationale, chauvinistische Haltung der SED nur vier Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs und der Niederlage des Hitlerfaschismus ist Niederschmetternd. Das ist das Gegenteil einer marxistischen Analyse der Ideologie des Hitlerfaschismus beruhend auf dem deutschen Nationalismus, Chauvinismus und Antisemitismus. In der Kunst, Philosophie, ja im gesamten Überbau bildete sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts mit dem Aufstreben der deutschen Großmacht diese genau diese Melange der spezifisch deutschen nationalistischen, imperialistischen Ideologie heraus, die sich in allen Bereichen auch niederschlug.

In der nächsten Artikelfolge befassen wir uns mit der Politik der SED zur Entwicklung der „Partei neuen Typus“.




Zeittafel März 1948 – Februar 1956


1948
20. März bis 2. Juni: Zweite Londoner Konferenz
1. September: Konstitution des parlamentarischen Rats in Bonn. Erarbeitung Verfassung für westdeutsche Bundesrepublik

1949
10. April: Besatzungsstatut der drei westlichen Militärgouverneure und Übergabe an den Parlamentarischen Rat
28. April: Unterzeichnung des Abkommens über die Errichtung einer Internationalen Ruhrbehörde (Ruhrstatut) durch Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, die Niederlande und die USA
23. Mai: Inkrafttreten Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
14. August: Erste Bundestagswahlen: Partei / Prozent / Abgeordneten-Anzahl: CDU/CSU 31% / 139; SPD 29,2% / 131; FDP 11,9% / 52; KPD 5,7% / 15; Bayernpartei 4,2% / 17; Deutsche Partei (DP) 4,0% / 17; Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV) 2,9% / 12; Deutsche Reichspartei 1,8% / 5
12. September: Theodor Heuss (FDP) zum Bundespräsidenten gewählt
15. September: Wahl Konrad Adenauer (CDU) zum Bundeskanzler, Bildung einer Regierungskoalition aus CDU, CSU, FDP und DP (Faschistische, revanchistische Organisation)
7. Oktober: Deutsche Volksrat erklärt sich zur Provisorischen Volkskammer gemäß der am 19. März 1949 beschlossenen und vom 3. Deutschen Volkskongreß am 30. Mai 1949 bestätigten Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik
15. Oktober: Diplomatische Anerkennung der DDR durch die Regierung der UdSSR
17.-25. Oktober: Austausch diplomatischer Missionen zwischen der DDR und Albanien, Bulgarien, China, Korea, Polen, Rumänien, Ungarn und der Tschechoslowakei
1. Dezember: Erklärung des Demokratischen Blocks gegen die Anerkennung des Ruhrstatuts durch die Bonner Regierung
7. Dezember: Gesetz der Provisorischen Volkskammer der DDR (Prov. Volkskammer) zum Schutz der Arbeitskraft der in der Landwirtschaft Beschäftigten (Landarbeiterschutzgesetz)
18. Dezember: Annahme eines Landjugendprogrammes auf dem Kongress der Landarbeiterjugend in Schwerin

1950
7. Januar: Umwandlung der Volkskongreßssbewegung in die Nationale Front des demokratischen Deutschland. Konstituierung des Sekretariats der Nationalen Front
21. Januar: Veröffentlichung des Aufrufs der Nationalen Front gegen die Lostrennung des Saargebiets von Deutschland
3. Februar: Bildung Nationalrat der Nationalen Front
8. Februar: Prov. Volkskammer beschließt Jugendförderungsgesetz
15. Februar: Beschluss des Programms der „Nationalen Front des demokratischen Deutschlands“
13. März: Protesterklärung des Ministerrats der DDR gegen die Annexion des Saargebietes durch den französischen Militarismus unter Beihilfe der Bonner Regierung
12. April: Unterzeichnung eines Handelsabkommens der Regierungen der UdSSR und der DDR.
24. bis 29. April: Prozess gegen die Herwegen-Bründert-Gruppe in Dessau wegen Wirtschaftsverbrechen durch Verschiebung von über 100 Millionen DM Volksvermögen an die Konzernherren der Deutschen Continental Gasgesellschaft (DCGG)
1. Mai: Inkrafttreten des Gesetzes der Arbeit beschlosssen von der Prov. Volkskammer der DDR
16. Mai: Erklärung des Politbüros des ZK der SED gegen die Verletzung des Potsdamer Abkommens durch die Londoner Beschlüsse der Westmächte
4. bis 6. Juli: Gründung des Deutschen Schriftstellerverbandes auf dem 2. Deutschen Schriftstellerkongress in Berlin
6. Juli: Unterzeichnung eines Abkommens über die deutsch-polnische Friedensgrenze an der Oder und Neiße durch Otto Grotewohl und Jozef Cyrankiewicz in Zgorzelec
20. Juli: Zweijahrplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft 1949/1950 wird vorfristig erfüllt
18. August: Protestnote der Regierung der UdSSR gegen die Abhaltung einer separaten Westmächtekonferenz
25./26. August: I. Nationalkongreß der Nationalen Front in Berlin
31. August: Veröffentlichung eines Protesttelegramms der Regierung der DDR gegen den barbarischen Aggressionskrieg der USA in Korea
8. September: Prov. Volkskammer der DDR beschließt Gesetz über die weitere Verbesserung der Lage der ehemaligen Umsiedler in der DDR und über die Entschuldung und Kredithilfe für Klein- und Mittelbauern
17. September: Demonstration von 100 000 Bauern und Bäuerinnen in Leipzig für Frieden und Einheit Deutschlands
27. September: Prov. Volkskammer beschließt Gesetz über den Schutz von Mutter und Kind und die Rechte der Frau
29. September: Aufnahme der DDR in den Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW)
15. Oktober: Wahlen zur Volkskammer in der DDR
21. Oktober: Erste Konferenz der SED in Berlin zur Herstellung der Aktionseinheit der Arbeiterklasse Westdeutschlands
4./5. November: Erster Kongress der deutschen Kämpfer für den Frieden in Berlin, für Entfaltung einer breiten Widerstandsbewegung gegen Remilitarisierung und Aggression
8. November: Regierungsneubildung und Konstituierung der Volkskammer der DDR
14. November: Erklärung des Nationalrats der Nationalen Front gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und für die Bildung eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates
30. November: Vorschlag Ministerpräsident der DDR Otto Grotewohl an Bundeskanzler Adenauer zur Aufnahme von Verhandlungen über die Bildung eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates
14. – 20. Dezember: Prozess gegen 10 ehemalige Direktoren und leitende Angestellte der Deutschen Solvay-Werke in Bernburg (DDR) wegen Wirtschaftsverbrechen durch Verschiebung von mehr als 100 Millionen DM Volksvermögen an westdeutsche Konzernherren.
15. Dezember: Volkskammer beschließt Gesetz zum Schutz des Friedens

1951
15. Januar: Aufruf des Bundesvorstandes des FDGB an die Werktätigen Westdeutschlands und Westberlins zur Aktionseinheit
31. Januar: Regierungserklärung und Appell der Volkskammer der DDR an den Bundestag der Deutschen Bundesrepublik: „Deutsche an einen Tisch!“
5. März: Präsidium der Volkskammer fordert Verhandlungen von den vier Großmächten über den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland noch im Jahre 1951
8. März: Bildung eines Gesamtdeutschen Arbeitskreises für Handel und Industrie in Leipzig
9. Mai: Beschluss der Regierung der DDR über die Durchführung einer Volksbefragung
3. bis 5. Juni: 96 Prozent der WählerInnen stimmen in der Volksbefragung gegen die Remilitarisierung und für den Abschluss eines Friedensvertrages
13. – 15. Juni: 6. Tagung des ZK der SED: Beschlüsse über Steigerung der Arbeitsproduktivität und über Einführung der wirtschaftlichen Rechnungsführung in den volkseigenen Betrieben
17. Juni: Aufruf des Bundesvorstandes des FDGB an den DGB Westdeutschlands: „Deutsche Gewerkschafter an einen Tisch!“
4./5. Juli: Gesamtdeutsche Metall- und Bergarbeiterkonferenz in Halle: Kampfprogramm der Metall- und Bergarbeiter Deut-schlands gegen die Remilitarisierung und gegen den Schumanplan
23. Juli: Entschließung der gesamtdeutschen Konferenz der Eisenbahner, der Verkehrs-, Transport- und Hafenarbeiter in Eisenach: „Verhindert den Transport von USA-Kriegsmaterial!“
15. September und 10. Oktober: Regierungserklärung und Appell der Volkskammer der DDR an den Bundestag und an alle Deutschen für gesamtdeutsche Beratungen und freie Wahlen für eine Nationalversammlung
20. Oktober: Entschließung des ZK der SED für Verstärkung der Anstrengungen zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands
31. Oktober: Gesetz über den Fünfjahrplan (1951-1955) für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR
2. November: Regierungserklärung der DDR für die Durchführung gesamtdeutscher Beratungen
20. November: Vorschlag des Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck an den westdeutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss für ein Treffen zur Erörterung von Fragen der deutschen Einheit
11. Dezember: Erklärung der Regierungsdelegation der DDR vor dem zweiten politischen Ausschuss der UN-Vollversammlung in Paris

1952
9. Januar: Volkskammer der DDR billigt Gesetz über die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen zur Nationalversammlung
19. Januar: Gesamtdeutsche Bergarbeiterkonferenz in Essen
31. Januar/1. Februar: Gesamtdeutsche Konferenz der Kulturschaffenden in Berlin
19. März: Deutscher Volksrat verabschiedet Verfassung für eine Deutsche Demokratische Republik
24. März: Brief des ZK der SED an den Parteivorstand der SPD: „Für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands“
17. April: Ministerrat der DDR „Erklärung an das deutsche Volk zum Kampf gegen den Generalkriegsvertrag, für einen Friedensvertrag und die Wiedervereinigung durch freie Wahlen“
17. Mai: Protest-Massenkundgebung Hunderttausender Werktätiger in Berlin gegen die blutigen Ausschreitungen der Adenauer-Polizei anlässlich der Jugenddemonstration in Essen am 11. Mai 1952
21. Mai: Aufruf des Nationalrats der Nationalen Front „An alle deutschen Patrioten zum nationalen Volkswiderstand gegen den Generalkriegsvertrag (EVG) der Westmächte“
10. Mai: Gründung des Deutschen Friedenskomitees
15. bis 16. Mai: Wahlen zum III. Deutschen Volkskongreß in der SBZ und dem sowjetischen Sektor Berlins
23./24. Mai: Prozess gegen die Burianeck-Bande wegen Verbrechen gegen die Bevölkerung der DDR
13. Juni: Protest des Demokratischen Blocks gegen die Unterzeichnung der Kriegsverträge von Bonn und Paris am 26./27. Mai durch Adenauer
1954
29. November bis 2. Dezember 1954: „Moskauer Konferenz europäischer Länder zur Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit in Europa“

1955
11. bis 14. Mai: 2. Konferenz Europäischer Länder zur Gewährleistung des Friedens und die Sicherheit in Europa
18. bis 23. Juli: Genfer Konferenz der Regierungschefs der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs
9. bis 13. September: Verhandlungen und Vereinbarung über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Regierungsdelegationen der UdSSR und der BRD
17. bis 20. September: Gespräche zwischen der Regierung der UdSSR und der Regierung der DDR. Vereinbarung über „Vertrag über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“
22. September: Adenauer-Regierungserklärung über Moskauer Verhandlungen: BRD hält „Alleinvertretungsanspruch“ für das ganze deutsche Volk aufrecht. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur DDR durch dritte Staaten (außer der SU) wird als feindlicher Akt bewertet
23. September: Der Bonner Bundestag billigt die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der UdSSR und Westdeutschland
24. September: Das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR billigt die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der UdSSR und Westdeutschland und verkündet einen entsprechenden Erlass
29. September: Billigung des Vertrags zwischen UdSSR und DDR durch die Volkskammer der DDR
27. Oktober bis 16. November: Außenministerkonferenz der vier Siegermächte in Genf

1956
14. bis 25. Februar: XX. Parteitag der KPdSU


Deutsches Kulturerbe, nationale Würde des deutschen Volkes, Nationalgefühl –
Demokratisches, internationalistisches, sozialistisches Kulturverständnis?

In der Entschließung „Die Nationale Front des demokratischen Deutschlands und die SED“ wird die Kulturpolitik der westlichen Großmächte und der Adenauer-Regierung als „Zerstörung deutschen Kulturgutes“ angeprangert. Völlig klassenunspezifisch werden die „deutsche nationale Kultur“ angepriesen und verheerende nationalistische Schlussfolgerungen gezogen: „Auch die Grundlagen der deutschen nationalen Kultur werden untergraben. Statt die von Hitler degradierte deutsche Kultur demokratisch zu erneuern und zu fördern, wird in Westdeutschland eine Politik durchgeführt, die zur Massenarbeitslosigkeit der Geistesschaffenden, zur Schließung der Theater und zur Überschwemmung Westdeutschlands mit flachen, banalen und minderwertigen amerikanischen Büchern und Filmen führt. Die klassische deutsche Musik und die Musik unseres Volkes wird durch den Radau sogenannter Jazzkapellen verdrängt. (Das ist angelehnt an die rassistische Diktion der NS-Propaganda in den zwanziger und dreißiger Jahren gegen amerikanische Kultur.) Das jahrhundertalte, hochentwickelte deutsche Kulturerbe soll zerstört werden. Gleichzeitig wird in Deutschland die antinationale unwissenschaftliche Theorie des Kosmopolitismus des Weltbürgertums, der `Vereinigten Staaten von Europa‘ der Geist des Fatalismus und Pessimismus verbreitet. Dies soll zur Unterdrückung und Vernichtung der nationalen Würde des deutschen Volkes zur Liquidierung des Widerstandes der deutschen Nation gegen die amerikanischen imperialistischen Sklavenherren führen. Die Verteidiger der Idee der Weltherrschaft der USA wollen das Nationalgefühl und die Würde des deutschen Volkes in den Schmutz treten, des Volkes, das Luther (Antisemit! TA) und … Goethe (Kriegsverherrlicher! TA)…..hervorgebracht hat.“
Das ist ein völlig schräger „Antiimperialismus“ begründet mit chauvinistischer Überhöhung deutscher Kultur anstatt den proletarischen Internationalismus zu propagieren. „SED Dokumente“, Bd. II, S. 337