NAZIS STAATLICH UNTERSTÜTZT. Rassismus & Faschisierung gehen vom Staat aus!

Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat werden von 2000 bis 2006 in Deutschland, „von Mördern mitten unter uns“, an ihren Arbeitsplätzen, am helllichten Tag hingerichtet. [1] Täter war die NSU-Naziorganisation, die eine Blutspur durchs Land zog und bis 2011 unerkannt blieb. 
Nachdem die NSU-Nazibande „aufflog“, kommen immer mehr ungeheuerliche Fakten, Hintergründe und Widersprüche ans Licht. Demokratische Medien und Journalisten, antifaschistische, antirassistische Gruppen, Initiativen und Organisationen decken immer neue Skandale des „Versagens“ der staatlichen Behörden auf. Der bürgerliche Staat und seine zuständigen Institutionen geraten in Zugzwang und geben jeweils nur so viele Informationen zu, wie bereits bekannt sind. Sie sind in der Defensive und starten immer neue Ablenkungsmanöver. Sie hoffen auf einen endgültigen Schlussstrich durch den voraussichtlich am 06. Mai beginnenden NSU-Prozess in München.


[1]     Am 25. April 2007 wird die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn vom NSU ermordet. Das 10. Opfer. Der Hintergrund dieser Mordtat ist nicht geklärt.

 

Für alle AntifaschistInnen, auch für uns, ist es schwierig die vielen unterschiedlichen Informationen und Fakten auszuwerten, die immer noch offenen und neu auftauchenden Fragen zu beantworten, und zu einem Mosaik zusammenzusetzen. Zu einem Mosaik der Verantwortung und Täterschaft des Staates. Wir werden uns in diesem Artikel auf diese Frage konzentrieren. 

9 Nazi-Morde an Migranten … Bombenanschläge & keine Täter? 
aber rassistische Ermittlungen!

Die Mordserie begann 2000, und nach jedem neuen Mord, über all die Jahre bis 2006, ermittelten Polizei, sieben Sonderkommissionen, zeitweise angeblich über 160 Beamte nach „dem Täter“. Neun Menschen werden über Jahre hinweg in ihren Läden bzw. an ihren Arbeitsplätzen, in verschiedenen Städten gezielt hingerichtet. Es wird immer dieselbe Mordwaffe benutzt. Für die Ermittler sind die entscheidenden Gemeinsamkeiten der Opfer deren Beruf und Nationalität. Sie sind im Behördendeutsch „türkische, ausländische Kleinunternehmer“. Wo suchte die Kripo von Anfang „den Täter“? Im unmittelbaren Umfeld der jeweiligen Familien und Verwandten der Opfer und in der türkisch/kurdischen Community. Bzw. werden die  Opfer zu Tätern erklärt und ihre Familien zu Mitwissern und Mitschuldigen.

Die Vorgehensweise ist ‚klassisch’ rassistisch: „Türkische Opfer = Türkische Täter.“ Das ganze „Erfahrungswissen“ von ‚Profilern‘ und über 160 Ermittlungsbeamten hat sich darauf beschränkt. Die Richtung war eindeutig vorgegeben: „Drogenmafia”, „Schutzgeld”, „Ehrenmorde“ oder „Geldwäsche”, „interne Strafaktionen im Bereich organisierte Kriminalität”. Die Münchner Abendzeitung titelte nach dem Mord an Theodoros Boulgarides am 15. Juni 2005: „Eiskalt hingerichtet – das siebte Opfer. Türken-Mafia schlug wieder zu”.

Von Politikern, Polizei und Medien werden übelste zynische Begriffe und die Opfer verhöhnende Schlagworte wie „Dönermorde” und „Döner-Killer“ geprägt. Dementsprechend eingleisig laufen die Ermittlungen.Laut Wikipedia fragte das BKA (Bundeskriminalamt) schon 2004 „in der Schweiz zwar nach der eher seltenen Munition und nach Schalldämpfern, nicht aber nach der Tatwaffe an, wobei allerdings nach türkischen Käufern gesucht wurde.” [1]

Das waren die angeblich heißen ‚Spuren‘... die auf rein rassistischen Vorurteilen und Spekulationen beruhten. Sonderkommissionen, die angeblich die Täter ermitteln sollten, werden „Soko Halbmond“ und „Soko Bosporus” genannt. Diese greifen zu perfiden Ermittlungsmethoden gegen die Familien: „In diese Richtung (Mafia, Drogen etc.) ermittelnd, habe die bayerische Polizei in Nürnberg auch eine als Journalistin getarnte Polizistin unter Migranten eingesetzt.“ [2]

War das alles bewusste Täuschung? Gab es nicht ein Interesse, von „unterschiedlichen Kreisen“ an solchen Morden? Wurde während dieser Mordserie nicht bewusst von Staat, Regierung und Medien eine Atmosphäre in der Gesellschaft weiter aufgeheizt, die seit Jahrzehnten angefacht wird: Herabwürdigung, Diskriminierung, Ausgrenzung, Stigmatisierung von MigrantInnen, von Flüchtlingen, von Menschen „nichtdeutscher Herkunft“ auf allen Ebenen?

Da spielt es auch überhaupt keine Rolle, ob das in der BRD geborene Kinder von Einwanderern, ob das MigrantInnen mit deutschem Pass, ob das Flüchtlinge sind, die den Kriegen und dem Elend in ihren Länder zu entkommen versuchen.

Die Familien der Mordopfer werden terrorisiert! Obwohl es keinerlei Berührungspunkte zwischen den Opfern gibt, werden absurde Konstruktionen entwickelt. Frau Kubaşık berichtet auf einer Veranstaltung in Berlin: „Ein Opfer, Ismail Yasar aus Nürnberg stammt aus Urfa, mein Mann hat in Urfa seinen Militärdienst abgeleistet, da wollten sie unbedingt eine Verbindung  zwischen den Männern nachweisen. Das war absurd.“ Verdeckte Ermittler werden als angebliche Privatdetektive eingesetzt. Bis 2011 liefen Abhöraktionen, nicht endende Verhöre, Hausdurchsuchungen, Befragungen von Nachbarn und Verdächtigungen gegen Familienangehörige, Frauen und Kinder.

Familien und überlebende Opfer benennen die Mörder – Indizien gab es genug!

Familienangehörige der Ermordeten haben immer wieder beteuert, die Täter sind nicht in ihrem Umfeld zu suchen, sondern diese Mordtaten haben etwas mit „Fremdenfeindlichkeit”, „Ausländerhass“, ja mit Rassismus zu tun. Semiya Şimşek, Tochter von Mehmet Şimşek: „Es waren 9 Opfer mit Migrationshintergrund, das ist doch schon eine Botschaft.“ Am 6. Mai, einen Monat nach dem Mord an Halil Yozgat in Kassel erheben Angehörige von Opfern erstmals in einer Demonstration ihre Stimme: „Kein 10. Opfer! – Stoppt die Mörder”. Über 2 000 Menschen, überwiegend MigrantInnen ziehen durch die Kasseler Innenstadt. Angehörige, Familien, FreundInnen und wohl auch einige wenige Vereine klagen an. Am 11. Juni 2006 organisiert Familie Kubaşık im Gedenken an Mehmet Kubaşık einen Schweigemarsch in Dortmund. Staat und Polizei sollen endlich handeln. Sie sollen nicht weiter zuschauen, wie ein Migrant nach dem anderen hingerichtet wird. Rassismus als „Ausländerfeindlichkeit“ und Diskriminierung wird thematisiert. Zu diesem Zeitpunkt sind neun Migranten ermordet. Aber der deutsche Staat ermittelt ungerührt weiter in andere Richtungen. Die Hilfeschreie und die Anklagen der Angehörigen werden ignoriert. Sie selbst weiter bewusst stigmatisiert. [3]

Existierten für diese richtigen Verdachtsmomente der Angehörigen auf faschistische Mordmotive noch weitere Indizien oder gar Beweise?

Auf jeden Fall. Wir greifen vier Beispiele heraus:

Nagel-Bombenattentat in der Keupstraße, Köln 2004. Am 10. Juni, unmittelbar nach dem Anschlag, bevor dem Beginn von Ermittlungen, traten Bundes-Innenminister Schily und NRW-Innenminister Behrens gemeinsam vor die Presse. Sie erklärten „fremdenfeindliche Hintergründe“ liegen nicht vor.

Anwohner und Betroffene sahen das ganz anders: „Als wir von der Nagelbombe erfuhren, war uns sofort klar, dass es sich bei dem Anschlag weder um Schutzgeld, noch um Drogengeschäfte … handeln konnte. Es war so einfach zu sehen, dass das Motiv politisch, ja rassistisch war. Bei der Polizei hieß es, es werde nicht im rechten Milieu ermittelt, denn die Neonazis würden nicht so drastisch vorgehen.“ (Kutlu Yurtseven, Sänger von Microphone Mafia, damals Anwohner der Keupstraße) Alle berechtigten Hinweise wurden von den Ermittlern als Spekulation abgetan.

Was folgte? Bereits am Abend des Anschlages wurden die Telefone der AnwohnerInnen angezapft und abgehört.

Dabei gab es eine Reihe von eindeutigen Spuren, die in die Nazi-Richtung wiesen! Beide NSU-Mörder werden am Tattag, kurz vor dem Anschlag von einer Überwachungskamera gefilmt. Man erkennt auf den Aufnahmen wie Böhnhardt das Fahrrad mit der Nagelbombe vor den Friseurladen in der Keupstraße schiebt. Es folgt Mundlos mit zwei Fahrrädern. Auch wenn Böhnhardt seine Kappe tief ins Gesicht gezogen hat, sind zwei ca. 30-jährige Männer, „mitteleuropäischer Herkunft“, relativ gut zu erkennen. Zeugenaussagen bestätigen, dass es sich um den Mann handelte, der das Fahrrad in der Keupstraße abgestellt hatte.

Die Ermittler: „Er konnte nicht identifiziert werden.“ Ja, natürlich, denn es wurde auch nicht nach ihm gesucht. Sondern nach der Mafia – die kommt nicht per Fahrrad! Ein Abgleich mit den Fotos untergetauchter Nazis hätte die Täter herausgefiltert. Wahrscheinlich weitere Morde verhindert? Das war aber offenbar politisch nicht gewollt.

Nach dem Mord an İsmail Yaşar, 9. Juni 2005, dem fünften Opfer der Nazi-Mordserie in Nürnberg wurden Phantombilder von zwei Verdächtigen erstellt. Verschiedenen Zeugen waren zwei Radfahrer aufgefallen, zum einen in der Nähe des Tatorts, wo sie eine Karte studierten, und zum anderen, ebenfalls nicht weit entfernt vom Tatort, als sie die Fahrräder in einen dunklen Lieferwagen mit abgetönten Scheiben luden. Die Ähnlichkeit eines Mannes mit den Bildern der Überwachungskamera in Köln wurde festgestellt.

Am 11. Juni 2005 wird Theodoros Boulgarides in München umgebracht. Sein Bruder Gavriil Voulgaridis sowie seine Familie werden von den Ermittlern ebenfalls verdächtigt. Gavriil berichtet: „Die haben mich dann zum Schluss gefragt, was denken Sie denn endlich, wenn Sie schon nicht Ihren Mund aufmachen. Dann habe ich zu denen gesagt, das war für mich ein ausgetickter Nazi, der durch die Lande reist und die Leute runterstreckt.“ [4]

Einer Zeugin in Dortmund fallen am 4. April 2006 mittags zwei Männer vor dem Geschäft von Mehmet Kubaşık auf. Eine halbe Stunde später wird er ermordet.

In den Ermittlungsakten wird aus dem Vernehmungsprotokoll zitiert: „Zwei Männer, blond, deutsch aussehend, wie Junkis und etwas heruntergekommen. Sie hatten ein Fahrrad.“ Auf die Frage: „Warum wie Junkis?“ antwortet die Zeugin: „Weil sie nervös und hippelig waren. Einer hatte einen aggressiven und bösen Blick. Ja, wie Nazis.“ Im Abschlussvermerk der Polizeibehörde fehlt genau dieser Nazi-Hinweis der Zeugin!!

Gamze, Mehmet Kubaşıks Tochter: „Das war der erste Gedanke. Das muss einen rechtsradikalen Hintergrund haben. Nichts anderes kann ich mir vorstellen.“

Nur zwei Tage später wird in Kassel Halit Yozgat am 6. April 2006 in seinem Internet-Cafe hingerichtet. Fünf Personen waren zum Tatzeitpunkt in dem Laden. Nach der fünften Person wurde zwei Wochen lang gefahndet.

Dann fanden die Ermittler heraus, dass es sich um den Beamten Andreas Temme, V-Mann-„Führer” des hessischen Verfassungsschutzes handelte. Im Wohnumfeld und unter seinen Kollegen hat er aufgrund seiner politischen Meinung den Beinamen „Klein Adolf“.

Innenminister Bouffier, (heutiger Ministerpräsident) wie Ministerpräsident Roland Koch, (heute Vorstandsvorsitzender Baukonzern Bilfinger) von Hessen verweigerten Angaben über die von Temme geführten V-Männer. Mit dem zynischen Argument, es bestehe ansonsten die Gefahr des Auffliegens dieser „wertvollen Quellen“. Und was sei schon ein einzelner Mord, gegen die Gefährdung des Staatsschutzes durch Offenlegung staatlicher Geheiminformationen?

Grotesk sind die Aussagen des Verfassungsschutz Beamten Temmes selbst über den Tatzeitraum des Mordes. Er leidet angeblich unter vollständigem Gedächtnisverlust. Er kann und will sich an nichts erinnern. Einer der von Temme geführten V-Männer, Benjamin G. hat direkte Kontakte zur NSU-Organisation Blood & Honour.

Fazit: Bei allen Morden traten Böhnhardt und Mundlos unmaskiert und nur mit Käppis verdeckt auf. Sie wurden von etlichen ZeugInnen an unterschiedlichen Tatorten gleich beschrieben: als zwei „deutsch aussehende” Männer, die mit Rucksäcken und Fahrrädern unterwegs waren. Es gibt Phantombilder und Film/Bildmaterial.

Auch die Tatorte sprechen eine klare Sprache: Bevorzugte Tatorte sind die von der Nazi-Szene gefeierten „Führerstädte“ München 2 Morde und Nürnberg 3 Morde.

Sowohl in München und Nürnberg aber auch in allen weiteren Tatstädten gibt es eine funktionierende „Nazi-Infrastruktur”. Zum Beispiel in Kassel, „Freier Widerstand Kassel“, und die „Kameradschaft Sturm 18“; in Dortmund, der „Nationale Widerstand Dortmund“, in Nürnberg die „Fränkische Aktionsfront“, usw. Verfassungsschutz-Beamte wie Temme sind direkt in die Nazi-Morde involviert.

Aber das alles waren für die Ermittler angeblich keine Spuren!! Die Aufklärungsquote für Mord liegt in der BRD bei 97 Prozent. Die NSU-Mordserie fällt unter die 3 Prozent nicht aufgeklärten Fällen!

Erst im Sommer 2006 nach den letzten beiden Hinrichtungen, wurde, laut BKA vage auch eine zweite Spur verfolgt. Gesucht wurde nun auch nach einem „rassistisch motivierten Einzeltäter, einem 25- bis 45-jährigen Deutschen, einem Serienmörder, der seine Opfer nicht kannte und sie zufällig auswählte“.

Aber die rassistischen Spekulationen, die Schikanen gegen die Angehörigen und die Verunglimpfung der Opfer liefen unvermindert weiter. In dem europäischen Wettskandal von 2009 wurden die NSU-Morde der Türkischen Wettmafia angedichtet. Im Februar 2011 tischte der Spiegel eine krude Verschwörungstheorie auf, die den tiefen türkischen Staat, die Grauen Wölfe und Ergenekon als Täter aufbot.

In der ARD Radiosendung vom April 2010: „Auf der Suche nach dem ‚Dönerkiller’“, obwohl dort auch Semiya Şimşek zu Wort kommt, schließt die „Erzählerin“ mit den Worten: „300 000 Euro sind für den entscheidenden Tipp geboten – so viel wie seit den Zeiten der RAF nicht mehr. Und doch ... kein Hinweis ... auch nicht aus dem türkischen Umfeld. Aus Angst? (vor Drogenmafia, PKK-Terror? TA-Redaktion) Oder alles schon vergangen und vergessen? Kein Interesse? Oder einfach nur Distanz? Vielleicht wissen sie ja tatsächlich nichts zu sagen. Weil es nichts zu wissen gibt.“

Ja, aus dem „türkischen Umfeld“ – was für ein Begriff – gab es tatsächlich nichts zu sagen. Die Täter waren deutsche Nazis!

Auf eine kleine Anfrage 2006 der Linken im Bundestag zu der Mordserie antwortete die Bundesregierung lapidar, „sie sei dafür nicht zuständig“.

Für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stand in diesem Zeitraum die Bekämpfung des islamischen Terrors im „Zentrum seiner Tätigkeit“. Das BfV hat „Anhaltspunkte für Rechtsterrorismus“ ausdrücklich ausgeschlossen.

Ob zur bewussten Deckung der Nazimörder oder zur rassistischen Hetze, durch das Legen falscher Fährten, „wie interne Ausländerfehde“ haben die Staatssicherheitsbehörden die Täter unter MigrantInnen, ja direkt im Umfeld der Familien ausgemacht!

Das ist der institutionelle Rassismus des Staates BRD! MigrantInnen, Flüchtlinge werden als „kriminelle Ausländer” an den Pranger gestellt, um den deutschen Nationalismus, Chauvinismus und Rassismus zu schüren. MigrantInnen sind zweifache Opfer dieser Politik des Staats.

Neun Migranten werden von Nazi-Banden, deren Strukturen vom Staat mit aufgebaut, gefördert und unterstützt wurden, ermordet. Staat und Nazis sind auch hier Hand in Hand zusammen vorgegangen!

Dubioses Auffliegen der NSU-Mördertruppe

Laut offizieller Lesart haben zwei NSU-ler, Böhnhardt und Mundlos, am 4. November 2011 eine Sparkassenfiliale in Eisenach überfallen. Zwei Stunden später näherten sich zwei von einem Passanten informierte Polizisten einem verdächtigen Wohnmobil, hörten zwei knallartige Geräusche und gingen in Deckung. Kurz danach geriet das Fahrzeug in Brand. Die beiden Leichen wurden im Inneren aufgefunden. Dabei wurden auch mehrere Waffen gefunden. Laut Staatsanwaltschaft Meinigen haben die Obduktionen ergeben, dass beide sich jeweils selbst getötet haben. Laut BKA und Polizeidirektion Gera erschoss Mundlos erst Böhnhardt und dann sich selbst. Schon hier gibt es zwei verschiedene Versionen!

Am selben Tag löst Zschäpe eine Explosion und einen Brand in dem Wohnhaus der NSU-Truppe in Zwickau (Sachsen) aus. Dort hatten die beiden Nazis zusammen mit Zschäpe gewohnt. Am 9. November stellte sich Zschäpe der Polizei. Laut „Berliner Zeitung”, fanden Beratungen zu diesen Vorgängen bevor der Bekanntgabe der Verhaftung Zschäpes im Bundeskanzleramt statt.

Entsprechend berichtete die Deutsche Welle: „Unmittelbar nach dieser Sitzung soll Verfassungsschutzchef Heinz Fromm angeordnet haben, alle V-Mann-Akten im Bundesamt auf Informationen zu Mundlos, Böhnhardt und die dritte mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe zu prüfen. Am 10. November, einen Tag vor der Übernahme der Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft, sei dann im Bundesamt für Verfassungsschutz die Vernichtung von V-Mann-Akten angeordnet worden. (...) Jüngst kam ans Licht, dass die Verfassungsschützer nicht nur am 11. November, sondern auch zwei Tage später wichtige Akten vernichteten. Immer stärker wird der Verdacht, dass die Verfassungshüter etwas vertuschen wollten.” (14./15.07.2012, www.dw.de/zähe-aufklärung-der-neonazi-morde/a-16097454) Es handelte sich um die zuvor vom Generalbundesanwalt angeforderten Akten zur Operation Rennsteig. Bei der Operation Rennsteig handelte es sich um eine „Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit der rechtsextremen Gruppe Thüringer Heimatschutz, aus der der NSU hervorgegangen sein soll“. Anschließend wurde die Aktenvernichtung vom Referatsleiter auf den Januar 2011 zurückdatiert.

Am 11. November informierte die Staatsanwaltschaft über den Fund der Tatwaffe, der Ceska, mit der neun Migranten hingerichtet wurden, in den Trümmern der Wohnung in Zwickau.

Die Herrschenden haben höchst wahrscheinlich bei den Beratungen im Kanzleramt ihre Strategie festgelegt, wie sie mit den Vorfällen umgehen werden. Am 17. November 2011 trat Generalbundesanwalt Harald Range sein Amt neu an und erklärte, noch bevor irgendetwas untersucht oder recherchiert worden war, es liegen keine Anhaltspunkte für eine „Zusammenarbeit des Verfassungsschutz mit den Neonazis“ vor, denen bisher zehn Morde zur Last gelegt werden. (Siehe 18. Nov. 2011, FAZ, junge Welt u.a.) Ein Beweis mehr, der Staat hatte große Eile und Mühe die Beziehungen seiner Behörden mit den Nazis zu verdecken. „Bereits gut eine Stunde nach der Explosion (des Wohnhauses in Zwickau) versucht jemand von einer Handynummer, angemeldet auf das sächsische Staatsministerium des Inneren, Zschäpe anzurufen.“ (Baumgärtner/Böttcher, „Das Zwickauer Terror-Trio“, S. 205) Das sächsische Innenministerium sagte zwar eine umfassende Aufklärung zu, blieb jedoch bis heute eine Antwort schuldig. Zschäpe war nachweislich über den Tod ihrer beiden Kumpanen informiert, bevor die Medien im Netz darüber berichteten.  Das alle sind ungeklärte Fakten.

Aber sie werfen viele Fragen auf: Wurde der die NSU vom Staatsschutz so zum Auffliegen gebracht? Welche Gründe könnten da eine Rolle gespielt haben? Welche Beziehungen gab es zwischen den drei Nazis, dem NSU und dem Verfassungsschutz? Welche Rivalitäten gab es zwischen den verschiedenen „Diensten“ oder innerhalb dieser Behörden: BfV, LfV, BKA, LKAs und der MAD [5]. Oder hatte der NSU seine Dienste für den Staat erledigt, war nicht mehr zu kontrollieren und musste deswegen ausgelöscht werden? Fragen über Fragen.

Nach dem Auffliegen des NSU hagelte es nur so von absurden Rechtfertigungsmustern von Politikern und zuständigen Behörden. Innenminister Friedrich beklagt,  der NSU habe agiert „ohne mit Selbstbezichtigungen in Erscheinung zu treten oder sonst eine rechtsextremistische Motivation der Gewalttaten erkennen zu lassen.“ (Verfassungsschutzbericht 2011, Kapitel Rechtsextremismus, S. 55) Wie selbst entlarvend! Neun hingerichtete Migranten und Friedrich erkennt keine Motivation. Er beschwert sich sozusagen bei dem NSU, warum es kein Bekennerschreiben gab. [6] Ein Bekennerlied kursierte auf Konzerten und im Netz …

Eine andere mögliche Version ist, dass das Auffliegen des NSU nicht beabsichtigt war und bei Beratungen im Kanzleramt wurde entschieden, den Schaden möglichst gering zu halten. Parallel dazu sollten neue Gesetze und „Sicherheits”maßnahmen, der Repressionsapparat gestärkt und die innere Faschisierung voran getrieben werden. Alles unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Extremismus.

Rückblick: „Einheit Deutschlands“
Nazi-Mob wütet - Anfänge des Nazi-NSU

Nach dem Mauerfall 1989 und dem Verschlucken der DDR stellte das erstarkte Deutschland neue Weichen. Die Fesseln, die die alliierten Siegermächte dem Expansionsdrang des deutschen Imperialismus nach der Nazi-Barbarei angelegt hatten, wurden schnell abgestreift. Deutschland stieg wieder in die Kampfarena der Großmächte. Parallel dazu trieb die Kohlregierung im Inneren die Hetze gegen Flüchtlinge und Migranten voran. Bis das Asylrecht 1993 mit einer Mehrheit im Bundestag faktisch abgeschafft wurde. Die Verunsicherung und Orientierungslosigkeit dieser Nachwendejahre unter der ehemaligen DDR Bevölkerung führte dazu, dass westdeutsche Nazis unterstützt und finanziert vom Sicherheitsapparat, ungestört auf nationalistische Propaganda- und Organisierungstour gingen.

Mit der entsprechenden Pädagogik dieser Jahre, „akzeptierende Jugendarbeit“ wurden Nazivereinen Gebäude und Mittel zur Verfügung gestellt. Ungestört konnten Nazis in dieser Zeit ihre Strukturen und Kameradschaften aufbauen, Jagd auf ehemalige ‚VertragsarbeiterInnen‘ der DDR, vor allem Menschen aus Mosambik und Vietnam machen, Flüchtlingsheime und Häuser von Migranten in Brand stecken, und Menschen, die nicht in ihr braunes Menschenbild passten, „aufklatschen“.

Aber nicht nur im Osten. Auch im Westen, angestachelt durch den „Deutsche Einheit-Nationalismus“ gingen Nazi-Banden zu Angriffen und Pogromen gegen Migranten über.

Die schreckliche Bilanz: Hoyerswerda September 1991, Rostock-Lichtenhagen August 1992, Mölln November 1992 und Mai 1993, Solingen Mai 1993, Magdeburg 1994, Lübeck Januar 1996, Düsseldorf Juli 2000. Bombenanschläge, Morde und Angriffe gegen MigrantInnen. Laut Amadeu-Antonio-Stiftung wurden seit 1990 bis heute über 200 Menschen in Deutschland aus rassistisch-faschistischen Motiven ermordet. Die Schätzungen gehen bis zu 250 Ermordeten.

Der BRD-Verfassungsschutz hat gezielt mit Staatsknete und V-Leuten, eine Naziszene und Struktur im Westen wie im Osten aufgebaut. Z.B. mit dem Thüringischen Verfassungsschutz Chef Roewer, der mit den Faschisten zusammenarbeitete. Zschäpe, Böhnhardt, und Mundlos sind seit den 1990er Jahren aktiv im Nazi-Milieu unterwegs. Sie gehörten mit Kapke, Wohlleben und Gerlach der Kameradschaft Jena, Sektion des „Thüringer Heimatschutzes“ an. Dieser wurde maßgeblich von dem stellvertretenden Vorsitzenden des NPD-Landesverbandes Thüringen, Tino Brandt aufgebaut. Dieser wiederum war 1994 bis zu seiner Aufdeckung im Jahr 2001 ein V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes, und wurde laut Medienrecherchen vom Verfassungsschutz  mit 200 000 DM finanziert, um seine Kameradschaft aufzubauen.

Der braune Terror war von der Politik gewollt und vom Sicherheitsapparat aufgebaut und gelenkt.

Bevor das NSU-Netzwerk zum perfiden Hinrichtungskommando wurde, konnte es sich vor den Augen der Polizei mit Unterstützung der Sicherheitsapparate und der Justiz seelenruhig zu Terroristen ausbilden. In dem Buch „Die Zelle – Rechter Terror in Deutschland“ kann jede/r nachlesen, wie die Nazis vor den Augen der Thüringer Polizei und unterstützt durch V-Leute der verschiedenen Verfassungsschutzämter sich an Waffen ausbildeten, Bomben in Garagen bauten, Anschläge damit verübten, Polizeifunk abhörten, Listen von allen Kennzeichen der Jenaer und Thüringer Zivilbullen besaßen. 1994 legen sie eine Bombenattrappe in ein Hochhaus in Jena-Lobeda, in das Migranten einziehen sollten. September 1995 Sprengstoffattrappe am Denkmal für die Opfer des Todesmarsches von Buchenwald.

Am 10.11.1995 explodiert ein Sprengsatz im Waschraum eines Heimes, in dem bosnische Kriegsflüchtlinge untergebracht sind. Eine erhängte Puppe mit Davidstern wird an einer Brücke der A4 angeknüpft. Briefbombenattrappen zum Jahreswechsel 1996/1997 an die Polizeidirektion Jena, Stadtverwaltung und Thüringische Landeszeitung. Bombenattrappenkoffer mit Hakenkreuz im Sommer 1997 im Bundesligastation vom FC Carl Zeiss Jena.

Am 21.04.1997 wird Böhnhardt zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Urteil wird nicht vollstreckt.

Justiz und Polizei lässt die Nazi-Terroristen walten und schalten wie sie wollen. Der Verfassungs-Schutz ist ihr Begleiter?!

Bei einer Razzia am 26.01.1998 in Wohnungen und angemieteten Garagen des NSU in Jena werden eine funktionsfähige Bombe und vier vorbereitete Bomben, sowie diverses Material für Anschläge von der Polizei ausgehoben. In Zschäpes Wohnung stoßen sie auf ein Waffenlager. Noch während dieser Funde bei den Durchsuchungen können Mundlos und Böhnhardt vor den Augen der Polizei seelenruhig davonziehen. Böhnhardt „geht zu seinem Auto, steigt ein, drückt das Gaspedal durch und rast davon. Die Polizisten gucken ihm hinterher, wie er aus der Garagenanlage an der Kläranlage herausfährt und das Gelände verlässt.“ Die Bombenwerkstatt gehört ganz zufällig einem Kriminalbeamten aus Jena, der sie Zschäpe angeblich für 70 DM vermietet haben soll.

Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt werden zur Fahndung ausgeschrieben. Bevor die Truppe laut offizieller Polizei-Informationen 1998 abtaucht, hat sie als Naziorganisation bereits ein langes Strafregister von faschistischen Anschlägen.

Die Haftbefehle gegen Zschäpe, Mundlos werden 2003, von Böhnhardt 2007 aufgehoben. Die Nazi-Terroristen werden darin bestärkt, dass sie vor Verfolgung geschützt sind.

Weitere Erkenntnisse bestätigen  unsere Mutmaßung, dass ihr Abtauchen in die Illegalität von Polizei und Justiz bewußt geplant oder zumindest eingefädelt und über die Jahre gedeckt wurde.

Denn was war das für eine eigenartige Illegalität: unterschiedliche Verfassungsschutzämter waren über ihren jeweiligen Aufenthalt durchaus informiert! Völlig unbehelligt tauchten die drei NSU-ler auf Nazi-Kundgebungen und -Versammlungen auf. Das belegt zum Beispiel ein Observationsfoto vom 15. Mai 2000 von einer Demonstration in Chemnitz, das in die Akten des Thüringer LKAs gelangte und ursprünglich von Verfassungsschützern stammen soll. Oder im November 2009 bei der „Jahresabschluss“-Veranstaltung der „Freien Nationalisten“ in Köln. Da haben die drei Nazis, angereist aus Erfurt begeistert mit gefeiert. Unter den Augen der anwesenden V-Leute! Nach und nach tauchen immer mehr Fotos auf, wo sie bei Nazi-Aktionen offen herumspazieren.

Die Nazi-Truppe hat für die Mord- und Anschlagserie mehr als 60 Fahrzeuge auf unterschiedliche Tarnnamen, alle aus der Naziszene angemeldet. Bei 15 Banküberfällen wurden von Überwachungskameras gut erkennbare Bilder von beiden aufgenommen. Teilweise waren sie nur dilettantisch „verkleidet“. Dreizehn Jahre lang konnte die Polizei dieser ungeniert in Nazi-Kreisen und der Öffentlichkeit präsenten, angeblich untergetauchten Nazi-Bande, nicht habhaft werden?!

NSU-Naziorganisation oder „selbst aufgelöstes NSU-Trio?“

Zunächst sollte am 17. April 2013, jetzt auf den 06. Mai verschoben, der Staatsschutz-Prozess gegen das angeblich einzige, lebende Mitglied des NSU, B. Zschäpe und vier weitere Nazis als „mutmaßlichen Helfern des NSU“ vor dem Münchner Oberlandesgericht beginnen.

Die ganze terroristische Nazi-Bande soll nur aus drei Leuten, sowie 4 Unterstützern bestanden haben? Was für ein Hohn! Der Generalbundesanwalt geht nach wie vor von einer „terroristischen Kleinstzelle“ aus. Das Oberlandesgericht München, erklärte noch vor Prozessbeginn, es sei naheliegend, dass sich „der NSU durch den Tod von U. Böhnhardt und U. Mundlos selbst aufgelöst” habe. („Richter erklären NSU für aufgelöst“, Tagesschau.de)

Aufgrund der Unglaubwürdigkeit dieses Konstrukts sehen sich die„Sicherheitsbehörden“ zwar gezwungen, im März 2013 zu zugegeben, dass bislang 129 (!) Personen zum „Umfeld des NSU“ zu rechnen sind. Aber sie seien angeblich keine Mitglieder des NSU. Bis heute sind sie nicht angeklagt!

Im Bekenner-Video des NSU, das Zschäpe nach der Brandstiftung ihrer Wohnung, per Post versandte, findet sich auf einer Texttafel, das Selbstverständnis des NSU: „Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz – Taten statt Worte – Solange sich keine grundlegenden Änderungen in der Politik, Presse und Meinungsfreiheit vollziehen, werden die Aktivitäten weitergeführt.“ Der NSU selbst gibt sich als Organisation/Netzwerk und nicht als „NSU-Trio“ aus!

Bereits nach den ersten Anschlägen und Aktionen wird die verharmlosende Einschätzung vom BKA getroffen.  „Am 4. März 1999 habe aber das Bundeskriminalamt vermerkt: Für die Staatsanwaltschaft Gera handele es sich bei den dreien um ‘ein loses Geflecht von Einzeltätern’, die Straftaten ‘weder für noch im Namen bestimmter Gruppierungen’ begingen – keine terroristische Vereinigung.” („Neonazi-Terrortrio war stets auffindbar“, junge Welt, 28.11.2011)

Mit der Darstellung der NSU-Nazis als einer „Terror-Zelle“, die „unabhängig“ von anderen faschistischen Organisationen mordete, vor allem natürlich unabhängig und ohne Wissen von staatlichen Organisationen, werden die faschistischen Kräfte in zwei Kategorien geteilt. In eine ‚akzeptable’, die nicht bewaffnet kämpft und sich innerhalb des politischen Spektrums bewegt und in den „terroristischen“ NSU, der so „illegal“ war, dass niemand ihm auf die Spur kommen konnte.

Parallel dazu verdichten sich die konkreten Beweise, dass der NSU, wie wir und viele Antifaschisten nach Auffliegen des NSU einschätzten, eine faschistische Organisation mit sehr viel mehr Mitgliedern und ein umfangreiches Netzwerk ist. Ein Beispiel: Mundlos und Böhnhardt sollen nach ihrem letzten Banküberfall nicht nur zu zweit unterwegs gewesen sein. „Laut Funkzellenauswertung war der Nazi André K. [Kapke], in der Nähe. Die Berliner Zeitung dazu: In dieser Zeit, vermutlich in den 54 Minuten zwischen 13.26 und 14.20 Uhr, muss sie [Zschäpe] aus zuverlässiger Quelle vom Tod ihrer Freunde erfahren haben. Aber wie? Im Internet gab es bis dahin keine Meldung über die Vorgänge in Stregda. So bleibt nur eine Erklärung dafür, dass Zschäpe die Wohnung in Brand steckt, um alle Spuren zu vernichten: Eine vierte Person, die von den Geschehnissen aus erster Hand wusste, muss es ihr mitgeteilt haben.“ [7] Auch die Hinrichtungsmorde sind mit Sicherheit nicht nur das Werk von Mundlos und Böhnhardt. Sie konnten sich auf faschistische Netzwerke und Mittäter stützen, die sie logistisch, bei der Ausspähung der Tatorte und der Morde unterstützten bzw. direkt daran beteiligt waren.

Staatliche Ablenkungsmanöver

Regierung, bürgerliche Parteien und „Sicherheitsapparat“ haben von Anfang an versucht, die Verantwortung des Staates für den faschistischen Terror aus der Zielscheibe zu nehmen und den Fokus auf andere Themen zu lenken.

Die „Islamismus-Keule“: Nach den Anschlägen auf die Zwillingstürme am 11. September 2001 wird „der Islamismus“ als weltweiter Hauptfeind entdeckt. Die USA und die imperialistische Welt erklären den Taliban in Afghanistan und Al-Kaida den Krieg. Die Propagandamaschinerie wird gegen den Islam hochgefahren und hält bis heute an.

Auch in Deutschland werden Islam und islamistische Gruppen als Hauptbedrohung und als Hauptfeind der Bevölkerung jeden Tag aufs Neue präsentiert. Die Bombardierung der Zwillingstürme war im Rückblick ein Geschenk für den deutschen Imperialismus. Seit dieser Zeit kann er ungestört seinen Weltmachtsambitionen freien Lauf lassen. Deutschland ist heute in vielen Kriegen von Afghanistan bis Mali aktive kriegsführende Macht, bildet Polizei und Militär aus und ist Drittgrößter Waffenlieferant der Welt. Die deutschen Interessen werden heute an jedem Fleck der Erde verfolgt und durchgesetzt. Am deutschen Wesen darf die Welt wieder genesen. Schließlich sind wir Weltmeister im Export von Demokratie, Frauen- und Menschenrechten. Dieses Bild, mit dem sich Deutschland überall auf der Welt so gerne schmückt, durfte nicht durch rassistische Mordtaten eines NSU-Netzwerkes zerstört werden. Insofern ist es nur verständlich, dass auch die rot-grüne Regierung unter Schröder und Schily als Innenminister den Verdacht gegen Nazis von vornherein unterbanden. Von ganz oben wurde die Fährte gegen Migranten gelegt. Das war Staatsräson!

Während eine empörte Debatte über die Nazi-Morde nach dem Auffliegen der Täter begann, warnte Friedrich weiter „vor der Jungen Union-Garde davor, Deutschland befände sich ‚im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus’.” („Naziterror subventioniert”, junge Welt,  21.11.2011).

Um die dubiosen Geheimdienst-Szenarien, Verflechtungen, Verbindungen und Unterstützungen der Nazi-Netzwerke durch den Verfassungsschutz zuzudecken, wird seit Jahren ein Popanz erschaffen. Der „islamistische“ oder wahlweise „salafistische Terrorismus“. Bombenkoffer, deren Träger sich auf öffentlichen Überwachungskameras aufzeichnen lassen. Dilettantische Hetzvideos und Cihad-Aufruf, angeblich vorbereitete Anschläge … Hier sei die Frage gestattet, wem nutzten diese „islamistischen Aktivitäten“? Auch ein perfektes Ablenkungsmanöver? Oder wird hier gar, wie bei den Nazis eine Szene bewusst aufgeputscht?

In Düsseldorf und Stuttgart laufen aktuell „große Staatsschutzverfahren gegen Islamisten“. Mit einem ungeheuren Ermittlungsaufwand werden diese Prozesse durchgezogen. Wo war der bei den NSU-Morden?

Weiteres Ablenkungsmanöver ist die „Extremismus“-Theorie. Vereinfacht gesagt, gibt es „Linksextremismus” und „Rechtsextremismus”, die die „demokratische Ordnung” bedrohen. Zwischen beiden Extremen gibt es eine „Mitte der Gesellschaft”, die „Säule der Demokratie” ist. Entsprechend kämpft der Staat gegen den Extremismus, um die „Demokratie zu schützen”!

Sie wird intensiv in die Köpfe der Werktätigen gehämmert. „Rechtsextremismus und Linksextremismus“ werden als ein und dasselbe ausgegeben! Dabei werden Nazifaschisten mit Linken, Antifaschisten, Radikaldemokraten, Revolutionären und Kommunisten in einen Topf geworfen, auf eine Stufe gestellt. Gleichzeitig werden die faschistischen Täter als durchgeknallte Einzeltäter und Ausnahme klein geredet.

Deswegen gilt für diesen Staat und die Herrschenden „Der Feind steht links!” Die revolutionäre Linke wird als „Hauptbedrohung der Demokratie“ gegeißelt. Sie steht im Fokus staatlicher Verfolgung. Dadurch werden Erwartungen in den Staat gestärkt und seine Rolle bei der Förderung, Unterstützung und Organisierung der Nazis unter den Teppich gekehrt. Auch reformistische Linke sind von diesem Verständnis nicht frei! Es sind nur wenige revolutionäre Organisationen und Gruppen, die die Rolle des Staates hinterfragen, den Kampf gegen Faschisten und Faschismus als einen Kampf gegen das kapitalistische – imperialistische System führen.

Die Nazi-Banden werden systematisch verharmlost und als „Reservearmee“ in der Hinterhand gehalten. Sie sind ein Hilfs- und Stoßtrupp dieses Systems.

In der Praxis wird vom Staat gegen Antifaschisten, Revolutionär­Innen und KommunistInnen vorgegangen und die Faschisten werden gefördert! Für die Herrschenden stellen die Nazis keine wirkliche Bedrohung dar und sind keine Feinde des kapitalistischen Systems.

Es geht für den Staat und die Herrschenden darum, die Zügel der Nazi-Organisationen in der Hand zu halten, um sie in die für sie notwendige Richtung dirigieren zu können.

Ein Ergebnis dieser Realität ist, dass in den Verfassungsschutzberichten jahrelange verharmlost und geleugnet wurde, wie stark die faschistischen Organisationen und Netzwerke wirklich sind. Die Staatsbehörden haben Mordbereitschaft und Gewaltterror der Nazis bewusst ignoriert, geleugnet, ja, letztendlich verheimlicht. Trotz vieler entdeckter militärischer Ausrüstungen und Waffenlager der Nazis.

Vor allem trotz zahlreicher brutalster Angriffe auf Migranten, auf Antifaschisten, auf Linke, auf ihrem Weltbild nicht entsprechende Menschen, trotz Brandanschlägen und trotz der NSU-Mordserie. In der Tat verheimlichen die Staatsinstitutionen ihr eigenes, wahres Gesicht vor der Öffentlichkeit!

Verharmlosung faschistischer Ideologie & Rassismus regiert!

Diese Haltung des Staates, der Regierung und der Herrschenden erklärt, warum seit Jahrzehnten im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatten, nicht die Nazi-Gefahr für MigrantInnen und RevolutionärInnen, sondern die „Ausländerfrage”, die „Integrationsverweigerung der Türken und Araber”, der „Islamistische Terror”, die „Flüchtlingsschwemme“ oder das „SPD-Sarrazin Machwerk” steht! Das erklärt auch warum die „Sicherheits”behörden in den Mordfällen nicht gegen Nazis ermittelt haben. Darüber hinaus werden vom „Staatschutz“ oftmals die Anschläge von Faschisten auf jüdische Synagogen oder auf Denkmäler usw. zu Anschlägen von Antifaschisten umgedeutet.

Die Verharmlosung der Faschisten und ihrer rassistischen Ideologie beginnt schon bei den Begriffen. Die NSU-Mörder werden nicht beim Namen genannt: Der NSU bezieht sich ausdrücklich auf den Hitler-Faschismus, und stellt sich in die Tradition der NSDAP. Aber in den Medien, von den staatlichen Institutionen und bürgerlichen Politikern werden sie als „rechtsextrem” verharmlost. Es soll auf keinen Fall ein Zusammenhang mit dem „deutschen Nazi-Faschismus” hergestellt werden. Da ist das offizielle Deutschland sehr empfindlich. Auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof bezeichnet die „NSU als rechtsextremistische Gruppierung“, deren Zweck es gewesen sei, „aus einer fremden- und staatsfeindlichen Gesinnung heraus vor allem Mitbürger ausländischer Herkunft zu töten.” [8]

Ein anderes Ablenkungsmanöver ist die Debatte über das NPD Verbot! (Siehe hierzu unseren Artikel S. 21) Als die NSU-Truppe aufflog, wurde von bürgerlichen Parteien und der Politik die NPD Verbotsdebatte flugs wieder belebt.

So wird die Aufmerksamkeit der Werktätigen und die öffentliche Debatte auf die NPD fokussiert, um alle anderen faschistischen Organisationen aus der Zielscheibe zu nehmen. Der Staat will der Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit beweisen, dass sie gegen „Ausländerfeindlichkeit” etwas unternimmt!!? Damit das „demokratische“ Gesicht Deutschlands gewahrt wird.

Aus den NSU-Verbrechen wäre die einzig richtige demokratische Konsequenz, ein Verbot aller faschistischen Organisationen sofort umzusetzen.

Der herrschende Rassismus wird auch dem NSU Prozeß seinen Stempel aufdrücken. Auf die Frage „Inwieweit spielt das Verfahren eine Rolle für das internationale Ansehen Deutschlands?“ antwortet der OLG-Präsident Huber im Interview: „Das ist sicher eines der Probleme. Die Opfer sind ausländische Mitbürger“. (Merkur-online.de, Interview, 26.01.2013) 

Auch der bayerische Innenminister Hermann spricht munter weiter von den „ausländischen Mitbürgern“. Für Rassisten ist entscheidend, nicht in welchem Land Menschen leben, sondern welcher Herkunft sie sind, welche Hautfarbe sie haben, welcher Nation sie angehören.

Die Opfer waren Migranten bzw. Flüchtlinge, die in Deutschland leben. Aber Politiker und der Präsident des Münchener Gerichts stempeln sie ab als Bürger 2. Klasse, als „Ausländer“, die keine Bürger, sondern höchstens „Mit“bürger sein dürfen. Für Rassisten ist auch die „Blutsabstammung“ entscheidend, aber nicht die Staatsbürgerschaft. Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat zum Beispiel waren deutsche Staatsbürger.

Was sind die Ursachen? Seit seiner Existenz sind die Verharmlosung der faschistischen Ideologie und der Rassismus Teil der Staatsideologie des imperialistischen deutschen Staates. Letztendlich hält dieser Staat beide Herrschaftsformen der Bourgeoisie, die bürgerliche Demokratie und die faschistische Diktatur in der Hand. Eine Erwartung an diesen Staat, dass er den Faschismus oder die faschistische Ideologie bekämpfen würde, ist einer der größten Fehler, den linke, revolutionäre, antifaschistische Kräfte machen können.

Die Herrschenden, der Staat wissen was sie tun und was sie wollen! Wenn die Antifaschisten, RevolutionärInnen und KommunistInnen für ihre Ziele einen konsequenten Kampf führen, werden sie so oder so mit der Repression dieses Staates konfrontiert. Das ist A und O des Kampfes gegen Kapitalismus, Faschismus, Rassismus!

Betroffenheits- und Entschuldigungs-Ritual deutscher „Gedenkkultur“:

Nachdem die neun Migranten ermordet wurden, waren sie für Regierung, Staatsbehörden und Medien Kriminelle, im wahrsten Sinne des Wortes „wertlose” Wesen! Und als die Nazi-Täter aufflogen, war das offizielle Deutschland plötzlich „empört”, „entrüstet“, und „betroffen“! Und plötzlich wurden die „Dönermord”-Opfer und ihre jahrelange von den Ermittlern und der Medienmeute terrorisierten und rassistisch diskriminierten Familienangehörigen „entdeckt”! Aufgeregt wurde gefragt, wie konnten „Rechtsextreme“ so lange ungehindert durch deutsche Lande morden?

Ja, das Auffliegen des NSU war dann für viele Politiker, die dieses Land irgendwie und irgendwann geführt haben, eine „unglaubliche“ Tat! Wie verlogen, wenn das Leute, wie Ex-Innenminister von NRW Fritz Behrens (SPD) sind: „Als ich jetzt vom Verdacht gegen die mutmaßlichen Thüringer Rechtsterroristen erfahren habe, war ich fassungslos.” („Merkel: Auf dem rechten Auge nicht blind”, Junge Welt, 24.11.2011) Das ist derselbe Behrens von dem der Vorsitzende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, Edathy (SPD) berichtet, dass er am Tag des Anschlags in der Keupstraße nicht direkt zum Tatort kam, da er seinen Wohnungsumzug „nach Düsseldorf“ machte. Wenn es kein Anschlag auf Migrantinnen, sondern auf Deutsche gewesen wäre, dann wäre er sicher herbeigeeilt. Dieser Behrens erklärte damals, es gebe keinerlei Hinweise auf „ausländerfeindliche“ Motive!

Im Zentrum dieser „Empörung”, „Fassungslosigkeit” oder „Betroffenheit” des offiziellen Deutschlands steht nicht die Ermordung von neun Menschen, Migranten, sondern das Ansehen Deutschlands. Wie schon so oft, treten die Vertreter der Herrschenden wieder mit Krokodilstränen in den Augen in Aktion. Die alte Leier von der „Schande für Deutschland” wurde wieder abgespielt. Auch diesmal ist es für sie dringend notwendig, das Ansehen Deutschlands und das Vertrauen von MigrantInnen, nicht deutschen Staatsbürgern, in den Staat zu retten. Dafür haben sie ihre „Betroffenheits-Rituale“ durchgezogen!

Am 22. November 2011 debattierte der Bundestag über das Thema. Alle Parteien im Bundestag waren sich einig und haben erstmalig gemeinsam eine „Entschließung” verabschiedet. „Wir sind zutiefst beschämt, dass nach den ungeheuren Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes rechtsextremistische Ideologie in unserem Land eine blutige Spur unvorstellbarer Mordtaten hervorbringt. Wir erwarten, dass die Morde mit aller Konsequenz zügig aufgeklärt werden. Das sind wir den Opfern, ihren Familien und Freunden schuldig. Wir erwarten zugleich, dass Zusammenhänge dieser Mordtaten und ihr rechtsextremistisches Umfeld umfassend ermittelt und mögliche weitere ungeklärte Straftaten einbezogen werden.” (Entschließungsantrag 17/7771, 22.11.2011, www.betrifft-gesetze.de) Schöne Worte – aber die Taten die ihnen folgten, sprechen eine andere Sprache!

Ein vorläufiger „Schlussstrich” wurde mit dem Staatsakt, zu dem auch die Familien der Opfer eingeladen waren, am 23. Februar 2012 im Konzerthaus Gendarmenmarkt/Berlin gezogen. An diesem Tag wurde auch von den Arbeitgeberverbänden und den DGB-Gewerkschaften zu einer öffentlichen Schweigeminute als einer Gedenkaktion aufgerufen. Die Rede im Namen des Staates hat Bundeskanzlerin Merkel in Vertretung des zurückgetretenen Bundespräsidenten Wulff gehalten.

Vor mehr als 1200 TeilnehmerInnen war die „Mutter der Nation” am Werk. Sie sagte: „Bevor wir die alles überragenden Fragen ‚Wie konnte es geschehen?’, ‚Warum sind wir nicht früher aufmerksam geworden?’, ‚Warum konnten wir das nicht verhindern?’ beantworten bitte ich darum, dass wir schweigen.” („Wir sind ein Land, eine Gesellschaft”, FAZ, 23.02.2012, www.faz.net) Über die Wahrheit auf die von Merkel gestellten Fragen schweigen Regierung und die verantwortlichen Staatsinstitutionen bis heute. Merkel hat, wie sich das heute nun beweisen lässt, leere Versprechungen an einander gereiht: „Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.” (ebenda)

Die Tochter von Enver Şimşek, Semiya Şimşek hat in ihrer Rede kurz geschildert was der Umgang der Sicherheitsbehörden für ihre Familie und sie bedeutete (siehe Kasten S. 12).

Trotz der mutigen Reden von Angehörigen, die ihre Wünsche und Forderungen zur Sprache gebracht haben, blieb der Staatsakt ein Gipfel der Manipulation, und Versuch, die ‚Deutsche Gedenkkultur’ abzufeiern.

Von der Bundesregierung wurde Barbara John als Ombudsfrau beauftragt, sich für die Angehörigen einzusetzen. Auch wurde „Wiedergutmachung” versprochen. Vielen Angehörigen der Opfer wurde von heute auf morgen brutal ihre materielle Existenzgrundlage entzogen. Sie mussten nicht nur das Leid um den geliebten Menschen aushalten und nicht nur im Fadenkreuz der Ermittler stehen. Sie wurden zusätzlich mit Armut, Erniedrigungen und Demütigungen bestraft. Die Bundesregierung rühmt sich selbst, fast eine Million Euro seien an die Familien ausgezahlt. Aber diese Summe ist mickrig, im Vergleich zu dem Schaden, der den Familien zugefügt wurde. Im NSU-Prozess treten 71 Angehörige als Nebenkläger auf. Die Bundesregierung verweigerte den Angehörigen die Finanzierung von Unterkunft und Verdienstausfall für die Zeit des Prozesses. Sie sind auf die „Hilfe” der katholischen Kirche angewiesen. Das Erzbistum München stellt ein Haus für die Übernachtungen und 20 000 Euro für die ProzessteilnehmerInnen zur Verfügung.

Barbara John unterstützte die Forderung der Angehörigen für, „Gedenkorte, damit diese Verbrechen im kollektiven Gedächtnis bleiben.” In den Diskussionen über Erinnerungsorte für die Opfer wurde bekannt, dass eine „Gedenktafel” für die ermordete Polizistin Kiesewetter bereits schon in Heilbronn angebracht wurde. Welche Ungleichheit und welche Diskriminierung der Angehörigen? Für die getötete Polizistin, deren Rolle in dem ganzen Geschehen nicht aufgeklärt ist, wurde „automatisch” eine „Gedenktafel” angebracht. Aber für die ganz eindeutig, völlig unschuldigen Opfer mit migrantischer Herkunft müssen die Angehörigen aktiv Erinnerungsorte einfordern. Das ist das rassistische zweierlei Maß!

Lückenlose, umfassende Aufklärung?

„Wenn sich jemand über viele Jahre einer intensiven Fahndung entziehen kann, dann genießt er staatlichen Schutz.“ So wird Bruce Riedel, „Terrorexperte”, in der FAZ zitiert. Das trifft hundertprozentig auf die NSU-Naziorganisation zu. Sie hat sich offenbar nicht unter der Obhut oder unter den Augen, sondern mit aktiver „Mitarbeit“ von Polizei und Geheimdienst aufgebaut und entfaltet.

Vom Bundespräsidenten bis Bundeskanzlerin, von Bundesinnenminister bis zu den Innenministern der Länder wurde eine lückenlose Aufklärung versprochen.

Nicht um das wirklich zu tun. Sondern um die wirkliche Empörung von vielen Bürgern, und vor allem der Angehörigen der Migrantenopfer ein Ventil zu geben. So wie die Herrschenden, wenn sie von Frieden reden, in Wirklichkeit Krieg führen, so haben sie eine lückenlose Aufklärung versprochen, aber versuchen in Wirklichkeit mit aller Kraft diese zu verhindern. Das beweist der ganze Verlauf nach dem Auffliegen der NSU-Terrortruppe bis zum Prozessbeginn gegen die Nazi-NSU in München. Alle Staatsinstitutionen haben nichts aufgeklärt.

Im Gegenteil! Sie haben im großen Stil, ganz bewusst und gezielt, sich geradezu darin überboten, Fakten und Beweise zu vernichten, vertuschen, zu leugnen, zu lügen, verschwinden zu lassen…

Der „staatliche Schutz“, wir würden sagen die Zusammenarbeit zwischen Nazi-Organisationen und verschiedenen Geheimdiensten muss verheimlicht werden.

Wenn dann doch etwas Licht ins Dickicht dringt, wird von „Pannen”, „Versäumnissen”, „Fehlern”, „keinen vorsätzlichen Taten” oder gar von „normalen gesetzlichen Vorgängen”, so wie bei etlichen Aktenvernichtungen gesprochen.

Vier Untersuchungsausschüsse wurden gebildet, um die „Demokratie” der Herrschenden irgendwie zu retten: der Bundestags-Untersuchungsausschuss des Parlamentes, und drei Länder- Untersuchungsausschüsse in Thüringen, Sachsen und Bayern.

Zielsetzung: Der Bundestagsauschuss hat seine Arbeit am 9. Februar 2012 aufgenommen. Laut Vorsitzendem des Untersuchungsausschuss des Bundestages Edathy (SPD), sind die Aufgaben des Ausschusses: „Die Ausgangsfragen werden sein, was welche staatliche Einrichtung zu welchem Zeitpunkt wusste, wie der Informationsfluss lief und welche möglichen Fehlentscheidungen getroffen wurden. Aus den Antworten wird der Ausschuss ableiten, an welchen Stellschrauben man drehen muss, um die Sicherheitsarchitektur zu optimieren.” („Kein zahnloser Tiger”, Das Parlament, Nr. 5/6, 30. Januar 2012)

Schon in dieser Aufgabenbestimmung wird eine Antwort darauf gegeben, was es eigentlich mit den Versprechungen von der lückenlosen Aufklärung auf sich hat. Es geht darum “die Sicherheitsarchitektur zu optimieren” nicht darum, gegen faschistische Organisationen einen Kampf zu führen.

Für Super-Sheriff, Innenminister Friedrich ist dafür das zentrale Werkzeug: „Das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus”(GAR). Dieses wurde als Reaktion auf das „Versagen“ seiner Behörden bei den NSU-Morden zur „Beruhigung“ der Öffentlichkeit 2012 geschaffen. Nicht einmal ein Jahr später wird das GAR, im April 2013 von Friedrich in das „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum“(GETZ) umgemodelt. Was sind die zusätzlichen, neuen Bereiche, die Friedrich in dieses Zentrum hinein gepackt hat? „Linksextremismus und Linksterrorismus, Ausländerextremismus“. („Nichts gelernt“, TAZ, 12.04.2013) Na bitte! So sehen die Konsequenzen aus den NSU-Morden aus! Was bitte schön ist „Ausländerextremismus“? „Genetisch“ oder „Nationalitätenspezifisch“ bedingter Extremismus?

In das GETZ entsenden 30 verschiedene Landes- und Bundesbehörden, Geheim- und Sicherheitsdienste ihre Mannen. Wegen dem „Ausländerextremismus“!! nimmt nun auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BFM) teil. Wie praktisch! Das BFM kann dann personenbezogene Daten von Migranten und Flüchtlingen, ohne „bürokratische“ Hürden, direkt bei den Treffen des GETZ an die Geheimdienste über den Tisch schieben!

Aussageverbote: Aufklärung ohne Fakten - wie geht das? Ganz einfach! BfV und BKA Präsidenten Fromm und Ziercke machten schon am 18. Januar 2012 klar, „dass sie nur mit eingeschränkten Aussageerlaubnissen von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) rechnen.” („Zeugen mit eingeschränkter Aussageerlaubnis”, SZ, 19.01.2012) Diese Praxis gilt auch für die Länderuntersuchungsausschüsse. Die „Verfassungsschützer und Polizisten” oder andere Zeugen, wie Beamte, dürfen nur die Aussagen machen, die ihre Dienstherrn vorher festlegen. Das nennen wir systematische Transparenz der Informationsverheimlichung! Falls die Staatsbürokraten dann doch für Teilbereiche Aussagegenehmigungen haben, treten in den Ausschüssen wundersam kollektive Amnesie und „Gedächtnislücken” als „Massenphänomen“ auf!

Geheimsitzungen: Der Bundestagsuntersuchungsausschuss hat öffentliche und nicht öffentliche Sitzungen. Lückenlose Aufklärung! Die Ausschuss-Mitglieder dürfen die Informationen, die als geheim klassifiziert sind, nicht weitergeben. Alle Ausschüsse bekommen auch nicht alle Akten, die sie haben wollen. Die verantwortlichen Behörden können den Zugang zu den Akten verwehren oder die Akten werden als geheim deklariert, und erst gar nicht an die Ausschüsse gegeben. Ausschuss Mitglieder dürfen solche Akten nur in einem bestimmten Raum ansehen. Aber sie dürfen keine Notizen anfertigen. Darüber hinaus werden diese Akten nur mit vielen geschwärzten Stellen vorgelegt. Oder die Akten und Vorgänge, vor allem die digitalen, sind von vorneherein bewusst nicht vollständig geführt. So liegt kein Überblick über die tatsächlichen „Aktenvorgänge” vor und damit können sie auch nicht angefordert werden.

Aktenschredderei und Datenvernichtung! Bereits kurz nach dem Auffliegen des NSU-Trupp, am 10. November 2011, wurde laut Medienberichten, die Vernichtung von V-Mann-Akten vom Bundesamt für Verfassungsschutz angeordnet. Diese Aktenvernichtungsaktionen liefen mindestens bis Mitte Juli 2012. Der Sonderermittler des Innenministeriums, Engelke stellt fest, man könne davon ausgehen, dass mehr als 310 Akten geschreddert worden sind. Der Fisch fängt vom Kopf an zu stinken! Akten wurden nicht nur von den Geheimdiensten, sondern vom Bundesinnenministerium geschreddert!

Bei Wikipedia finden sich akribisch aufgelistet, konkrete Informationen über diese auf allen Ebenen laufenden „Beweismittel-Vernichtungsaktionen”. Wir greifen uns zwei heraus: „Gegen einen Referatsleiter des Thüringer Verfassungsschutzes wurde im Juni 2012 ein Disziplinarverfahren in Gang gesetzt. Ihm wird vorgeworfen, im November 2011 die Anweisung zur Vernichtung von sieben Akten mit Informationen über thüringische Rechtsextremisten gegeben zu haben. Über Monate hinweg habe er der Behördenspitze verschwiegen, dass die Akten wenige Tage nach bekannt werden der Neonazi-Mordserie vernichtet worden waren. Durch einen Erlass des Bundesinnenministeriums vom 14. November 2011 wurden weitere sechs Dossiers mit Protokollen über geheime Abhöraktionen in rechtsradikalen Organisationen gelöscht. Es handelte sich hierbei um Protokolle so genannter G-10-Abhörmaßnahmen. Der Erlass kam ebenfalls nur wenige Tage nach dem Auffliegen des NSU. Das Berliner Landeskriminalamt war deutlich früher von der heiklen Verbindung seines V-Mannes zum NSU informiert.” (de.wikipedia.org/wiki/Neonazi-Mordserie)

„Seit Januar (2013) liegt dem NSU-Untersuchungsausschuss eine offizielle Aussage des Bundespolizei-Direktors Heinz-Dieter Meier gegenüber der Bundesanwaltschaft vor. Im fünfseitigen Vernehmungsprotokoll, das als ‚VS – Nur für den Dienstgebrauch‘ klassifiziert ist, berichtet Meier wie im Auftrag des BKA Handy-Daten eines Tatverdächtigen gelöscht wurden.“ (ebenda)

Was beweist diese Vorgehensweise? Warum werden Akten beseitigt? Was hätten diese im Fall der NSU-Morde ans Licht gebracht? Auf diese Fragen gibt es nur eine Antwort: Jahrelang wussten die Geheimdienste, oder einzelne Abteilungen, eventuell auch Politiker, wer hinter den Nazi-Morden steht. Dieses NSU-Netzwerk wurde gefördert und ermöglichte, dass neun Migranten ermordet wurden. Die Sicherheitsbehörden haben rassistisch begründet, absichtlich die Ermittlungen in die falsche Richtung gelenkt. Die Erkenntnisse, dass die Mörder aus dem Nazisumpf stammen, waren klar sichtbar!

Alles was bei den Ermittlungen oder bei der Faktenbeseitigung vorfiel, waren keine Fehler, kein Versagen, keine Schlamperei, sondern bewusstes Vorgehen der Geheimdienste, Polizei, des deutschen imperialistischen Staates mit all seinen Institutionen.

Personalverschleiß: Die Manipulationspolitik fordert manchmal auch personelle Konsequenzen! Wenn die Herrschenden mit dem gegebenen Personal keinen Staat mehr machen und die Öffentlichkeit nicht mehr täuschen können, wird es einfach ausgewechselt. Das „Versagen“ in den NSU-Mordfällen ‚kosteten’ bisher dem Oberchef des BfV und vier LfV-Chefs ihre Posten. Aber für die Betroffenen hält sich der Schaden in Grenzen. Denn es geht ab in die gut bezahlte Pension oder in hoch dotierte neue Jobs! Das war’s dann mit deren Verantwortung der für Nazi-Morde und Anschläge?!

V-Männer: In diesem Bereich liegen die zahlreichsten Ungereimtheiten, Widersprüche, Verschleierungen, Fragen sowie Verdachtsmomente vor. Auf Grund der Geheimhaltung, der Daten- und Aktenvernichtung ist jetzt schon glasklar, dass nie völlig herauskommen wird, was wirklich passiert ist, wer was getan, wer was gewusst und wer was gemacht hat. Natürlich sind teilweise krasse Vorgänge, unvorstellbare Verbindungen und tatkräftige Unterstützungen von Verfassungsschutz-Beamten, V-Leuten und NSU-Mitgliedern aufgedeckt worden. Aber die tatsächlichen Netzwerke sind weiter im Dunkeln.

Auch hier ein Beispiele: Am 02.04.2013 sendete der Südwestrundfunk einen Beitrag in dem Magazin „Report Mainz“. Darin wird von über 50 V-Leuten des Verfassungsschutzes berichtet. 15 von ihnen hätten ein fünf- bis sechsstelliges Honorar von den Sicherheitsbehörden bekommen, mindestens sechs davon seien im Einsatz für den NSU gewesen. (ARD Mediathek)

Fazit: Kein Hauch von Bemühungen die versprochene „lückenlose Aufklärung“ voranzubringen. Es gibt nicht einmal Ansätze. Das Gegenteil ist der Fall! Systematische Vertuschung, Desinformationspolitik und Vernichtung von Dokumenten, das ist die Alltagspolitik der Regierungen von Bund und Ländern.

Die verantwortlichen Bürokraten, auch die „außer“ Dienst, die in den Untersuchungsausschüssen angehört werden, betreiben erfolgreich eine komplette Vertuschung. Trotzdem dringen Krümel einzelner Informationen in die Öffentlichkeit. Rivalitäten in den Geheimdiensten, unter bürgerlichen Politikern, aber auch engagierten Demokraten, z.B. von der Linken, zerren das wahre Gesicht der Herrschenden ans Licht. Das stört die Regierung natürlich massiv und es wird alles unternommen den Schaden möglichst zu begrenzen.

Daher wird es auch keinerlei Aufklärung im NSU-Prozess geben über die Rolle der staatlichen Institutionen, über die Rolle von V-Leute, die Morde mit vollstreckten, über Ermittlungen, die gezielt auf falsche Spuren lenkten, weitere Morde nicht verhinderten, sondern begünstigten, etc. Auf die Nachfrage: „Die Hinterbliebenen der NSU-Opfer erhoffen sich vom Prozess auch Aufklärung über die Fehler der Ermittlungsbehörden?“ antwortet der Präsident des Münchner OL-Gerichts Huber eiskalt: „Das kann nicht Teil des Strafverfahrens sein, im Prozess geht es hps. um die Frage Schuld und Nicht-Schuld der Angeklagten. Alles andere ist Sache der Untersuchungsausschüsse.“ (Merkur-online.de, Interview, 26.01.2013) 

NSU-Morde und bürgerlicher Staat:

Ihre Worte – Hohn!
Ihre Taten – Verbrechen!

Die NSU-Nazi-Morde belegen die Faschisierung von Gesellschaft und Politik in der BRD. Die Rolle der zentralen Staatsinstitution, das Innenministerium ist unumstritten in der NSU-Affäre. Die enge Verzahnung von Geheimdiensten und Faschisten-Organisationen. Die Finanzierung des Nazi-Terrors mit Staatsgelder über V-Leute.

Diese Behörde ist genauso von Rassismus getränkt wie alle ihr untergebenen Polizei und Dienste, allesamt Handlanger dieses Staates und damit auch Unterstützer der Faschisten. Rassistische Ermittlungen, die die Opfer und ihre Angehörigen verunglimpfen. Förderung, Vertuschung und Verharmlosung rassistischer und faschistischer Gewalt bei gleichzeitiger Kriminalisierung antifaschistischer und antirassistischer Initiativen. Dafür stehen das Innenministerium und seine Behörden.

Wie ungehindert Naziorganisationen agieren können zeigen Angaben von Innenminister Friedrich selbst, die er erst auf wiederholte Anfragen an die „Welt am Sonntag“ herausrückte. Das Bundeskriminalamt gehe mit Stand Mitte September 2012 von „zuletzt 110 mit offenen Haftbefehlen untergetauchten Rechtsextremisten“ aus. Die Strategie des Staates und der herrschenden Politik ist, wie schon gesagt, für die Zeiten von Krisen, Krieg und Aufständen sich eine faschistische Option zur Unterdrückung und ideologischen Beeinflussung der werktätigen Massen offen zu halten. Selbstverständlich gibt es innerhalb des Staates, zwischen den bürgerlichen Politikern unterschiedliche Interessengruppen und Strategievorstellungen. Aber alle sind darauf ausgerichtet diesen Staat und das Ausbeutungssystem mit welchen Mitteln auch immer aufrechtzuerhalten.

Eines dieser Mittel sind die Faschisten verschiedenster Prägung und Ausrichtung, von den mörderischen Stiefel-Faschisten bis hin zu den Krawatten-Faschos zum Beispiel von Pro-Deutschland. Über 225 faschistische Schlägertrupps, Kameradschaften, Organisationen, Musikszenen und Netzwerke in der BRD machen den braunen Sumpf aus. Sie alle sind verflochten, unterwandert, mit aufgebaut von deutschen staatlichen Organen, vornehmlich dem V-Schutz.

Wer wird für die NSU-Morde zur Rechenschaft gezogen? Vielleicht eine überlebende Täterin und 4 Unterstützer. Was ist mit allen weiteren Mitgliedern und Helfern des NSU-Netzwerkes? Warum werden für die nicht aufgeklärten NSU-Mordfälle in diesem angeblichen Rechtsstaat, nicht die Verantwortlichen der Verfassungsschutzämter, die Ermittler des Bundeskriminalamtes und Polizei vor Gericht gestellt? Warum wird nicht die Bundesregierung, die für alle diese Institutionen verantwortlich ist, vor Gericht gestellt? Es sind die Familien von Opfern, die im Juli 2012 Strafanzeigen gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz und das thüringische Landesamt für Verfassungsschutz erstatteten. Der Vorwurf gegen die Behörden lautet Strafvereitelung im Amt. Sie werden im Sande verlaufen ...

Im Gedenken an die Opfer des Naziterrors – Was tun?

Mit einer notwendigen Selbstkritik beginnen!

Nur die Angehörigen der Opfer und FreundInnen, Bekannte und einige wenige Migranten Vereine haben ihre Stimme erhoben. So mit den Demonstrationen in Kassel und in Dortmund 2006. Sie hatten viel zu sagen, aber sie wurden, auch von uns nicht gehört. Von den staatlichen Behörden wurden sie verhöhnt. Warum haben wir, GenossInnen von Trotz alledem, wie so viele andere revolutionäre, kommunistische, antifaschistische und antirassistische Gruppen versagt. Warum haben wir nicht laut und offensiv nachgefragt, recherchiert und vor allem, uns nicht an die Seite der Familien und Angehörigen der Opfer gestellt. Wir müssen selbstkritisch sagen, wir haben uns von den bürgerlichen Medien einlullen lassen und die Dimensionen nicht erkannt.

Die Angehörigen haben in Interviews und auf den Demonstrationen angeklagt, dass sie im Zentrum der Ermittlungen stehen und dass die Mörder aus dem Naziumfeld kommen müssen. Wir waren nicht aufmerksam genug. Wir haben die im Prinzip so offenkundige Zusammenhänge nicht erkannt. Wir haben die faschistischen Organisationen und ihre Mordstrategien, sowie ihre intensive Zusammenarbeit mit Staatsinstitutionen unterschätzt. Wir alle müssen daraus lernen, jeden Mordfall, jeden Angriff auf MigrantInnen, auf Menschen, die nicht ins „Nazi-Weltbild“ passen, aufzugreifen und anzuklagen. Wir müssen bei jedem Angriff auf MigrantInnen als erstes rassistische Motive hinterfragen. Wir müssen uns einmischen, Öffentlichkeit herstellen und die Nazi-Strukturen aktiv aufdecken und bekämpfen.

Aufschrei 2011? Nach dem Auffliegen des NSU November 2011 ging da eine Welle der Empörung durchs Land? Kam es zu Massendemonstrationen? Wurden Lichterketten gebildet? Fehlanzeige.

Es waren vor allem MigrantInnen, die ihre Verbitterung und Wut auf die Straße getragen haben. Aber die überwiegende Mehrheit der Werktätigen, der „deutschen Öffentlichkeit“ hat geschwiegen. Nach den Pogromen und Morden in den 1990er Jahren gab es nicht nur Demonstrationen der antifaschistischen, revolutionären Bewegung, sondern auch wenigstens einige große Kundgebungen. Viele Werktätige, auch breite kleinbürgerliche Schichten trugen den Protest mit. Aber heute 2013? Nichts davon!

Bundesweites Aktions-Bündnis aller antifaschistischen, antirassistischen Gruppen/Organisationen? Es gibt unermüdlich arbeitende antifaschistische Netzwerke, die Recherche und Aktionen gegen Nazis vor Ort organisieren.

Wir als InternationalistInnen arbeiten viel mit fortschrittlichen Vereinen und Organisationen aus Türkei/Nordkurdistan zusammen. Wir sind auf Anti-Nazi-Demos und bei Aktionen.

Aber was uns allen, der ganzen antifaschistischen, revolutionären und fortschrittlichen Bewegung fehlt ist eine wirklich bundesweite, starke, antifaschistische, alle hier lebenden MigrantInnen, Flüchtlinge, aller Nationalitäten und Nationen umfassende Front.

Oft wissen Gruppen in Dortmund nicht was in Stuttgart abgeht. Oft passieren faschistische Angriffe und werden nur vor Ort bekannt. Oft werden Aktionen nicht ausreichend koordiniert. Oft gibt es viele kleine Aktionen und antirassistische Arbeit, aber es fehlt der Überblick. Dadurch sind auch die Mobilisierungsmöglichkeiten oft eingeschränkt.

Der Zersplitterung des antifaschistischen, antirassistischen Widerstandes sollen wir ein Ende setzen und versuchen eine schlagkräftige Aktionseinheit, einen Zusammenschluss aller regionaler, lokaler und überregional organisierten Gruppen und Organisationen zu schaffen.

Es muss uns gelingen eine wirkliche Gegenöffentlichkeit, die das Dickicht der rassistischen Staatspolitik und der Medienberichterstattung durchbricht zu schaffen. Gegenstrategien zur Bekämpfung von Rassismus und Faschisierung müssen entwickelt werden. Klar, wir haben viele unterschiedliche politische Positionen untereinander. Es gibt auch nicht wenige, auch grundlegende Widersprüche. Aber ein gemeinsames Handeln kann doch damit nicht ausgeschlossen sein. Wir müssen mit all diesen Widersprüchen, unterschiedlichen Zielen und Programmen offen umgehen, sie debattieren,und Widersprüche stehen lassen können.

Dann können wir gleichzeitig zentrale, gemeinsame Antifa-Positionen festlegen, auf denen wir gemeinsam agieren. Dann wird sich etwas ändern.

Dann können wir unsere Kräfte, die in hunderten Projekten, Initiativen Alternativen, Organisationen und Gruppen etc. stecken für punktuelle, politische Aktionen zusammen führen.

Unsere Ziele: Die Verbindung von Staat und Nazi-Faschisten hat sich in brutalster Weise in den NSU- Mordtaten manifestiert. Der deutsche Staat betreibt eine Faschisierung. Deutsch-chauvinistisches Herrenmenschentum wird über alle Medien und bürgerliche Politik den Werktätigen eingehämmert. Je tiefer sich die Finanzkrise entwickelt, desto mehr werden MigrantInnen, ganze Völker, wie die islamischen oder das griechische Volk als Feindbilder aufgebaut.

Der Kampf gegen Faschisierung und Rassismus muss als Kampf gegen das kapitalistische- imperialistische System, gegen den deutschen imperialistischen Staat geführt werden. Das ist für uns Dreh- und Angelpunkt. Damit verbinden wir die Agitation für Alternativen, ja, für den Sozialismus, gegenüber dem verrottenden herrschenden Weltimperialismus.

EPILOG

Ihr aber lernet, wie man sieht, statt stiert

Und handelt, statt zu reden noch und noch.

So was hätt einmal fast die Welt regiert.

Die Völker wurden seiner Herr, jedoch

Dass keiner uns zu früh da triumpfiert

Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!

Bert Brecht

„Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“, 1941

Bücher:

Markus Bernhardt, „Das braune Netz, Naziterror– Hintergründe Verharmloser Förderer“, 2012, PapyRossa Verlag

Maik Baumgärtner, Marcus Böttcher, „Das Zwickauer Terror Trio, Ereignisse Szene Hintergründe“, 2012, Verlag Das Neue Berlin

Semiya Şimşek, „Schmerzliche Heimat, Deutschland und der Mord an meinem Vater“,  2013, Rowohlt

Christian Fuchs, John Goetz, „Die Zelle – Rechter Terror in Deutschland“, 2012, Rowohlt

„Nazi-Bekennerlied“

und keiner hat’s gehört?

Keine Bekenntnisse der NSU-Mörder? WelcheLüge!

Im Internet kursiert August 2010 das mordlüsterne „Döner-Killer-Lied“, von „Gigi und den braunen Stadtmusikanten“. Das Hetzmachwerk bezieht sich direkt auf die Mordserie an Migranten: „Neunmal hat er bisher gekillt“! Weitere Morde werden angedroht: „doch die Lust am Töten ist noch nicht gestillt.“

Der Bund der Verfolgten des Naziregimes erhebt Klage vor dem Moabiter Landgericht wegen Volksverhetzung. Obwohl hunderte von über korrekten V-Schutzbeamten die Netze durchforsten, ist ihnen gerade dieses Machwerk entgangen? Kein V-Mann auf Nazi-Konzerten hat es gehört? Wer glaubt das noch? Im Oktober 2012 wird der Sänger Daniel Giese vom Amtsgericht Meppen wegen „Volksverhetzung und Billigung einer Straftat“ zu „einer Haftstrafe von sieben Monaten, die für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wurde“. (dpa, 16.10.2012).

So billig kommen Nazis davon!


Angeklagte Taten im NSU-Prozess:

10 Morde, 2 Bombenanschläge in Köln: Januar 2001, Bombenexplosion in einem deutsch-iranischen Lebensmittelgeschäft, eine Frau iranischer Herkunft wird schwer verletzt. 2004 Nagelbomben-Attentat in der Keupstraße mit 22, teils sehr schwer Verletzten schwer. Zu diesen Attentaten bekennt sich der NSU in seinem Horror-Video. Sowie 15 Banküberfälle.

Angeklagte Nazis:

Beate Zschäpe, in U-Haft, Mittäterschaft bei zehn Morden.

Ralf Wohlleben [9], in U-Haft, Beihilfe zum Mord in neun Fällen.

Holger Gerlach, Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, da „kein dringender Tatverdacht” vorliegt, nicht in U-Haft.

Carsten Schultz hat die Mordwaffe überbracht, Beihilfe zum Mord in neun Fällen, umfassende Aussage, im Zeugenschutzprogramm, nicht in U-Haft. [10]

André Eminger, Beihilfe zu einem Anschlag, nicht in U-Haft.

Es sollte auf keinen Fall ausgeschlossen werden, dass nicht so sehr durch „polizeiliche Ermittlungen“, sondern durch Zufälle oder investigativen Journalismus noch viel mehr Verbrechen der NSU-Organisation ans Tageslicht kommen.

Semiya Simşek:

... Mein Vater wurde von Neonazis ermordet.

Soll mich diese Erkenntnis nun beruhigen? Das Gegenteil ist der Fall. In diesem Land geboren, aufgewachsen und fest verwurzelt, habe ich mir über Integration noch nie Gedanken gemacht. Heute stehe ich hier, traure um meinen Vater und quäle mich mit der Frage: Bin ich in Deutschland zu hause?

Ja, klar bin ich das. Aber wie soll ich mir dessen noch gewiß sein, wenn es Menschen gibt, die mich hier nicht haben wollen. Und die zu Mördern werden, nur weil meine Eltern aus einem fremden Land stammen.

Soll ich gehen? Nein, das kann keine Lösung sein. Oder soll ich mich damit trösten, dass wahrscheinlich nur Einzelne zu solchen Taten bereit sind? Auch das kann keine Lösung sein.

In unserem Land, in meinem Land, muß sich jeder frei entfalten können, unabhängig von Nationalität, Migrationshintergrund, Hautfarbe, Religion, Behinderung, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Laßt uns nicht die Augen verschließen und so tun, als hätten wir dieses Ziel schon erreicht.

(„Elf Jahre durften wir nicht einmal reinen Gewissens Opfer sein“, junge Welt, 24. 02.2012)

 


[1]     de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistischer_Untergrund

 
[2]     frühere Nürnberger Oberstaatsanwalt Walter Kimmel 2012 vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages

 [3]     Auch Ermittler aus Ankara/Türkei, die von der deutschen Polizei hinzugezogen wurden, ermittelten in ihrem eigenen rassistischen Raster und nur in eine Richtung: „Organisierte Kriminalität und PKK-Terrorismus“. Auch die türkischsprachigen Medien in Deutschland, wie auch die in der Türkei lenkten die Aufmerksamkeit auf diese Fährte und sprachen menschenverachtend von den „Döner-Morden“. Darüber berichtet Semiya Şimşek in ihrem Buch eindrücklich. Familie Kubaşık wurde vom türkischen Konsulat in Essen 2006 jegliche Unterstützung in der Vorbereitung des Schweigemarsches in Dortmund für Mehmet Kubaşık und alle Opfer versagt. Sie seien von der deutschen Polizei informiert worden, „es handele sich um Drogenkriminalität“.

 [4]     Die ARD ‚45 Minuten-Reportage‘, getitelt „Die Nazi-Morde“, vom 08.04.2013 ist sehr perfide gemacht. Die Angehörigen der Opfer haben zwar die Möglichkeit über ihre Gefühle, ihr Erleben und ihre tiefen Verletzungen durch den brutalen medialen, staatlichen, gesellschaftlichen Umgang zu sprechen. Aber gleichzeitig wird den Nazi-„FreundInnen“ von B. Zschäpe, die diese zum „herzensguten Menschen“ stilisieren dürfen, unheimlich viel Raum gegeben. Sie sind eindeutig Nazi-Symphatisanten und können rassistische Statements abgeben. Auch ihrer Verhöhnung der Opfer und Angehörigen wird von den Autoren nicht widersprochen. Eine widerliche Verharmlosung der Nazi-Mörder wird zugelassen. Das ist Ekel erregend. Gleichzeitig werden Verflechtungen von Staat, Geheimdiensten etc. Regierung geleugnet, bzw. werden sie in Schutz genommen. Der ehem. bayerische Innenminister Beckstein, unter dessen Verantwortung 5 Morde verübt wurden, kann sich selbst, die Ermittler und den Staat als  willig aber „hilflos“ präsentieren.

 [5]     LfV (Landesamt für Verfassungsschutz), BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz), BKA (Bundeskriminalamt), LKA (Landeskriminalamt), MAD (Militärischer Abschirmdienst)

 [6]     Auch das ist Lüge: Nach dem neunten Mord im Jahr 2006 erhielt eine islamische Gemeinde in Hamburg einen Brief, in dem es wortwörtlich hieß: „Türken-Hasser sind wir alle. Ihr habt Euch hier eingeschlichen und bleibt Multikulti und Verbrecher. Es ist doch gut, dass einer mal ein paar Türken abknallt. Ich habe mich darüber gefreut.“ Die Gemeinde übergab den Brief der Polizei, diese ging jedoch einem rechtsextremistischen Motiv nicht nach.

 [7]     http://www.publikative.org/2013/02/23/nsu-das-ende-des-terror-trios

 [8]     Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, „Haftbefehl gegen die Brandstifterin von Zwickau wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung ‚Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)‘, 37/2011“, 13.11.2011

 [9]     Ehemaliger stellvertretender Landesvorsitzender und Pressesprecher der NPD Thüringen sowie Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Jena

 [10]    Schulz hatte sich angeblich aus den Nazi-Kameradschaften abgeseilt. Er ist ins Ruhrgebiet gezogen, hat Sozialpädagogik studiert und arbeitete bis zu seiner Verhaftung in einer Beratungsstelle. Eine der vielen Ungereimtheiten: Der Verfassungsschutz Thüringens hatte die Wahl von Schulz und Wieschke zu stellvertretenden Vorsitzenden der Thüringer „Jungen Nationaldemokraten” am 22. Juli 2000 in seiner Monatszeitschrift Nachrichtendienst zunächst noch erwähnt. Im Verfassungsschutzbericht für 2000 aber nur noch Wieschke genannt. Schulz – noch ein V-Mann?