Flüchtlingskrise?“ – Nein: Systemkrise! Sozialismus = einzige Lösung!

Warum sind im Jahr 2015 über 60 Millionen Menschen auf diesem Erdball auf der Flucht? Warum riegelt sich der „Freie Westen“ an allen Grenzen hermetisch ab? Warum Mauern, Zäune und Minenfelder um die „Wohlstandsoasen“? In Australien werden flüchtende Menschen aus Myanmar auf Inseln wie Manus, Nauru in Straflagern festgesetzt. Die USA haben sich vom südamerikanischen Kontinent, mit zum Teil vier Meter hohen Stahlbetonmauern, abgeriegelt. Sie lassen die lächerliche Zahl von 70 000 Menschen „legal“ pro Jahr einreisen. In Russland sind 65 Prozent aller Geflüchteten und MigrantInnen vorwiegend aus Usbekistan, und Transkaukasus „illegale“, rechtlose SklavenarbeiterInnen. Warum hält Japan seine Grenzen hermetisch verschlossen? Warum wird die Festung Europa weiter ausgebaut? An den EU-Außengrenzen, in Italien und Griechenland elende Internierungslager? Warum sind die europäischen Medien voll von der Beschwörung von „Flüchtlingsströmen, die uns überrollen?“



Viele Fragen – auf die es nur eine einfache, klare Antwort gibt:

Die Globalplayer und Monopolkonzerne, die imperialistischen Oberherren und ihre Gefolgsleute der Neokolonien switchen über alle Kontinente. Internationale Finanz- und Kapitalbewegungen, Warenströme, Digitalnetze zwecks Ausbeutung der Naturressourcen und der menschlichen Arbeitskraft haben den Erdball bis ins letzte Eck fest im Griff. Dagegen sind die Wege in die reichen Metropolstaaten fast ganz verschlossen. Nur die privilegierten EinwohnerInnen der imperialistischen Metropolen genießen weitgehende Bewegungsfreiheit um (wer es sich denn leisten kann) in aller Herren Länder als MassentouristInnen zu reisen.
Die Schreckensszenarien des imperialistischen Systems für die Verdammten dieser Erde, vor allem der abhängigen, neokolonialen Länder sind Kriege, Umweltzerstörung, Unterdrückung, Vertreibung, Hunger, Armut und Patriarchat. Gewaltsam werden sie zu Flucht und Migration gezwungen. Fast die Hälfte sind Kinder. 38,5 Millionen sind sogenannte Binnenflüchtlinge, Vertriebene in ihren eigenen Ländern.
Millionen Menschen versuchen auf gefahrvollen, unsicheren oft Tod bringenden Routen ihr nacktes Leben durch Flucht in andere Länder zu retten. Die übergroße Mehrheit fristet in den jeweiligen Nachbarländern, das heißt in neokolonial abhängigen Staaten ein erbärmliches Leben.
Unter grauenhaften Bedingungen hausen die Flüchtlinge auf der Straße oder in völlig überfüllten Lagern: Pakistan, Jordanien, Iran, Türkei, Jordanien, Libanon, Äthiopien, Kenia, Ägypten, Tunesien. Nur einer kleinen Minderheit gelingt es in die imperialistischen Metropolstaaten zu flüchten.
In Lateinamerika leben Millionen geflüchtete Menschen außerhalb ihrer Heimatstaaten. Allein aus Kolumbien eine halbe Million Menschen. Gleichzeitig sind in Kolumbien 6,5 Millionen Menschen vertriebene Binnenflüchtlinge.
In Asien, im Golf von Thailand und der Adamanensee sind 2015 Monat für Monat Zehntausende Flüchtende, überwiegend aus Myanmar, auf der Flucht. Indonesien, Malaysia und Thailand versuchen mit aller Gewalt, sich abzuschotten. Tausende Geflüchtete ertrinken im Meer oder werden bei der Flucht auf dem Landweg getötet.

Eskalation neokolonialer Kriege Afghanistan – Irak – Syrien – Libyen …
Seit dem Zusammenbruch des sozialimperialistischen Ostblocks, den 1990er Jahren startet eine neue Spirale von Krieg und Unterwerfung. Eine Ausweitung der Kampfzone. 2016: Der Mittlere Osten explodiert: Irak, Afghanistan, Syrien, Libyen, Jemen und Palästina ... In Ländern und ganzen Regionen Afrikas toben sich ausweitende Stellvertreter- und Bürgerkriege in Somalia, Südsudan, DR Kongo, Zentralafrikanische Republik, Burundi ...
In Mittelasien lodern immer wieder bewaffnete Konflikte auf ...
Imperialistische Interventionen laufen seit Jahrzehnten seitens der USA und ihrer Verbündeten, wie Frankreich, England und BRD, in unterschiedlichen Koalitionen im Irak, 1990 und 2003.
1996 Einmarsch der islamistischen Taliban in Kabul. 2001 nach 9/11 im Oktober Invasion der westlichen Großmächte, der „Anti-Terror Allianz“ in Afghanistan, Sturz der Taliban. und Einsetzung eines Marionettenregimes. Der Bürgerkrieg unter verschiedenen Ethnien, Religionen und Konfessionen im Bündnis mit unterschiedlichen imperialistischen und regionalen Mächten dauert als Stellvertreterkrieg bis heute an.
Der arabische Frühling 2010 barg ein immenses Potential an revolutionären Möglichkeiten und Aufbegehren der Werktätigen in sich. Aber die halben Revolutionen wie in Ägypten, Syrien, Libyen versanken in grausamen Konterrevolutionen.
Die gerechtfertigten Proteste großer Teile der syrischen Bevölkerung gegen die Assad-Diktatur wurden vom herrschenden Baath-Regime in Blut ertränkt. Aus den vorerst friedlichen Protesten entwickelte sich ein grausamer Bürgerkrieg. In diesem entstand der sogenannte IS (Islamische Staat) und wurde ein wichtiger Machtfaktor. Weltweit vernetzt agiert die faschistische Organisation heute in 17 Ländern. Alle Großmächte, USA, EU-Imperialisten und regionalen Konkurrenten wie Iran, Saudi-Arabien, Türkei haben sich in diesen Bürgerkrieg eingemischt, um ihre eigenen Ziele durchzusetzen. Es wurde und wird in Syrien ein Stellvertreterkrieg um die Neuaufteilung in diesem Gebiet geführt. 2011 folgen die Bombardierungen Libyens, 2012 der Feldzug Frankreichs unterstützt durch einige EU-Staaten, vorneweg die BRD, in Mali und 2013 in der Zentralafrikanischen Republik.

Im Namen des Kampfes gegen den IS wird ein brutaler Krieg gegen die Völker, um die Neuaufteilung zwischen imperialistischen und regionalen Mächte geführt. Dabei werden die existierenden Widersprüche unter den Völkern entlang ethnischer, religiöser und konfessioneller Linien bewusst verschärft und geschickt ausgenutzt. Die alten kolonial gezogenen Grenzlinien stehen zur Disposition. Staaten zerfallen und neue bilden sich heraus. Erstarkte Großmächte wie die EU und insbesondere der deutsche Imperialismus, neu hinzugekommene Räuber, wie China, stellen bisherige Einflussgebiete in Frage und ringen um Vorherrschaft. Russland hat nicht nur Gebiete der Ostukraine und Krim okkupiert, sondern ist militärisch in Syrien, Irak und Afghanistan auf dem Vormarsch. Sein zu Zeiten des russischen Sozialimperialismus teils verloren gegangenes Terrain soll zurückerobert werden. Die Mächtekonstellationen und Bündnisse zwischen diesen Kräften ändern sich fast täglich.
Russland vom Westen wegen der Besetzung der Ost­ukraine/Krim bis vor einem halben Jahr international isoliert und mit Sanktionen belegt, trumpft aktuell auf: Ein zweiter Militärstützpunkt und militärisches Eingreifen in Syrien durch Luftangriffe und einer beträchtlichen Anzahl (genaue Zahlen sind nicht bekannt) von Boden- und Spezialtruppen auf Seiten des faschistischen Diktatorenregime Assads.
Gleichzeitig sieht sich die „Westliche Anti-IS-Koalition“, USA, England, Frankreich und BRD (mittlerweile über 60 Staaten) „gezwungen“, im Kampf gegen den IS mit Russland zu kooperieren, und „gemeinsam“ in den Krieg gegen den IS zu ziehen.
Inzwischen werden in unterschiedlichsten Konstellationen Syrien und der Irak in Grund und Boden bombardiert. China zeigt immer wieder militärische Präsenz im Mittelmeer und im Mai 2015 haben Russland und China ein Militärmanöver mit zehn Kriegsschiffen veranstaltet. Russische Kriegsschiffe durchqueren das NATO-Land Türkei auf dem Bosporus. Saudi-Arabien, ein wichtiger Akteur in der Region, zimmert aktuell eine neue Allianz im Kampf gegen den IS.
Die Reaktion des IS auf die Luftangriffe in Irak und Syrien, ist derzeit eine verstärkte Infiltrierung in Afghanistan. Der Westen und einige arabische Staaten wie Saudi-Arabien, zuweilen enge Bündnispartner des Westens, haben in Zeiten der sozialimperialistischen Expansion der Sowjetunion in Afghanistan die Taliban und auch später gegen Irak und Syrien diverse islamistische Gruppierungen, darunter auch den IS, militärisch und politisch genährt. Mit diesem Überblick wollen wir vor allem bewusst machen, wie die globalen Kriege, Flucht und Vertreibung zusammenhängen.

Ergebnis: Flucht und Vertreibung

Die abgeriegelte Festung EU und ihre Hauptakteure Deutschland und Frankreich fühlten sich in den letzten Jahren einigermaßen sicher vor den von ihnen mitverursachten Fluchtbewegungen. Auch wenn seit Jahren die massenmörderische Politik der EU an den Stränden Italiens bittere Realität war. Noch war „das Problem“ für sie zu händeln.

Die EU war in dieser Zeit vor allem damit beschäftigt, in der Finanzkrise ihre Banken mit Milliarden zu stabilisieren und Griechenland in die Zange zu nehmen. Ergebnis in Griechenland war ein bankrotter Staatshaushalt, eine Auspressung der Bevölkerung, die zu Armut und Verelendung führt. Gleichzeitig sollte der desolate Staat seine Grenzen gegen die Fluchtbewegungen dicht machen, als Außenposten der EU. Aus Syrien sind seit 2011 mit dem Beginn des Kriegs bis 2015 über 3,8 Mio. Menschen geflohen. Ebenso hält die Vertreibung von Hunderttausenden Menschen in Afghanistan und Irak an. Mittlerweile sind 2,3 Mio. registrierte Flüchtlinge aus Syrien in der Türkei, 1,2 Mio. im Libanon (ein Viertel der Bevölkerung), 603 880 in Jordanien, 251 300 im Irak und 131 900 in Ägypten. Dort sind ihre Lebensbedingungen in überfüllten Lagern, auf Straßen und Plätzen, in Notbehelfen in Dörfern und Städten miserabel. Sie sind rechtlos und ohne jegliche Perspektive. Nach dem sich die Lebensmittelversorgung durch das UNHCR (von 28 US-Dollar pro Monat auf nur noch 13,50 US-Dollar) dramatisch verschlechterte, die Situation in Syrien sich immer weiter zuspitzt, haben sich viele Geflüchtete auf die gefährliche Route nach Europa aufgemacht. Im Laufe 2015 sind laut UNHCR Angaben vom 22. Dezember (die von denen der BRD abweichen) knapp über eine Million Menschen auf dem See- und Landweg in die EU gelangt. Nur geschätzt 170 000 Menschen haben 2015 aus Nordafrika die Festung Europa über das Mittelmeer unter höchster Lebensgefahr überwunden. Zehntausende sind in seinen Fluten ertrunken. 1 80 Prozent der Flüchtlinge sind über die Ägäis, von der Türkei nach Griechenland in die EU gelangt. Die flüchtenden Menschen wurden sich auch ihrer eigenen Stärke gewahr und haben sich gemeinsam auf den Weg gemacht. Zu Fuß, mit Bussen, mit Zügen haben sie die Grenzen überschritten. Unter großen Gefahren, Erschöpfung, Krankheit und Tod vor Augen nehmen sie ihr Schicksal selbst in die Hand. Von der Türkei über Griechenland, die Ostbalkanländer in die westeuropäischen Länder Österreich, BRD bis hinauf nach Schweden erleben die Flüchtenden auf ihrem Weg durch die „Wohlstandsoase“ Europa brutalen Rassismus, staatliche Gewalt, Schikane, und gnadenlose Verachtung.
Gleichzeitig solidarisieren sich Zehntausende werktätige Menschen in europäischen Staaten mit den Geflüchteten und unterstützen sie mit Transportmitteln, mit Versorgung und Informationen. Aber das ist leider noch eine kleine Minderheit.

Die EU stürzt in die „Flüchtlingskrise“, die tatsächlich eine Krise ihres Systems ist. Tagtäglich führt sie vor, wie ihre hehren westlichen Werte zynische Lippenbekenntnisse sind. Das Projekt EU demonstriert seine ganze Brüchigkeit. Die viel beschworene Einheit ist lediglich konjunkturbedingt. Das Schengen-Grenzsystem bricht zusammen und die einzelnen EU-Nationalstaaten rüsten auf und machen dicht.

Die Fluchtrouten über Land von Griechenland aus werden versperrt und zugemauert. Ungarn zieht Zäune an der Grenze zu Serbien und Kroatien, Slowenien zu Kroatien, Bulgarien macht die Grenze zur Türkei dicht und Mazedonien zu Griechenland. Mitte November lässt Mazedonien nur noch Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak passieren. Geflüchtete aus Iran, Pakistan und Nordafrika werden nach Griechenland abgeschoben. Überall gehen Polizei und Militärkräfte äußerst brutal vor.

Der Grenzübertritt für Flüchtlinge nach Europa ist praktisch fast nur mithilfe kommerzieller „Fluchtunternehmen“ möglich.

2014 hat die Bundesregierung ihre Strategie gegen irreguläre Migration aus Nordafrika erläutert: Schleusung wird unter dem Stichwort „kriminelle Aktivitäten“ in einem Atemzug mit Terrorismus und Rauschgiftkriminalität genannt. „Schlepper“ fallen unter die Kategorie organisierte Kriminalität“. Dieselbe Strategie wird jetzt bei den Geflüchteten aus dem Mittleren Osten, die auf diese angewiesen sind, gefahren. Die „Schlepper“ seien das Hauptübel! Dabei ist der „Beruf“ „Schlepper“ eine Folge und Produkt der hermetischen Schließung der Grenzen, weil es keine legale Einreisemöglichkeit für Flüchtlinge gibt. Das Grundübel ist das System selbst.

Merkel: „Freundliches Lächeln“ & Herz aus Stein: Imperialistische Logik

Die viel beschworene „Flüchtlingskrise“ ist „Topthema“ in Deutschland nur dadurch geworden, dass Menschen in Not und Elend, es verstärkt schafften, trotz aller Abschottung hierher zu kommen. PEGIDA, AfD und Nazipropagandisten sind im Aufwind. Politik und Medien lamentieren vom kommenden „Flüchtlingsansturm.“

Seit mindestens zwei Jahren war klar, dass aufgrund der mangelnden UN-Gelder in den Lagern in Jordanien, Libanon etc., die Menschen nicht mehr ausreichend versorgt und weiter nach Europa fliehen werden. Das wussten alle Staaten, aber sie wollten sich nicht darauf einstellen und gingen davon aus, dies abwehren zu können. Natürlich sollen „keinerlei Anreize“ geschaffen werden.

Dieser grausame Zynismus bedeutete für die 2015 ankommenden Geflüchteten „Massenunterkünfte“: das Zusammenpferchen von Menschen mit Kriegstraumata und Gewalterfahrungen. Unzumutbare sanitäre Ausstattung und Lebensbedingungen. Alles mit der Zielsetzung möglichst wenige sollen hier bleiben, möglichst viele abgeschoben werden.

Was macht die PR Abteilung BRD daraus: Deutschland feiert sich selber als Land des „Sommermärchen II“ ab. Merkel profiliert sich als „christlich selbstlose Politi­kerin“.

Am 26. August zeigt sich die Kanzlerin mit Flüchtlingen in Heidenau, wo tagelang der faschistische Bürgermob gewütet hat. Fünf Tage später verkündet sie auf einer Pressekonferenz: „Wir schaffen das.“ Zwei Wochen später: „Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen (!), dann ist das nicht mein Land.“2

Ein freundliches Gesicht, mehr verspricht, wie der Spiegel dazu titelt „Mutter Angela“, nicht. Selbst das ist natürlich ein Schlag ins Kontor der eingefleischten „Asylantenhasser“ von PEGIDA und Konsorten. Umso mehr feiert die bürgerliche Presse Merkel ab: „Es sind Sätze, die so noch nie von einem Kanzler gesprochen worden sind.“3 So wird Merkel „Die Aufgabe, die wir jetzt zu bewältigen haben – die vielen, vielen Flüchtlinge –, ist riesig. Es ist wunderbar, wie sich unser Land präsentiert.“ zu Mutti-Teresa und Gut-Mensch stilisiert.

Balkanländer verwehren die Aufnahme von Flüchtlingen und „leiten“ sie einfach weiter. Am 4. September veranlasst die deutsche Regierung Sonderzüge aus Ungarn nach Deutschland zu organisieren und die „freie Einreise“ mit Österreich wird vereinbart.

Richtig stellt der Spiegel fest „Merkel ist das egal. Ihr geht es um Europas Ruf. Welches Signal würde es aussenden, wenn Bilder um die Welt gingen, die alte Menschen und Schwangere zeigten, die auf ihrem Marsch nach Deutschland entkräftet zusammenbrechen?“4

Am 15. September schließt Ungarn seine Grenze. Am 15. Oktober spricht Merkel klar aus: „Kontrolle der Außengrenzen funktioniert nicht.“ Faktisch ist seit längerem das Schengen-Abkommen außer Kraft. Merkel versucht mit lächelndem Gesicht, zu retten was zu retten ist.

Die Aussetzung des Dublin II-Abkommens durch viele EU-Staaten und die Bilder der geflüchteten Menschen, die nach Deutschland „kommen dürfen“, haben ein Ziel: „Die Flüchtlingskrise hat aber auch das Bild Deutschlands in der Welt verändert. Plötzlich sind es nicht mehr brennende Asylbewerberheime und grölende Neonazis, die auf den Titelseiten stehen, sondern Menschen, die Flüchtlingen auf den Bahnhöfen Wasserflaschen reichen und Brezeln.“5

Ja, die „deutsche Willkommenskultur“ wird zelebriert. Endlich soll das Bild des hässlichen Deutschen ausgemerzt werden. Werktätige Menschen, die aufrichtig helfen und die unbeschränkte Aufnahme von Flüchtlingen befürworten, beherrschen die „sozialen Netzwerke“ und werden zu Aufmachern in allen Medien. In einer Art Marathonberichterstattung stehen für einige Wochen diese „Traumbilder deutscher Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft“ im Fokus.

Mit Langzeitwirkung. Wenn selbst die trotzkistische Berühmtheit, Schauspielerin Vanessa Redgrave im Dezember Merkel lobt: „Sie ist die einzige politische Führerin, die den Ernst der ‚Flüchtlingsnot‘ erkannt und versucht hat das richtige zu tun“, zeigt sich wie die Demagogie greift.

Allerdings herrscht, nur hundert Schritte außerhalb der Gut-Fühlzonen an den Ankunftspunkten, der raue rassistische Polizeikasernenhof-Ton vor und werden die geflüchteten Menschen mit der grausamen Realität konfrontiert: Sie sind völlig rechtlos, sie sind eine Verschiebemasse. Was sie wollen oder wohin sie wollen spielt keine Rolle.

Sie sind auf dem Verschiebebahnhof von Aufnahmelagern, Unterbringungsszenarien und vollkommener Kontrolle.

Deutsch-chauvinistische Mentalität äußert sich teilweise erschreckend auch in den von Freiwilligen betriebenen Aufnahmezentren. Bei Kleidervergabe und Essensverteilung. Nach dem Motto: „Wir, die Deutschen sind die Guten und die Flüchtlinge sollen gefälligst dankbar sein.“ Längst sind in einigen von Helfern betriebenen Kleiderkammern Erfassungsmechanismen eingeführt, wie z.B. „Bändchen“, die digital eingelesen werden. Totale Kontrolle darüber, damit pro Mensch ja nur ein Pullover und eine Hose ausgegeben wird. Obwohl Berge von Kleidung vorrätig sind. Es geht eben ums deutsche „Verteilungsprinzip“.

Merkel wollte mit ihrer „Wir schaffen es“-Tour, auf jeden Fall verhindern, dass es zu brutalen Militäreinsätzen gegen Flüchtlinge innerhalb der EU mit Hunderten oder Tausenden Toten kommt. Das wäre aber für die Herrschenden in dieser Situation die einzig praktikable Möglichkeit gewesen die Geflüchteten aufzuhalten. Solche Bilder würden das EU-Image weltweit und nachhaltig beschädigen, mit weitreichenden Folgen. Ebenso will Merkel die „Freizügigkeit“ innerhalb der EU aufrechterhalten sowie nationale Grenzschließungen und Sicherung verhindern.

Gleichzeitig zu Merkels Freundlichkeits-Manöver profilieren sich CSU-Seehofer und Gefolgschaft als Hardliner: „Merkel sieht die Größe der Herausforderung nicht“. Es herrsche „Gesetzlosigkeit in Deutschland“. Sie übernehmen bereitwillig den Part der Vaterlandsverteidiger und versuchen bei der PEGIDA- und AfD-Gefolgschaft zu punkten.

Vor allem CDU-Obermacker de Maizière hetzt über Geflüchtete: „Sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt, sie prügeln in Asylbewerbereinrichtungen“. Imaginierte „hohe Flüchtlingszahlen über jährlich zu erwartende Millionen“ nehmen Politiker von CSU/CDU, SPD, Grünen und in gewissem Maße auch die Linke im September, Oktober, November 2015 als Vorwand: Eine„Grenzbelastung ist erreicht“, (CDU Berlin) „erhöhte Gefahr rechtsextremer Anschläge“, (CSU, Herrmann), „Kapazitäten sind erschöpft“, CDU, „Die Zahlen müssen sinken“, (SPD, Gabriel/Steinmeier), „Einwanderung ist kein Menschenrecht“, (SPD Pfaffe, Richard Schröder, ehem. Verfassungsrichter). Der Spiegel-Titel „Deutschland im Ausnahmezustand: Kontrollverlust“ fasst die produzierte Stimmung treffend zusammen. 6

Politik und breite Schichten der Bevölkerung fordern: „Ungebrochenen Zustrom stoppen“, „Überforderung“, „Uns ist das alles zuviel geworden, zu viel Lärm, zu viele Flüchtlinge, zu viel Müll“. 7 CDU-SPD folgen dankbar der Propaganda von PEGIDA, als seien sie durch die „besorgten“ BürgerInnen und PEGIDA Massendemonstrationen die Getriebenen. Dabei ist es genau umgekehrt. Die Politik bedient sich eindrucksvoll des rassistischen Fascho-Mobs, um im Namen der „beunruhigten BürgerInnen“ ihre restriktive Politik gegen die Geflüchteten durchzusetzen und zu begründen.

Prognostizierte Wahlergebnisse der AfD in den Landtagswahlen 2016 werden als „Warnsignale“ und Argument für Gesetzesverschärfungen aller Art angeführt.

Die Straßenfaschos von AfD, PEGIDA und Dumpf-Deutschen werden immer offensiver: „Deutschland den Deutschen“, „An Merkel u. Co! Wieviel ISIS stecken in 1500000 Schein-Asylanten?“ (10.10.2015 Dresden)

Diverse Abschreckungsstrategien werden von allen möglichen Politikern entwickelt. CDU-de Maizière „hat eine Vision“, die lautet, EU-Grenzen total dicht zu machen und restriktiv eine kleine Zahl von Kontingentflüchtlingen zuzulassen. Wenn zum Beispiel Menschen aus Afrika über das Mittelmeer fliehen, bietet er folgende Lösung: „Wir dürfen niemanden sterben lassen, Lebensrettung ist auf jeden Fall das Wichtigste. Aber dann müssen die Menschen an einen sicheren Ort außerhalb Europas und nicht innerhalb Europas gebracht werden. Sonst macht eine Kontingentlösung natürlich wenig Sinn.“ De Maizière verspricht „an einen sicheren Ort, wo wir dann Hilfe leisten und alle haben die Chance Teil eines Kontingentes zu sein“.7

Internierungslager, so genannte Hotspots an den EU-Außengrenzen (Lampedusa, Italien und Griechenland) sollen jetzt die Lösung des Problems sein. Alle ankommenden geflüchteten Menschen werden zwangsweise dort aufgenommen und registriert. In Schnellverfahren werden Asylverfahren durchgezogen. Bei Ablehnung wird umgehend abgeschoben. Zwei wurden bereits mit EU-Personal auf Lampedusa und an der griechischen Grenze eingerichtet.

Mit Merkels freundlichem Gesicht wird von Anfang an mit Hochtouren auf imperialistische Lösungen hingearbeitet. EU-„Flüchtlingsgipfel“ werden angesetzt. Die „Abwehr von Flüchtlingen“ soll mit hohem finanziellen Aufwand sowie Militarisierung durchgesetzt, Asyl­gesetze weiter verschärft werden.

Gleichzeitig wollen die deutsche Bourgeoisie und Regierung natürlich nicht nur wegen ihres Images, „zahlenmäßig begrenzte Kontingente“ aufnehmen. Aber natürlich nur ausgewählte Geflüchtete. Das wird offen gesagt, sowohl von CDU/SPD wie auch Grünen und der Linkspartei. Für die Bevölkerungspolitik sei das unabdingbar notwendig. Deutschland braucht möglichst gut ausgebildete, junge Arbeitskräfte, die Geburtenzahlen sind im Sinkflug und die Überalterung der Gesellschaft nimmt rapide zu.

Fakten zur Freundlichkeitsshow der Politik –

Bittere Realität von geflüchteten Menschen im deutschen Alltag

Fakt ist, eine Million oder zwei Millionen oder drei Millionen oder sechs Millionen Flüchtlinge aufzunehmen, ist fast nichts im drittreichsten Land dieser Erde. Laut Grundgesetz und internationalen Abkommen hat die BRD sich selbst verpflichtet, verfolgten Menschen politisches Asyl oder aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention einen Schutzanspruch zu gewähren.

Dieser Staat könnte, wenn er nur wirklich wollte, von heute auf morgen eine Logistik entwickeln und Kapazitäten aufmachen, wo Millionen Menschen Zuflucht finden könnten. Die ganze geheuchelte Humanität ist eine elende Farce. Die Aufgaben, die der Staat und sein riesiger bürokratische Apparat bewältigen könnten, wälzt er auf freiwillige HelferInnen und zivilgesellschaftliches Engagement ab.

Gezielt wird nicht auf Ressourcen zurückgegriffen, um schnellst möglich angemessenen Wohnraum zu schaffen. Turnhallen werden beschlagnahmt, um den Unmut der Bevölkerung zu bestärken und Geflüchtete unter völlig menschunwürdigen Bedingungen in „Massenunterkünfte“ zu zwängen“.

Die „Angst“, die „Bedenken“ und die „Sorgen großer Teile der Bevölkerung“ werden systematisch geschürt, genährt, um dann als Argument für ein hartes Vorgehen genommen zu werden. Nachdem „wir eine Million Menschen“ ins Land gelassen haben, muss jetzt endlich Schluss sein und die europäischen Staaten müssen „gemeinsam“, also nach deutschem Diktat und Vorgabe, Kontingente von flüchtenden Menschen in alle Länder nach einem Schlüssel aufnehmen. 8

Derweil wird eines auf jeden Fall nicht gemacht, menschenwürdige Unterkünfte für die Menschen geschaffen. THW-Chef Broemme 9 hat in den letzten vier Jahren Lager für geflüchtete Menschen aus Syrien, in Jordanien und Irak inspiziert. In kürzester Zeit, so Broemme wurden für Hundertausende von Menschen Zelte, Duschen, Toiletten und Trinkwasserversorgung organisiert. Sein Fazit „Was mitten in der Wüste zu schaffen war, funktioniert in Berlin nicht“. Die Zustände vor dem LAGeSo spotten jeder Beschreibung. Das ist eine gewollte, zur Schau gestellte Bankrotterklärung. Durch neue Gesetzgebungen erhalten Geflüchtete in den „Aufnahmeeinrichtungen“ sechs Monate lang nur Sach- und keine Geldleistungen. Die Krankenversorgung für sie ist auf ein Zwei-Klassensystem heruntergefahren worden.

ver.di-Kongress in Leipzig (20.-26. September 2015): Der Bundeskongress von ver.di tagte auf dem Messegelände in Leipzig in Halle 4 in unmittelbarer Nachbarschaft zu Halle 3. In dieser waren Tausende Flüchtlinge untergebracht. ver.di war räumlich schon dazu gezwungen, sich mit den geflüchteten Menschen zu befassen. Zwei von ihnen „durften“ auf dem Kongress sprechen. Fouad al Moutaouakil aus Marokko schildert „Deutschland war für uns die Insel der Freiheit. Doch habe er feststellen müssen, dass es nicht ganz so ist. In der Großhalle… stünden fast 2000 Menschen nur 36 Toiletten und acht Duschen zur Verfügung.“ Weder könnten sie Wäsche waschen, noch nachts schlafen, da es zu laut sei. Auch gebe es keinerlei Informationen über den Ablauf der Registrierungen etc.10

Auch toppen sich bürgerliche Politiker in aberwitzigen Vorschlägen, z.B. junge syrische Männer, „sollten hier militärisch ausgebildet und zum Kriegseinsatz nach Syrien zurückgeschickt werden. … Sie säßen nicht beschäftigungslos in Massenunterkünften, sondern würden … einer zukunftsorientierten Tätigkeit zugeführt.“ 11 Das ist der blanke Zynismus.

Junge Menschen, traumatisiert vom Krieg und den Verlust von Familien und Freunden sollen gefälligst „in ihre Heimat zurück“ und für deutsche Interessen sterben! Diese Vorschläge wurden von der deutschtümelnden AfD begeistert in ihr Landtags-Wahlprogramm für 2016 aufgenommen. Die „jungen Syrer“ will sie vor allem im Anti-IS Kampf eingesetzt wissen. Gleichzeitig fordert die AfD ein Antiterror-Bündnis mit Russland ein. Ebenso wie die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zum al Assad-Regime. Den Einsatz von Bundeswehr und deutschen Soldaten in Syrien lehnt sie ab.

Mit ganz alltäglichem Rassismus, neben den Nazi-Angriffen, sind Dateien und Bücher zu füllen: Eine Handvoll Kinder geflüchteter Familien kommt auf die Grundschule „am Walde in Hamburg“. Sie werden in ein Extragebäude gesteckt, Eltern verlangen auch eigene Toiletten, wegen der Gefahr ansteckender Krankheiten. Absonderung und Isolation nicht nur im Lageralltag, nein auch in gesellschaftlichen Einrichtungen!

Der „Fluchtsektor“ wird zur Extra- Profitquelle: Unter „Wir schaffen das“ fällt auch die beabsichtigte Aussetzung von Mindestlohn und Kündigungsschutz, was zu absoluten Niedrigstlöhnen und völliger Willkür seitens der Konzerne und Unternehmer führen wird.

Das lukrative Geschäft mit Unterkünften für Geflüchtete ist ein boomender Sektor.

Auch deutsche Nazi-Unternehmer sind eingestiegen. „Integrations- und Deutschkurse“ werden von völlig unqualifizierten dubiosen Geschäftsleuten angeboten. Security mit Faschokadern stecken dick drinne, machen großen Reibach und gehen täglich rassistisch und gewaltsam gegen geflüchtete Menschen vor. In Hamburg hat sich die mit freiwilligen Helfern aufgebaute Kleiderkammer zu einem „wohltätigen“ Logistik-Großunternehmen entwickelt. Der Geschäftsführer arbeitet 60-70 Stunden die Woche, angeblich unbezahlt?!

Wir schaffen das“: Nationalistischer Schulterschluss mit deutscher Leitkultur

In allen Talkshows und in allen sozialen Medien, Netzwerken wird von einem „Wir“ und „Sie“ gesprochen. Von PEGIDA über CSU bis Grüne und Linke, alle beteiligen sich an dem Diskurs – was machen wir, Deutschland, mit den anderen, den Fremden, den Flüchtlingen, den Migranten, den Ländern, den Kriegen usw. Wir und die Welt, wir wollen sie, wie sie uns gefällt und wir sind die HERREN dieser Welt, mit unserer Zivilisation, unserem Grundgesetz, unserer deutschen Leitkultur.

Klare Ansage der CDU „der christliche Wertekanon gilt für alle, Menschen aller Religionen wie Atheisten: „Uns leiten unser christliches Menschenbild und die Rechts- und Werteordnung unseres Landes. Dieses Wertefundament gilt für alle – mit Rechten und Pflichten.“ Angewandte christliche Leitkultur für geflüchtete Menschen sieht dementsprechend so aus:

Flüchtlinge brauchen eine ausgestreckte Hand. Flüchtlinge brauchen aber auch eine Hand, die ihnen den Weg weist, wie unser Zusammenleben funktioniert. Denn wenn Integration gelingt, stellen die Menschen, die zu uns kommen, für die deutsche Gesellschaft einen Gewinn dar.“12 Die wegweisende Hand das ist der deutsche Chauvinismus pur. CDU-Bosbach, aber auch Gabriel, Grüne und auch linke Politiker produzieren ihn immer wieder, wenn sie sagen „Die Geflüchteten müssen sich uns anpassen“.

Die CDU will mit einem Integrationspflichtgesetz „verbindliche Integrationsvereinbarungen“ durchdrücken. „Zuwiderhandlung“ wird mit Strafsanktionen belegt werden „zum Beispiel Leistungskürzungen“ bis hin zur Ausweisung. Darin soll neben Anerkennung des Grundgesetzes u.a. eingefordert werden: „das Existenzrecht Israels als Teil der deutschen Staatsraison“, zu akzeptieren. „Ebenso werden wir Zwangsverheiratungen, verächtliche Gesten gegenüber und mangelnden Respekt vor Frauen und weiblichen Vorgesetzten entschieden bekämpfen.“13

Unsere sarkastische Empfehlung: Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für einen Großteil der biodeutschen Patriarchatsherren, die sich jeden Tag in „verächtlichen Gesten gegenüber und mangelndem Respekt vor Frauen“ profilieren.

Größte Verschärfung des Asylrechts seit 20 Jahren“ (CDU Eigenwerbung)

Die aktuelle Scheindebatte zwischen den bürgerlichen Parteien um „Obergrenzen, Begrenzung, Kontingentzahlen, Reduzierung“ der Anzahl der geflüchteten Menschen ist symptomatisch. Im Prinzip wollen sie alle dasselbe. Grenzen dicht und kontrollierte Aufnahme von Menschen orientiert an Interessen des Kapitals, der Monopole und des Staates. Und das ist Leitgedanke ihres aktuellen politischen Handelns.

Die SPD verschwindet in der ganzen Debatte in der Bedeutungslosigkeit. Sie zetert ein wenig, es darf „keine Obergrenzen für Flüchtlinge“ geben, und will einige brutale Gesetzesverschärfungen ein wenig abmildern, aber im Kern gibt es nicht einmal mehr graduelle Unterschiede zwischen ihr und der CDU.

Die Politik aller bürgerlicher Parteien bringt die CDU auf den Punkt: „Wir sind entschlossen, den Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen durch wirksame Maßnahmen spürbar zu verringern. Denn ein Andauern des aktuellen Zuzugs würde Staat und Gesellschaft, auch in einem Land wie Deutschland, auf Dauer überfordern. Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten viel durchgesetzt. Angefangen bei der Erhöhung der Abschiebungszahlen bis hin zur größten Verschärfung des Asylrechts seit 20Jahren.14 Alles bedeutet das Selbe! Und die SPD und die Grünen sind zufrieden!

Juli 2015 Verabschiedung verschärfter Gesetze gegen geflüchtete Menschen: Unter dem grotesken Begriff „Reform des Aufenthaltsgesetzes“ drastische Verschärfungen: Ein neues „Ausreisegewahrsam“ wird eingeführt und Abschiebeverhaftungen werden ausgeweitet. Schnellere Abschiebungen sollen damit ungestört durchgezogen werden. Weiter erschwert werden Bedingungen für den Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis.

AsylpaketI, das „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“(AvbG) ist seit dem 23. Oktober 2015 in Kraft. Dieses Gesetz nimmt Änderungen am bestehenden Asylgesetz (AsylG) vor. 15

Einschneidende Änderungen der Asylverfahrensregeln: Alle zielen darauf ab, die Verfahren erheblich zu beschleunigen. Schikanen und Sanktionen gegen Flüchtlingen erheblich zu verstärken. Die Anerkennung so schwer wie möglich zu machen.

Neue „sichere Herkunftsstaaten“: Stolz brüstet sich die CDU mit der Neureglung in diesem Gesetz: „Wir haben in den letzten Monaten erreicht, dass Bosnien-Herzegowina, Albanien, Montenegro, Serbien, Kosovo und Mazedonien“16 zu sicheren Herkunftsländern wurden. 17 Das heißt alle aus diesen Ländern ankommenden Flüchtlingen werden umgehend abgeschoben.

Internierung in Lagern: Alle Geflüchtete, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben, müssen statt bisher drei nun sechs Monate in einer „Erstaufnahmeeinrichtung“ bleiben. (§ 47 Asylgesetz). Für diesen Zeitraum gilt natürlich auch die Residenzpflicht, also das drastische Verbot sich aus einem von den Behörden bestimmten Gebiet (Stadt, Landkreis oder Bundesland) wegzubewegen.

Unter dem Motto von CDU/SPD-Regierung „soziale Anreize zum Verbleib in Deutschland zu reduzieren“ wird Geld zum Unterhalt gestrichen und nur Sachleistung (Wertgutscheine) gewährt. Weitere Auflage: Monatliche Neubeantragung von Leistungen. Geflüchtete Menschen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ müssen bis zur Entscheidung ihrer Verfahren in den Lagern bleiben.

Aussetzen von Leistungen: Für alle „abgelehnten“ Flüchtlinge gilt, wenn der „Ausreisetermin“ feststeht und nicht angetreten wird Leistungskürzungen um 40Prozent, wenn die Abschiebung „aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen“ nicht vollzogen werden kann. Letzteres trifft für alle Geflüchteten zu, die keine Identitätsdokumente vorlegen können. Das sind die zynisch genannten „geduldeten Personen“. 18

Im AsylpaketII wird die Schraube immer weiter angezogen – de facto völlige Aushebelung des individuellen Rechts auf Asyl.

Der Entwurf liegt vor, SPD und CDU führen darum noch Scheingefechte. Im Januar soll das Gesetz endgültig verabschiedet werden. Der Kern steht fest, Weise, Leiter des Bundesministerium für Migration, bringt es auf den Punkt: „Über Asylanträge wird künftig in 24 bis 48 Stunden entschieden.“

Damit wird jede tatsächliche „Prüfung“ der Flucht- und Lebensgeschichte jedes einzelnen Menschen ad acta gelegt. Gleichzeitig werden Sanktionsmöglichkeiten ausgedehnt: zum Beispiel wird bei „Residenzpflichtverstoß“ völliger Ausschluss vom Asylverfahren verhängt. Der „subsidiäre (behelfsmäßige, vorübergehende) Schutz“ für Bürgerkriegsflüchtlinge wird eingeschränkt, der Familiennachzug für eine Dauer von zwei Jahren ausgesetzt, Abschiebungen trotz lebensbedrohlichen Erkrankungen und „eine exklusive Beauftragung willfähriger Abschiebeärzte“ gesetzlich festgelegt. 19

Der Maßnahmenkatalog umfasst weiter: Regierungen, die eigene, von der BRD abgeschobene Staatsbürger nicht übernehmen, wird „die Entwicklungshilfe“ gestrichen. Umgekehrt, die Staaten, die Flüchtlinge „zurücknehmen“ werden dafür finanziell belohnt. Egal ob es faschistische Diktaturen wie Ägypten oder Kriegsschauplätze wie Afghanistan sind, die als sichere Herkunftsländer gelten.

Mitte Januar wird die Einführung des neuen „Flüchtlings-Ausweises“ gestartet. Ein absolut „komplexes“ Datenerfassungssystem. Der total gläserne, durchleuchtete Mensch. Alle persönlichen Daten, incl. Gesundheitsinfos, Rechtsstatus etc. werden von Bund, Ländern und Kommunen erfasst, gespeichert und sind für alle einsehbar. „Wer einmal mit seinem Fingerabdruck in dieses System aufgenommen wurde, dessen Daten können von allen möglichen offiziellen Stellen aufgerufen und ergänzt werden, beispielsweise vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und von Jobcentern“, so Staatssekretär Vitt/Bundesinnenministerium. 20

Flankiert werden die Verschärfungen durch die Ausdehnung des „Bundeswehr-Engagements“ im Rahmen des Eunavor Militäreinsatzes. 500-900 Soldaten sind im Einsatz gegen „Schleuserschiffe“, die sie aufs offene Meer abdrängen sollen.

Der seit Herbst 2013 zurückgefahrene Kriegseinsatz der BRD in Afghanistan, wird durch Kriegsministerin von der Leyen jetzt gestoppt. Statt Truppenabzug wird das Mandat verlängert, mit einer Option zur Ausweitung. Ein Grund hierfür ist, die „Flüchtlings-Begrenzungspolitik“. In Afghanistan sollen verstärkt „Innerstaatliche Fluchtalternativen“ (sichere Regionen/Internierungslager) durch die Bundeswehr ausgebaut werden. Statt Flucht nach Deutschland soll die Binnenflucht angekurbelt werden.

Diese Maßnahmen werden gekoppelt mit einer Millionen teuren Abschreckungskampagne des Außenministeriums für „alle Transit- und Herkunftsländer“, im Westbalkan, in arabischen (Irak, Libanon, Jordanien, Afghanistan) und afrikanischen Staaten. Mit deutschen und lokalen PR Agenturen vor Ort wird in sozialen Netzen, Infomaterialien, TV- und Radio-Abschreckung vor der Flucht nach Deutschland betrieben.

Rückübernahme-Abkommen“ schließen Deutschland und die EU mit möglichst vielen neokolonialen Ländern ab. Damit können Flüchtlinge, die aus diesen oder über diese Länder fliehen „zügig“ abgeschoben werden. An der bestehenden Umsetzung des Rückübernahme-Abkommens mit Pakistan von 2010 zeigt sich, Deutschland will sich vieler Menschen mittels dubioser Abschiebe-Begründungen entledigen. Pakistan hat nun das Abkommen im November 2015 aufgekündigt, da die EU und BRD u.a. beabsichtigen, Tausende afghanischer Menschen dorthin zurück zuschicken. Gleichzeitig planen sie Pakistan auf die Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ aufzunehmen.

EU „Kontingentlösung“ & Frontex – Militärische Abschottung

Auf EU-Ebene ist noch nicht eindeutig wohin die Reise geht. Außer was alle durchsetzen wollen, Außengrenzen zu und nur kontrollierte Einreise. Die bisherige beschlossene Kontingentaufteilung von 160 000 geflüchteten Menschen auf die europäischen Staaten funktioniert bislang nicht. Nur 220 Menschen wurden bisher in Länder zwangsweise aufgeteilt. Viele Staaten weigern sich praktisch bzw. klagen wie Ungarn vor dem europäischen Gerichtshof gegen die Regelung.

Die Merkel-Regierung drängt darauf, die europäische Asylagentur EASO auszubauen und ein gesamteuropäisches Aufnahmeverfahren durchzusetzen. Droh­szenarien vom Auseinanderfallen der EU gepaart mit finanziellen Erpressungsversuchen kursieren. Die EU-Ländergruppe „Koalition der Willigen“, hat gemeinsam mit der EU-Kommission, den „effektiven“ Schutz ihrer Außengrenzen bereits durchgesetzt. Gleichzeitig wurde auf Betreiben Merkels die Türkei „ins Boot geholt“.

Der Türkeideal soll Vorbild für weitere Abkommen mit Libanon und Jordanien sein. Die Staaten sollen Außengrenzen schließen, flüchtende Menschen aufhalten und wieder „zurückschieben“. Die Auslöse für die Türkei von 30 Mio. Euro wird von der EU übernommen. Dafür bietet sie im Gegenzug „Abnahme“ von ausgewählten „Flüchtlings-Kontingenten“.

Angedacht sind von der EU-Kommission aus der Türkei 50 000 syrische Menschen, am „liebsten Christen und Hochqualifizierte“ aufzunehmen. Keineswegs nur die rechts-fascho Regierungen von Ungarn und Polen, sondern auch Frankreich unter „Sozialdemokrat“ Hollande, die zweite Vormacht in Europa, verweigern die Aufnahme von Geflüchteten.

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex wird massiv militarisiert, personell und ausrüstungsmäßig verstärkt. Sie wird zur europäischen Küstenwache sowie zur europäischen Grenzschutzpolizei ausgebaut werden.

Antiislamismus/Islamphobie läuft auf Hochtouren

Der 13. November in Paris ist für den Westen eine Zäsur. IS-Kommandos verüben auf den Straßen von Paris in Cafés, vor einem Fußballstadion und in einer Konzerthalle ein verheerendes Blutbad. Über 130 Menschen werden faktisch hingerichtet. Gleichlautende West-Propaganda, die mit Antiislamismus hausiert: „Der Krieg gegen unsere Art zu leben“ (BILD) und „Attacke auf unsere Kultur“ (FAZ) auf allen Kanälen. Als sei es keine Kultur, in arabischen oder islamisch geprägten Ländern im Café zu sitzen, Essen zu gehen oder Musik zu hören. Nur als Randnotiz wird in den Medien der Angriff des IS am gleichen Tag in Bagdad/Irak mit 18 Toten, das IS-Selbstmordkommando in Beirut/Libanon mit 43 getöteten Menschen und 239 Verletzten erwähnt.

Ein Aufschrei geht durch Europa und die imperialistischen Länder. Die Antwort Frankreichs und Deutschlands: Krieg gegen den IS in Syrien. Hollande martialisch: „Frankreich befindet sich im Krieg mit dem IS. Wir werden schonungslos sein.“

Im Schnellverfahren hat die CDU/SPD-Regierung den Kriegseinsatz der Bundeswehr im Syrienkrieg im Parlament durchgepeitscht.

Sofort nach den Anschlägen in Paris wurde natürlich umgehend die „Flüchtlingsfrage“ zur Frage islamischer IS-Kämpfer, die mit den „Flüchtlingsmassen“ ins Herzen Europas, vor allem ins deutsche Heimatreich einströmen, gemacht.

So hetzten deutsche Politiker, die syrischen Flüchtlinge würden den Terror nach Deutschland importieren. Eine Angstkampagne unter dem Motto „Wir stehen im Fadenkreuz des IS-Terrorismus“, auch angestachelt von PEGIDA und Nazis aller Sorten, um die geplanten Asylgesetzverschärfungen zu rechtfertigen, fiel in weiten Teilen der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden.

Aktuell wird die zwischenzeitlich ausgesetzte Einzelfallprüfung für syrische Flüchtlinge wieder eingeführt. Alle Geflüchteten werden abgetastet und eingehend untersucht und überprüft. Nach dem Motto: Jede/Araber/in und jeder Muslim, jede Muslima ist ein potentieller Selbstmordanschlags-Kandidat/in.

Das Zusammenspiel von faschistischen Aufmärschen und warnender Politiker-Rhetorik „vor der ganzen Welt, die nach Deutschland will“ funktioniert. Gepaart mit der allgegenwärtigen Islamphobie stiegen die gewalttätigen Angriffe auf Menschen, die nicht ins deutsche Klischee passen, weiter an.

Rassismus auf breiter Front und die Nazis schreiten zur Tat

Bürgerliche Medien und Politik fungieren als geistige Brandstifter wie in den 1990er Jahren: „Ansturm von Flüchtlingen“, „Deutschland wird überrannt“, „Kapazitäten sind völlig ausgeschöpft“, „schneller abschieben“, „Deutschland ist nicht das Weltsozialamt“.

Täglich neue Horrormeldungen von „überforderten Kommunen, Gemeinden und Städten“. Rassistische Hetze gegen Flüchtlinge, gepaart mit der allgegenwärtigen Islamphobie, ist grenzenlos und die Saat geht auf.

Die Brandstifter wüten derzeit in vielen Orten, von PEGIDA, AfD und Nazis mobilisiert. Und wieder und wieder werden Unterkünfte und Wohnungen angefackelt! So in den letzten Wochen in Tannenbergsthal (Vogtland), Altenburg (Thüringen), Herxheim (Pfalz), Heide (Schleswig-Holstein). Der mögliche Tod von BewohnerInnen ist einkalkuliert. Laut BKA Statistik wurde für 2015 zum Stichtag 7. Dezember, eine drastische Steigerung auf 817 Übergriffe festgestellt. (2014: 199. Wobei weder 2014 noch 2015 tatsächlich alle Angriffe statistisch erfasst wurden) Die Aufklärungsrate hingegen tendiert gegen Null. Warum wohl?

In einer Schule in Wurzen, nahe Leipzig werden Kinder/Jugendliche von deutschen SchülerInnen mit faschistischen Sprüchen und tätlich malträtiert. Transportbusse mit geflüchteten Menschen werden mit Steinen beworfen.

Das Hauptproblem für die bürgerliche Politik formuliert Bundestagspräsident Lammert: „Das ist eine Schande und peinlich für unser Land“. Pastor Gauck spricht von „Dunkeldeutschland“. Selbst der Kommentator in den Tagesthemen gibt die rassistische Konnotation zu bedenken: „Wie glücklich der Begriff Dunkeldeutschland gewählt ist, darüber lässt sich sicher streiten.“21

Nach Lobeshymnen auf die deutschen BürgerInnen und ihre Hilfsbereitschaft werden in der Karlsruher CDU Erklärung diese Angriffe als „widerwärtig“ bewertet. (Ohne sie natürlich als rassistische Gewalt zu benennen.) Perfide wird dann sofort nachgeschoben: „Es gibt keine Rechtfertigung für Ausschreitungen und Gewalt in Flüchtlingsunterkünften. Dort, wo es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in Flüchtlingsunterkünften kommt, greifen wir entschlossen durch.“22 Brutale, organisierte Nazi-Angriffe, Überfälle, Mordanschläge und Brandstiftungen werden auf eine Stufe gestellt mit verzweifelten Ausbrüchen unter geflüchteten Menschen. Solche Auseinandersetzungen sind durch die unerträglichen Unterbringungen, die der deutsche Staat zu bieten hat, unausweichlich.

Opposition: Grün und Links ?

Im September fordert Grünen-Oberbürgermeister in Tübingen, B. Palmer einen grundlegenden Politikschwenk. In seinem „Positionspapier“ beklagt er: „Die schiere Zahl der Flüchtlinge habe die Grundfesten der deutschen Asylpolitik hinweggefegt. ... Die asylfreundlichen Grünen müssen einsehen, dass die Aufnahmefähigkeit der Gesellschaft und des Staates an eine Grenze kommt“. Hier ist hinweggefegter Grünen-Humanismus zu besichtigen! „Landesvater“ Kretschmann mit KBW-Vergangenheit 23, spricht im Gegensatz zu CDU- und AfD-Politikern nicht davon, dass die ganze Welt zu uns kommen will, sondern: „Wenn die halbe Welt (!) auf die Idee kommt, nach Deutschland zu kommen, dann können wir das nicht stemmen.“ Gleichzeitig bietet er pragmatisches Christentum an: „Ich vertrete einen pragmatischen Humanismus, abgeleitet aus dem Hauptgebot des Christentums: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Von uns wird also nicht selbstlose Liebe erwartet – wir müssen auch auf uns selbst achten. Niemand verlangt, dass wir uns überfordern.“24 und Özdemir: „Zur Ehrlichkeit gehört aber auch zu sagen, dass nicht alle bleiben können“. Ganz auf dieser Linie sind die Grünen durchaus einverstanden mit Internierungslagern wie den sogenannten Hotspots.

Die Linke: In Regierungsverantwortung in Thüringen mit Ministerpräsident Ramelow werden von der Linkspartei auch Abschiebungen vorgenommen. Und die Partei geht noch weiter: Ein kleiner Flughafen in Altenburg soll von den Gesellschaftern (Anteilseigner das Land, unter einer Linken-Kreis-Chefin) zu einem bundesweiten Drehkreuz für schnelle Abschiebungen abgelehnter Geflüchteter ausgebaut werden.

Thüringen hat im Oktober nicht etwa gegen das Asylpaket I im Bundesrat gestimmt, sondern sich enthalten. Begründung Ramelows war nicht die dramatische Verschärfung der Gesetze, sondern die unzureichende finanzielle Entlastung durch den Bund.

Ein weiterer Splitter aus der Meinungsvielfalt: Andreas Wehr ist Linkenpartei- und Vorstandsmitglied der Marx-Engels-Stiftung: „Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Flüchtlingskrise ... Klarheit über die aktuelle Bedeutung der Nation. ... Zum modernen (!) Nationalstaat gehört das Recht der in ihm lebenden Bevölkerung, darüber zu entscheiden, wer in ihn einwandern darf. Kein Volk der Erde wird auf Dauer eine ungesteuerte Zuwanderung hinnehmen wie es gegenwärtig in Deutschland der Fall ist. Zum modernen Nationalstaat gehören auch Grenzen.“25

Werner Bischoff, Mitglied der Linkspartei spielt nationalistisch geflüchtete Menschen und „arme Deutsche“ gegeneinander aus: „Ich lese, welch gutmütige Herzen Sie alle für Asylbewerber haben. Könnten sie eventuell auch mal für diese deutsche Mutter zweier Kinder etwas spenden?“ und hetzt dreist „Bezieher deutscher Sozialleistungen bekämen weniger Geld als Asylbewerber.“ 26 Das Fraktionsbündnis von Linke und DKP in Darmstadt löste sich nach dieser Meinungsmache daraufhin auf.

Was Tun?

Fluchtursachen bekämpfen“ ist für die Herrschenden ein weiteres Schlagwort um neokoloniale Kriege zu führen. Für uns, die linke und revolutionäre Bewegung in der BRD, bedeutet „Fluchtursachen bekämpfen“, vor allem den BRD-Imperialismus anzugreifen. Seine Kriegs-, Ausbeutungs- und „Entwicklungs“politik in den abhängigen und neokolonialen Ländern ist (im Zusammenspiel mit seinen „Partnern“) Hauptursache für Not, Elend, Krieg und Flucht.

Migrationen in Zeiten der „Globalisierung“ sind unausweichliche Folgen der Kapitalherrschaft und ein unaufhaltbarer, objektiver Prozess. Durch High-Speed-Technologien, durch Vernetzung, durch Kommunikationswege und schnelle Verkehrs-Transportmittel werden ungeheure Möglichkeiten eröffnet für ein „Zusammenschmelzen“ aller Menschen in allen Ländern rund um den ganzen Globus. Aber der Imperialismus nutzt sie für das Gegenteil.

Auch wenn Migrationen zumeist aus wirtschaftlichen, politischen oder sonstigen Notwendigkeiten ausgelöst werden, sie haben auch eine zutiefst emanzipatorische fortschrittliche Seite. Wenn immi­grierende wie auch „einheimische“ Werktätige aus unterschiedlichen Ländern, Traditionen, Kulturen aufeinandertreffen, auch wenn es in Ausbeutungs- und rassistischen Verhältnissen stattfindet, dann wird die nationalistische Engstirnigkeit durchlöchert, langfristig der Horizont erweitert und erleben Werktätige reale solidarische Erfahrungen. Nationale Schranken werden faktisch immer stärker aufgebrochen.

Für uns gilt, nur wenn die ArbeiterInnen der imperialistischen Länder sich ihrer Mitverantwortung für die Ausbeutung und Kriege ihrer Herrschenden bewusst werden, wenn sie ihre privilegierte Stellung, dank Extraprofiten und Bestechung durchs Kapital aufgeben, vorherrschenden Rassismus und Feindseligkeit gegen Geflüchtete und MigrantInnen offensiv angreifen, und alle Klassengeschwister der abhängigen Länder, sowie die im „eigenen“ Land besonders unterdrückten, ausgebeuteten MigrantInnen und ihre Selbstorganisierung mit aller Kraft unterstützen, nur dann kann gemeinsam der Kampf für eine andere Welt, für den Sozialismus Wirklichkeit werden.

Das klingt in heutigen Zeiten, wo Nationalismus, Rassismus und Chauvinismus ungeheuren Auftrieb haben, wie eine völlige Illusion. Aber letztlich wird die Geschichte der Klassenkämpfe sich daraufhin zu bewegen. Es kommt auf uns alle an, diesen Prozess anzustoßen und zu beschleunigen.

Unser Ziel ist eine Welt ohne Staaten, ohne Grenzen und ohne Unterdrückung und Ausbeutung des Menschen durch den Menschen! In der linken Bewegung läuft von antirassistischen, antifaschistischen und antikapitalistischen, lokalen und überregionalen Bündnissen praktische Solidaritätsarbeit. Konvois um Geflüchtete über die Grenzen zu bringen, transportable Volksküchen und medizinische Hilfe wurden organisiert, leerstehender Wohnraum in verschiedenen Städten für Geflüchtete besetzt.

Unterstützung in vielen Bereichen des Alltags der Geflüchteten wird auf die Beine gestellt. Aber politisch sind wir weitgehend in der Defensive. Warum keine zentralen Kundgebungen und Aktionen gegen das Durchpeitschen immer neuer verschärfter Asylgesetzgebung? Warum kein mächtiger „Aufstand“ gegen die rassistisch-faschistischen Nazi-Angriffe? Warum kann die AfD in einer bundesweiten Demo ungehindert durch Berlin marschieren? Diese Fragen müssen wir uns alle stellen und die Ursachen angehen.

Politisch gilt es, den Herrschenden hier auf breiter Front entgegen zu treten. Solidarisch geflüchtete Menschen praktisch zu unterstützen und zusammen den Kampf für ihre Interessen führen.

Selbstorganisierte Widerstandskämpfe von Geflüchteten unbedingt mittragen und unterstützen! Praktische Solidarität in den Betrieben und vor Ort organisieren, aber unbedingt auch mit breit mobilisierten bundesweiten Aktionen, verbinden und Zeichen gegen die herrschenden Zustände, das System setzen: das ist dringende aktuelle Aufgabe!

Wir stellen demokratische Forderungen: Grenzen auf und Bleiberecht für alle! Gleiche Rechte für alle geflüchteten Menschen!

Wir stellen diese Forderungen, um das Bewusstsein der Werktätigen aufzuklären, um Zusammenhänge offenzulegen und Verbesserungen, die unserem gemeinsamen Kampf nutzen, zu erkämpfen. Gleichzeitig wenden wir uns gegen jegliche Illusionsmacherei und entlarven die Heuchelei von NGOs, Organisationen wie Pro Asyl und linksreformistischen Gruppierungen. Sie verweisen unablässig auf die UN-Menschenrechtscharta und appellieren an die „Humanität“ und Verantwortlichkeit des deutschen Staates. Sie fordern „Menschlichkeit“ und „Moral“. Dieser Staat hat keine Moral.

Wir müssen den revolutionären Kampf gegen die Repression des Staates und sein System bewusst über legale Grenzen hinweg führen.

In den letzten Jahren war es der Mut, die Widerstandskraft und politische Entschlossenheit vieler Geflüchteten, die sich in revolutionären Gruppen und Organisationen zusammengeschlossen haben und den deutschen Staat angeprangert haben.

Sie haben mit Hungerstreiks, „Karawanen-Demos“ durch Europa eine Öffentlichkeit über die unerträglichen Bedingungen in allen Lebensbereichen für Geflüchtete geschaffen. Die Residenzpflicht wurde durch ihren Widerstand in etlichen Bundesländern faktisch abgeschafft.

Eigenständige Massenorganisationen, oder eigene Sektionen von Geflüchteten in bestehenden revolutionären Organisationen, wie MigrantenarbeiterInnen-Sektionen, vernetzen und stärken unsere gemeinsamen Kämpfe!

"Selbst in Zeiten ansteigender Zahlen sind Flüchtlinge global sehr ungleich verteilt. Reichere Länder nehmen weit weniger Flüchtlinge auf als weniger reiche. Knapp neun von zehn Flüchtlinge (86Prozent) befanden sich 2014 in Ländern, die als wirtschaftlich weniger entwickelt gelten. Ein Viertel aller Flüchtlinge war in Staaten, die auf der UN-Liste der am wenigsten entwickelten Länder zu finden sind.“ (UNHCR 18.06.2015, Halbjahresbericht)

10 Haupt-Herkunftsländer von geflüchteten Menschen

(2015 UNHCR)

Syrien, 3,9 Mio.

Afghanistan 2,6 Mio.

Somalia 1,2 Mio.

Südsudan 744100

Sudan 640000

Demo. Rep. Kongo 535300

Zentralafrikanische Republik 420 000,

Myanmar 480 000

Eritrea 383 900

Irak 377.700

(6 afrikanische Länder)

10 Haupt-Aufnahmeländer

Türkei, Pakistan, Libanon, Iran, Äthiopien, Jordanien, Kenia, Uganda, Tschad, Sudan

Deutschland 2015

Herkunftsländer

Syrien, Afghanistan, Irak, Eritrea.

(Bis Herbst 2015 auch Albanien, Kosovo, dann als „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft.)


1unhcr.de/presse/nachrichten/artikel/eine million-fluechtlinge-und-migranten-flohen-2015-nach-europa.html

2Pressekonferenz mit Bundeskanzler Werner Faymann, Österreich, 15.09.2015

3Spiegel 39/2015

4Spiegel 39/19.09.2015, S.21

5Spiegel 39/2015, S.41

6Spiegel, Nr. 45/30.10.2015

7Spiegel, Nr.43/2015, S.29

8Spiegel 39/2015, S.41

9Präsident des THW, Technisches Hilfswerk

10ver.di Publik, spezial, S.B4

11Ploetz, ehemaliger deutscher Botschafter bei der NATO, Turner ehem. Berliner Wissenschaftssenator, Tsp, 01.12.2015

12CDU, „Karlsruher Erklärung zu Terror und Sicherheit, Flucht und Integration“, 14.12.2015, cdu.de/system/tdf/media/dokumente/beschluss-karlsruher-erklaerung.pdf?file=1

13ebenda

14ebenda

15Siehe neue Version: www.asylgesetz.de/%C2%A7/47-aufenthalt-aufnahmeeinrichtungen.html

16„Karlsruher Erklärung“

17AnlageII, zu §29 AvbG, zusätzlich sind in Afrika noch Ghana und Senegal als „Sichere Herkunftsstaaten“ gelistet.

18www.proasyl.de/de/news/detail/news/asylpaket_i_asylrechtliche_aenderungen_seit_dem_23102015_in_kraft

19www.proasyl.de/de/news/detail/news/asylpaket_ii_frontalangriff_auf_das_individuelle_asylrecht/

20dpa, 18.12.2015

21ARD, 26.08.2015

22„Karlsruher Erklärung“

23KBW – Kommunistischer Bund Westdeutschland

24Spiegel 49/2015, S.51

25A.Wehr, newsletter, November 2015, zitiert in ak Nr.60, S.15

26junge Welt, 02.12.2015



[1]     Serdar Korucu, Aris Nalcı, „2015’ten 50 yıl önce 1965 1915’ten 50 yıl sonra“, (50 Jahre vor 2015 - 1965 - 50 Jahre nach 1915), Ermeni Kültürü ve Dayanışma Derneği, 2014

[2]     Nationaler Befreiungskrieg: 1919-1922. Gegen die völlige Zerschlagung und Aufteilung des Osmanischen Reiches in imperialistische Einflussgebiete der Entente-Mächte, England, Frankreich, Italien und Griechenland stellte sich Mustafa Kemal an die Spitze osmanischer Truppenteile und widersetzte sich erfolgreich diesem Vorhaben. Die militärischen Erfolge seiner Armee erzwangen von den Imperialisten den Abschluss des Vertrages von Lausanne, der den 1920 zwischen den Entente Mächten und dem Osmanischen Reich geschlossenen Vertrag von Sèvre aufhob.

[3]     Gasi Mustafa Kemal Pascha, „Der Weg zur Freiheit, 1919-1920“, Originaltitel „Nutuk“, Deutsche Ausgabe 1928, S.4-5, Verlag K. F. Koehler, Leipzig

[4]     Mohammedaner, mohammedanisch: Umgangssprachlich veraltet für Muslime und muslimisch. Mohammedanismus veraltet für Islam.

[5]     Kemal, „Der Weg“, S. 16

[6]     Taner Akçam, „Armenien und der Völkermord, Die Istanbuler Prozesse und die türkische Nationalbewegung“, 2004, S.126-127, Hamburger Edition

[7]     Kurt Ziemke, „Die Neue Türkei“, 1930, S.126, Deutsche Verlags-Anstalt

[8]     Ayşe Hür, „6-7 Eylül yağmasının 59.yıldönümünde Cumhuriyetin azınlık raporu“, 07.09.2014, S.2

[9]     Kemal, „Die Nationale Revolution 1920-1927“, Deutsche Ausgabe 1928, S. 263, Verlag K. F. Koehler, Leipzig, S. 263

[10]    Ziemke, „Türkei“, S.282

[11]    „Lausanner Vertrag über den Schutz von Minderheiten in der Türkei vom 21.Juli 1923“, www.suryoyo.uni-goettingen.de/library/laussaner-vertrag.htm

[12]    de.wikipedia.org/wiki/Enteignung_der_Armenier_in_der_Türkei, Stand 14.07.2015

[13]    Kemal, „Der Weg“, S.266

[14]    September 1930, Ayşe Hür, „6-7Eylül yağmasının“, 07.09.2014, S.4

[15]    Akçam, „Istanbuler Prozesse”, S. 137

[16]     „Enzyklopädie der Sozialistischen Sowjetrepubliken“, Bd.1, S.728-729, 1950, Verlag Kultur und Fortschritt Berlin

[17]    Selbstdarstellung in ihrer Zeitschrift gleichen Namens: Nor Zartonk ist eine Selbstorganisierung des armenischen Volkes. Nor Zartonk – steht für Gleichheit, Gerechtigkeit und Frieden; –vertritt das Selbstbestimmungsrecht der Völker und den Internationalismus; –ist gegen das Kapital und für die Werktätigen; –tritt für die Gedanken-, Meinungs- und Organisierungsfreiheit ein; –vertritt Basisdemokratie und Selbstverwaltung - ist gegen Rassismus, Nationalismus, Militarismus und jegliche Diskriminierung; –stellt sich gegen das Patriarchat (Männerherrschaftssystem); –ist gegen jede Diskriminerung aufgrund der geschlechtlichen Ausrichtung oder Identität; –steht für ein ökologisches Leben und für Anerkennung aller Arten; –ist gegen die Gerontokrasie, die Herrschaft der Alten über die Jungen. www.norzartonk.org

[18]    AKA-DER, IHD (Menschenrechtsverein), Nor Zartonk, Turabdin Süryanileri Platformu, Yüzleşme Platformu, Zan Sosyal Siyasal İktisadi Araştırmalar Vakfı

[19]    Siehe Gemeinsame Erklärung „Wir verurteilen erneut den Genozid an den Armeniern am Hundersten Jahrestag“. TKP/ML, KPGriechenlands/ML; Revolutionäre Front zur Verteidigung der Rechte der Völker Brasilien; Revolutionäre Front der Völker Boliviens, (ML-Maoistisch); Union der Revolutionären Kommunisten Chile (ML-M); Organisation zum Wiederaufbau der KP-Kolumbien; KP Ecuador-Rote Sonne; MSG-Maoistische Gruppe (Keine Landesangabe TA); Revolutionäre ml-m Lerngruppe USA; KP Indien (ML); ML Proletarische Linie Marokko.